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Titel: Trump vs. Harris – ein Trauerspiel

Datum: 12. September 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Medienkritik, USA, Wahlen
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Amerikanische und deutsche Medien sind sich einig – Kamala Harris konnte die wahrscheinlich einzige TV-Debatte zwischen Donald Trump und ihr für sich entscheiden. Ob das die entscheidenden Wechselwähler in den sogenannten Swing-States auch so sehen, sei dahingestellt. Interessant waren bei der ansonsten ernüchternden Debatte vor allem die unterschiedlichen Positionen der beiden Kandidaten in der Ukraine-Frage. Hier konnte Trump überzeugen. Für die Tagesschau, die Tagesthemen und das Heute Journal war das erst gar kein Thema – der außen- und sicherheitspolitische Teil wurde von den deutschen „Nachrichtenschlachtschiffen“ geflissentlich ignoriert, dafür berichtete man über Taylor Swifts Harris-Empfehlung und die Hunde und Katzen aus Ohio. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Zugegeben – sich die von ABC ausgetragene Präsidentschaftsdebatte zwischen Trump und Harris in voller Länge anzuschauen, ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, und wenn man bedenkt, dass es bei diesem Duell um nichts weniger als die Frage geht, wer künftig die Politik der hochgerüstetsten und kriegerischsten Atommacht der Welt übernimmt, wird einem angst und bange. Über den Kandidaten Donald Trump wurde viel geschrieben und gesagt – erratisch sei er, irrlichternd und verlogen. All das stimmt. Auch gestern beim Duell gab es wieder solche Momente mit maximalem Fremdschämpotenzial – z.B. die viel zitierten Hunde und Katzen in Springfield, Ohio, die braven Amerikanern nach Trumps Überzeugung von Einwanderern aus Haiti gestohlen und dann verspeist werden. Soll ein solcher Mann „den Westen anführen“? Dann doch lieber die smarte Kamala Harris, wird sich so mancher Zuschauer der deutschen Fernsehnachrichten denken, der die Debatte in ihrer verkürzten Form aufgetischt bekam. Doch weit gefehlt. Trump mag in der Tat sehr viel Unsinn zu innenpolitischen Themen gesagt haben; bei außen- und sicherheitspolitischen Themen war es hingegen Kamala Harris, die schlichtweg ein Bild des Grauens bot.

So ließ Harris auch bei der gestrigen Debatte keinen Zweifel daran, dass sie außenpolitisch für eine Kontinuität der verheerenden US-Kriegspolitik steht. Sie dozierte minutenlang und vollkommen frei von Selbstironie über die „großartige USA“, deren Geschichte – natürlich mit Ausnahme der vier Jahre Trump – der Welt Frieden, Demokratie und Freiheit brachte; die als Führungsmacht des freien Westens Autokraten und Diktatoren die Stirn bietet. Sogar an Trumps Truppenabzug aus Afghanistan hatte sie etwas auszusetzen; er habe mit Terroristen verhandelt und damit den Respekt, den die USA in der gesamten Welt genießen, untergraben, so eine den Tränen nahe, hochemotionale Harris.

Auch und vor allem beim Thema Ukraine zeigte Harris einmal mehr, wessen Geistes Kind sie ist. Wegen „unserer starken Unterstützung“, so Harris, „sei die Ukraine [immer noch] ein unabhängiges und freies Land. Wäre Donald Trump Präsident, säße Putin jetzt in Kiew […] und hätte den Rest Europas im Blick“. Es gibt kaum Zweifel daran, dass Harris glaubt, was sie sagt. Dass sie die nötige staatsmännische Reife für dieses Amt mitbringt, darf aber bereits im nächsten Nebensatz bezweifelt werden, in dem sie einen Krieg, der immerhin zum Dritten Weltkrieg und damit zum Ende der Menschheit führen könnte, auf billige Machtarithmetik und Wahlkampfstrategie herunterbricht: „Und warum sagen Sie nicht“, so Harris an Trump gewandt, „den achthunderttausend polnischen Amerikanern hier in Pennsylvania, wie schnell Sie um der Gunst willen aufgeben würden und was Sie für eine Freundschaft mit einem Diktator halten, der Sie zum Mittagessen verspeisen würde?“ Pennsylvania ist einer dieser Swing States, in denen die Wahl gewonnen wird. Die Stimmen der Wähler polnischer Herkunft sind dann anscheinend für Harris doch wichtiger als die Gefahr eines nuklearen Holocausts.

Trump reagierte auf diesen verantwortungslosen Angriff ungewohnt staatsmännisch und weise: „Putin hat“, so Trump, „etwas, was andere Leute nicht haben. Er hat Atomwaffen. Doch darüber denkt offenbar niemand [in der Biden-Regierung] jemals nach“. Ein staatsmännischer Trump und eine verantwortungslose Hasardeurin Harris, die Weltpolitik und Wahlkampf nicht zu trennen vermag? Das passt freilich nicht ins Bild, das die Medien so gerne von diesem Wahlkampf zeichnen. Daher wurde die komplette Passage zu außenpolitischen Themen in den deutschen Medien auch ausgeblendet – und dies, obgleich sie im Duell einen zeitlich sehr großen Rahmen einnahm.

