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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 10. Februar 2012 um 8:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung JB: Auch wenn ich mit keinem einzigen der Punkte, die Norbert Walter (Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank) in seinem Aufsatz nennt, übereinstimme, so muss ich Walter doch für seine Offenheit danken. Endlich sagt mal einer der Verantwortlichen, dass es bei der ganzen Eurokrise gar nicht um Griechenland geht und eine Rettung überhaupt nicht angestrebt wird. Es geht vielmehr darum, dass Deutschland über eine Fiskalunion die Wirtschafts- und Finanzpolitik der gesamten Eurozone diktieren kann. Das schreiben wir auf den NachDenkSeiten zwar schon seit Ewigkeiten, aber es ist natürlich schön, wenn man auch einmal eine Bestätigung dieser Aussage aus dem Mund eines der Architekten des neoliberalen Systems vernimmt.
passend dazu: Was hat das Senken von Löhnen mit sparen zu tun?
In Athen wird immer noch über das Sparpaket verhandelt. Wie absurd dessen Inhalt ist, zeigen die Details, die Stück für Stück die Öffentlichkeit erreichen. So soll Griechenland vor allem zustimmen, die Löhne von Arbeitnehmern zu kürzen. Die Rede ist von einem drastisch sinkenden Mindestlohn und von einem Einfrieren der Einkommen in der Privatwirtschaft. Ziel der Übung soll sein, dadurch die Arbeitslosenquote von derzeit mehr als 19 Prozent auf 10 Prozent zu drücken.
Quelle: André Tautenhahn
Anmerkung JB: Anders als Destatis und die BA veröffentlich die griechischen Statistikbehörde ELSTAT die Arbeitsmarktdaten mit mehrmonatiger Verspätung. Es ist also davon auszugehen, dass die katastrophalen Novemberzahlen schon längst von der Realität getoppt wurden.
Anmerkung MB: Zur Passage in der bayerischen Versfassung, die Lafontaine anspricht – in der hessischen Verfassung gibt es noch die Todesstrafe.
Anmerkung JB: Es ist schon mehr als paradox, dass sich die privaten Gläubiger an einer „freiwilligen“ Umschuldung beteiligen sollen, während die EZB außen vor bleibt. Die Anleihen im Nominalwert von 55 Mrd. Euro müssen von Athen inkl. Zins voll bedient werden, egal wie hoch der „Haircut“, der aufgrund der „Freiwilligkeit“ nicht so heißen darf, ausfällt. Da wäre es doch ehrlicher endlich einen echten Staatsbankrott hinzulegen. Dann bliebe der EZB gar keine andere Wahl, als ihre Positionen zum Teil abzuschreiben. Aber bei einem echten Staatsbankrott, der ein Kreditereignis im Sinne der Kreditausfallversicherungen wäre, würde eine wahrscheinlich niedrige zweistellige Milliardensumme an die Hedge-Fonds auf der anderen Seite des Atlantiks fließen – das will die EU aber nicht. Und Griechenland muss dafür bezahlen, ob es will oder nicht.
Anmerkung Orlando Pascheit: Was das BMWI nicht sagt: Das ist der größte, (vom BMWI) völlig unerwartete Einbruch seit drei Jahren. Die Krise lebt. Wenn das BMWI darauf abhebt, dass die “Stabilisierung der Auftragseingänge … erste Anzeichen für eine Überwindung der Schwächephase” sei, dann sollte man dazu sagen, dass die Zunahme der Auftragseingänge in der Industrie im Dezember um 1,7% – im November Rückgang um 4,9% – auf einer deutlichen Zunahme der Auslandsnachfrage um 4,3% basiert, präziser durch die nicht zur Eurozone gehörenden Ländern um 12,3%. Die Bestellungen aus der Eurozone gingen um 6,8% und im Inland um 1,4% zurück. Was sich stabilisiert, ist die „Eurokrise“.
Auch der Deutsche Export zeigt Ermüdungserscheinungen. Auch wenn 2011 erstmals Waren für mehr als eine Billion Euro ins Ausland verkauft wurden, im Dezember schrumpften die Ausfuhren im Vergleich zum November deutlich.
