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Titel: Christian Wulff – Das Versteckspiel ist zu Ende
Datum: 3. Januar 2012 um 8:48 Uhr
Rubrik: Bundespräsident, Lobbyismus und politische Korruption, Wertedebatte
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Christian Wulff hat sich als einsichts- und lernunfähiger Fortsetzungstäter amtsunangemessener geschäftlicher Verbindungen erwiesen. Er hat sein Fehlverhalten notorisch vertuscht. Der Bundespräsident hat sich als neben dem Bundesverfassungsgericht oberster Hüter der Verfassung unglaubwürdig gemacht. Wie sollte er jemals wieder ein Vorbild für Sauberkeit und Transparenz in der Politik sein können? Wie sollte er jemals wieder glaubwürdig gegen unsaubere Bankgeschäfte zu Felde ziehen können? Wie sollte man ihm, wenn er die Werte der Verfassung verteidigt, noch abnehmen können, dass er nicht nur heuchelt? Es geht nicht mehr um die Würde des Bundespräsidenten, er hat dieses Amt herabgewürdigt. Nach Wulff kann man eigentlich das Amt des Bundespräsidenten nur noch abschaffen und es auf den Bundesratspräsidenten übertragen. Von Wolfgang Lieb
Das einzige was man Christian Wulff nicht vorwerfen kann: Er ahnte von Anfang an, dass ein privater Kredit von einem Freund ein schlechtes Licht auf einen Politiker in Amt und Würden wirft. Diese Ahnung kam ihm spätestens als er als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen im Jahre 2010 im Landtag gefragt wurde, ob er mit Egon Geerkens, in dessen Anwesen er im Dezember 2009 in Florida urlaubte, geschäftliche Beziehungen unterhalte und als er auf diese Frage mit einer Halbwahrheit antwortete. Indem er nämlich verschwieg, dass er einen Kredit von Frau Geerkens erhalten hatte, obwohl er wusste, dass dies nicht ohne Zutun von deren Ehemann geschah.
Hätte er damals die ganze Wahrheit gesagt und hätte er den privaten Kredit schon danach in ein übliches Hypothekendarlehen umgewandelt, dann hätte es vielleicht einen kleinen Sturm im Wasserglas gegeben, aber die Angelegenheit wäre nach wenigen Tagen in Vergessenheit geraten.
Doch offenbar – typisch für Wulff – meinte er die Kreditangelegenheit „unter dem Teppich“ halten zu können. Ja noch schlimmer, er hat nicht einmal aus diesem Fehlverhalten gelernt, sondern er urlaubte weiter – sogar noch als Bundespräsident – in den Villen seines anderen Unternehmerfreundes Maschmeyer und ließ sich von Freund Geerkens ein für einen Privatkunden seiner Bonität unübliches Geldmarktdarlehen bei der BW-Bank einfädeln. Und als auch dieser Vorzugskredit aufflog und erst einen Tag bevor er mit einer öffentlichen Erklärung eine wachsweiche Entschuldigung für seine „irritierende“ Finanzierung seines Wohnhauses abgab, unterschrieb er die Umwandlung dieses zinsgünstigen Sonderdarlehens in ein langfristiges Bankdarlehen, dessen Laufzeit aber noch nicht einmal begonnen hatte.
Diese Kreditgeschichten haben einen äußerst unangenehmen Beigeschmack, aber Wulff hätte sie vermutlich durchstehen können, wenn er die Karten auf den Tisch gelegt und sich nicht eine Karte nach der anderen hätte aus der Hand zerren lassen müssen.
Warum hat er z.B. in seiner Erklärung vom 15. Dezember gesagt „inzwischen habe ich das Geldmarktdarlehen in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben“ Warum sagte er nicht wahrheitsgemäß, „ich gedenke“ eine solche Umschuldung vorzunehmen?
Am 22. Dezember erklärt Wulff: „Ich sage aber auch deutlich, zu keinem Zeitpunkt habe ich in einem meiner öffentlichen Ämter jemandem einen unberechtigten Vorteil gewährt.“
Warum räumt er nicht einfach ein, dass er in seinem Amt als Ministerpräsident und dann auch noch als Bundespräsident mit den Krediten einen Vorteil empfangen hat, den er nicht hätte empfangen sollen.
