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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 12. Januar 2012 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Jürgen Karl: Kanzlerin Angela Merkel sprach dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti bei dessen Antrittsbesuch in Berlin Respekt für die Sparbemühungen seines Landes aus.
Merkel erklärte, Monti und seine Regierung hätten innerhalb kurzer Zeit wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die zur Stärkung der wirtschaftlichen Perspektiven Italiens beitrügen. Die Bundesregierung habe das mit großem Respekt verfolgt. Sie gehe davon aus, dass die Arbeit der italienischen Regierung honoriert werde.
Originalton Merkel:
“Sowohl was die Geschwindigkeit, als was auch die Substanz dieser Maßnahmen angeht, glaube ich ist das etwas, was Italien stärken wird, was die wirtschaftlichen Perspektiven verbessern wird. Und wir haben das auch mit großem Respekt verfolgt, wie schnell auch diese Maßnahmen umgesetzt wurden. …”
Anmerkung RS: Auf unserer Anfrage erklärt der amerikanische Ökonom und Freund der Nachdenkseiten James K. Galbraith zum Thema Finanztransaktionssteuer:
The FTT is a useful vehicle, in which far more hopes are vested than it justifies.
If it quelled high-speed trading, that would be a good thing. If it raised money from traders, also a good thing.
It would not fix the core problems of the mortgage-securitization-CDS debacle.
Es kommt aber ohnehin das Wohlbekannte:
Dazu ein guter Kommentar zur Finanzmarkttransaktionssteuer auch in den Tagesthemen
vom 10.01.2012 von Markus Preiß (ab ca. 7:22)
Quelle: Das Erste
Anmerkungen unseres Lesers G.K.: Der von der Süddeutschen Zeitung als “Experte” titulierte Holger Bonin versucht anhand einer äußerst fragwürdigen Argumentationskette, die desaströsen Ergebisse der Eurstat-Analyse zur Armutsgefährdung von Arbeitslosen kleinzureden und hierdurch die neoliberalen Arbeitsmarkt-“Reformen” der vergangenen Jahre reinzuwaschen. Laut der europäischen Statistikbehörde waren im Jahre 2010 hierzulande 70 Prozent der Erwerbslosen armutsgefährdet – das ist ein Spitzenwert. In keinem anderen EU-Staat war die Quote auch nur annähernd so hoch. Im EU-Durchschnitt waren zuletzt lediglich 45 Prozent der Arbeitslosen armutsgefährdet. Der entsprechende EU-Durchschnittswert ohne Deutschland dürfte lediglich ca. 40 Prozent betragen.
Holger Bonin legt sich seine “Argumente” so zurecht, daß sie in sein neoliberales Argumentations-Korsett hineinpassen. So rechtfertigt er zunächst das schnelle Abrutschen vom Arbeitslosengeld 1 in Hartz IV:
“Bis zu den Hartz-IV-Reformen gab es für Langzeitarbeitslose nicht nur die Sozialhilfe, sondern auch die Arbeitslosenhilfe, die an das vorherige Nettoeinkommen gekoppelt war. Jemand, der einmal einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hatte, konnte im Anschluss die Arbeitslosenhilfe praktisch bis zur Rente bekommen. Heute fällt er hingegen schnell in die Grundsicherung. Das spielt sicher eine Rolle. Aber dafür zeigt diese Politik durchaus die gewünschten Effekte: Für Leute mit höherem Einkommen, die arbeitslos werden, ist die Wahrscheinlichkeit, länger als ein Jahr ohne Beschäftigung zu bleiben, heute sehr viel geringer als früher.”
Holger Bonins Behauptung, nach der bis 2005 geltenden Regelung hätten Arbeitslose die sich an das Arbeitslosengeld anschließende Arbeitslosenhilfe “praktisch bis zur Rente” beziehen können, ist falsch! In Abhängigkeit vom Lebensalter wurde die Arbeitslosenhilfe zwischen 14 und 32 Monaten gewährt.
Danach stellt Holger Bonin konträr zu seiner vorherigen Aussage fest:
“Im Jahr 2010 waren im EU-Durchschnitt 39,9 Prozent aller Arbeitslosen länger als ein Jahr ohne Arbeit – bei uns waren es 47,4 Prozent. Und da Langzeitarbeitslose weniger Einkommen haben als Kurzzeitarbeitslose, bedeutet dies, dass der Anteil der Arbeitslosen mit erhöhtem Armutsrisiko in Deutschland überdurchschnittlich ist.”
