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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 31. Januar 2012 um 8:17 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. 25 EU-Staaten beschließen Pakt für strengere Haushaltsdisziplin
  2. Es sage nachher niemand, es habe keine warnenden Stimmen gegeben
  3. Schuldenbremse: Kein Beitrag zur Vertrauensbildung im Euroraum
  4. Präzedenzfall für die Europäische Zentralbank
  5. Keine Revolution in Davos
  6. Frankreich zeigt auf: Die lächerliche Höhe der Finanztransaktionssteuer und der deutsche Druck zu “reformieren”
  7. Soziale Sicherung in Deutschland
  8. Es geht um die Funktionsweise der Demokratie
  9. Anmerkung zu unserem gestrigen Hinweis zu den Tarifverdiensten
  10. Die Öko-Lüge vom Elekro-Auto
  11. Dobrindt will Linkspartei verbieten lassen
  12. ZDF-Umfrage: Deutsche wollen Geheimdienst-Morde zur Gefahrenabwehr
  13. Pisa: Die Illusion der Statistiker
  14. Forscher erzürnt Zensur von Pisa-Daten
  15. Exzellenz und Rankings beeinflussen die Hochschulwahl nur moderat
  16. Rede von Marcel Reich-Ranicki zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
  17. Sanktionen gegen Iran: Der Junkie, der dem Dealer droht
  18. TV-Tipp: Neues aus der Anstalt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 25 EU-Staaten beschließen Pakt für strengere Haushaltsdisziplin
    Der EU-Gipfel hat sich am Montag auf ein Abkommen geeinigt, das eine strengere Haushaltsdisziplin vorschreibt. Insgesamt 25 der 27 EU-Staaten werden den von Deutschland angestoßenen Fiskalpakt unterzeichnen. Das teilte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Montagabend beim EU-Gipfel in Brüssel mit. Großbritannien und Tschechien sind die einzigen beiden Länder, die der Übereinkunft nicht zustimmen werden.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Ein weiterer Systemwechsel von oben. Der nicht nur ständig verletzte, sondern der gescheiterte Maastricht-Vertrag der letztlich in die Euro-Krise geführt hat, soll nun in 25 Staaten auch noch Verfassungsrang erhalten. Es ist ein typisches Beispiel für eine Politik, die wenn ihre Rezeptur scheitert nur die Dosis weiter erhöht, bis der Patient nicht an seiner Krankheit sondern an dem verabreichten Arzneimittel verstirbt.
    Es ist ein Trauerspiel, dass auf der Regierungschef-Ebene eine Debatte über den von Merkel oktroyierten Kurs offenbar verweigert wird. (Übrigens: Ganz entgegen der Mainstreamberichterstattung lehnt der britische Premier die Fiskal-Union auch aus durchaus tragfähigen ökonomischen Gründen ab: Camerons Konzept: Deutschland soll seine Binnennachfrage ankurbeln und mehr importieren… Es bedürfe wie in den USA und im Vereinigten Königreich einer Zentralbank, die die Währung stützt, indem sie notfalls die Notenpresse anwirft, es bedürfe großer Flexibilität und eines Systems mit Finanzausgleich und gemeinsamen Schuldverschreibungen. )
    Noch schlimmer ist allerdings, dass bei uns auch die größte Oppositionspartei bestenfalls mit Kritik an der Performance dem Merkel-Kurs folgt.
    Die Debatte über den eindimensionalen europäischen Sparwahn wird zwar inzwischen auch in deutschen Medien aufgegriffen (siehe die nachfolgenden Hinweise), aber die Politik schottet sich dagegen ab.

    Geradezu resignativ schreibt die FAZ: Die demokratische Lücke war immer schon die größte Gefahr der EU. Statt sie zu schließen und den Kontinent gegenüber dem enthemmten, inhumanen Staatskapitalismus in China und Russland humanistisch zu legitimieren, übernehmen EU-Kommission und Zentralbank jetzt eine Rolle, wie sie in China das Zentralkomitee der kommunistischen Partei ausfüllt. Wenn sich nichts ändert, erleben wir wieder einmal die Implosion des so fragilen Unterfangens namens Demokratie. Was nach dem Desaster des Zweiten Weltkriegs würdig und klug begonnen hatte, um in einem Bund demokratischer Nationen den ideologischen und chauvinistischen Eigennutz sowie das Kapital an die Leine zu legen, würde dann von genau den Kräften niedergerungen, die das Projekt hatte bannen sollen. Europa – das Museum der Demokratie?

