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Titel: CDU-Linnemann bei Lanz – Arbeitszwang für die Kriegspolitik

Datum: 18. Juli 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Finanzpolitik, Hartz-Gesetze/Bürgergeld, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Wertedebatte
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Die Forderung, „Die Ampel muss weg“, ist sehr populär, doch wenn man auf die derzeitig realistisch scheinenden Alternativen schaut, wird einem erst recht angst und bange. Eindrucksvoll demonstrierte dies gestern CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann auf dem Talkshowsessel von Markus Lanz. Die CDU will noch mehr Geld für die Rüstung und mehr Geld für die Bundeswehr. Das ist nicht neu. Schulden will die CDU dafür aber auch nicht aufnehmen. Bezahlen sollen die Zeche offenbar vor allem diejenigen, die schon heute am wenigsten haben – die Bürgergeldempfänger. Jedem Bürgergeldempfänger, der arbeiten kann, soll – so Carsten Linnemann – sämtliche Unterstützung gestrichen werden. Frei nach Max Liebermann möchte man da sagen: „Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte“. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Es gibt wohl wenige Politiker, die mir persönlich auf Anhieb so unsympathisch sind wie Carsten Linnemann. Linnemann ist der personifizierte Neoliberalismus – wirtschaftsliberal bis ins Mark, gesellschaftspolitisch reaktionär. Er ist zudem ein Populist, wie er im Buche steht. Den Sozialstaat will er mit einer „Sozialstaatsbremse“, bei der die Kosten für soziale Ausgaben analog zur „Schuldenbremse“ gedeckelt sind, eindampfen, Steuern – vor allem für die Wohlhabenden – können für Linnemann nicht niedrig genug sein, Staatsausgaben – vor allem für die Armen und Bedürftigen – sind ihm ein Graus. Unterstrichen wird die Antipathie durch sein linkisches Wesen und seinen fliehenden Blick; Menschen, die einem nicht in die Augen schauen können, sind mir grundsätzlich suspekt.

In der Ära Merkel war Linnemann innerhalb der CDU die große Stimme der Wirtschaftslobby. Unter Friedrich Merz – Linnemanns Bruder im Geiste – kam dann schließlich der steile Aufstieg. Heute ist er Generalsekretär und Vorsitzender der Programm- und Grundsatzkommission, also der „Visionär“ der Partei. Ein Norbert Blüm wird wahrscheinlich im Grabe rotieren.

Aber zurück zur gestrigen Markus-Lanz-Sendung. Dort ging es einmal mehr darum, dass der Staat zu viel Geld ausgibt und dies ja nun unter dem Vorzeichen der Schuldenbremse unsere heißgeliebte Zeitenwende, die Aufrüstungs- und Kriegspolitik behindere. Es ist ja schon erstaunlich. Für echte Investitionen – z.B. in Bildung, Infrastruktur oder Energiewende – will man keine neuen Schulden aufnehmen, obgleich sie sich volkswirtschaftlich rentieren und die Staatseinnahmen in Zukunft stärken. Für Konsumausgaben – nichts anderes sind die Ausgaben für Rüstung – wären aber selbst Neoliberale wie der „Doktorvolkswirt“ (O-Ton Lanz) Linnemann dann doch bereit, sich zu verschulden. Aber nur ungerne – lieber würde man die Milliarden und Abermilliarden für Rüstung und Krieg durch Einsparungen bei anderen Staatsausgaben wieder reinholen. Und wo will die CDU kürzen? Dazu hat Linnemann klare Vorstellungen …

Lanz: Woher kriegen Sie das Geld für die Bundeswehr?

Linnemann: Wir wollen das Bürgergeld in der Form abschaffen. Das wird dann in der Zukunft „neue Grundsicherung“ heißen und es bekommen dann nur noch Menschen Geld, die wirklich Hilfe bedürfen, weil sie z.B. körperlich nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten. Aber jeder, der arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Ansonsten gibt es keine Sozialhilfe.

Lanz: Der kriegt gar kein Geld mehr?

Linnemann: […] Wir haben jetzt einen neuen Ansatz, dass wir sagen: Der Staat geht davon aus, wenn jemand, der arbeiten kann, auch arbeiten geht. Und deswegen gibt es keine Sozialleistungen.

Lanz: Nur, dass wir das noch einmal verstehen. Dann kriegt der kein Geld mehr. Finito. Gar nichts.

Linnemann: Ja. Wenn jemand arbeiten kann, warum soll der dann Geld bekommen? Von jemanden, der Arbeiten geht?

