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Titel: Journalismus macht Schule

Datum: 23. September 2024 um 11:30 Uhr
Rubrik: Bildung, Medien und Medienanalyse
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Erfahrungen bei Medienkompetenz-Workshops an Schulen in Berlin und Brandenburg. Unser Gastautor war im Auftrag der Medienanstalt Berlin-Brandenburg an Schulen unterwegs und bietet den NachDenkSeiten-Lesern einen Blick hinter die Kulissen. Von Dirk Engelhardt.

„Journalismus macht Schule“ – so nennt sich ein Programm des Vereins zur Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz. Gefördert wird dieses edle Vorhaben von der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. So weit, so gut. Dieser Verein sucht willige Journalisten, die in Workshops an Schulen in Berlin und Brandenburg den Schülern etwas aus ihrem Beruf erzählen und auch zeigen, wie man recherchiert und was so dran ist an den vielgeschmähten Fake News. Auf der Web-Seite des Vereins ist ein Button „Für Journalist:innen“, und wenn man dort klickt, kann man sich als Journalist gleich anmelden, wenn man mit Schulklassen über seine Arbeit sprechen möchte.

Auch ein Video-Webinar hält die Webseite bereit, dort erläutern die NDR-Reporter Carolin Fromm und Christian Deker, wie man bei Schulbesuchen vorgeht, was den Journalisten erwartet und wie man sich vorbereitet. Weitere Erklärvideos zeigen, wie man SchülerInnen ermuntert, Forderungen zu artikulieren, oder ob die Corona-Pandemie „im Griff“ ist, ob „wir“ überreagiert haben oder ob Leute recht hatten, die das Virus für nicht gefährlicher als die normale saisonale Grippe hielten. Aktuelle Medienthemen, schulklassengerecht aufgearbeitet.

Da ich als freier Journalist im Moment viel Freizeit hatte, meldete ich mich an und bekam bald den ersten Auftrag: An einer Schule in Neuruppin sollte ich 90 Minuten mit den Schülern Online-Recherche üben. In der 7. Klasse waren 18 Jungs und 2 Mädchen, was sich bald als Problem herauskristallisieren sollte. Die ersten fünf Minuten waren alle noch recht aufmerksam, doch dann fingen die Jungs an, Radau zu machen, und vernachlässigten die Aufgaben, die ich ihnen stellte. Nur die beiden Mädchen arbeiteten still und fleißig, doch gegen die Übermacht der Jungs kamen sie nicht an. Selbst die beiden Klassenlehrer, die in der Stunde mit dabei waren, konnten die Rasselbande nicht zur Ruhe bringen. Irgendwann klopfte es an der Tür, die Lehrerin, die einen Stock tiefer unterrichtete, sagte, dass sie wegen des Lärms kaum noch Unterricht machen könne. Der erste Workshop endete mit einer leichten Frustration des Journalisten.

Workshop Nummer zwei war dann an einer Berufsschule in Berlin-Zehlendorf. Hier waren die Schüler wesentlich älter, manche schon Mitte zwanzig, und einer hatte sogar schon mal als Journalist gearbeitet. Es ging recht lässig zu, die Tür des Klassenraums blieb die ganze Zeit offen, weil 20 oder 30 Minuten nach Workshopbeginn immer noch Schüler hereintröpfelten und sich schweigend irgendwo hinsetzten. Hier war das Thema journalistische Stilformen, und wie man sie erkennt. Dazu hatte der Lehrer keine Kosten und Mühen gescheut und am Kiosk seines Kiezes fast die ganze Tagesration an Zeitungen aufgekauft, von der BZ bis zur FAZ. Bei den Aufwärmfragen wollte ich wissen, aus welchen Medien sich die Schüler informieren, die meisten gaben an, sich „aus dem Handy“ zu informieren, manche guckten Tagesschau. Eine gedruckte Zeitung hatte noch niemand richtig gelesen, und auch die journalistischen Stilformen waren unbekannt. Es gab also viel zu tun.

Als ich zehn Arbeitsfragen diktierte, schrieb nur die Hälfte der Klasse mit. Ich nahm das zur Kenntnis, um mich im Nachhinein vom Klassenlehrer belehren zu lassen, dass ich richtig gehandelt hätte. „Denn die schämen sich dann, wenn man nachfragt, und sie sagen, dass sie nicht schreiben können oder nicht so schnell schreiben können“, war die Antwort. Doch insgesamt war das Feedback auf den Workshop sehr gut. Besonders aufmerksam war die Klasse im Frage-und-Antwort-Teil, wo die Schüler den Journalisten fragen konnten, was sie schon immer von einem Journalisten wissen wollten. Mit gefährlichen Situationen bei Recherchen und dunklen Machenschaften von Wirtschaftsbossen konnte ich allerdings nicht aufwarten, als Journalist arbeite ich heute fast nur mit Telefon und Internet, was auf die Schüler etwas ernüchternd wirkte.

Workshop Nummer drei war dann an einem Gymnasium, 7. Klasse, in Pankow. Hier waren die Mädchen eindeutig in der Überzahl, aber alle Schüler waren hochaufmerksam und wirklich interessiert. Das Thema war Fake News, und ich wählte dazu ein Bezugsfeld, das alle Schüler an der eigenen Haut erfahren hatten: Die Corona-Beschränkungen. Am Anfang der Stunde erfuhr ich, dass in der Klasse, nachdem die Schule wieder geöffnet war, praktisch gar nicht über die wissenschaftliche Basis der Corona-Beschränkungen und der Schulschließung gesprochen wurde. Ich betrat also Neuland. Ich hatte zwei Artikel kopiert: einen, den ich für die Berliner Zeitung geschrieben hatte und in dem ich einen Corona-Kritiker interviewt hatte, ein weiterer aus dem Nord-Kurier behandelte die RKI-Files und was aus ihnen abzuleiten sei.

In Gruppen sollten die Schüler erst einmal positive und negative Seiten der Corona-Beschränkungen auflisten; die Maskenpflicht im Unterricht wurde am häufigsten als grob störend genannt. Dann kamen die RKI-Files zur Sprache, die allerdings in der Klasse kaum bekannt waren. Das komplexe Thema war für einen 90-Minuten-Workshop zu umfangreich, ich hoffte auf eine Fortsetzung mit dieser Klasse.

Einige Wochen nach dem Workshop erhielt ich von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass das Feedback des Workshops verheerend war. Ich hätte Zeitungsartikel verteilt, ohne dazu zu sagen, dass sie „tendenziös“ wären, was immer das heißt, außerdem hätte ich beim Thema Corona geframt und suggestive Fragen gestellt. „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Sie die Veranstaltung genutzt haben, um den Schüler:innen – anstelle von Einblicken in journalistisches Arbeiten und Quellenprüfen – Ihre persönliche Meinung zur Corona-Politik darzulegen“, stand in der Mail der MABB.

Für weitere Einsätze als Journalist bei Workshops im Programm „Journalismus macht Schule“ bin ich in Berlin und Brandenburg gesperrt. Dabei hatte ich schon einen weiteren Workshop vorbereitet – „Fake News bei der FAZ – warum es gut ist, bei allen Medien kritisch zu sein“ war der Titel.

Titelbild: Screenshot – „Journalismus macht Schule“


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