  2. Es sage nachher niemand, es habe keine warnenden Stimmen gegeben
    1. Joseph Stiglitz: Ein gemeinsames Gefängnis ist keine Vision
      Sparen allein reicht nicht aus, hält der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entgegen: “Ich schlage vor, dass die Mitglieder der Eurozone gemeinsame Staatsanleihen herausgeben. Durch die Garantie aller würden die Zinsen sinken, die Griechenland oder Portugal an den Rand des Bankrotts drängen. Zum Vergleich: Wenn nicht die US-Regierung Staatsanleihen herausgeben würde, sondern jeder einzelne Bundesstaat, wäre Kalifornien längst pleite. … Grundsätzlich sollte eine Zentralbank nicht die Regierungen finanzieren. Im Augenblick allerdings ist es ratsam, eine Ausnahme zu machen. Wobei die EZB gegenwärtig den falschen Weg beschreitet. Für die Demokratie ist es nicht gesund, wenn die Zentralbank den Banken hunderte Milliarden Euro zu Niedrigzinsen leiht und die Institute diese Mittel für viel höhere Zinsen an die Regierungen weitergeben. So verdienen die Banken Milliarden, worüber die Steuerzahler zu Recht sauer sind. Viel besser wäre es, wenn die EZB die Staatsanleihen den Staaten direkt abkaufen würde – ohne Umweg über die Banken. … Europaweites Sparen reicht nicht aus, um die Krise zu überwinden. Und dafür braucht man auch mehr Geld. Das ließe sich erreichen, indem die Bundesregierung einerseits die Nachfrage stärkt. Eine Umverteilung von Einkommen von oben nach unten mittels der Steuerpolitik und stärkere Lohnerhöhungen als im vergangenen Jahrzehnt wären richtige Maßnahmen. Helfen können außerdem öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung und eine klimafreundliche Energieversorgung. Hier kommt die Solidarität wieder ins Spiel. Man muss in Europa gemeinsam überlegen, welche Maßnahmen in welchem Land am sinnvollsten sind. … eine intensivere Kooperation in Europa bedeutet mehr als finanzielle Handschellen. Ein gemeinsames Gefängnis zu bauen ist keine politische Vision. Dazu gehören ein Sozialpakt zwischen Regierungen und Bürgern, eine abgestimmte Finanzpolitik und gemeinsame Institutionen.
      Quelle: taz
    2. Robert Skidelsky: Sparen macht die Krise schlimmer
      Überall in Europa hemmen Sparprogramme das Wachstum. Dabei sind Schulden nicht unbedingt eine schlechte Sache. Doch die Angst davor ist in der menschlichen Natur tief verwurzelt.
      Wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vorsätzlich geschrumpft wird, steigt zwangsläufig die Verschuldungsquote. Die einzige Möglichkeit, die Schulden zu senken (außer durch Zahlungseinstellung), ist Wirtschaftswachstum.
      Die Angst vor Schulden ist in der menschlichen Natur verwurzelt; daher sieht der Durchschnittsbürger Schuldenabbau als richtiges politisches Ziel an. Jeder weiß, was Schulden bedeuten: Zahlungsverpflichtungen, häufig in Kreditform. Schulden können Ängste erzeugen, wenn man nicht weiß, ob man, wenn es soweit ist, das Geschuldete zurückzahlen kann.
      Diese Ängste werden bereitwillig auf die Staatsverschuldung übertragen – das Geld, was eine Regierung ihren Gläubigern schuldet. Wie, so fragen sich die Menschen, wollen die Regierungen all jene hunderte von Milliarden an Schulden zurückzahlen?
      Diese derzeitige offizielle Doktrin der meisten hochentwickelten Länder enthält mindestens fünf wichtige Denkfehler, die größtenteils unbeachtet bleiben, weil die Geschichte als solche so plausibel erscheint…
      Wie mit dem “Gespenst des Kommunismus”, dass Europa in Karl Marx’ berühmten Manifest heimsuchte, haben heute “alle Mächte des alten Europas eine heilige Allianz geschlossen”, um das Gespenst der Staatsverschuldung “auszutreiben”. Doch sollten sich die Staatsmänner, deren Ziel es ist, diese Schulden zu tilgen, an ein anderes berühmtes Gespenst erinnern – das Gespenst der Revolution.
      Quelle: Capital
    3. Robert von Heusinger: Die Krise lebt
      Es ist höchste Zeit, den Bürgern der Bundesrepublik die Wahrheit zu sagen. Der erste Euro-Krisengipfel des Jahres 2012 macht nämlich deutlich: Es ist noch nichts gewonnen. Die Krise lebt.