Was gilt denn nun: Werden Arbeitslose in Deutschland schnell in eine neue Beschäftigung vermittelt (d.h. ist die Langzeitarbeitslosigkeit niedrig) oder verfügt Deutschland über eine vergleichsweise hohe Langzeitarbeitslosigkeit (was die von Holger Bonin zitierten Zahlen nahelegen)?
Holger Bonins Erklärung für die hohe deutsche Langzeitarbeitslosenquote und – daraus von ihm abgeleitet – für das vergleichsweise hohe Armutsrisiko für deutsche Arbeitslose lautet:
“Das liegt nicht zuletzt an der stark gesunkenen Arbeitslosenquote. Wenn mehr und mehr Leute wieder in Arbeit bekommen, dann bleiben vor allem die Problemfälle in der Arbeitslosigkeit zurück. Oft ist es die Kombination aus geringer Qualifikation, geringer Berufserfahrung und gesundheitlichen Problemen, die zu Langzeitarbeitslosigkeit und Armut führt.”
Holger Bonins “Gesetzmäßigkeit” lautet somit: Je niedriger die Arbeitslosenquote, desto höher die darin enthaltene Langzeitarbeitslosigkeit, woraus “automatisch” eine statistisch hohe Armutsgefährdung der Arbeitslosen resultiert.
Das eigentliche Ansinnen des “Experten” Holger Bonin ist das starre Festhalten an der neoliberalen “Agenda 2010” bzw. an Hartz IV:
“Unsere Erfahrung der letzten Jahre haben aber durchaus gezeigt, dass ein verkürzter Anspruch auf Arbeitslosengeld I Leute schneller zurück in den Beruf bringt. Darum sollte man mit einer Verlängerung sehr vorsichtig sein, um diesen Erfolg nicht zu verspielen.”
Eva Roth, Redakteurin der Frankfurter Rundschau, zeigt in ihrem Beitrag “Armutsrisiko in Deutschland besonders hoch” stichhaltig auf, daß die von Holger Bonin aufgestellte “Kausalkette” keinesfalls naturgesetzlich ist:
“Nun lässt sich Folgendes einwenden: In Deutschland ist die Zahl der Arbeitslosen in den letzten Jahren gesunken. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass die verbliebenen Jobsuchenden relativ oft von Armut bedroht sind, weil viele unqualifiziert und schon lange erwerbslos sind.
Allerdings zeigen andere Länder, dass es auch besser geht: In den Niederlanden und in Österreich ist die Arbeitslosenquote seit Jahren sehr niedrig – und auch deutlich niedriger als hierzulande. Gleichzeitig sind viel weniger Erwerbslose von Armut bedroht als in Deutschland. Die Staaten gehen also besser mit den Menschen um.”
Für den von unseren Medien sehr unkritisch bejubelten Rückgang der statistischen Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren (“Jobboom”, “Jobwunder” etc. – auch Holger Bonin versucht, dieses Thema im Sinne seiner neoliberalen Arbeitsmarktideologie zu intstrumentalisieren) sind mehrere Faktoren verantwortlich:
Frau Merkels Ziel ist es, die deutschen “Strukturreformen” (“Agenda 2010”, “Rente mit 67”, Reallohnsenkungen) auch in den übrigen Staaten der Eurozone durchzusetzen. Dies würde die Gefahr heraufbeschwören, daß über lang oder kurz auch den deutschen Arbeitnehmern über die “europäische Bande” neue neoliberale Zumutungen aufoktroyiert würden, frei nach dem Motto: “Die übrigen europäischen Staaten setzen mutige Strukturreformen um. Die Sicherung unseres Wirtschaftsstandortes erfordert schmerzliche Einschnitte auch bei den deutschen Arbeitnhemern, Rentnern und Arbeitslosen.” Momentan konzentriert sich die hiesige Medienberichterstattung jedoch auf die von Merkel angeblich befürwortete Finanztransaktionssteuer. Die neoliberalen Zumutungen Merkels an die Adresse der übrigen europäischen Staaten werden durch diese Berichterstattung nahezu vollständig zugedeckt. In Sachen Finanztransaktionssteuer bleibt jedoch abzuwarten, ob Merkels Politik – ähnlich dem Unions-“Mindestlohn” – nicht auf eine Placebo-Politik hinausläuft, die v.a. darauf abzielt, der politischen Konkurrenz ein Wahlkampfthema zu entreißen.