Kein Wunder, dass das deutschen BIP laut DIW im letzten Quartal um 0,2 Prozent absank. Schlagzeilen wie sie z.B die SZ produziert sind mehr als naiv, sie täuschen den Leser: “Warum Deutschland ein neues Wirtschaftswunder erlebt”. Die Zukunft Deutschlands ist alles ander als rosig, nur weil es unserer Volkswirtschft zurzeit etwas besser geht als anderen. Zudem sollte man auch einmal darufhinweisen, dass Exportzahlen reine Umsatzzahlen sind. Wie viel reale deutsche Wertschöpfung dahinter steht, ist eine ganz ander Frage.
Anmerkung unseres Lesers H.H.: Neben dem propagierten Jobwunder haben wir jetzt gar ein Wirtschaftswunder. Und dass die “Chinesen Stuttgart 21 längst gebaut hätten”, so der Kommentar eines deutschen Wirtschaftswunder-Mittelständlers, versteht sich von selbst. Wozu brauchen wir hierzulande überhaupt noch demokratische Strukturen, die doch alles andere als marktkonform sind.
Ergänzende Anmerkung MB: In China werden für Staudämme und andere Projekte auch Hunderttausende von Menschen zwangsumgesiedelt.
Schade, dass in Deutschland die Sklavenarbeit ohne Einschränkung verboten ist. Dadurch werden die deutsche Wirtschaft und die deutschen Exportgeschäfte mehr behindert als es durch einen branchenübergreifenden Mindestlohn je möglich wäre.
Der im Artikel zitierte Tunnelbaumaschinenhersteller Herrenkecht ist übrigens CDU-Mitglied und begleitete schon vor Jahren seine damaligen Ministerpräsidenten Teufel und Oettinger. Zwischen ihm und früheren Regierungsmitgliedern von BadenWürttemberg bestehen erhebliche Interessenverquickungen und er ist einer der Profiteure von Stuttgart21 – kein Wunder, dass er es gerne schneller hätte.
Und noch mehr Seltsamkeiten aus der SZ: Exportweltmacht Deutschland – Keiner liebt den Superstar
Wenn das kein Grund ist, stolz zu sein: Deutschland hat 2011 so viele Waren exportiert wie noch nie. Doch der Erfolg schafft weltweit Misstrauen – als habe sich die Bundesrepublik den Wohlstand erschummelt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung RS: Marc Beise versteht offenbar nicht, dass Wettbewerbsfähigkeit eine relative Größe ist. Ob Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Löhne etwas senkt, oder ob Krisenländer durch Lohnsenkungen wettbewerbsfähiger werden, ist im Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit egal. Nur ersteres würde Deutschen Arbeitnehmern und Unternehmen, die dem Binnenmarkt bedienen, mehr Wohlstand bescheren, letzteres macht die Menschen in den Krisenländern ärmer. Und dennoch bevorzugen die Deutschen letzteres. Das soll mir einer erklären.
Beise versteht offenbar nicht, dass der deutsche Exporterfolg nicht nur voraussetzt, dass andere Länder deutsche Produkte kaufen wollen, sondern auch, dass sie es auch können. Irgendwann wird letztere Bedingung nicht mehr erfüllbar sein, wenn Deutschland weiterhin auf Überschüsse pocht. Der Denkfehler liegt bei Beise.
Anmerkung J.K.: Man kann Augstein leider wieder nur zustimmen. Die uckermärkische Pastorentochter scheint offenbar nicht in der Lage die Dramatik der Situation intellektuel zu erfassen. Merkel verspielt für ihren Machterhalt und durch ihre beschränkte Weltsicht ganz Europa.
Passend dazu: Auf Merkozy folgt Gabriellande
Merkel unterstützt im französischen Präsidentenwahlkampf Nicolas Sarkozy, da will die SPD nicht zurückstehen. Doch die Hilfe für die Schwesterpartei ist nicht risikolos. […]
Für Gabriel sei das eine Herzensangelegenheit, streut sein Umfeld, schließlich sei der schon seit Monaten in Europa unterwegs, um die sozialdemokratische Idee auf dem Kontinent auf einen neuen, gemeinsamen Sockel zu stellen. […]
Und dann wären da auch noch ein paar inhaltliche Probleme, die auf die Sozialdemokraten zukommen könnte – im Fall der Fälle. Denn der sozialistische Kandidat Hollande ist ein Kritiker der Schuldenbremse, will den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln und die Rente mit 60 wieder einführen – alles entgegen der Linie der Sozialdemokraten in Deutschland.