      Was ist nun die Wahrheit? Sicherlich nicht die Watteposition, die die Regierung Merkel einnimmt. Einerseits feiert sie die gute wirtschaftliche Lage des eigenen Landes und verweigert sich allen europäischen Mehrbelastungen für den deutschen Steuerzahler. Andererseits verweist sie zugleich auf die Fiskalunion, die am Montag besiegelt werden soll und die ein Hintertürchen für etwas mehr finanzielle Solidarität offenhält.
      Doch auf dem Papier ist diese Fiskalunion nicht viel mehr als ein in noch härtere Verträge gegossener Stabilitätspakt. Ein Stabilitätspakt übrigens, der auf ganzer Linie versagt hat – und das nicht, weil die Regierungen sich nicht an ihn gehalten hätten. Irland und Spanien waren laut Stabilitätspakt, der nur die Staatsverschuldung im Blick hat, Musterschüler, bis die Bankenkrise begann…
      Zur Wahrheitsfindung tragen auch nicht die Behauptungen und das Gefühl der öffentlichen Meinung bei, Deutschland sei der Zahlmeister Europas. Bislang hat Deutschland in der Krise noch keinen Cent für Griechenland und die anderen überschuldeten Länder berappt. Im Gegenteil: Deutschland verdiente an den Krediten für Griechenland…
      Laut einer spannenden Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey bescherte der Euro 2010 allen 17 Euro-Staaten trotz beginnender Krise Vorteile in Höhe von 330 Milliarden Euro im Vergleich zu einer Situation ohne Gemeinschaftswährung. Die Hälfte der Vorteile entfiel zumindest für 2010 auf Deutschland. 165 Milliarden Euro in einem Jahr!
      Das macht gut sechs Prozent der Wirtschaftsleistung aus oder rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze oder etwa 70 Milliarden Euro zusätzliche Steuern und Abgaben.
      Quelle: FR
    4. Stephan Kaufmann: Merkel erfolgreich gescheitert
      Das krisengeschüttelte Europa folgt der Kanzlerin, die das US-Magazin Forbes zur mächtigsten Frau der Welt 2011 kürte. Das ist eigenartig. Denn fast alle Krisenbekämpfungsansätze ihrer Regierung sind letztlich gescheitert. Dass sich die Lage derzeit beruhigt hat, liegt einzig am Eingreifen jener Institution, die Deutschland stets aus der Krisenbekämpfung heraushalten wollte: der Europäischen Zentralbank (EZB)…
      Nur Anleihekäufe der EZB konnten die Panik bremsen. Und auch die drakonischen Sparauflagen haben letztlich nicht ihr Ziel erreicht.
      Die Defizite Spaniens und Griechenlands lagen 2011 weit über den Vorgaben, und Portugal erreichte sein Soll nur durch Buchhaltertricks. Dieses Scheitern lag nicht am mangelnden Sparwillen der Regierungen. „Beim Ausgabenstreichen sind die Griechen sehr gut“, sagt Nicolaus Heinen von der Deutschen Bank. Doch wenn gleichzeitig die Wirtschaftsleistung einbricht, helfen alle Sparbemühungen nichts.
      Quelle: fr-online
    5. Scheitert der Euro? Strukturprobleme und Politikversagen bringen Europa an den Abgrund
      • Die Defizite des Maastrichter Vertrages und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Staatsschulden sind als die entscheidenden Ursachen der Eurokrise zu betrachten.
      • Krisen verschärfend wirkt sich ein mehrfaches Politikversagen aus. Es gründet in der Wirtschaftsphilosophie des Sparprimats, die die Anpassungsprogramme in Griechenland und Portugal, aber auch die Härtung des Stabilitätspakts sowie die im Dezember beschlossene »Fiskalunion« bestimmt. Die falsche »Therapie des harten Sparens« beschert Europa zu Beginn des Jahres 2012 eine Rezession, welche die Schuldenkrise weiter vertiefen wird.
      • Als weiterer Kardinalfehler der Politik erweist sich der im Juli 2011 beschlossene Schuldenschnitt für Griechenland. Seitdem sind die Finanzmärkte außer Rand und Band. Die nachfolgenden Gipfel trugen durch das Verweigern einer massiven Intervention der EZB (Bazooka) sowie die stümperhafte Hebelung von EFSF und ESM weder zu einer kurzfristigen noch zu einer mittelfristigen Lösung der Krise bei.
      • Die Analyse ergibt, dass nur durch Lösungsschritte jenseits von Maastricht, wie einer neuen Wachstumsstrategie, Eurobonds, einer Überwindung des Systems der Wettbewerbsstaaten, einer Reform der Finanzmärkte sowie einer supranationalen Europäischen Wirtschaftsregierung die Krise dauerhaft überwunden werden kann.

