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Titel: „Compact“: Fragwürdiges Verbot

Datum: 17. Juli 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Rechte Gefahr
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Das Verbot des rechtsextremistischen Magazins Compact ist fragwürdig, auch wenn die dort verbreiteten Inhalte meiner Meinung nach abzulehnen sind. Denn bei der Beurteilung des Schrittes geht es nicht darum, ob man mit Compact einer Meinung ist, sondern ob Grundsätze der Verfassung geachtet wurden. Die wurden laut Juristen durch das Verbot verletzt. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Bundesinnenministerium hat das rechtsextremistische Compact-Magazin des Publizisten Jürgen Elsässer verboten, wie Medien berichten. Rechtsgrundlage für das Verbot sei das Vereinsrecht, wonach auch Unternehmen, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, vom Bundesinnenministerium verboten werden können. Begründet werde das Verbot mithilfe einer umfangreichen Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, an der auch der brandenburgische Verfassungsschutz beteiligt gewesen sei, so die Tagesschau. Sowohl das Bundesamt als auch der Landesverfassungsschutz beobachten Compact demnach seit Jahren und hätten das Medium seit Ende 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ bewertet.

Politiker von CDU und SPD haben die Entscheidung begrüßt. Die AfD hat das Verbot dagegen kritisiert, wie Medien berichten. Ein Presseorgan zu verbieten, bedeute eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt. Ein Verbot sei „immer der weitreichendste Schritt“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser missbrauche ihre Kompetenzen, um „kritische Berichterstattung zu unterdrücken“. Nancy Faeser kommentierte den Vorgang auf X so:

Ich habe heute das rechtsextremistische ‚COMPACT-Magazin‘ verboten. Es agitiert auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Muslime und gegen unsere Demokratie. Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene.“

Fragwürdiges Verbot

Die Inhalte des rechtsextremistischen Magazins Compact lehne ich ab. Trotzdem finde ich das Verbot fragwürdig. „Unrecht wird nicht Recht, nur weil es mal den Richtigen trifft“, schreibt die Junge Welt in einem Kommentar. Bei der Beurteilung des Verbots geht es nicht darum, ob man mit Compact einer Meinung ist, sondern es geht um Grundsätze der Verfassung. Die wurden durch das Verbot mutmaßlich verletzt. So schreibt der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel auf X:

Ob das von der in Verfassungsfragen nicht immer sattelfesten Innenministerin Faeser heute verkündete Verbot des höchst unappetitlichen Magazins #Compact Bestand haben wird, könnte fraglich sein. Hier ein Zitat des Bundesverfassungsgerichts:

Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer ‘Vergiftung des geistigen Klimas’ ist ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte.’”

Meiner Meinung nach ist das Compact-Verbot auch bezüglich des „Kampfes gegen Rechts“ so kontraproduktiv wie entsprechende Verbots-Vorstöße gegen die AfD – deren Inhalten muss man gute Politik entgegensetzen, man sollte sie nicht verbieten. Das Vorgehen kann auch ein problematischer Präzedenzfall sein – für Publikationen jeder politischen Richtung. Außerdem schafft man Märtyrer.

Das Vorgehen von Faeser ist eindeutig verfassungswidrig“

Ich finde es irritierend, dass einem Verbot eines Mediums offenbar kein öffentliches Gerichtsverfahren vorausgehen muss. Zumindest laut Jürgen Elsässer war das nicht der Fall. Er sagte laut Medien, bei Compact handle es sich um eine legale Zeitung, die noch nie strafrechtlich verurteilt worden sei, etwa wegen Volksverhetzung, Rassismus oder Aufruf zur Gewalt. 

Zu diesem Punkt sagt der Verfassungsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz gegenüber Tichys Einblick:

Die Meinungsfreiheit genießt einen so hohen Verfassungsrang, dass sie nicht einfach durch eine Exekutiventscheidung ausgehebelt werden kann. Verbieten lässt sich ein Medium höchstens, wenn es eine revolutionäre Position vertritt, also zum Sturz der bestehenden Ordnung mit Gewalt aufruft. Das müsste dann aber zu einem Strafverfahren führen.“

Das Fazit von Scholz:

Das Vorgehen von Faeser ist eindeutig verfassungswidrig.

Laut Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer sei das Verbot des Magazins dagegen geboten, wenn nicht sogar überfällig gewesen. Gerichte müssten jetzt klären, ob es auch juristisch einwandfrei sei, so Kramer laut Medienberichten.

Pressefotograf beim Polizeieinsatz

Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass ein Pressefotograf beim morgendlichen Polizeieinsatz vor Elsässers Haus zur Stelle war und mutmaßlich jemand diesen Termin durchgestochen hatte, schreibt der Anwalt Carsten Brennecke auf X:

Das Compact-Magazin wird verboten und es gibt komischerweise und natürlich rein zufällig pressewirksam inszenierte Bilder vom Zugriff auf die Personen, die in ihrer Privatsphäre überrumpelt und der Presse vorgeführt werden. Solche ‚Zufälle‘ häufen sich. Man denke dabei nur an die Reichsbürger-Razzia, die Durchsuchung bei Zumwinkel oder bei Kardinal Woelki. Natürlich ist das vorherige Durchstechen von Durchsuchungsterminen durch Ministerien oder sonstige Behörden zur Selbstinszenierung nicht nur potentiell strafbar, sondern es stellt auch einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar.

Kubicki: Muss Faeser zurücktreten?

Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki bringt einen Rücktritt Faesers ins Spiel. Zur Frage des für das Verbot genutzten Vereinsrechts schreibt er auf X:

Die weitere Entwicklung des Vorgangs bleibt also interessant.

Titelbild: Matthias Roehe / Shutterstock


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