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Titel: „Hassnachrichten“: Habeck stellt über 700 Anzeigen – wo ist eigentlich der Anstand von Politikern gegenüber den Bürgern?

Datum: 1. August 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Innen- und Gesellschaftspolitik, Wertedebatte
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„Habeck stellt über 700 Anzeigen wegen Hassnachrichten“ – so lautet gerade eine bemerkenswerte Schlagzeile. Die Frage drängt sich auf: Haben Habeck und weitere Spitzenpolitiker, die ähnlich vorgehen, nichts anderes zu tun? Schließlich ist der Anschlag auf Nord-Stream noch immer nicht aufgeklärt, die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft und den maroden Zustand der Bahn hat Deutschland mit Fanfaren seinen EM-Gästen vorgeführt. Politiker fordern von Bürgern ein Mindestmaß an Anstand. Aber wie sieht das umgekehrt aus? Wo ist der Anstand von Politikern gegenüber den Bürgern? Wie sieht es mit der Verpflichtung aus, den Bürgern zu dienen und Schaden vom Volk abzuwenden? Da wird es düster. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als ob die Justiz nicht schon genug zu tun hätte. Nun fluten Politiker auch noch die Gerichte mit Anzeigen gegen Personen, die sie sprachlich angegriffen haben. Gerade vermelden Medien, dass alleine Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck über 700 Anzeigen aufgrund sogenannter „Hassnachrichten“ erstattet hat. Laut Medienberichten wurden die Anzeigen sowohl über das Ministerium als auch das Abgeordnetenbüro gestellt.

Bravo, denkt sich ironisch der staunende Bürger. Könnte eines der wichtigsten Ministerien der Republik vielleicht noch mehr Arbeitskraft für Anzeigen dieser Art binden? Schließlich: Dem Land geht es gut, die Wirtschaft brummt, die Landschaften blühen, was will man mehr? Gewiss: Mit der Realität haben solche Aussagen nichts zu tun. Aber so hört sich der Zustandsbericht bisweilen an, wenn Politiker ihre Arbeit in den Himmel loben.

Die Realität ist eine andere. Längst ist die Staatsverschuldung auf rund 2.500 Milliarden Euro gewachsen, die deutsche Wirtschaft leidet massiv unter der „ökologischen Wende“, Milliarden pumpt die Politik zum Kampf gegen Russland in die Ukraine, der Anschlag auf Nord-Stream ist immer noch nicht aufgeklärt, Teile der Bevölkerung bekommen aufgrund von immer stärker werdenden finanziellen Belastungen kaum noch Luft zum Atmen. Und so ließe sich seitenlang nur über Entwicklungen schreiben, die vor Augen führen, dass politisch etwas gewaltig aus dem Ruder läuft.

Doch anstatt dass verantwortungsvolle Politiker die Ruder, mit denen sie das Land steuern, fest in die Hand nehmen, schlagen sie damit vergnügt auf das Wasser. Die eine Politikerin gibt rund 140.000 Euro für ihren Friseur aus, der andere stellt emsig über 700 Strafanzeigen und viele weitere applaudieren bei der Ankündigung der USA, neue atomar bestückbare Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren.

Bei Reaktionen aus dem Volk gilt dann allerdings Mimosentum. Nicht berühren, Abstand halten und Kritik nur leise säuselnd vortragen. Natürlich sollte vom Grundsatz her im Umgang mit Politikern ein gewisses Maß an Anstand gewahrt bleiben. Doch hier wird das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt. Wie sieht es denn aus mit dem Mindestmaß an Anstand von Politikern gegenüber den Bürgern? Wie sieht es mit der Verpflichtung aus, dem Land und seinen Bürgern zu dienen? Wie ist es um den Amtseid bestellt, den Minister zu leisten haben? Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Kann es sein, dass sich nicht alle Politiker daran halten und, im Gegenteil, eine Politik veranschlagen, die dem Wohle der Bürger abträglich ist? Könnte es sein, dass sich vielleicht auch deshalb so eine, sagen wir: gewisse Wut gegenüber Politikern aufgestaut hat?

Düster wird‘s an dieser Stelle. Die verbalen Angriffe gegenüber Politikern sind Anzeichen für eine Politik, die bei vielen Bürgern als unverantwortlich, respektlos, dreist und frech ankommt. Und da wird es sehr schwer, dagegen zu argumentieren. Wenn Politiker im Chor sagen, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ gemacht werden, wenn anstelle einer Friedenspolitik gegenüber Russland eine Politik der Konfrontation veranschlagt wird, wenn mittlerweile Suppenküchen die Armut auffangen müssen: Ist da eine gewisse Wut vonseiten der Bürger nicht berechtigt? Von den Hasstiraden gegenüber Ungeimpften ganz zu schweigen.

Hier liegt das Problem begraben. Politiker zeigen sich seit langer Zeit taub, stumm und blind gegenüber den Bedenken eines nicht unbeträchtlichen Teils der Bevölkerung. Und sie beschimpfen selbst jenen Teil des Volkes, der ihre Politik nicht mit stehenden Ovationen würdigt. Wäre die Politik von Habeck und Co das pure Gold, sähen die Wahlprognosen anders aus. Die SPD ist seit langem nur noch ein Schatten ihrer selbst, die CDU als „Volkspartei“ hat Mühe, nicht unter die 30 Prozent zu rutschen, den Grünen sitzt das gerade erst neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht bei den aktuellen Wahlumfragen im Nacken. Und die AfD? Sie ist in ebendiesen Umfragen mittlerweile zweitstärkste Partei.

Bei dieser Sachlage könnten Habeck und andere Politiker auch 100.000 Anzeigen stellen. Die Trümmerhaufen der Politik verschwinden nicht durch Strafanzeigen. Und die politische Realität lässt sich so auch nicht verändern. Habeck und Co sind übrigens die Angestellten der Bürger. Die Bürger sind nicht die Angestellten der Politiker.

Titelbild: penofoto/shutterstock.com


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