      Quelle: Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von Klaus Busch [PDF – 1 MB]

    6. Weitere Kritik an der Euro-Krisen-Rettungs-Strategie im Angelsächsischen
      Quelle: Europe Needs a Real Fiscal Union
  3. Schuldenbremse: Kein Beitrag zur Vertrauensbildung im Euroraum
    Den Euroländern wird eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild als Weg aus der Krise empfohlen. Dies wäre jedoch gefährlich – für die Konjunktur, die Staatsfinanzen und sogar für die Finanzmärkte. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer Detailanalyse der Schuldenbremse. Sie sei “gestaltungsanfällig und prozyklisch”, warnen die IMK-Forscher Dr. Achim Truger und Henner Will – und ihr Export nicht geeignet, einen Beitrag zur Lösung der Krise im Euroraum zu leisten.
    Die Bundesrepublik hat es sich selbst auferlegt: das Verbot, über einen relativ eng gesteckten Rahmen hinaus neue Schulden aufzunehmen. Sorgen solch strenge Regeln in Sachen Staatsverschuldung für mehr Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten? Könnten sie also ein Vorbild sein für Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien? “Wir halten diese Logik grundsätzlich für falsch und für den Fortbestand des Euro extrem gefährlich”, schreiben Truger und Will.
    Grundsätzlich falsch sei sie, “weil sie die Ursachen der Eurokrise in unzulässiger Weise auf eine unsolide Finanzpolitik in den gegenwärtigen Krisenstaaten verengt”, erläutern die beiden Volkswirte. Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte sowie die Verantwortung der gegenwärtig wirtschaftlich stärkeren Euroländer würden fast vollständig ausgeblendet. Darüber hinaus habe die Schuldenbremse schwere theoretische und methodische Schwächen…
    “Aus heutiger Sicht würde ich dem Bund dringend von einer solch präzisen Festlegung auf ein so unpräzises Verfahren abraten”, zitieren Truger und Will einen der Väter der Schuldenbremse, den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel. Dieser gestand mittlerweile selbst ein, dass er, “obwohl gelernter Finanzwissenschaftler und Ökonometriker – zum Zeitpunkt meiner Zustimmung die (…) Konsequenzen nicht in allen Facetten überschaut habe”.
    Quelle 1: Achim Truger, Henner Will: Gestaltungsanfällig und prozyklisch. Die deutsche Schuldenbremse in der Detailanalyse. IMK Working Paper 88, Januar 2012 [PDF – 487 KB]
    Quelle 2: Infografik zum Download im Böckler Impuls 1/2012
  4. Präzedenzfall für die Europäische Zentralbank
    Bisher hatten an den Verhandlungen über eine Restrukturierung griechischer Staatsschulden nur private Gläubiger, vertreten durch das Institute of International Finance (IIF), teilgenommen. Die Forderungen von öffentlichen Gläubigern an Griechenland standen dagegen nicht zur Diskussion. Nun wird plötzlich das Tabu gebrochen und gefragt, ob nicht auch die öffentlichen Gläubiger an der Restrukturierung teilnehmen und auf Teile ihrer Forderungen verzichten müssten, damit das Ziel, Griechenland finanziell auf feste Beine zu stellen, erreicht wird. Ausgelöst hatte diese Diskussion die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IMF), Christine Lagarde, als sie eine Einbeziehung des öffentlichen Sektors forderte, falls die Restrukturierung der privat gehaltenen Forderungen nicht ausreicht.
    Während an der Superseniorität des IMF (noch) nicht so richtig gewackelt wird, dreht sich die Diskussion jetzt vor allem um die EZB bzw. Zentralbanken der Euro-Länder. Marktbeobachter und -teilnehmer verlangen zunehmend eine wie auch immer gestaltete Beteiligung der EZB an der Restrukturierung. Durch den partiellen Rückzug des Privatsektors führe ein auf ihn beschränkter Schuldenschnitt nicht zur notwendigen Reduktion der griechischen Staatsschulden. Das Ziel der Restrukturierung – ein Abbau der griechischen Schulden von rund 170% des Bruttoinlandproduktes auf 120% – scheint schon rein rechnerisch kaum erreichbar zu sein, wenn diese sich auf den Privatsektor beschränkt. Nun stellen Marktteilnehmer sogar das Ziel in Frage. Ein derart hoher Verschuldungsgrad sei für ein angeschlagenes Land wie Griechenland nicht nachhaltig und unvereinbar mit einem Verbleib in der Euro-Zone. Man müsse ihn vielmehr deutlich unter 100% drücken.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Im Grunde liegen diese Überlegungen auf der Hand. Es ist absolut witzlos, die Wirtschaftskraft Griechenlands mit derjenigen Italiens zu vergleichen. Italien ist industriell ganz anders aufgestellt und kann im Gegensatz zu Griechenland eine Schuldenlast von 120 Prozent tragen. Die Probleme kamen erst als das Wachstum in den Keller ging, erst recht als selbst die italienische Zentralbank für 2012 einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent prognostizierte. Für Griechenland kam der Economist bereits im Januar 2011 – in seinen Projektionen bei einem Schuldenstand von 165 Prozent des BIP im Jahre 2015 (sic!) – zu dem Schluss, dass etwa Schuldenstand von 80 Prozent des BIP für Griechenland tolerabel sei.
    Das heißt, dass ein Schuldendschnitt allein unter der Beteiligung des privaten Finanzsektors schon damals allein rechnerisch nicht mehr möglich war. Die öffentlichen Gläubiger, also der Währungsfonds selbst, die Euro-Staaten und die EZB werden sich heute erst recht beteiligen müssen. Den Steuerzahler würde dies kaum tangieren. Denn die EZB hat nicht den vollen Preis für die Anleihen bezahlt und könnte auf Rücklagen und Gewinne zurückgreifen. Die UBS schätzt, dass die EZB für die aufgekauften Anleihen der Euro-Krisenstaaten in diesem Jahr etwa zwölf Milliarden Euro Zinsen kassiert. Hinzu kommen ca. acht Milliarden Euro Zinsgewinne aus den Geschäften mit klammen Banken.
    Den Steuerzahler würde die Beteiligung nur indirekt treffen: die Überweisung der EZB an die Eurostaaten würde geringer ausfallen. – Allerdings bringt die Fixierung auf einen Schuldenschnitt nur wenig, solange die Frage, wie Griechenland zu mehr Wachstum kommt, nicht geklärt ist. Zwar ist in etlichen Beiträgen von Investitionshilfen, Marshallplänen die Rede, allerdings viel zu allgemein, wenig konkret. Wolfgang Münchau klagt. “Die Krisenkämpfer in Berlin, Brüssel und Athen haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit denen zu reden, die in Argentinien, Brasilien oder Chile ähnliche Probleme zu bewältigen hatten. Ich bekomme immer wieder verzweifelte E-Mails ehemaliger südamerikanischer Finanzminister und Notenbankgouverneure, die mich fragen, warum man in Europa jetzt alle Fehler wiederholen will, die sie selbst damals gemacht haben.”
    Ja, warum eigentlich?

