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Titel: Die Wunderwelt der KI und die Marktschreier

Datum: 22. August 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Überwachung, Wertedebatte
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Allein die Gefahren, die im Militärbereich potenziell von künstlicher Intelligenz (KI) ausgehen können, zeigen: Es müssen endlich sinnvolle Regularien in allen Gebieten der KI eingezogen werden. Das sollte allerdings vonseiten wirklich unabhängiger Geister geschehen. Die Sache ist zu wichtig, um sie korrupten Politikern zu überlassen. Ein Kommentar von Günther Burbach.

Herzlich willkommen in der neuen Wunderwelt der Künstlichen Intelligenz: eine Welt, in der scheinbar nichts mehr unmöglich ist. Was gestern noch Science-Fiction war, kommt heute schon als Alltagsgegenstand daher. Egal in welchem Bereich des Alltags, überall verbessert neue Technik Ihr Leben. So oder so ähnlich könnte ein Marktschreier die Welt, in der wir heute 2024 leben, beschreiben. Diese Art von Marktschreiern gibt es mehr, als uns bewusst ist. Sie kommen meist als extrem wohlhabende sogenannte Philanthropen daher, die natürlich nur unser Bestes im Sinn haben. Irgendwie schaffen Sie es immer wieder, uns wie mit Zauberhand von neuen und oftmals absolut überflüssigen Dingen zu begeistern. Die Frage ist: Hält diese Marktschreierei einer näheren Betrachtung stand? Oder anders gefragt: Ist die Schreierei eigentlich nur als Ablenkung gedacht?

Um diese Fragen zu beantworten, fangen wir unsere Betrachtung einmal ganz klein an, oder besser gesagt bei unseren Kleinsten. Es ist ganz erstaunlich, wie begeisterungsfähig sie sind, wenn es um jegliche Art von Spielen oder Filmchen auf einem Handydisplay geht. In den Augen vieler Erzieher und Therapeuten wäre es fatal, diese Begeisterungsfähigkeit nicht zu nutzen, um die Kinder spielerisch an irgendwelche Lernziele heranzuführen. So bekommen unsere Liebsten mit vielen bunten Farben und schön anzuschauenden Figuren die Buchstaben und Zahlen beigebracht. Gefahren des täglichen Lebens können dadurch genauso übermittelt werden wie ein guter Umgang miteinander. Alles schön hübsch verpackt in Lili-Lala-Musik zum Mitsingen, kommt diese behutsame Art des Lernens gut an bei den Milchzahnträgern.

Wenn der Mensch von der KI klassifiziert wird

So weit, so gut, könnte man meinen – wenn, ja wenn in den Augen einiger Wissenschaftler nicht noch mehr ginge. Anhand der Spiele, die unsere Liebsten begeistert ausführen, kann man doch auch gewisse Interessen und Abneigungen erkennen und ableiten. Durch Mal- oder Geschicklichkeitsspiele können die verschiedensten Begabungen und Talente erkannt und eingestuft werden. Für die Analyse wird heute schon versuchsweise KI eingesetzt. Hier beginnt es, meiner Ansicht nach, gefährlich zu werden. Es wird klassifiziert, und diese Klassifizierung könnte Einfluss auf den weiteren Lebensweg aller Betroffenen haben. Das legendäre Haus vom Nikolaus ist dann nicht mehr einfach nur eine schnell zusammengekritzelte Zeichnung einer Vierjährigen, nein, die KI interpretiert die Art und Weise, wie diese Kritzelei entstanden ist. Selbstverständlich werden alle Ergebnisse der einzelnen Probanden gespeichert, und so zeichnet sich dann nach und nach ab, welchem Lerntyp das einzelne Kind angehört. Die Befürworter eines solchen Vorgehens werfen in den Raum, dass man hier Talente schon in jungen Jahren erkennen kann – genauso, wie man Schwächen erkennen und ausmerzen könnte. Ich glaube nicht, dass man ein talentfreies Kind zu einem großen Maler machen kann. Wenn man aber versucht, es durch immer mehr Malstunden in diese Richtung zu drängen, könnte es jeglichen Spaß am Malen verlieren.

Was in der Vorschule beginnt, kann dann in der Schule reibungslos fortgesetzt werden. Allerdings begrenzt man den Einsatz von KI nicht nur auf das Lernen, nein, fleißige Marktschreier machen die KI zu einem täglichen Begleiter. Einfach als App auf das Handy des Schülers geladen, weiß die Künstliche Intelligenz eine Antwort auf fast jede Frage des täglichen Lebens. Was viele Schüler und Lehrer wahrscheinlich dabei vergessen, ist die Tatsache, dass die eingesetzte KI über den Fragenden selbst sehr viel erfährt. Zusammen mit den jeweiligen Handydaten kann unbemerkt im Hintergrund schon ein ziemlich gutes Profil des jeweiligen Schülers gezeichnet werden. Fast immer sind diese Apps kostenfrei – man muss halt nur diese lästige Datenschutzerklärung mit okay bestätigen, und schon geht es los; was so viel heißt wie, die Übermittlung der eigenen Daten an einen Marktschreier hat begonnen.

