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Titel: US-Diplomatin Nuland räumt offen ein: Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau auf „Empfehlung“ von Washington abgebrochen

Datum: 9. September 2024 um 15:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Militäreinsätze/Kriege
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In einem aktuellen Interview mit dem im Exil lebenden russischen Journalisten und SPIEGEL-Kolumnisten Michail Sygar erklärt die wohl vulgärste Spitzen-Diplomatin Amerikas („Fuck the EU“) recht unverblümt, was die Gründe für den Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im April 2022 waren. Es seien „die Briten und wir“ gewesen, die Kiew empfohlen hätten, die Verhandlungen von Istanbul platzen zu lassen. Grund laut ihr: Der Vertrag hätte die Begrenzung von Waffensystemen für die Ukraine vorgesehen, nicht aber für Russland. Die Ereignisse von Butscha, die zuvor medial und politisch als Begründung angeführt worden waren, erwähnt sie mit keinem Wort. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Victoria Nuland, deren Familienname eigentlich „Nudelman“ lautete, aber von ihrem Vater, Shepsel Ber Nudelman, 1947 „amerikanisiert“ wurde, galt bis zu ihrem Rücktritt im März 2024, neben Außenminister Antony Blinken und dem Sicherheitsberater Jake Sullivan, als wichtigste und einflussreichste Lenkerin der US-Außenpolitik unter US-Präsident Joe Biden. Besonders starken Einfluss hatte sie auf die Formulierung und Gestaltung der US-Außenpolitik in Bezug auf Ukraine und Russland. Es ist daher keine Kleinigkeit, wenn eine US-Spitzendiplomatin mit diesem Hintergrund in einem Interview, zudem mit einem russischen Exil-Journalisten, für diplomatische Gepflogenheiten sehr deutlich zum Ausdruck bringt, welche Rolle die USA und Großbritannien beim Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Istanbul im April 2022 spielten. In dem Interview erklärt sie auf die Frage, was denn nun die tatsächlichen Gründe für das Ende der Verhandlungen waren („Was ist Mythos, was ist Wahrheit?“) im Wortlaut:

„Relativ spät im Spiel begannen die Ukrainer, um Rat zu fragen, wohin diese Sache führen würde, und es wurde uns, den Briten und anderen klar, dass Putins Hauptbedingung in einem Anhang zu diesem Dokument, an dem sie arbeiteten, versteckt war. Sie enthielt Beschränkungen für die genauen Arten von Waffensystemen, über die die Ukraine nach der Vereinbarung verfügen durfte, so dass die Ukraine als militärische Macht im Grunde kastriert wäre. Für Russland gab es keine ähnlichen Beschränkungen. Russland wurde nicht verpflichtet, sich zurückzuziehen. Russland wurde nicht verpflichtet, eine Pufferzone an der ukrainischen Grenze einzurichten, und es wurde nicht verlangt, dass seinem Militär, welches der Ukraine gegenüberstand, dieselben Beschränkungen auferlegt werden. Und so begannen die Menschen innerhalb und außerhalb der Ukraine zu fragen, ob dies ein guter Deal sei, und das war der Punkt, an dem er auseinanderfiel.“

Damit bestätigt erstmals ein US-Spitzendiplomat mit direkter Einbindung in die damalige Verhandlungskommunikation der Ukraine mit den USA Aussagen, die zuvor in ähnlicher Form bereits vom ehemaligen israelischen Premier Naftali Bennett, der im Frühjahr 2022 als Pendeldiplomat zwischen dem ukrainischen und russischen Präsidenten vermittelte, sowie von mehreren ukrainischen Teilnehmern an den Verhandlungen getätigt worden waren.

Das gesamte Interview mit Nuland ist hier einsehbar. Auffällig an den Darlegungen der einstigen US-Spitzendiplomatin ist auch, dass sie mit keiner Silbe auf das sogenannte Butscha-Massaker eingeht. Zuvor wurde dies immer wieder als einer der zentralen Gründe für den Abbruch der laufenden Friedensverhandlungen angeführt. Damit steht sie nicht alleine. Sowohl ukrainische wie internationale Teilnehmer an den Verhandlungen verweisen in ihren Erklärungen, wie es zum Ende der Verhandlungen kam, auf den Druck („Empfehlungen“) des Westens und nicht auf Butscha.

Die Version des ehemaligen israelischen Premiers Bennett: Briten und Amerikaner wollten keinen Frieden

Bennett hatte in einem Interview Anfang Februar 2023 erklärt, dass er in Verhandlungen stand zwischen Selenskyj, Putin sowie dem französischen Präsidenten Macron, dem deutschen Kanzler Scholz, dem britischen Premier Johnson und US-Präsident Biden. Laut Bennett waren die Chancen auf eine friedliche Einigung gut, doch vor allem Johnson und die USA hätten schlussendlich „beschlossen, dass es notwendig ist, Putin weiter zu zerschlagen („to smash“) und nicht zu verhandeln. Sie haben die Verhandlungen abgebrochen, und mir schien es damals, dass sie (mit dieser Entscheidung) falsch lagen.“

Das gesamte, fast fünfstündige Interview mit Bennett ist hier einsehbar. Der relevante Part zu den ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen und der dekonstruktiven Rolle des Westens kommt ab Stunde 2:37.

Der ehemalige Präsidenten-Berater Arestowytsch: Die Verhandlungen liefen so gut, wir öffneten sogar die Champus-Flasche

Der in die Verhandlungen direkt eingebundene damalige Selenskyj-Berater Oleksij Arestowytsch erklärte in einem Interview vom Februar 2024 mit dem britischen Online-Magazin Unherd sogar, dass die Verhandlungen so erfolgreich gelaufen waren für die Ukraine, dass man eine Champagner-Flasche geöffnet hatte:

„Wir öffneten sogar eine Flasche Champagner, denn es war eine absolut erfolgreiche Verhandlung gewesen.“

Das gesamte Interview mit Arestowytsch ist hier einsehbar.

Der ukrainische Botschafter und Verhandlungsteilnehmer Chalyi: „Putin wollte also wirklich ein Friedensabkommen mit der Ukraine schließen“

Der ukrainische Botschafter Oleksandr Chalyi, der zuvor jahrelang die Ukraine im Europarat vertreten hatte, war direkt an den Friedensverhandlungen mit Russland beteiligt. In einem Expertengespräch, organsiert vom Geneva Centre for Security Policy, einer schweizerischen Stiftung und Denkfabrik, die gemeinsam vom schweizerischen Außen- und Verteidigungsministerium gegründet worden war, erklärte dieser:

„Wir, die ukrainischen Verhandler, hatten mit Russland fast zwei Monate, März und April, für ein Waffenstillstandabkommen verhandelt. Und wir haben, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, das sogenannte Istanbuler Kommuniqué abgeschlossen Wir standen kurz davor, Mitte April, unseren Krieg mit einer friedlichen Lösung zu beenden. (…).

Dies ist meine persönliche Ansicht: Putin hatte, eine Woche nach seiner Invasion, klar verstanden, dass er einen Fehler begangen hatte. Er versuchte danach, alles zu tun, um ein Abkommen zu schließen. Es war seine persönliche Entscheidung gewesen, den Text des Istanbul-Kommuniqués zu akzeptieren. Wir haben dann wirklich zu einem echten Kompromiss gefunden. Putin wollte also wirklich ein Friedensabkommen mit der Ukraine schließen.“

Titelbild: Screenshot von „Victoria Nuland on Russia-NATO relations, peace negotiations with Ukraine, and the U.S. elections“


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