  5. Keine Revolution in Davos
    Die Einsicht, dass es beim aktuellen Kapitalismusmodell gewissen Reformbedarf gibt, ist selbst bei den Politikern und Managern in Davos mehrheitsfähig.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat keine Revolution, nicht einmal Wege zu Reformen wurden aufgezeigt, und so wird letztlich irgendwann alles wieder einmal darauf hinauslaufen, was Paul Krugman 2000 wie folgt beschrieb: “Der Anblick all dieser reichen und bedeutenden Leute an einem einzigen Ort, denen noch dazu ein Haufen berühmter Intellektueller aufwartet – das weckt sogar bei völlig zynischen Beobachtern den gleichen Gedanken: Kommt die Revolution, stellen wir diese Leute als erste an die Wand.” – Nicht heute, nicht morgen, aber ganz sicher irgendwann.

    Siehe auch das Fazit aus Davos aus spanischer Sicht: Davos sieht drei Risikien: den Euro, Europa und die EU
    Quelle: El Pais

    Anmerkung: Hier die Übertragung [PDF – 101.4 KB]

  6. Frankreich zeigt auf: Die lächerliche Höhe der Finanztransaktionssteuer und der deutsche Druck zu “reformieren”
    “In Frankreich soll es nach dem Willen von Staatspräsident Sarkozy künftig eine Finanztransaktionssteuer geben. In einem Fernsehinterview kündigte er an, dass die Abgabe 0,1 Prozent betragen und von August an auf Umsätze mit französischen Wertpapieren erhoben werden solle. Die Regierung in Paris wäre damit Vorreiter in der Euro-Zone. Sarkozy kündigte außerdem an, die Mehrwertsteuer um 1,6 Punkte auf 21,2 Prozent zu erhöhen und die Arbeitgeber um 13 Milliarden Euro zu entlasten. Ziel sei es, die Lohnnebenkosten zu senken”, berichtet der Deutschlandfunk.
    Der Franzose muss also für jedes Produkt des täglichen Bedarfs 21,2 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen, während der Händler an der Börse für seine Spekulationen gerade einmal 0,1 Prozent auf seinen Umsatz aufwenden soll. 1,6 Prozent Erhöhung der Mehrwertsteuer stehen 0,1 Prozent Einführung einer Finanztransaktionssteuer gegenüber.Selbstverständlich sollen die durch die Mehrwertsteuererhöhung gewonnenen Mehreinanhmen den Arbeitgebern zugute kommen. Sie sollen um 13 Milliarden Euro entlastet werden.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  7. Soziale Sicherung in Deutschland
    Positionspapier der Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. (ADG), Betriebsrentner e.V. (BRV), Bündnis für Entenbeitragszahler und Rentner e.V. (BRR), Büro gegen Altersdiskriminierung
    Dieses Positionspapier ist das Ergebnis einer langjährigen Betrachtung der sozialen Sicherungssysteme durch die vorgenannten Gruppierungen. Es hinterfragt sehr kritisch, warum die gesetzliche Sozialversicherung in der Gesellschaft so abwertend gesehen wird und kritisiert die eklatante Schlechterstellung der gesetzlich Versicherten. Es zeigt ebenfalls auf, dass die betriebliche und private zweite Säule der Altersversorgung durch permanente, teils rückwirkende gesetzliche Eingriffe beeinträchtigt und entwertet wurde.
    In den Alters- und Krankenversorgungssystemen sind Mehr-Klassensysteme geschaffen worden, in dem an Stelle der Solidarität der Egoismus der Lobbyistenverbände steht. So gilt für die Einen nicht, was für die Anderen selbstverständlich ist.
    Gerade in der Gestaltung der unterschiedlichen Alters- und Krankenversorgungssysteme
    in Deutschland (gesetzlich, freiberuflich, privat, steuerfinanziert / solidarisch und unsolidarisch), wird die Gleichheit, als Kern der Gerechtigkeit, bei der Gesetzgebung in einem unerträglichen Maße missachtet.
    Quelle: Aktion Demokratische Gemeinschaft
  8. Es geht um die Funktionsweise der Demokratie – Anmerkung zum Gedankenaustausch von Ursula Engelen-Kefer mit Frank Bsirske
    Meines Erachtens sind die von Ursula Engelen-Kefer in ihrem Brief an Frank Bsirske dargestellten Erläuterungen nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit und die Riester-Rente von Interesse. Sie schreibt, dass die Auseinandersetzungen über die rot-grüne Rentenreform “wie so häufig – nicht offen ausgetragen wurden.” Das halte ich, neben allen inhaltlichen Punkten, rückblickend wie nach vorne schauend für einen ganz wesentlichen Gesichtspunkt. Er berührt nichts geringeres als die Funktionsweise der Demokratie.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  9. Anmerkung zu unserem gestrigen Hinweis zu den Tarifverdiensten
    von unserem Leser G.K.:

    • Die nachstehend verlinkte Destatis-Tabelle zeigt, das die nominalen Bruttolöhne und -gehälter im Jahre 2011 gegenüber 2010 um 4,8 Prozent angestiegen sind.
    • Die weitere nachstehend verlinkte Destatis-Pressemitteilung zeigt, dass die Zahl der Arbeitnehmer in 2011 gegenüber 2010 um 1,3 Prozent angestiegen ist. Da dieser Beschäftigungsanstieg überproportional auf Teilzeit- und Minijobs zurückzuführen ist, läge dieser bei Ansatz von “Vollzeitäquivalenten” unterhalb von 1,3 Prozent.

