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Titel: Zeitbombe am Niederrhein

Datum: 19. September 2024 um 11:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufrüstung, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Militäreinsätze/Kriege
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Die NATO benutzt die Invasion Russlands in die Ukraine zur Legitimation einer Serie von Beschlüssen und Handlungen, die die internationalen und die inneren Konflikte für die Gesellschaften in Europa gefährlich steigern. Im Propagandakrieg gegen den Pazifismus wird die Forderung nach Diplomatie als naive Unterstützung Putins hingestellt. Diese Stimmungsmache gegen die Friedensbewegung wird im Umfeld der Demonstration am 3. Oktober in Berlin noch zunehmen. Von Bernhard Trautvetter.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das von der Militärlobby entwickelte Narrativ eines imperialistischen Überfalls Russlands gegen die Ukraine, dem weitere folgen, wenn die NATO Russland keinen Einhalt gebietet, benutzt die NATO, um ihr neues ›Strategischen Konzept‹ zu begründen. Es geht dabei um die sprunghafte Erhöhung der Militäretats sowie um den Aufbau einer sogenannten schnellen Eingreiftruppe im Baltikum, um die Entsendung von Kampfverbänden, zu Englisch ›Battlegroups‹, in osteuropäische NATO-Staaten sowie um die Verstärkung der sogenannten NATO-›Ostflanke‹ und um die Steigerung ihrer Manöver-Aktivitäten. Zitat aus dem sogenannten ‚Strategischen Konzept‘ der NATO von 2022:

Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat den Frieden zunichtegemacht und unser Sicherheitsumfeld schwerwiegend verändert. Ihr brutaler und rechtswidriger Einmarsch, ihre wiederholten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und ihre abscheulichen Angriffe und Gräueltaten haben unsägliches Leid und entsetzliche Verwüstung verursacht. Eine starke, unabhängige Ukraine ist für die Stabilität des euro-atlantischen Raumes unerlässlich.“

Die NATO übergeht hierbei den Rechtsbruch des Putsches zugunsten einer Pro-NATO-Regierung in Kiew vom Februar 2014. Und sie lenkt vom wahren Grund der Invasion Russlands ab, den der NATO-Generalsekretär Stoltenberg im September 2023 im EU-Parlament preisgab: Nachdem die USA und die NATO sich geweigert hatten, zu erklären, dass die Ukraine neutral bleiben wird, entschied sich Russland für die Invasion, um die Mitgliedschaft dieses riesigen Flächenstaates mit einer gemeinsamen Landesgrenze von 2.300 Kilometern im gegnerischen Militärblock zu verhindern. Somit war die illegale NATO-Ost-Expansion die Zerstörung der europäischen Friedensordnung.

Kalkar/Uedem ist einer der Brennpunkte

Der rasant wachsende Doppelstandort der NATO und der Bundeswehr in Kalkar/Uedem mit dem ›Combined Air Operations Center‹ und dem ›24-Stunden-Gefechtsstand‹ der Luftwaffe profitiert mit mindestens 100 Millionen Euro vom Sonderfonds, den Kanzler Scholz noch im Februar 2022 in seiner ›Zeitenwende‹-Rede vorstellte. „Bis 2031 fließen noch über 150 Millionen Euro in die Infrastruktur. Weitere Baumaßnahmen sind darüber hinaus in Planung“, so General Poschwatta laut Rheinischer Post. In diesem Zusammenhang erklärte Poschwatta:

Zeitenwende bedeutet nicht nur 100 Milliarden für neue Ausrüstung.

Die NATO-Bündnispartner stellen weitere Waffensysteme bereit. Dies alles würde im Ernstfall – und das heißt im Krieg – in Kalkar koordiniert und geplant, so die NRZ am 31.1.2023. Ex-Bundespräsident Heinemann hatte ein anderes Verständnis von ›Ernstfall‹: Er erklärte, dies sei der Frieden, „in dem wir alle uns zu bewähren haben“.

Der Luftraum, für dessen militärische Überwachung und Steuerung Kalkar/Uedem zuständig ist, erstreckt sich mindestens von Island bis zum Baltikum und von Norwegen bis zu den Alpen. Aber auch hier gibt es eine weit über das Ursprüngliche hinausgehende Aufgabenstellung: 2020 hat Ministerin Kramp-Karrenbauer das ›Air and Space Operations Center‹ (ASOC), das Weltraumkommando, in Dienst gestellt.

Kalkar/Uedem ist einer der Brennpunkte, an dem die Militärs große Summen an Steuergeldern in die Infrastruktur zur Zerstörung und zum Töten investieren.

Das liegt mit daran, dass der Hightech-Krieg im Raketen- und Drohnen-Zeitalter vor allem im Luftraum ausgefochten wird. Planungen dafür bereitet die Strategieschmiede >Joint Air Power Competence Centre Kalkar‹ vor. Ihre konkreten Planungen für Kriegshandlungen im Schlachtfeld steigern die militärische Bedeutung der Luftleitzentrale für die ‚operative Führung der Luftstreitkräfte‘ weiter.

Die High-Tech-Kriegsführung beschleunigt den Datenfluss, sie steigert den Entscheidungsdruck in immer kürzeren Zeithorizonten, sie hat entscheidenden Einfluss auf die möglichen Verläufe von Kriegshandlungen.

Die Optionen reichen bis an den letzten Krieg der Zivilisation, den thermonuklearen Krieg im 21. Jahrhundert. Das Zentrum Luftoperationen arbeitet laut der Website der Gesellschaft für Sicherheitspolitik eng mit einem Geo-Zentrum zusammen, das auch dreidimensionale Regionaldaten für den Anflug und Angriff von Raketen zur Verfügung stellt, die im Atomkrieg zielgenau unterhalb des Radars Russlands Überraschungsangriffe gegen Kommandozentralen, Raketensilos und Regierungsstellen Russlands führen können. Dabei geht es auch um Daten für die in Büchel liegenden US-Nuklear-Arsenale, um deren Zielgenauigkeit sicherzustellen.

Demos am 21.9. und am 3.10.

Zusammengefasst generiert die NATO immer neue Risiken, die niemand jemals eingehen darf. Deshalb sind Anlässe wie die Berliner Friedensdemonstration am 3. Oktober hoch bedeutsam, so auch die Friedensdemonstration am 24-Stunden-Gefechtsstand der Luftwaffe in Uedem am 21.9. dieses Jahres. Die Warnung von Ex-US-Präsident Eisenhower wird immer bedeutsamer:

[Wir] müssen uns davor hüten, dass der militärisch-industrielle Komplex unbefugt Einfluss ausübt, ob dies nun beabsichtigt oder unbeabsichtigt geschieht. Das Potential für den katastrophalen Anstieg unangebrachter Macht besteht ….

Dies kann sich die Menschheit nicht (mehr) leisten. Es ist an der Zeit, ‚nein!‘ zu sagen. Dieses ‚Nein‘ entspringt einem ‚Ja‘ zum Leben.

Titelbild: PHOTOCREO Michal Bednarek / Shutterstock


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