Mähroboter und „Abhöranlagen“

Im nächsten Gesichtspunkt der KI-Wunderwelt wagen wir einmal einen Blick auf unser tägliches Leben. Hier findet in immer mehr Bereichen eine Umwälzung statt. Auf immer mehr Wiesen vor zumeist schicken Einfamilienhäusern ziehen kleine Mähroboter ihre Bahnen. Nie wieder Rasenmähen, was für eine Erleichterung, wird da so mancher denken. Zusammen mit dem Saugroboter, der im inneren des Hauses unermüdlich für Sauberkeit sorgt, kann das schon eine gewisse Zeitersparnis mit sich bringen. Mal abgesehen von den zu Tode gekommenen Igeln, haben solche kleinen Helferlein einen wesentlichen Nachteil. Sie sammeln Daten über die Strecke, die sie tagtäglich zurücklegen. Kann das bei einem Mähroboter noch ziemlich zu vernachlässigen sein, ist es bei einem Saugroboter, der sämtliche Zimmer Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung befährt, ein ernst zu nehmendes Risiko darstellen. Schließlich kennt dieses kleine Blechding jeden Winkel in Ihrem Umfeld und speichert diese Daten. Es würde mich nicht wundern, wenn auch irgendein Marktschreier diese Daten per App abrufen kann.

Ganz verrückt wird es allerdings, wenn wir einmal in Augenschein nehmen, was da in Form von kleinen Abhöranlagen auf den Wohnzimmertischen steht. Durchgehend auf Empfang, nimmt die Anlage kleine Befehle entgegen, die dem Anwender das Leben erleichtern sollen. Man braucht nur sagen, „Abhörding, schalte das Licht ein“, und schon geschieht es. Es ist eigentlich nicht zu begreifen, dass wir uns rund um die Uhr abhören lassen, nur um nicht selbst das Licht einzuschalten oder ein gewisses Lied auf unserem Abspielgerät selbst zu suchen. Aber irgendwie haben es die üblichen Verdächtigen geschafft, diese Abhöranlagen zu einem Kassenschlager zu machen. Darauf angesprochen, lachen die Nutzer nur mitleidig, wo lebst Du denn, meinst Du, da sitzen Leute, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als uns abzuhören? Mal abgesehen davon, dass tatsächlich schon Geschichten an die Öffentlichkeit gedrungen sind, bei denen sich über die Nutzer lustig gemacht wurde, ist es eine KI, die zuhört, einordnet und gegebenenfalls auch speichert – was natürlich nicht bewiesen ist und vom Anbieter immerzu bestritten wird.

KI und die Arbeitswelt

Was im Privatleben der Mähroboter, sind im Berufsleben ganze Bandstraßen, die unsere Arbeit erledigen. Natürlich begleitet von viel Geschrei, verspricht diese neue Revolution, die als Industrie 4.0 vorgestellt wird, schwere, eintönige Arbeit ohne Pause zu erledigen. In einer Firma in Berlin kann man heute schon zusehen, wie schnell und zuverlässig das geschieht. Ja, in diesem Betrieb zur Herstellung von E-Autos hat die Zukunft schon begonnen. Es braucht nur noch eine Handvoll Programmierer und einige Leute, die nachkontrollieren, und schon bauen elektrisch betriebene Roboter elektrisch betriebene Autos. „Einfach nur phantastisch“, hört man es wieder von allen Seiten auf uns einschreien. Wer sich allerdings die Ohren zuhält und einmal genau nachdenkt, dem drängen sich verschiedene Fragen auf. Was passiert mit den gut bezahlten Arbeitsplätzen, wenn dieses Beispiel Schule macht? Was geschieht mit den vielen Menschen, die sich dann gar kein E-Auto mehr kaufen können, weil ihren Job jetzt ein Roboter macht? Wo liegt der Nutzen für die Allgemeinheit? Diese und andere Fragen werden auf politischer Ebene oftmals damit abgetan, dass wir den Anschluss nicht verpassen dürften, um im globalen Handel noch wettbewerbsfähig zu sein.

Der Schrauber von Band Nummer fünf, der früher mit 4.500 Euro brutto ein geregeltes Leben führen konnte, kann ja umschulen und nach zwei Jahren einen Neustart hinlegen. Natürlich wird er dann keine 4.500 Euro brutto mehr verdienen, aber wir müssen ja alle unseren Gürtel enger schnallen – das heißt natürlich nur, wenn es in dem jeweiligen Job überhaupt noch Nachfrage gibt.

Es ist heute gar nicht mehr so einfach, in einen Job zu kommen, der wirklich zukunftssicher ist. Wer glaubt, „okay – KI ist die Zukunft, also lerne ich programmieren und alles ist gut”, der könnte eine große Enttäuschung erleben. Gerade auf dem Gebiet der Programmierung wird zukünftig immer mehr auf KI statt auf Programmierer gesetzt. Eine ganze Branche hat sich selbst praktisch weg-programmiert. Wie in der Autoindustrie hält die Künstliche Intelligenz auf vielen Gebieten Einzug. Vom Dienstleistungsgeschäft der Call-Center bis hin zu Ärzten und Steuerberatern wird niemand verschont, wenn erst einmal die große KI-Sense ausgepackt ist.