Quelle: taz
Anmerkung JB: Da stellt sich auch die Frage, inwieweit die SPD des französischen Sozialisten überhaupt helfen kann. Gabriel dürfte in Frankreich ähnlich unbekannt sein, wie Hollande in Deutschland. Hinzukommt ein Risiko, dass der taz noch nicht einmal eingefallen ist: Was, wenn die Franzosen merken, dass die deutsche SPD gar nicht sozialdemokratisch ist? Hollande wäre gut beraten, dieses vergiftete Angebot abzulehnen.
Anmerkung Orlando Pascheit: Wer sagt’s denn, manchmal haben Ratingagenturen auch recht. Mittlerweile können wir davon ausgehen, dass in der Geschäftsstrategie des Finanzstandorts Schweiz Steuerhinterziehung eine ganz normale Sache war. Kaum eine schweizerische Bank, die nicht mitgemacht hat – symptomatisch, dass jetzt die älteste Bank der Schweiz ‘dran’ ist. Wie schrieb die schweizerische WOZ: “Die Geschichte des Schweizer Finanzplatzes ist eine der winzigen Schlupflöcher, der kleinen Geheimnisse und grossen Betrügereien. Das Decken von SteuerhinterzieherInnen hat die Banken über Jahrzehnte gross werden lassen.”
Nicht zu begreifen ist allerdings, dass nur die USA die Konsequenzen zieht. Sollten die Schweizer Banken um den europäischen Steuerzahler etwas einen großen Bogen gemacht haben? Der automatische Informationsaustausch mit der EU ist ein unbedingtes Erfordernis. Letztlich geht es nicht allein um die Schweiz, sondern dass sich alle Staaten auf wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht in allen Schattenfinanzzentren besinnen. Auch Deutschland muss sich als wichtiger Finanzplatz für Steuerausländer an die eigene Nase fassen. Es kann nicht angehen, dass wir den mangelnden Steuerfleiß der Griechen kritisieren, aber nicht einmal hier bzw. in der EU die rechtlichen Grundlagen schaffen, um den griechischen Steuerfahndern die Arbeit zu erleichtern. Die griechischen Geldanlagen aus Steuerhinterziehung und Schattenwirtschaft im Ausland sollen mehr als 200 Milliarden Euro betragen.
Das zweite Rettungspaket für Griechenland wird wohl auf 145 Mrd. Euro kommen.
Anmerkung unseres Leseres J.A.: Erstaunliche Ängste, so im größten Wirtschaftsboom seit Menschengedenken, oder wenigstens der letzten 30 Jahre… Erstaunlich wohl nur, wenn man die massenhaft gefälschten Statistiken und die permanent zunehmende Verarmung in der Gesellschaft nicht wahrnehmen will, die die Kinder ganz offenbar viel wacher erfassen als die Erwachsenen in ihrer Apathie.
Typisch armselig auch die Empfehlung des Sozialministers zu “mehr Bildung” – so, wie früher die Kirche auf das Himmelreich vertröstet hat. Als würde ein Arbeitsplatz in 20 Jahren – und nicht eine guten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik heute – die bestehende Armut lindern oder verhindern, und als wäre mit einer guten (Aus-)Bildung der Zugang
zu sicheren Arbeitsplätzen oder einer vernünftigen Bezahlung garantiert. Daß “Bildung” im realexistierenden Neoliberalismus wertlos geworden ist, sieht man doch spätestens an der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und in Griechenland, wo auch bestausgebildete Akademiker nicht einmal schlecht bezahlte Stellen finden. Man sieht es aber auch deutlich genug in Deutschland, wenn man die Augen nicht verschließt.
Ergänzende Anmerkung MB: Das darf doch nicht wahr sein. Eine Bausparkasse führt eine Umfrage durch und stellt die Ergebnisse vor und der hessische Sozialminister ist auch noch Schirmherr des Projektes. Wenn eine Bank, Versicherun oder Bausparkasse eine Umfrage über Armut im Alter oder ausnahmsweise über Befürchtungen zu Armut davor durchführt, ist immer damit zu rechnen, dass Planung, Durchführung und Präsentation der Studie interessengesteuert sind.
Tja und die Bildung als Mittel gegen Armut. Wenn für jede Sprechblase eines Politikers zur Bildung ein Euro an arme Kinder fließen würde, wäre schon ein großer Teil der Armut gelindert!
