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Titel: Musk interviewt Trump – Und die EU droht mit Zensur
Datum: 13. August 2024 um 13:45 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien
Verantwortlich: Tobias Riegel
EU-Kommissar Thierry Breton hat im Vorfeld eines Trump-Interviews das Gespräch in fragwürdiger Weise „eingeordnet“ und mögliche Konsequenzen für den Kurznachrichtendienst X angedeutet – das ist ein Fall der Einmischung in den US-Wahlkampf und in die Meinungsbildung der EU-Bürger und darum ein starkes Stück. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat seit 2023 wieder eine Präsenz auf dem Kurznachrichtendienst X – Trump war vom damals noch Twitter genannten Unternehmen 2021 verbannt worden, die NachDenkSeiten hatten in diesem Artikel darüber berichtet. Nun hat der X-Eigentümer Elon Musk ein Interview mit Trump geführt, es ist unter diesem Link anzuhören. Im Vorfeld des Interviews gab es eine fragwürdige „Warnung” der EU am Musk – ein Offener Brief vom EU-Kommissar Thierry Breton dazu wird weiter unten wiedergegeben.
Die Berliner Zeitung hat in diesem Artikel die Passagen des Interviews zum Thema Ukrainekrieg im Wortlaut übersetzt. Inhaltlich soll das Trump-Interview in diesem Artikel nicht bewertet und analysiert werden – ich überlasse es den Lesern, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und ich verlange von der offiziellen EU, dass sie genau solche Meinungsbildungsprozesse nicht behindert: Im Vorfeld eines solchen Interviews im Rahmen des US-Wahlkampfes sollte auf eine fragwürdige „Einordnung“ vonseiten der offiziellen EU verzichtet werden und ebenso auf Drohungen gegen dem Medium, das das Gespräch verbreitet.
EU: Einmischung und Zensur-Drohung
Die Frage ist relevant, weil der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Thierry Breton, im Vorfeld des Interviews einen Offenen Brief an Elon Musk verfasst hat. Darin heißt es etwa, Breton würde diesen Brief anlässlich der Krawalle in England, aber eben auch explizit wegen des oben erwähnten Trump-Interviews schreiben – Breton möchte Musk in diesem Zusammenhang an die Verpflichtungen erinnern, die aus dem meiner Meinung nach sehr kritikwürdigen „Digital Services Act“ (DSA) der EU für die Plattform X erwachsen würde.
Breton schrieb außerdem laut Medien: „Da die betreffenden Inhalte für EU-Nutzer zugänglich sind und auch in unserem Zuständigkeitsbereich verbreitet werden, können wir mögliche Auswirkungen in der EU nicht ausschließen.“ Breton fügte hinzu, dass „jede negative Auswirkung illegaler Inhalte“ die EU dazu veranlassen könnte, weitere Maßnahmen gegen X zu ergreifen, indem sie „unser gesamtes Instrumentarium einsetzt, einschließlich der Verabschiedung einstweiliger Maßnahmen, falls dies zum Schutz der EU-Bürger vor Schaden gerechtfertigt ist“. Die EU-Kommission hat bereits im Dezember ein Verfahren gegen X eröffnet: Wegen der „Verbreitung illegaler Inhalte“. Dabei geht es „um Hassrede, Hetze und Falschinformationen“, wie Medien berichtet hatten.
Auch die EU hat meiner Meinung nach das Recht, sich gegen Einmischungen aus dem Ausland etwa über Social-Media-Kampagnen zu wehren – wenn diese Einmischung real und schädlich ist. Nicht nur bezüglich des Breton-Briefes ist aber eine zentrale Frage, welche Inhalte denn als „illegal“ oder „schädlich“ zu gelten haben und wer diesen Status festlegt. Außerdem fallen im Zusammenhang mit dem DSA immer wieder an George Orwell erinnernde Formeln, nach denen die Zensur-Vorstöße der EU indirekt eigentlich einen Schutz von Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit bedeuten würden.
