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Titel: Die SPD will nicht den Kanzler stellen. Anders kann man Gabriel nicht verstehen.

Datum: 25. Januar 2012 um 15:53 Uhr
Rubrik: SPD, Wahlen
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Wir werden oft gefragt, warum wir so kritisch mit der SPD umgehen. Anhand des neuen Interviews des SPD-Vorsitzenden Gabriel mit der Süddeutschen Zeitung lässt sich das leider leicht erklären: Wir halten es für dringend notwendig, dass unser Volk eine politische Alternative hat, und dass es auch eine Kanzleralternative zu Frau Merkel verdient. Um das für notwendig zu halten, braucht man kein bisschen parteiisch zu sein. Man muss nur begreifen, dass zur Demokratie die Chance und die Drohung der Ablösung der Regierenden gehören. Der SPD-Vorsitzende verweigert uns diese Chance. Und er hält uns obendrein für ausgesprochen blöd. Albrecht Müller.

Er schließt ein Bündnis mit der Linken, also ein Rot-Rot-Grünes-Bündnis, aus. Gabriel geht davon aus, dass wir nicht wissen, dass es die SPD alleine mit den Grünen auf Bundesebene nicht schaffen wird. Und wenn es wieder nur eine Große Koalition gibt, dann wird angesichts des Umfrage-Abstandes von Union zur SPD und von Angela Merkel zu jedem der drei potentiellen SPD-Kandidaten am Ende nur eine Große Koalition unter Führung der Union wahrscheinlich sein.

Gabriel liefert die Stichworte für die Wahlkampagne der Konservativen

Ich hätte keine Hemmungen, den SPD-Vorsitzenden zu loben. Aber was er in dem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt hat, macht das unmöglich. (Ein Bericht darüber unter dem Titel „Koalitionsaussage für Bundestagswahl 2013 SPD-Chef Gabriel schließt Bündnis mit Linken aus“ siehe hier ) Gabriel lehnt nicht nur ein Bündnis mit der Linkspartei ab, er liefert den Konservativen, also der Union, der FDP und allen sonstigen, denen eine politische Alternative zu Schwarz-Gelb ein Graus ist, auch noch die Stichworte. Gabriel sagt, eine rot-rot-grüne Bundesregierung wäre „für Deutschland unverantwortlich“. Damit schafft er nicht nur die Zitate für die politische Werbung von Schwarz-gelb auf Bundesebene. Da die Unterscheidung von Bundesebene nein und Landesebene ja den meisten Menschen sowieso nicht zu vermitteln ist, werden auch die Sozialdemokraten auf Landes- und Kommunalebene mit dem Stichwort „unverantwortlich“ konfrontiert werden. Im nüchternen Zustand kann man solche strategischen Fehler nicht machen.

Welche unserer Parteien ist rundum berechenbar?

Gabriel begründet seine Ablehnung der Zusammenarbeit mit der Linken damit, diese sei nicht berechenbar. Dazu ist anzumerken. Wenn das gelten würde, dann würde es mindestens in gleicher Weise für die Union, für die FDP und für Gabriels Partei selbst gelten. Ist die Union für Mindestlohn oder nicht? War die SPD immer für den Mindestlohn oder nicht? Wie berechenbar ist Merkels Kurs in der Finanzkrise? Ist der Kurs der Union im Kampf gegen den rechten Terror berechenbar? Und ihre parteipolitische Nutzung des Verfassungsschutzes? Klebt die SPD an der Erhöhung des Renteneintrittsalters oder kann sie sich davon lösen? Rühmt sich die SPD wie Schröder der Einführung des „besten Niedriglohnsektors“ oder schämt sie sich dessen? Gilt die Riester-Rente als ein Erfolg oder als falscher Weg? Wird Deutschland am Hindukusch verteidigt oder eher nicht?

Es ist nicht schlimm, wenn es verschiedene Meinungen in den Parteien gibt. Irgendwann muss der Sack zugebunden werden. Das gilt für alle Parteien. Es ist nicht erkennbar, dass dieser Akt der Linkspartei schwerer fallen würde als den anderen.

Die Zustimmung zum obskuren Instrument der Schuldengrenze als Koalitionsbedingung. Absurd.

Wirklich apart ist eine weitere Begründung für die Ablehnung der Zusammenarbeit mit der Linkspartei: Lafontaine lehne es ab, die Schuldengrenze einzuhalten. Wenn der SPD-Vorsitzende die Skepsis gegenüber der Schuldengrenze für ein Essential seiner Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linken hält, dann hat dieser Mann nicht einmal andeutungsweise begriffen, welches fragwürdige Instrument unter Demokratiegesichtspunkten die Schuldengrenze ist. Damit kastrieren sich die politisch Verantwortlichen selbst. Sie bestätigen sich vorher, dass sie aus freien Stücken unfähig sind, eine seriöse Finanzpolitik zu betreiben. Deshalb müssten sie sich einem Zwang aussetzen. – Eine wirklich perverse Denkweise und Einrichtung. Und diese macht der Vorsitzende einer großen Partei zum Grund dafür, die Chance zum politischen Wechsel von vornherein unmöglich zu machen.

Das Markenzeichen der SPD Führung um Gabriel: der Finger im Wind

Im Kern offenbart der Vorsitzende der SPD, dass er sich im wesentlichen von der herrschenden öffentlichen und veröffentlichten Meinung leiten lässt – unabhängig davon, was sachlich geboten ist.

Jede Partei, und insbesondere eine Partei, die wie die Parteien auf der linken Seite des politischen Spektrums den Wahlkampf gegen mächtige finanzielle und publizistische Interessen führen muss, ist gut beraten, Menschen zu mobilisieren, die ihre Stimme im Wahlkampf erheben. Das wird sie nur schaffen, wenn sie ein eigenes Profil hat und die Meinungsführung in zentralen Fragen übernimmt. Eine SPD, die sich in zentralen Fragen wie der politischen Option für ein politisches Bündnis oder wichtigen Fragen der Finanzpolitik der gemachten Meinung anpasst, hat schon verloren.

Das sollten Freunde und Anhänger der SPD bitte möglichst bald begreifen. Andernfalls ist es um ihre Chance auch 2013 geschehen.


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