    Aus den Prozentveränderungsraten der nominalen Bruttolöhne und -gehälter sowie der Beschäftigungsänderung lässt sich “über den Daumen” die Veränderung der nominalen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ermitteln:
    4,8% ./. 1,3% = 3,5%.
    Würde man die Beschäftigungsveränderung zu “Vollzeitäquivalenten” zum Ansatz bringen, dann läge der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sogar noch oberhalb von 3,5% (wahrscheinlich um die 4%).
    Dieses von mir errechnete Ergebnis liegt oberhalb der Tariflohnsteigerung per Oktober (2,1%) und bedeutet unter Berücksichtigung der Jahres-Inflationsrate in Höhe von 2,3 Prozent sogar einen Anstieg der realen Löhne und Gehälter je Arbeitnehmer in Höhe von 1,3 Prozent (bei Berücksichtigung von “Vollzeitäquivalenten” sogar entsprechend mehr).
    Die offene Frage lautet nun: Welcher Arbeitnehmergruppe kam dieser reale Anstieg der Brutto-Löhne und -gehälter im vergangenen Jahr zu Gute?

    • Waren es die Spitzenverdiener und hier insbesondere die Leitenden Angestellten (auch Ackermann und Co. fließen in die Destatis-Daten ein) über einen kräftigen Anstieg der fest vereinbarten Gehälter oder über eine deutliche Zunahme bei den Boni, Gratifiktionen etc.?
    • Waren es die mittleren und niedrigen Einkommensgruppen wegen einer deutlichen Steigerung der Einmalzahlungen oder wegen übertariflicher Steigerungen bei den Löhnen und Gehältern?
    • Waren es niedrigen Einkommensgruppen wegen dem Wirksamwerden von branchenbezogenen Mindestlöhnen?
    • Oder partizipierten alle Arbeitnehmergruppen in etwa gleich am realen Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer?
  10. Die Öko-Lüge vom Elekro-Auto
    Nur wenn der Zuwachs des Stromverbrauches durch die Elektro-Autos nicht zu Lasten des Ökostromanteils am Gesamtstromverbrauch geht, könnte die Elektromobilität nicht umweltschädlich sein. Wenn aber zum Beispiel für den zusätzlichen Stromverbrauch für die Elektromobilität Kohlekraftwerke gebaut werden müssten, dann wird die Bilanz für die Elektro-Autos ökologisch negativ.
    Es müsste also darauf geachtet werden, dass der Ausbau der Elektromobilität mit einem Ausbau von Ökostrom verbunden wird.
    Quelle 1: taz
    Quelle 2: Studie des Öko-Instituts
    Quelle 3: zu weiteren Studien zur Elektromobiltät durch das Öko-Institut siehe auch

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich ist die Studie zu begrüßen, aber irgendwie fühlt man sich auch gefoppt. Müssen immer wissenschaftliche Studien her, um etwas, das durch einfaches Nachdenken auf der Hand liegt, zu propagieren. Von Anfang an war klar, dass nicht der Auspuff darüber entscheidet, ob ein Auto wenig Treibhausgase ausstößt, sondern wie viel ein Kraftwerk ausstößt, welches dem E-Auto den Strom liefert. Da aber bis auf weiteres am Auspuff gemessen wird, erscheint der Hinweis darauf, dass effizientere, benzinbetriebene Fahrzeuge bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen des Pkw-Verkehrs um 25 Prozent reduzieren können, weitaus realistischer.

  11. Dobrindt will Linkspartei verbieten lassen
    CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt fordert ein Verbotsverfahren gegen die Linkspartei. “Ich denke, wir sollten alle Anstrengungen unternehmen, dass wir mittelfristig auch zu einem Verbotsverfahren kommen”, sagte Dobrindt. Die Linkspartei habe ein “schwer gestörtes Verhältnis zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung”. Die Beobachtung mehrerer Abgeordneter durch den Verfassungsschutz sei selbstverständlich.
    Schon am Sonntag hatte der CSU-Politiker in der ARD-Sendung Günther Jauch einen Verbotsantrag nicht ausgeschlossen und sich dafür ausgesprochen, alle 76 Bundestagsabgeordneten der Linken überwachen zu lassen.
    “Es wäre richtig, die Beobachtung zu intensivieren, dass alle beobachtet werden und dass man dies auch in allen Bundesländern tut”, sagte Dobrindt. “Wesentliche Teile der Partei lehnen das Grundgesetz ab.”
    Quelle: Die Zeit Online

    Anmerkung WL: Es drängt sich die Vermutung auf, dass schon die Veröffentlichung der – eigentlich längst bekannten – Tatsache, dass Parlamentarier der Linkspartei vom Verfassungsschutz beobachtet und auch überwacht werden, von dem Versagen dieser Behörde bei der Aufklärung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) ablenken soll. (Fünf der Morde fanden übrigens unter den rechts-blinden Augen des bayerischen CSU-Verfassungsschutzes statt.) Genauso hat dieser Vorstoß Dobrindts nur den Zweck von der Debatte um ein NPD-Verbot abzulenken bzw. wieder einmal zu versuchen, DIE LINKE mit der NPD gleichzusetzen. Dies ist die alte Methode der Rechtspopulisten so zu tun, als hätten sie mit dem braunen Sumpf nichts zu tun und sich damit gleichzeitig als Retter gegen die Linke aufzuspielen.
    Wenn es ja eine Klagebefugnis der Linkspartei gäbe, müsste sie eigentlich selbst vor das Verfassungsgericht ziehen und sich ihre Verfassungsmäßigkeit bestätigen zu lassen.

