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Titel: Globalen Kapitalismus zähmen

Datum: 2. April 2006 um 16:26 Uhr
Rubrik: Ökonomie, Soziale Gerechtigkeit
Verantwortlich:

„Den Artikel von Kenneth Galbraith habe ich letzte Nacht übersetzt, um ihn Ihren nicht englisch sprechenden Lesern zugänglich zu machen. Viele Grüße H. E.“
So kooperativ sind die Freunde der NachDenkSeiten. Eine große Entlastung. Danke.

Zähmung des Raubtierkapitalismus

James K. Galbraith

1899 beschrieb Thorstein Veblen Raub als eine in der Entwicklung der Kultur entstehende Phase, die nur erreicht werden kann, wenn sich diese räuberische Gesinnung zur allgemein anerkannten geistigen Haltung etabliert hat und Kampf zum alles beherrschenden Merkmal der aktuellen Theorie des Lebens wird. Ein gesamtes Jahrhundert hatte man gekämpft, dieser Phase zu entkommen , nun erleiden wir einen Rückfall. Der Feind ist entfesselt, überall. Die Institutionen, von den Vereinten Nationen bis zu AFL (American Federation of Labor (Arbeitergewerkschaft) , SEC (US Securities and Exchange Comission – Verrbraucherschutz), sie alle befinden sich im Belagerungszustand. Raub bekam erneut das alles bestimmende Merkmal ökonomischen Lebens. Das größte Problem dabei ist, diese Realität in ihrer Reichweite überhaupt erst mal voll zu erfassen.

Der Nachkriegs Wohlstand wurde aufgebaut auf enormen Einsparungen im Bereich „Verteidigung“ und im erreichen von Frieden in Europa und weiten Teilen Asiens. Die Rolle Amerikas im System des Kalten Kriegs war, Sicherheit zu gewährleisten. Die Gegenleistung bestand in der Rolle des Dollars als Zahlungsmittel des gesamten Welthandels Systems. Jetzt allerdings, mit den Geschehnissen im Irak, werden wir weltweit als Feind wahrgenommen, – als Feind, der Krieg eher als Lösung denn als ultimativen menschlichen und wirtschaftlichen Horror betrachtet. Dafür würden uns viele unser Privileg wieder entziehen wollen.

Finanzbetrug und politische Korruption bilden den zweit größten Bereich des Raubtier-Kapitalismus. DeLay, Frist und Abramoff sind die Namen in den Nachrichten, den Ton allerdings bestimmt die Führerschaft – Cheney von Halliburton und Bush von Harken Energie, – große Raubtiere, jedoch kleine Aasfresser, – Spezialisten in Filzokratie und Experten in sonst gar nichts. Wenn Raub zum beherrschenden Faktor in Business und Politik werden, zerbröckelt das Fundament des Kapitalismus. Der Markt verliert seine Legitimität. Investoren retten sich in die Anlage von Anleihen, Obligationen etc. Echte Innovation und gemeinsames Wachstum werden unerreichbar. Nicht nur im Wechsel von Parteien kann eine Lösung gefunden werden, sondern in einer neuen politischen Klasse, einschließlich neuer Medien, welche nicht unter korrupter Kontrolle stehen.

Dann gibt es auch noch die Raubtierattacken an Gewerkschaften und Arbeitern, bei welchen sich die meisten Ökonomen durch Komplizenschaft auszeichnen. Diese ist sehr weit fortgeschritten in Amerika und sehr sichtbar in Europa, wie sich besonders wiederspiegelt in der Forderung von flexiblen Arbeitsmärkten und der Behauptung die Beherrschung von Arbeitslosigkeit erfordere allgemein Lohnkürzungen besonders aber Lohnkürzungen der „working poor“ (trotz Arbeit Arme). Geschichtlich unhaltbar ist , daß Arbeitslosigkeit jemals auf diesem Weg überwunden werden konnte, gewiss nicht in den USA der Jahre 1940, 1960 und 1990. Das moderne Europa leistet sich in einem Gegenbeispiel entsprechendes Wachstum von Norwegen und Dänemark bis zu Spaniens Wachstum der letzten Zeit, ebenso leistete es einen Beitrag als Anschauungsunterricht jüngst in Frankreich, die konstruierten, katastrophalen Auswirkungen der Ausgrenzung.

Der Weg vorwärts ist ein Programm für Wachstum und Gerechtigkeit, ausgerichtet an den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung und der Mittelklasse. Um damit beginnen zu können muss in den USA eine Zerschlagung der alten politischen Ordnung stattfinden: wir benötigen Wahlen mit allen Wählern und alle abgegebenen Stimmen werden ausgezählt. Die Aktion gegen Wählerunterdrückung ist der grundlegende Kampf unserer Zeit für Bürgerrechte, obgleich die meisten „Progressiven“ dies noch nicht begriffen haben. Um dies durchzusetzen ist eine fundamentale Reform nötig, die Einführung eines nationalen vote by mail Systems, wie in Oregon. Ohne dies und ohne unerbittliche strafrechtliche Verfolgung der Übeltäter werden wir nichts erreichen.

Die wirtschaftliche Verpflichtung muss Vollbeschäftigung sein, gleichmäßiges Wachstum in Europa und Japan und eine weltweite Entwicklungsstrategie welche die zivile Infrastruktur und die Armen begünstigt. Öffentliche Investitionen, stärkere Gewerkschaften, hoher Minimumlohn sollten den Rahmen der staatlichen Ziele bilden. Die Schließung von Steuerparadiesen im Ausland und eine Beendigung des weltweiten Waffenhandels, ein stabiles Finanzsystem und ein Ende der Schuld Leibeigenschaft armer Staaten sollte Priorität einer neuen Struktur sein.

Die Wahrheit ist, dass egalitäres Wachstum effizient ist, Spekulation reguliert werden muss, Verbrechen ganz oben beginnen und Frieden ein elementares Grundrecht ist. Diese Wahrheiten sind Gift für die Räuber und sind der Grund dieser Verbrecher eine ganze intellektuelle, zynische Bewegung gehegt, gepflegt und subventioniert zu haben die dem Dogma des „freien Marktes“ huldigt, zusammengesetzt aus „Professoren Höflingen“ die nun überall in den Blickpunkt geraten. Den Raubtierkapitalismus zu zähmen könnte damit starten, diese econo corporate analytische Achse zu brechen und das Konzept der ausgleichenden Kraft, das 1952 von Kenneth Galbraith erstmals entworfen wurde, wieder zu beleben.

James K. Galbraith ist Vorsitzender von Economists for Peace und Security (Frieden und Sicherheit) lehrt an der University of Texas und arbeitet als Wissenschaftler am Levy Economics Institut.


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