Lanz: Ich sag nur – Der geht nicht arbeiten, der will nicht arbeiten, der macht das nicht. Und wo lebt der dann? Was macht der?

Linnemann: Der wird dann arbeiten gehen, weil er es muss. […] Das ist für mich so normal, als ob nach Sonntag Montag kommt. Tut mir leid, wenn ich das jetzt so platt sage. […]

Lanz: Ok. Wie groß ist jetzt das Potential, das sie dort sehen?

Linnemann: Sehr hoch!

Lanz: Wie viele Milliarden?

Linnemann: Das ist natürlich jetzt schwierig. Aber es werden … äh, äh

Lanz: Was heißt, das ist jetzt schwierig?

Linnemann: Ja ich weiß doch nicht alles, Herr Lanz.

Lanz: Aber fast alles?

Linnemann: Nein. Aber der Kollege Middelberg (Anm. der Redaktion: Gemeint ist Mathias Middelberg, ein weiterer neoliberaler Hardliner der CDU) hat mal ausgerechnet, dass wenn 100.000 Menschen in Arbeit kommen, ist das ungefähr ein Äquivalent zu 2,5 oder 3 Milliarden Euro.

Da klappt einem die Kinnlade runter. Ginge es nach der CDU, würden also Millionen Menschen in Deutschland, die zurzeit auf die Grundsicherung angewiesen, aber gleichzeitig arbeitsfähig sind, künftig kein Geld mehr vom Staat bekommen. Sie stünden dann vor der Wahl – entweder ich werde obdachlos und sterbe am Ende oder ich kriege irgendwo im Land einen Job und sei er noch so hart, schlecht bezahlt oder demütigend. Um es klar zu sagen: Linnemann ist ein Verfassungsfeind. Seine Vorstellungen widersprechen derart eklatant dem Grundsatz der Menschenwürde, dass sie ohnehin – sollten sie als Gesetz formuliert werden – vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert würden.

Was soll also dieser menschenverachtende Vorstoß, der ohnehin keine Chance auf Umsetzung hat? Ganz einfach: Linnemann ist ein Populist … ein Rechtspopulist! Was am Ende beim Zuschauer verfängt, ist seine Hetze gegen die ökonomisch Schwachen der Gesellschaft; ganz nach dem Prinzip „Teile und herrsche“. Die Frage, warum man Milliarden und Abermilliarden für die Kriegspolitik ausgeben soll, bleibt so ungestellt. Die Frage, warum ausgerechnet die Armen und Bedürftigen diese Kriegspolitik bezahlen sollen, ebenfalls. Das zeigte sich auch gestern bei Lanz. Sowohl der Moderator als auch die eingeladene taz-Journalistin Anna Lehmann meldeten zwar nach Linnemanns Äußerungen Zweifel über deren Verfassungskonformität an – grundsätzliche Kritik blieb jedoch aus. Geld für die Kriegspolitik? Ok! Das Geld von den Armen nehmen? Ok – aber bitte im Rahmen der Verfassung.

Das hat alles System. Über die Sinnhaftigkeit der Rüstungsausgaben wird schon lange nicht mehr debattiert. Und bei der Debatte um deren Finanzierung erleben wir ein Revival der Hetze gegen Arme. Die Wohlhabenden und Reichen sind aus dem Fokus. Erst vor wenigen Wochen wurde das Verfahren gegen den Cum-Ex-Straftäter Christian Olearius eingestellt – der arme Mann ist zu alt für ein Verfahren. Es geht um einen Schaden von 280 Millionen Euro. Das ist mehr als die gesamte(!) Summe, die dem Staat als „Vermögensschaden“ durch Sozialbetrug und Leistungsmissbrauch durch das Bürgergeld entsteht. Ein Olearius verursachte also mehr Schaden als fünf Millionen Bürgergeldempfänger! Das ARD-Magazin Panorama beziffert die Schäden für den deutschen Fiskus durch die gesamten Cum-Ex-Straftaten übrigens auf 36 Milliarden Euro – dafür bräuchten die „Bürgergeld-Betrüger“ stolze 132 Jahre. Und die Cum-Ex-Straftaten sind nicht die einzigen Straftaten, mit denen Wohlhabende und Reiche die Allgemeinheit schädigen. Das weiß auch ein Carsten Linnemann. Aber wer die Verbrechen von „denen da oben“ erwähnt, ist ja ein Populist. Wer gegen „die da unten“ hetzt, darf sich indes schon Hoffnungen auf ein Ministeramt machen, wenn die Ampel dereinst die Regierungsbänke räumen muss.

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Titelbild: Screenshot ZDF


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