  12. ZDF-Umfrage: Deutsche wollen Geheimdienst-Morde zur Gefahrenabwehr
    Besonders junge Deutsche sprechen sich für gezielte Tötungen aus.
    Eine repräsentative Telefonumfrage des ZDF, die die Forschungsgruppe Wahlen vom 2. bis zum 8. November des vergangenen Jahres durchführte, bringt eine ebenso erstaunliche wie erschreckende Erkenntnis über die Einstellung der Deutschen zu ihren Geheimdiensten zu Tage. Laut der Umfrage möchte die Mehrheit der Deutschen, nämlich 54 Prozent, dass deutsche Geheimdienstagenten zur Gefahrenabwehr töten dürfen…
    70 Prozent der Befragten bis zu 24 Jahren sprechen sich klar für ein Recht der Agenten zum Töten aus, lediglich ein Viertel von ihnen lehnt dies ab. Die geringste Zustimmung erhalten Geheimdienstmorde durch die Generation der 29-39-Jährigen. Zwar wollen auch in dieser Altersgruppe 47 Prozent der Befragten den Agenten das Morden erlauben, allerdings ist die Ablehnung mit immerhin 48 Prozent in dieser Altersgruppe auch am größten. Die größte Gleichgültigkeit hat sich offenbar in der Altersgruppe der 39-49-Jährigen breitgemacht. Dort haben 17 Prozent der Befragten keine klare Meinung zu dieser Frage.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung WL: So tief hat sich inzwischen die Hysterie gegenüber dem Terrorismus festgesetzt. Fast die Hälfte der Deutschen und 70 Prozent der Jugendlichen wollen den Versagern gegenüber dem eklatanten Rechtsterrorismus auch noch die Lizenz zur Lynchjustiz geben.

  13. Pisa: Die Illusion der Statistiker
    Der Genauigkeitsanspruch von Pisa wird von neutralen Experten angezweifelt.
    Seit einem Jahrzehnt vermessen die Pisa-Studien den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern. Die statistische Methode beansprucht Exaktheit, entzieht sich aber dem wissenschaftlichen Diskurs. Entstanden ist eine selbst- referenzielle Testindustrie mit Hunderten Millionen Franken Umsatz. Nationale Bildungstraditionen werden zerstört, weil die Statistik alles über den Kamm der Messbarkeit scheren muss.
    Auftraggeber ist die OECD, die 34 Länder mit dem vorrangigen Ziel des «nachhaltigen Wirtschaftswachstums» vereinigt. Auftragnehmer sind fünf sogenannte transnationale Bildungsdienstleister – bei vier davon handelt es sich um private Unternehmen, die Pisa entwickelt und an 67 Staaten (Pisa 2012) verkauft haben. Dass diese Firmen wesentlich an ihrem eigenen Profit interessiert sind, kann man ihnen kaum vorwerfen – auch nicht die Wahrung von Betriebsgeheimnissen, obwohl das sicher Auswirkungen auf die von ihnen angebotenen Dienstleistungen und Produkte hat. Das Auftragsvolumen für einen internationalen Pisa-Durchgang liegt im dreistelligen Millionenbereich. Die Markterweiterung der Testindustrie auf die Schweiz, Österreich und Deutschland ist mit der Periodisierung der Pisa-Durchgänge im 3-Jahre-Rhythmus auch dauerhaft – zumindest bis 2015 – gelungen.
    Die privatwirtschaftliche Durchführung von Pisa entzieht dieses Programm weitgehend der wissenschaftlichen Diskussion und gibt seinen Betreibern eine Gestaltungs- und Deutungshoheit, die sich einem demokratischen und auch einem nationalen Diskurs entzieht.
    Die American Evaluation Association (AEA) warnt nach mehr als zwei Dekaden Testerfahrung 2002 eindringlich vor einer Testresultat-gesteuerten Bildungspolitik. «Obwohl solche Testungen seit mehr als zwei Jahrzehnten durchgeführt werden, haben sie weder die Qualität der Schulen verbessert noch Ungleichheiten in den Leistungen verringert, noch haben sie das Land in moralischer, sozialer oder ökonomischer Sicht vorangebracht.»
    Quelle: NZZ Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eine substanzielle und vernichtende Analyse, die bereits mit dem Hinweis, dass vier von fünf Auftragnehmer der Pisa-Studien private Unternehmen sind, die Pisa entwickelt und an 67 Staaten (Pisa 2012) verkauft haben, manchen Leser überraschen wird. Thomas Jahnke überrascht uns nicht, wenn er daraus schließt, dass die Profitorientierung die Wahrung von Betriebsgeheimnissen “Auswirkungen auf die von ihnen angebotenen Dienstleistungen und Produkte hat. … Die privatwirtschaftliche Durchführung von Pisa entzieht dieses Programm weitgehend der wissenschaftlichen Diskussion und gibt seinen Betreibern eine Gestaltungs- und Deutungshoheit, die sich einem demokratischen und auch einem nationalen Diskurs entzieht.” Mit Periodisierung der Pisa-Durchgänge im 3-Jahre-Rhythmus ist diesen Unternehmen ein dauerhafter Profit gewährleistet. Neben der generellen Frage nach der funktionellen Ausrichtung der Tests, darf man sich deshalb schon fragen, ob die Teilnehmer, welche zwischen der Testindustrie und universitären Positionen stehen, interessenfrei agieren. Auch das Expertengremium, das die OECD berät, dürfte ziemlich Pisa-kritikresistent sein. Der Text bietet reichlich Stoff zum Nachdenken.

