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Titel: Offener Brief an den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes zu dessen Forderung, die durch den Ukrainekrieg angeblich entstandene neue Bedrohungslage an den Schulen zu vermitteln
Datum: 27. September 2024 um 12:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Bildungspolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Jochen Scholz, der Verfasser dieses Offenen Briefes, ist Oberstleutnant a. D. und Mitglied im Gesprächskreis Frieden und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der zugegebenermaßen etwas lange Brief bietet eine gute Übersicht über den Ukraine-Konflikt, seine Hintergründe und Konsequenzen für Europa und die Welt. Auf Anregung von Jochen Scholz geben wir unseren Leserinnen und Lesern dieses Dokument zur Kenntnis. Albrecht Müller.
Sehr geehrte Redaktion,
ich übersende Ihnen meinen Offenen Brief an den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes zu dessen Forderung, die durch den Ukrainekrieg angeblich entstandene neue Bedrohungslage an den Schulen zu vermitteln und würde mich freuen, wenn Sie ihn veröffentlichen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Scholz
Gesendet: Dienstag, 24. September 2024 um 01:27 Uhr
Von: “Jochen Scholz”
An: [email protected]
Betreff: z.Hd. Herrn Düll. Ihre Foderungen Ihres Vorsitzenden im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg
Offener Brief an den Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes
Sehr geehrter Herr Düll,
in der BILD vom 17.03.24 werden Sie wie folgt zitiert:
„Sinnvoll“, findet das Lehrer-Präsident Stefan Düll (59). Zu BILD sagt er: „Ich erwarte von der Bundesministerin, dass sie jetzt das Gespräch mit den Bildungsministern in den Bundesländern sucht. Eine Absichtserklärung reicht nicht, jetzt muss im Politik-Unterricht zum Ukraine-Krieg und zur gesamteuropäischen, ja globalen Bedrohungslage gelehrt werden.“ Jugendoffiziere seien dabei eine „sinnvolle Unterstützung“….Viel zu lange habe in Deutschland eine „Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung“ geherrscht, jetzt „schafft der Ukraine-Krieg ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss“
Diese Forderungen zeigen, dass Sie weder über die inzwischen über dreißigjährige Vorgeschichte dieses Krieges, noch über amerikanische Geopolitik informiert sind. Klaus von Dohnanyi äußerte kürzlich im Hamburger Abendblatt, „Wir sollten aufhören, Märchen zu erfinden, die wir uns dann immer wieder vorlesen“. Er machte diese Aussage hinsichtlich der seitens der Politker diesseits und jenseits des Atlantiks behaupteten russischen Bedrohung der europäischen Staaten, wenn Russland die Ukraine besiegt habe. Nun wollen Sie deses Märchen also unseren Kindern in der Schule vorlesen. Unter anderem von den jungen Jugendoffizieren der Bundeswehr, deren Führung – Minister und Generalität – eben dieses Märchen täglich verbreiten, dessen Opfer auch Sie geworden sind. Das wäre jedoch nichts weniger als Indoktrination. Ich hege die Hoffnung, dass Sie und Ihr Verband lernfähig sind. Deswegen übersende ich Ihnen meine Analyse der Vorgeschichte des Ukrainekrieges, in der ich fast ausschließlich amerikanische Quellen zitiere, und zwar seit 1990.
Darüber hinaus noch einige Empfehlungen, die Ihnen helfen können, Ihr derzeitiges Weltbild zu hinterfragen
Das Märchen von der russischen Bedrohung der EU-Staaten ist übrigens eine Neuauflage des Märchens, auf dem sämtliche WINTEX-Übungen der NATO bis zur letzten 1989 beruhten, dass nämlich die UdSSR/der Warschauer Pakt die Absicht habe, bis zum Atlantik vorzustoßen.
Dieses Märchen wurde 1988 von der CIA in einem Vortrtag in Langley als solches entlarvt. Der Anlass: der Routine-Jahresbesuch der Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei den Kollegen des Kongresses. Die Delegation wurde vom damaligen Parlamentarischen Staatssekretär im BMVg, Willy Wimmer, geleitet.
In seinem Buch “Die Akte Moskau” schildert er die Kernaussage des vortragenden Beamten auf den Seiten 143ff.: Alles, was die UdSSR nach 1945 im Ostblock politisch unternommen habe, hatte defensiven Charakter vor dem Hintergrund der russischen historischen Erfahrungen mit Napoleon und Hitler und habe, wörtlich, “dem Schutz von Mütterchen Russland” gedient.
Zu diesem Zeitpunkt standen die Zeichen auf Entspannung (Reagan und Gorbatschow), u. a. war 1987 der Vertrag über die jeweiligen atomar bestückten Mittelstreckenraketen Pershinhg-II und SS-20 (INF) ratifiziert worden. Damit konnte das Märchen als solches zugegeben werde. Der Generalinspekteur der Bundeswehr beschwor den US-Botschafter in Bonn, davon nichts an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, denn sonst stünde es schlecht um die Motivation der Soldaten.
Was lernen wir daraus über amerikanische Geopolitik in Bezug auf Europa, und Sie hoffentlich auch?
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Scholz
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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