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Titel: Hat Libanon das Recht auf Selbstverteidigung gegen israelische Luftangriffe?
Datum: 29. August 2024 um 9:05 Uhr
Rubrik: Militäreinsätze/Kriege
Verantwortlich: Redaktion
Am 25. August hatte Israel laut eigener Darstellung mit 100 Kampfflugzeugen den Süden Libanons angegriffen, dabei starben nach libanesischen Angaben zahlreiche Zivilisten. Auf der aktuellen Regierungspressekonferenz verteidigte das Auswärtige Amt das Vorgehen Israels als gerechtfertigten Präventivangriff im Sinne eines „völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrechtes“. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen wollten die NachDenkSeiten wissen, ob die Bundesregierung angesichts des fast täglichen Eindringens israelischer Kampfjets in das libanesische Hoheitsgebiet den Abschuss dieser Kampfflugzeuge durch die reguläre libanesische Armee ebenso als vom Völkerrecht gedeckt betrachtet. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 26. August 2024
Frage Towfigh Nia (freier Journalist)
Herr Wagner, Israel hat Libanon am Wochenende massiv bombardiert. Es gab viele Tote, darunter auch Zivilisten. Dazu hätte ich gern eine Reaktion.
Wagner (AA)
Wir haben am Wochenende vor allen Dingen erst einmal eine Eskalationsdrohung durch die Hisbollah gesehen, die schon im Vorfeld massiv gedroht hatte und dann mit Raketen und Beschuss auf Israel vorangegangen ist. In der Tat hat die israelische Regierung im Lichte dieser Bedrohung Gebrauch von ihrem Recht auf Selbstverteidigung gemacht und hat Israel eine Operation im Süden Libanons durchgeführt.
Wir sehen die Spannung in der Region, die darin zum Ausdruck kommt, natürlich mit großer Sorge. Die Gefahr einer regionalen Eskalation ist weiterhin mitnichten gebannt. Insofern sind es, denke ich, erst einmal gute Nachrichten, dass es nicht zu einer großen regionalen Eskalation gekommen ist. Aber wir rufen natürlich alle Akteure dazu auf, sich jetzt zurückzuhalten.
Ich denke, im Lichte dessen ist auch wichtig, noch einmal zu unterstreichen, dass die Verhandlungen über einen humanitären Waffenstillstand in Kairo nach wie vor laufen, der, wenn man die vorsichtige Hoffnung hegen will, sicherlich auch Auswirkungen auf die Lage an der Nordgrenze Israels und auf die Bedrohungslage durch die Hisbollah haben wird. Insofern wäre es wichtig, dass es in diesen Verhandlungen zu Fortschritten, zu einem Durchbruch, zu einer Entscheidung kommt. In dem Sinne begleiten wir sie mit dem Appell, sich zu einem humanitären Waffenstillstand durchzuringen.
Zusatzfrage Towfigh Nia
Sind diese Verhandlungen durch den massiven Luftangriff erschwert worden? Wir reden ja von hundert israelischen Kampfjets, die Libanon bombardiert haben.
Wagner (AA)
Noch einmal: Die israelische Regierung sagt sehr explizit, sie habe auf ein Bedrohungsszenario aus Südlibanon durch die Hisbollah reagiert, das sich dann ja auch umgehend durch den massiven Beschuss mit Raketen gezeigt hat. Ich habe eben schon dargelegt, dass das alles natürlich Rückwirkungen hat. Umso wichtiger ist es, dass wir in den Verhandlungen der Parteien, die jetzt in Kairo zusammenkommen und zur Stunde verhandeln, zu einem Ergebnis kommen. Es braucht einen humanitären Waffenstillstand. Den braucht es nicht nur, um der Gefahr einer regionalen Eskalation vorzubeugen, sondern vor allen Dingen auch mit Blick auf die Geiseln, die weiterhin in der Hand der Hamas in Gaza sind, und auf die Lage der Menschen in Gaza, die katastrophal ist.
Frage Warweg
Sie haben jetzt noch einmal mit dem Selbstverteidigungsrecht Israels argumentiert. Israel bricht eigentlich tagtäglich in das Hoheitsgebiet des Libanons ein, gerade mit seinen Luftstreitkräften. Das wissen Sie sicherlich auch durch Ihre Vertretung in Beirut. Wäre aus Sicht der Bundesregierung ein Abschuss israelischer Flieger durch die reguläre libanesische Armee vom Völkerrecht gedeckt?
Wagner (AA)
Herr Warweg, es steht, denke ich, außer Frage, dass Hisbollah seit dem 8. Oktober zahllose Angriffe auf den Norden Israels fährt und dass es dort fast täglich zu Beschuss kommt. Hisbollah hat in den letzten Wochen auch immer wieder öffentlich angekündigt, dass sie weitere Angriffe vornehmen werde. Ich kann hier nicht über die konkrete militärische Situation und Ihre Bewertung spekulieren. Aber weil Sie es in Ihrer Frage noch einmal aufgeworfen haben: Es ist es vollkommen anerkannt, dass es ein völkerrechtliches Selbstverteidigungsrecht gibt. Dieses gilt auch für einen unmittelbar bevorstehenden Angriff, wenn er nicht anders als durch sofortige Verteidigungsmaßnahmen abgewendet werden kann. Ich denke, das ist das, was wir dort am Wochenende beobachtet haben.
Zusatzfrage Warweg
Meine Frage war eher generell, weil Israel tatsächlich auch weit vor jenen Oktoberereignissen fast tagtäglich die Lufthoheit gebrochen hat. Ich denke, jeder der in Libanon war, hat das gesehen. Daher würde mich grundsätzlich interessieren, ob Sie der libanesischen Armee das Recht auf Selbstverteidigung im Sinne von Abschuss einräumen würden.
Wagner (AA)
Wir beobachten doch einen Konflikt, in dem auf der einen Seite die Hisbollah steht, die Israel nicht nur droht, sondern Israel auch beschießt und angreift, und auf der anderen Seite die israelische Armee. Sie wissen, dass wir uns immer wieder eingebracht haben, um eine regionale Eskalation zu verhindern und eine Lösung für diesen Konflikt zu finden. Die Außenministerin war mehrfach im Libanon. Die UNIFIL ist dort engagiert und trägt zum „deconflicting“ bei.
Insofern muss es uns doch darum gehen, zu klären, wie wir zu einer Lösung kommen, und eine weitere Eskalation zu verhindern. Alle diplomatischen Kanäle sind dafür im Moment aktiv und tragen hoffentlich dazu bei, dass dort weiter „deconflictet“ wird und dieser Konflikt nicht Raum greift.
Titelbild: NDS, Regierungspressekonferenz vom 26. August 2024
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