Ich finde den Offenen Brief von Breton ein starkes Stück: Zum einen empfinde ich es als unredliche Parteinahme im US-Wahlkampf vonseiten der EU, ein Interview mit einem der Bewerber bereits im Vorfeld unter Generalverdacht zu stellen. Zum anderen ist die unverhohlene Drohung mit Sanktionen, sollte sich X nicht künftig im Sinne der EU-Zensoren „wohlverhalten“, ein massiver Anschlag auf die Meinungsfreiheit und auf die Möglichkeiten der EU-Bürger, sich selber Informationen zu suchen und diese auch selbstständig zu bewerten.
Der Spiegel berichtet aktuell mit Berufung auf Bretons Brief, X solle die Effizienz der Systeme zur Einhaltung des DSA (Digital Services Act) sicherstellen und über Maßnahmen an sein Team berichten. Techmilliardär Musk hatte den Kurznachrichtendienst Twitter im Oktober 2022 für rund 44 Milliarden Dollar gekauft und später in X umbenannt. Er hatte den Kurs von Twitter bei der Umsetzung von Regeln gegen Hassrede und Gewaltaufrufe als zu restriktiv kritisiert.
Musk antwortet mit voller Härte
Den Brief von Thierry Breton kann man hier (auf Englisch) im Wortlaut nachlesen:
With great audience comes greater responsibility #DSA
As there is a risk of amplification of potentially harmful content in 🇪🇺 in connection with events with major audience around the world, I sent this letter to @elonmusk
📧⤵️ pic.twitter.com/P1IgxdPLzn
— Thierry Breton (@ThierryBreton) August 12, 2024
Hintergründe zur Person Thierry Breton hatte Martin Sonneborn bereits vor einiger Zeit in diesem Video vermittelt:
Gerade hat EU-Kommissar Thierry Breton Twitter den Kampf angesagt. Zeit, noch mal zu erinnern, wer das eigentlich ist…
Kleine Analyse (mit Champagner) von 2019. pic.twitter.com/z3HfHF3G3P— Martin Sonneborn (@MartinSonneborn) May 30, 2023
Elon Musk hat inzwischen mit diesem aggressiven Tweet auf Breton geantwortet. So sehr ich die Position von Breton kritisiere, so sehr finde ich eine solche Debattenkultur, wie sie hier auch von Musk genutzt wird, stilistisch unmöglich:
To be honest, I really wanted to respond with this Tropic Thunder meme, but I would NEVER do something so rude & irresponsible! https://t.co/jL0GDW5QUx pic.twitter.com/XhUxCSGFNP
— Elon Musk (@elonmusk) August 12, 2024
Mit Hasssprache gegen Hasssprache?
Der bereits oben verlinkte Spiegel-Artikel zitiert auch X-Chefin Linda Yaccarino. Sie sprach bezüglich des EU-Briefes von einem „beispiellosen“ Versuch, ein für Europa gedachtes Gesetz auf politische Aktivitäten in den USA auszuweiten. Außerdem sei es eine „Bevormundung“ europäischer Bürger, die eigene Schlüsse aus einer Unterhaltung ziehen könnten.
Bei aller Kritik an den EU-Tendenzen gegen die Meinungsfreiheit muss aber auch festgestellt werden: Hier wird keine „Robin-Hood-Situation“ beschrieben – bei der Trump/Musk-Verbindung stützt ein Milliardär den anderen Milliardär.
Interessant finde ich auch diese Ebene der Heuchelei in vielen deutschen Medien: Wenn es gegen Trump geht, dann genehmigen sich weite Teile der deutschen Medienlandschaft Ausnahmen von Regeln des Anstands sowie massive doppelte Standards – da scheint dann manchmal das Motto zu lauten: „Mit Hasssprache gegen Hasssprache“, etwa wenn der Focus in der Überschrift über das Interview schreibt:
„Trump dreht völlig frei, doch der schleimende Tesla-Mann schießt den Vogel ab“
Titelbild: Jonah Elkowitz / Shutterstock
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