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Titel: Propaganda mit Preisen – Heute: Schon wieder „Correctiv“

Datum: 7. August 2024 um 13:59 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft, Strategien der Meinungsmache
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An der „Geheimplan“-Reportage von Correctiv wird inzwischen viel Kritik geübt, auch von seriöser Seite. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – wird die Reportage weiterhin stur mit Preisen ausgezeichnet: Nach der kürzlichen Verleihung des „Leuchtturm“-Preises folgt nun der Stuttgarter Friedenspreis. Die Nutzung solcher Bühnen zur Meinungsmache ist auch bei vielen weiteren Preisverleihungen festzustellen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Auf das Thema Propaganda durch Preisverleihungen wird weiter unten noch etwas allgemeiner eingegangen. Doch zunächst zum aktuellen Aufhänger – das „unabhängige“ Recherchezentrum Correctiv soll im Dezember mit dem diesjährigen Stuttgarter Friedenspreis ausgezeichnet werden. Auf der Webseite der Veranstaltung ist das noch nicht vermerkt, aber in einer aktuell per Mail verschickten Begründung der Initiative „Die Anstifter“ heißt es:

Obwohl die rassistische Ideologie der AfD und deren Umfeld schon lange bekannt sind, reagierten viele auf die CORRECTIV-Veröffentlichungen mit: ‚Jetzt reicht’s!’ und ‚Nie wieder ist jetzt!‘ Hunderttausende gingen Anfang des Jahres bundesweit auf die Straßen und demonstrierten gegen rechts. Diese mächtige Protestwelle geht vor allem auf die CORRECTIV-Arbeit zurück. Das ist Fakt. Aber nicht nur das: In den folgenden Wochen sank die Zustimmung zur AfD laut Umfragen um etwa zwei Prozent. Auch das dürfte eine Folge der Proteste gewesen sein. Sie zeigt: Gegen den Anmarsch der Rechtsextremen lässt sich etwas tun. Das honoriert der diesjährige Friedenspreis.“

Der Vorgang erinnert an die kürzlich vollzogene Verleihung des „Leuchtturm“-Preises von Netzwerk Recherche an „Correctiv“, darüber hatten wir im Text „Correctiv“-Tweet für deutsche Teilung – Weil die Ossis falsch wählen berichtet. Dort wird ein Artikel in Übermedien von Christoph Kucklick, Stefan Niggemeier und Felix W. Zimmermann mit dem Titel „Der Correctiv-Bericht verdient nicht Preise, sondern Kritik – und endlich eine echte Debatte“ zitiert. In dem Artikel wird begründete Kritik daran vorgebracht, dass einerseits die Darstellung eines „Geheimtreffens“ in der von Correctiv gelieferten Form in Teilen fragwürdig sei, dass aber andererseits Correctiv dafür trotzdem noch mit einem einstmals renommierten Medienpreis geehrt würde: „Längst ist offenkundig, wie problematisch die Correctiv-Berichterstattung und ihre Rezeption sind. Und wie sehr gleichzeitig in weiten Teilen der seriösen Presse eine kritische Auseinandersetzung damit fehlt.“ Die Autoren fassen bezüglich des (nun nochmals auszuzeichnenden) Correctiv-Textes zusammen:

Richtig ist: Der Text ist misslungen, das Verhalten von Correctiv nach der Veröffentlichung fragwürdig und die Berichterstattung vieler Medien eine Katastrophe. Richtig ist auch: Die Proteste, die der Artikel ausgelöst hat, sind gut und wichtig. Er hat viele Menschen alarmiert, die sich zu Recht über die Verbindungen zwischen bürgerlichen Kreisen und dem rechten Rand sorgen.

Den letzten Teil dieser Aussage zur guten Wirkung eines schlechten Textes finde ich fragwürdig, dazu folgt unten mehr. Übermedien hat inzwischen ergänzt, dass zu dem Text mittlerweile eine kritische Replik von Übermedien-Autor Andrej Reisin erschienen sei: „Den Text lesen Sie hier. Die Stellungnahme von Correctiv lesen Sie hier.” In dieser Stellungnahme schreibt Correctiv wenig überraschend: „Das Wichtigste vorweg: Der Kern unserer Recherche bleibt unangetastet.“ Es habe zwar „juristische Angriffe“ gegeben, die sich aber „immer nur gegen Details“ gerichtet hätten, die „meisten davon“ hätte Correctiv aber „erfolgreich abgewehrt“. Weitere, nicht besonders sachliche Reaktionen von Correctiv auf die Kritik findet sich unter diesem X-Tweet. Meiner Meinung nach klingt die Kritik von Niggemeier etc. an Correctiv und der medialen Rezeption sehr nachvollziehbar.