  14. Forscher erzürnt Zensur von Pisa-Daten
    Obwohl die Tests damit schon fast Routine sind, ist Pisa hierzulande noch immer ein großes Politikum. Das zeigt sich sogar im Umgang mit den alten Daten aus früheren Pisa-Studien. Im Prinzip stehen sie Forschern für weiterführende Analysen offen. Aber nur im Prinzip. In der Praxis versuchen die Kultusminister, heikle und unliebsame Veröffentlichungen, in denen einzelne Bundesländer schlecht aussehen könnten, um jeden Preis zu verhindern…
    Personenbezogene und damit datenschutzrechtlich sensible Angaben sind in den Pisa-Datensätzen von vornherein ausgeschlossen. Umso unverständlicher finden es auch deutsche Wissenschaftler, wie die Politik versucht, sich in Studien einzumischen. Oft regen sie sich allerdings nur hinter vorgehaltener Hand auf, denn viele Bildungsforscher erhalten Geld und Aufträge von den Kultusministern; nicht zuletzt für Pisa.
    Quelle: SZ
  15. Exzellenz und Rankings beeinflussen die Hochschulwahl nur moderat
    Studienplatzbewerber mit herausragenden schulischen Leistungen lassen sich bei der Wahl ihrer künftigen Universität zwar durchaus von dem Gütesignal “Exzellenz-Universität” sowie von Bestnoten in Hochschulrankings leiten. Im Vergleich zu anderen Entscheidungskriterien spielen Exzellenz und Rankings allerdings nur eine eher moderate Rolle. Nach wie vor ist die Nähe der Hochschule zum Wohnort der Eltern das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung für eine Hochschule. Dies zeigt eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde.
    Veränderungen in den nichtforschungsbezogenen Rankingkriterien beeinflussen die Wahl der Universität daher stärker als Veränderungen in den forschungsbezogenen Dimensionen.
    So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein künftiger Studierender bei einer Hochschule bewirbt, wenn diese in den Qualitätsdimensionen Zufriedenheit der derzeitigen Studierenden und Betreuungsverhältnis von Professor zu Studierenden besser abschneidet. Veränderungen in den forschungsbezogenen Kriterien wie der Forschungsreputation der Fakultät oder der Reputation bei Professoren haben dagegen einen deutlich geringeren Einfluss auf das Bewerbungsverhalten. Rankingindikatoren beeinflussen die Entscheidung für eine Universität somit vor allem dann, wenn sie zusätzliche Informationen über die Qualität dieser Universität liefern.
    Insgesamt ist der Einfluss von Qualitätsindikatoren auf die Hochschulwahl eher moderat. Die Entfernung des Wohnorts der Eltern und damit zumeist auch des eigenen Wohnorts zur gewählten Universität beeinflusst in Deutschland weiterhin am stärksten die Hochschulwahl der Studienplatzbewerber.
    Quelle: idw
  16. Rede von Marcel Reich-Ranicki zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
    Quelle: Deutscher Bundestag
  17. Sanktionen gegen Iran: Der Junkie, der dem Dealer droht
    Das Embargo wird zu einem Zeitpunkt exekutiert, da der globale Ölmarkt den Höhepunkt seiner Förderung erreicht hat. 2011 war das teuerste Öljahr aller Zeiten und 2012 wird noch heftiger. In dieser Situation ist der Versuch, den zweitgrößten Opec-Lieferanten mit einem Ölembargo in die Enge zu treiben, ein beinahe suizidales Spiel. Wehe, es schließen sich noch andere Länder dem Boykott an. Dann müssten auch sie ihr Öl woanders beziehen, der Markt geriete aus den Fugen. Dies ist der einzige Boykott, bei dem die Boykotteure panische Angst haben müssen, dass andere Länder aus Solidarität mitmachen könnten. Absurd!
    Quelle: taz
  18. TV-Tipp: Neues aus der Anstalt
    Auch 2012 begeben sich Urban Priol und Erwin Pelzig wieder auf ihre satirische Monatsvisite. Zur Kurztherapie werden am 31. Januar die Kabarettisten Carmela de Feo, Piet Klocke und Arnulf Rating “eingeliefert”.
    Quelle: ZDF


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