Anmerkung JB: Der Autor, Sergej Netschajew, ist Botschafter der Russischen Föderation in Österreich und damit ganz sicher keine neutrale Quelle. Dennoch ist sein Aufsatz sehr lesenswert, zumal die russische Position in den westlichen Medien komplett verzerrt wiedergegeben wird.
Anmerkung Orlando Pascheit: Von der Sache her haben die NachDenkSeiten hatten bereits auf den taz-Artikel “Der Junkie, der dem Dealer droht” hingewiesen.
Der Autor der “jungen Welt” argumentiert allerdings auf höchst fragwürdige Weise weiter: Die EU unterwerfe sich dem Diktat der Zionisten in den USA und Israel. Ohne mich gleich mit Henryk M. Broder in Fragen des Antizionismus gemein machen zu wollen: Das ist schlicht und einfach Judenhetze, nur dass man halt ganz auf der Ebene der “Protokolle der Weisen von Zion” von zionistischem Diktat spricht. Wie groß der Einfluss der jüdischer US-Bürger, geschweige zionistischer US-Bürger (es gibt ja auch christliche Zionisten) auf die Außenpolitik der USA ist, ist äußerst strittig, aber ganz gewiss ist, dass sich die USA zu einer Atommacht Iran höchst eigenen Gedanken machen, ob nun richtige oder falsche. So zentral die Palästinafrage für den Nahen Osten ist, dieser wirft noch eine ganze Reihe anderer Fragen auf. Die Art, die Politik der USA oder der EU einseitig auf Israel zu beziehen, treibt manch seltsame Blüten. So war u.a. zu lesen, die USA wolle mit dem Sturz des Assad-Regimes Israel entlasten wolle. Nur dürfte inzwischen jedem US-Diplomaten in der Region klar sein, dass die Arabische Revolution auch die antiisraelische Stimmung der Bevölkerung in diesen Ländern befreit hat. Und trotzdem stehen die USA, wenn auch vielleicht mit einigen Sorgenfalten mehr, zum arabischen Frühling.
Direkt dazu ein Veranstaltungshinweis: FRANKFURTER MATINEE
Neonazistischer Terror: Die Spitze des Eisbergs mit Wolf Wetzel/Autor, Publizist
Flugblatt / Einladung [PDF – 73.3 KB]
Sonntag, 26. Februar, 11:00-13:00 Uhr
Café Alte Backstube, Dominikanergasse 7, Frankfurt am Main-Innenstadt
Moderation: Hans See
Wie kann man erklären, dass ausgerechnet der Verfassungschutz über zehn Jahre die Existenz eines neonazistischen Terrorismus in Gestalt der NSU nicht sehen konnte/wollte? Dass Terrorismusfahnder der systematischen Menschenjagd einer neofaschistischen Mörderbande nicht in den Arm fallen? Waren die Verfassungschutzämter auf dem rechten Auge blind, oder haben sie vieles sehenden Auges zugelassen? Befand sich die neonazistische Terrorgruppe „NSU“ tatsächlich im Untergrund oder in Obhut von Staatsorganen? Wie viel davon wird jetzt aufgeklärt, wie viel wird weiterhin vertuscht? Könnte es sein, dass unsere Staatssicherheit unsere Demokratie nur von links bedroht sieht? Wir wissen, das hat die Weimarer Republik gezeigt, dass das rechtskonservative Bürgertum den Faschismus als „eiserne Reserve“ gegen „linke Systemveränderer“ betrachtet. Diese Mörderbanden, das hat sich auch in Chile beim Sturz des frei gewählten Sozialisten Allende gezeigt, können – wenn der Wirtschaft wegen ihrer kriminellen Machenschaften einmal zuviel Demokratie drohen sollte – jederzeit gegen antikapitalistische Demokratie-bewegungen mobilisiert werden? Was tun?
Benefizveranstaltung: Eintritt € 5,00, mit Frankfurt-Pass oder Kultur-Pass € 1,00
Der Erlös dieser Benefizveranstaltung geht an den BCC-Rechtshilfefonds
„PRO VERITATE – für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit“.
Spendenkonto: 530 024 73. Sparkasse Hanau – BLZ 506 500 23.
Spenden sind steuerabzugsfähig.
Eine Veranstaltung von Business Crime Control e.V. und KunstGesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit dem NachDenkSeiten-Gesprächskreis Frankfurt am Main
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=12182