Anmerkung WL: Niebel (zusammen mit seinem Staatssekretär Beerfeltz) ist dabei, das traditionelle zwischenparteiliche Einvernehmen in der Entwicklungspolitik, das den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit jahrzehntelang geprägt hat, zu zerstören.
Zu dieser Blitzkarriere von Frau Böllhoff sollte man noch wissen, dass diese Mitabiturienten von Meike Schäffler, der Frau des „Euro-Rebellen“ und Initiators der FDP-Mitliederbefragung Fank Schäffler ist. Frau Böllhoff ist auch gemeinsam mit Frau Schäffler den JULIs beigetreten und war auch Beisitzerin im JULI-Bundesvorstand.
Solche Ämterpatronage ist kein Einzelfall, Niebel schob im Februar 2010 überraschend den Abteilungsleiter Adolf Kloke-Lesch abschob. Das Ressort verlor einen seiner fähigsten Beamten, dafür zogen drei alternde FDP-Männer in die Chefetage ein. Für Oberst a. D. Friedel Eggelmeyer, einen alten Niebel-Kumpel aus langen Oppositionsjahren, wurde extra eine neue Abteilung kreiert. Die CDU kaperte einen Abteilungsleiterposten. Ähnlich wie Frau Böllhoff wurde auch Tom Pätz hochgehievt, er war nach eigener Darstellung „unabhängiger Politik- und Strategiebereater“, aus dem FDP-Ortsverband Bonn-Beuel, der auch Talkshows zu lokalen Themen organisierte und jetzt die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit im Wortsinn an die Kandare nimmt.
Die Definition von Klüngel lautet: Man kennt sich und man hilft sich. In diesem Falle muss man noch hinzufügen: Hauptsache der Steuerzahler zahlt. Aber von der FDP kennt man ja spätestens seit der Hotelier-Steuer nichts mehr anderes.
Anmerkung WL: Es ist geradezu frevelhaft, dass sich die Bundesregierung nicht entblödet, zur Entlastung ehemaliger Nazis in Bundeskabinetten Oskar Schindler oder den Widerständler Ulrich von Hassel heranzieht, ohne auch nur den kleinsten Hinweis geben zu können, inwieweit sich diese Kabinettmitglieder auch nur irgendwie in der Nazi-Zeit von diesem Regime distanzierten. Diese Antwort der Bundesregierung ist mehr als verharmlosend, sie ist nur noch Anlass zu beißendem Spott. Die „starke Gewichtung des Kriteriums der Verwaltungserfahrung“ erklärt aber vielleicht, warum z.B. unsere Geheimdienste noch immer auf dem rechten Auge blind sind.
Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn in Deutschland über die nicht eingehaltenen Versprechen Barack Obamas gesprochen wird – im übrigen hat Obama weitaus mehr Vorhaben umgesetzt, als hier bekannt ist – wird wenig beachtet, dass die Abgeordneten des Kongresses weitaus unabhängiger vom Präsidenten bzw. ihrer Partei sind, als die Abgeordneten des Bundestages von ihrem Regierungschef bzw. ihrer Partei. Die hiesigen Abgeordneten müssen bei Verstoß gegen die Fraktionsdisziplin in wichtigen Vorhaben der Regierung mit Sanktionen rechnen, die sich vor allem auf ihre Wiederwahl auswirken können. Diese Möglichkeit hat Obama nicht, die Abgeordneten müssen sich in Vorwahlen der Bevölkerung stellen und wer am besten abschneidet, stellt sich auch mit parteiunabhängigen Kandidaten der eigentlichen (Direkt)Wahl. Unsere Erwartungen an Obama werden sozusagen systembedingt enttäuscht bzw. unsere Kritik wendet sich an das falsche Objekt. Sie müsste sich vielmehr an den amerikanischen Kongress bzw. an die amerikanische Bevölkerung richten.
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