Die Politik gibt den Anschein, als hätte man die Zeichen der Zeit erkannt. Unter Industrie 4.0 hat man ein Programm aufgesetzt, bei dem Politiker, Gewerkschafter und Industriemagnaten an einem Tisch für große Lösungen sorgen sollen. Meiner Ansicht nach lassen sich unwissende Politiker und geltungssüchtige Gewerkschafter, die ihrem eigentlichen Zweck schon lange nicht mehr dienlich sind, von der Großindustrie abkochen. Es werden Rahmenbedingungen dargestellt, die angeblich unerlässlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind. Auch wenn einige Bedingungen nicht von der Hand zu weisen sind, braucht es für den Wirtschaftsstandort Deutschland zuerst einmal wieder kluge Politiker – eben solche, die sich nicht von Lobbyverbänden hofieren lassen und sich mehr dem Wähler als der Großindustrie verpflichtet fühlen.

Die KI und das Militär

Zum Schluss nun der wohl beängstigendste Punkt unserer KI-Wunderwelt: die Rüstungsindustrie. Jeden Tag verfolgen wir im TV die fürchterlichen Kriege auf unserem schönen Planeten. Wir sehen, wie immer mehr neuste Technik den Krieg erlebbarer macht. Wir sind mit Drohnen unterwegs, die aus großer Höhe ahnungslose Gegner mit einer Rakete in Fetzen schießen. Wir schauen in Schützengräben einer verfeindeten Partei, wo Soldaten verängstigt in den Himmel schauen, kurz bevor auch Sie nur noch ein rauchendes Etwas sind. Wir haben uns scheinbar schon an die Bilder gewöhnt, die uns ferngesteuerte Drohnen allabendlich ins Fernsehzimmer liefern. Bei Chips und Bier lässt sich auch der widerlichste Krieg ertragen. Was aber, wenn sich noch ausgereiftere Technik, die autonom agiert, gegen uns selbst richtet? Was sich wie eine düstere Prophezeiung anhört, könnte durchaus Wirklichkeit werden – und das schneller, als wohl einige von uns momentan noch glauben.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Drohnen schon selbstständig den sogenannten Abzug betätigt haben. Alles, was vollkommener Autonomie noch im Weg steht, ist der Mensch. Vom Prinzip her können unsere Drohnen schon von KI gesteuert und befehligt werden. Diese KI kann Entscheidungen schnell und präzise fällen. Man hat KI gegen erfahrene Kampfpiloten antreten lassen und sich gewundert über Flugmanöver, welche der erfahrene Pilot nie zuvor gesehen hat. Der Mensch hatte in vielen Simulationen nicht den Hauch einer Chance. Hier zeigt sich, wie weit die KI-Forschung heute wirklich ist. Auf keinem Gebiet ist wohl mehr geforscht worden als auf dem Gebiet der Militärtechnik. Es gibt heute Drohnen, die selbststeuernd ohne GPS-Signal durch einen Wald rasen, ohne einen Baum zu touchieren. Diese kleinen Dinger lernen vom Erlernten und geben es an nächste Generationen weiter.

Was das heißen könnte, hat uns vor Jahren ein kleiner Film aus der Reihe „NZZ Format“ vorgeführt, in dem ein Schwarm von Drohnen über eine Schule herfällt. Was damals noch nicht möglich war, ist heute Realität: sich selbst steuernde Drohnen, die kein GPS-Signal benötigen und sich an ihrer Umwelt orientieren. Ausgestattet mit Sprengsätzen, sind sie aufgrund ihrer geringen Größe und großen Anzahl fast nicht aufzuhalten. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was eine solche Technik in den Händen von Fanatikern bedeuten könnte.

Diese kleinen Drohnen gibt es wirklich, und auf Arte gibt es schon Filmbeiträge dazu. Man lässt uns schon einiges sehen. Auch große Roboter, die sich auf zwei Maschinenbeinen fortbewegen und mittlerweile kein Problem mehr mit dem Gleichgewicht haben, werden schon gezeigt. Die große Gefahr für uns alle sehe ich in dem, was man uns nicht sehen lässt.

Es gibt noch sehr viel, was über moderne Kriegsführung mit KI-Technik zu sagen wäre, aber ich möchte es hiermit gut sein lassen. Was allerdings immer klarer wird, ist die Tatsache, dass endlich sinnvolle Regularien in allen Gebieten der KI eingezogen werden müssen. Das sollte allerdings von wirklich unabhängigen Geistern geschehen. Die Sache ist zu wichtig, um sie korrupten Politikern oder geldgierigen Marktschreiern zu überlassen.

Titelbild: ibnallahdin/shutterstock.com

Zum Autor: Günther Burbach ist Schlosser und Schweißer und hat anschließend eine Ausbildung zum Informatikkaufmann gemacht. Nach Jahren im Stahlbau arbeitete Burbach dann als Informatikkaufmann unter anderem bei der Telekom, er schreibt auch für den „Lokalkompass“ der Funke-Mediengruppe.


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