Viel schlimmer als der reine Sachverhalt als solcher ist also das Verhalten der Person. Von Anfang an wissend, dass man solche anrüchigen Geschäfte in exponierter Position nicht macht, machte Wulff damit weiter. Und er versucht weiter, zu vertuschen oder bestenfalls nicht mehr bestreitbare Tatsachen einzuräumen. Er war bei den nicht „richtigen“ Geschäften Fortsetzungsstäter und er verhielt sich danach wie ein notorischer Vertuscher.
Gleichfalls am 22. Dezember erklärte Wulff: „Ich weiß und finde es richtig, dass die Presse- und Informationsfreiheit ein hohes Gut ist in unserer freiheitlichen Gesellschaft.“ Aber vorher am 12. Dezember – einen Tag vor der Veröffentlichung der Kreditangelegenheit in der BILD-Zeitung – war ihm dieses hohe Gut nichts wert: Er intervenierte offenbar massiv beim Chefredakteur Kai Diekmann und wollte die Presseberichterstattung über seinen Fall mit aller Macht verhindern. Und angeblich versuchte er auch noch über den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, ja sogar bis hin zur Matriarchin Friede Springer seine Amtsautorität zur Wahrung seines persönlichen Rufs einzusetzen.
Solche Interventionen sind durchaus nicht ungewöhnlich. Üblicherweise schicken die Politiker ihre Pressesprecher/innen vor, um unliebsame Berichterstattung aus der Welt zu schaffen. Aber nicht selten schalten sie sich auch selber ein. Insofern ist die moralische Empörung der Journalisten ziemlich gespielt. Wulff hatte gewiss auch schon längst vorher seinen nunmehr entlassenen Pressesprecher vorgeschickt. Wie man jedoch derart die Nerven verlieren kann, dass man dem Chefredakteur der BILD-Zeitung auch noch seine Drohungen und Beschimpfungen auf den Anrufbeantworter sprechen kann, das belegt nur, dass sich auch Wulff selbst als mit dem Rücken zur Wand stehend sieht.
Es ist schon Armutszeugnis für unsere demokratische Kultur genug, wenn der neben dem Bundesverfassungsgericht oberste Hüter der Verfassung, nämlich der Bundespräsident, die grundgesetzlich garantierte Berichterstattungsfreiheit persönlich zu unterbinden versucht. Den Versuch eines Eingriffs in die Pressefreiheit aber dann auch noch auf einem Anrufbeantworter als Tondokument zu hinterlassen, ist nicht nur ein Beleg dafür, wie unsere höchsten Repräsentanten des Staates und der Politik meinen, mit den Medien umspringen zu können, sondern ein solches Verhalten ist darüber hinaus nur noch abgrundtief töricht. Denn dass ein solch gefundenes Fressen, wie ein Tondokument über den Versuch einer Verhinderung einer Berichterstattung durch einen Bundespräsidenten nicht an die Öffentlichkeit gelangen würde, konnte Wulff wohl selbst nicht glauben – bei allem Wohlwollen, das er einstmals bei der BILD-Zeitung besaß.
Christian Wulff war es eine Zeit lang gelungen, bei seiner öffentlichen Selbstdarstellung die moralische Messlatte so hoch zu legen, dass er mühelos darunter durchlaufen konnte. Jetzt hat die Öffentlichkeit diese Täuschung durchschaut.
Selbst wenn ihm jetzt die Kanzlerin nochmals das „vollste“ Vertrauen ausspricht, dann wird jedem klar, dass er nicht „unser“ Staatsoberhaupt sondern nur von Merkels Gnaden ist.
Nach Wulff, der außer bunten Bildern mit seiner Frau keinen originären Beitrag geleistet hat, kann man das Amt des Bundespräsidenten eigentlich nur noch abschaffen und es dem jeweiligen Bundesratspräsidenten übertragen.
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