Wer diese Teile der Debatte verfolgt hätte, hätte auch noch andere höchst bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Kandidaten mitbekommen. So ließ Trump in der Debatte einmal mehr keinen Zweifel daran, dass er den Krieg in der Ukraine sofort beenden würde. „Ich will den Krieg beenden, ich kenne Selenskyj und Putin sehr gut. Sie respektieren mich, aber sie respektieren Biden nicht. Ich beende diesen Krieg, wenn ich gewinne, bevor ich das Amt übernehme. Ich spreche erst mit dem einen und dann mit dem anderen. Dieser Krieg hätte nie beginnen müssen. […] Das wird alles schlimmer und könnte zu einem Dritten Weltkrieg führen. Wir schlittern in einen Weltkrieg und wissen nicht mal, wo unser Präsident überhaupt ist.“

Auf die Frage des Moderators, ob es „im besten Interesse der USA“ sei, „dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt“, antwortete Trump Folgendes: „Es ist im besten Interesse der USA, dass dieser Krieg beendet wird. Verhandelt einen Deal. Wir müssen verhindern, dass noch mehr Menschenleben vernichtet werden.“ Daraufhin konterte Harris: „Ich glaube, dass Trump sagt, er könne den Krieg in 24 Stunden beenden, liegt daran, dass er einfach aufgibt. So sind wir Amerikaner nicht […] Diktatoren wollen, das Trump Präsident wird, da sie ihn manipulieren können.“ Nicht nur an solchen Stellen fühlte man sich in die Zeit zurückversetzt, in der Trumps Gegnerin nicht Kamala Harris, sondern Hillary Clinton hieß – Letztere hatte am Ende bekanntermaßen gegen ihn verloren, wobei der steigende Unmut vieler Wähler über die zahlreichen amerikanischen Kriege durchaus eine Rolle spielte.

Was aber ist mit Trump? Ist er wirklich der „Friedenspräsident“, den einige in ihm sehen wollen? Nein, leider ist er das nicht. Der vor allem in den USA sonst so heiß debattierte „kommende Konflikt“ mit China samt Taiwan-Thematik spielte bei der gestrigen Debatte überraschenderweise keine Rolle. Dass Trump bei einem Sieg kein „Friedenspräsident“ sein wird, zeigte sich jedoch in den Passagen des Duells, in denen es um den zweiten großen Krieg ging – den in Gaza. Auch den hätte es, so Trump, mit ihm als Präsidenten erst gar nicht gegeben; aber nicht etwa, weil Trump als großer Mediator einen Friedensprozess in der Region angestoßen hätte, sondern weil er dafür gesorgt hätte, dass „Iran pleite wäre […] Sie hätten kein Geld für Terror, nun sind sie eine reiche Nation und verbreiten Terror in der ganzen Region.“ So sehr Trumps Wille, im Ukraine-Krieg zu einer schnellen Friedenslösung zu kommen, zu begrüßen ist, so sehr ist seine schon beinahe pathologische Fixierung auf den Iran als „Urheber allen Übels“ im Nahen und Mittleren Osten zu kritisieren. Das Pulverfass Nahost dürfte unter einer zweiten Präsidentschaft Trumps noch einmal an Explosivität gewinnen, ein Krieg zwischen Israel und den USA gegen Iran würde wahrscheinlicher.

Doch hier ist Kamala Harris auch keine Alternative. Wie der Journalist Seymour Hersh völlig korrekt anmerkt, wirkt Harris’ in Nebensätzen vorgetragene Einbeziehung der Palästinenser in eine Lösung des Nahostkonflikts kaum mehr als eine wohlkalkulierte Strategie, um die jüngere Wählerschaft für sie zu mobilisieren. Worte, nichts als Worte. Ansonsten ist davon auszugehen, dass sie auch hier für Kontinuität steht und zwischen die USA und ihren Premiumpartner Israel im Zweifel kein Blatt kommen lassen würde.

Oberflächlich betrachtet ist es unverständlich, warum diese außen- und sicherheitspolitischen Themen in der deutschen Berichterstattung zum US-Präsidentschaftswahlkampf nahezu keine Rolle spielen. Geht man in die Analyse, ist dieses Ausblenden jedoch sehr wohl verständlich. Deutsche Kommentatoren lassen keinen Zweifel daran, auf welcher Seite sie stehen – auf der Kamala Harris’. Der auch in deutschen Medien allgegenwärtige Harris-Hype ist schon fast peinlich. Dass ausgerechnet der „verrückte Trump“ beim Thema Ukraine staatsmännischer und weit weniger verrückt als Harris wirkt, passt da freilich nicht ins Bild. Erratische Erzählungen von Hunden und Katzen, die von Einwanderern verspeist werden, sind da natürlich passender. Aber das kann man den Medien nur zum Teil vorwerfen – sie verwandeln auch nur Steilvorlagen, die Trump selbst nur allzu gerne liefert.

Wie die Wahl ausgeht, ist nach wie vor vollkommen offen. Zwar führt Harris in den landesweiten Umfragen derzeit mit weniger als einem Prozentpunkt, doch diese landesweiten Umfragen haben aufgrund des Wahlmänner-Systems der USA keine Aussagekraft. Dass Harris beispielsweise die „liberalen“ Staaten Kalifornien und New York holen wird, steht außer Zweifel. Jede Stimme, die sie nun dort jetzt noch hinzugewinnt, ist nutzlos. Ähnlich sieht es bei Trump und konservativen Staaten wie Tennessee, Indiana oder Kentucky aus. Glaubt man der – sehr zuverlässigen – „Electoral Map“ von RealClearPolling, wird die Wahl von den noch offenen 111 Wahlmännern in den Swing States entschieden. Und ob die noch Unentschiedenen und Wechselwähler in Michigan, North Carolina oder Georgia sich von Harris’ Visionen eines demokratischen wie kriegerischen Welthegemons USA eher zur Wahlurne treiben lassen als von Trumps Schauermärchen über von Migranten verspeiste Haustiere wird sich im November zeigen.

Titelbild: Screenshot ABC


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