Jetzt erst recht!

Ich finde auch nicht nur das Verhalten der Medien in diesem Zusammenhang kritikwürdig, sondern auch die Verweigerung der Realitäten, die sich in den wiederholten Preisverleihungen für einen fragwürdigen Beitrag niederschlägt. Ich empfinde das fortgesetzte Aussprechen dieser Ehrungen als eine sture Flucht nach vorne: Als würden die Verteidiger und Auszeichner des Correctiv-Textes mit den Füßen aufstampfen und rufen: „Jetzt erst recht. Wir lassen uns unsere ‚Geheimplan’-Aufregung doch nicht von solchen Nebensächlichkeiten kaputtmachen!“

Es gibt in der Diskussion um den Correctiv-Text die Tendenz, sinngemäß zu sagen: „Ja, der Text ist schlecht, aber dafür war seine Wirkung doch umso besser.“ Das sehe ich nicht so – eine Wirkung, die auf einer mutmaßlich teilweisen Dramatisierung beruht, sollte man nicht loben. Darum würde ich diese Aussage auch im oben gebrachten Übermedien-Zitat kritisieren. Dass aber mit der Kritik an einem fragwürdigen Artikel nicht das wichtige Engagement gegen Rechtsextremismus diffamiert werden soll, ist ebenso selbstverständlich.

Die Verleihungen des „Leuchtturm“-Preises und des Friedenspreises an Correctiv sind nicht die ersten Ehrungen für das „unabhängige“ Recherchezentrum – nach eigenen Angaben wurde das Projekt seit der Gründung 2014 „mit über 30 Preisen für seine journalistische Arbeit ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Grimme Online Award, dem Nannen Preis, dem Helmut Schmidt Journalistenpreis, dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus und dem Deutsch-Französischen Journalistenpreis.“ Die hochtrabende Selbstdarstellung von „Correctiv“ findet sich unter diesem Link. In diesem Artikel hat Florian Warweg die Finanzierung der Gruppe untersucht und kommt zu dem Schluss, dass das „unabhängige“ Correctiv in fragwürdiger Weise auch von US-Oligarchen und Bundesbehörden finanziert wird.

Kulturpropaganda mit Preisverleihungen

Das Phänomen einer trotzigen Flucht nach vorne und einer offensiven Ignoranz gegenüber neuen Wissensständen ist teilweise auch bei den Themen Corona-Politik, Sprachverrohung und Militarisierung zu beobachten. Dass auch Veranstaltungen wie „Journalist des Jahres“, „Cinema For Peace“ oder die „Grammys“ für Meinungsmache genutzt werden, haben wir im Artikel Kulturpropaganda und Preisverleihungen thematisiert. Auf weitere konkrete Beispiele dieser Form der Propaganda gehen wir etwa in den Texten Die Russen sind „Unrat“: Pamphlet erhält den „Friedenspreis“ des Buchhandels oder Kein Scherz: Sarah „Blinddarm“ Bosetti erhält Grimme-Preis oder Karlspreis für das Kriegs-Maskottchen (und noch mehr Preis-Propaganda …) oder Corona: Die bizarre Selbstsicht der Medien oder Kulturpropaganda bei Leipziger Buchmesse: Wenn Spaltung zu „Verständigung“ erklärt wird oder Weißwaschung inklusive: Nawalny erhält posthum „Friedenspreis” ein. Als aktuelles Beispiel seien die jüngsten Auszeichnungen für die antirussische Hardlinerin Anne Applebaum erwähnt – dazu hatte Rupert Koppold in diesem Artikel geschrieben:

Die deutschen Friedenspreise sind kriegstüchtig geworden. Ihre Namensgeber und ihre Satzungen, die zu Völkerverständigung oder gar zum Pazifismus aufrufen, sind nur noch Ballast und werden inzwischen ignoriert. Gepriesen wird jetzt, wer lautstark nach den Waffen schreit und jeden Wunsch nach Verhandlungen denunziert.

Titelbild: Vector Stock Pro / Shutterstock


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