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Titel: Der Kreuzzug des Westens gegen das Reich des Bösen …

Datum: 1. Juli 2024 um 10:26 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik
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Der Krieg des Westens gegen Russland hat den Charakter eines Kreuzzuges. Es existiert eine westliche Verschwörungstheorie, wonach es beim unbedingt nötigen Sieg über Russland um die Verteidigung der heiligen Werte des „Wertewestens“ geht, um einen Entscheidungskampf für die „regelbasierte Weltordnung“. Die Vormachtstellung der westlichen Welt im Rahmen einer unipolaren Ordnung darf nicht fallen. Denn siege Putin, würde damit angeblich die gesamte westliche Gesellschaftsordnung für immer infrage gestellt oder gar zusammenbrechen. Das wollen uns diese Ideologen glauben machen, um die Mehrheit der Europäer und US-Amerikaner als neuzeitliche Kreuzritter mit ins Boot zu holen. So manipulieren sie uns, um die steuerfinanzierten Rüstungsausgaben zu rechtfertigen, die dafür beim Erhalt des Sozialstaats, dem massiv unterfinanzierten Bildungssektor und der ökologischen Transformation fehlen. Von Wolfgang Herzberg.

In Wirklichkeit geht es in diesem Krieg, wie bei den Kreuzzügen im Mittelalter, um einen imperialen Machtkampf – diesmal jedoch nicht der feudalen Klassen Europas, sondern es geht den bürgerlich-kapitalistischen Klassen des Westens darum, ihren Markzugang und damit ihre politische Macht massiv zu erweitern, um an die wirtschaftlichen Ressourcen der Ukraine und möglichst auch Russlands heranzukommen. Dazu soll möglichst durch einen dauerhaften Abnutzungskrieg ein Regimewechsel in Russland erreicht werden. Diesen „Sieg“ benötigen sie auch, um ihre krisengeschüttelten innenpolitischen Verhältnisse zu stabilisieren, wie sie etwa in den USA, in England, Frankreich und Deutschland und in vielen anderen westlichen Ländern zu beobachten sind.

Wie durchsichtig diese Verschwörungstheorie ist, lässt sich unter anderem mit folgenden Punkten relativ leicht entlarven:

  1. Wenn Putin tatsächlich ein so mächtiger Mann wäre, wie er aus den genannten ideologischen Gründen dämonisiert wird, hätte er nach über zwei Jahren Krieg die Ukraine längst überrannt, Kiew besetzt und das Selenskyj-Regime entmachtet. Aber es geht ihm offenbar um die Ostukraine und die Krim, wo überwiegend russischsprechende Bevölkerung lebt, die gegen eine radikale Separierung von Russland war und ist. Es geht ihm auch um eine Sicherheitszone Russlands gegenüber dem De-facto-NATO-Mitglied Ukraine, das eine friedliche Koexistenz mit Russland durch westliche Intervention beim Staatsstreich von 2014 radikal ausgeschlagen hat und seit 2014 auf den prorussischen Teil der Bevölkerung schoss – und dabei Abertausende Zivilisten tötete.
  2. Die Dämonisierung der angeblichen Macht Russlands besteht zudem darin, dass inzwischen 32 NATO-Mitglieder mit über einer Billion US-Dollar Militärausgaben jährlich ca. zehnmal so viele Mittel ausgeben wie das viel schwächere Russland, das auch wirtschaftlich längst nicht so entwickelt ist wie ein Großteil der NATO-Länder.
  3. Die Unterstützung der ukrainischen Machthaber hat dazu geführt, dass die Ukrainer mittlerweile vollständig von den Geldzuweisungen und Krediten des Westens und seiner Militärmacht abhängig sind – also alternativlos an dessen Tropf hängen, und zwar auf unabsehbare Zeiten.
  4. Die Unterstützung der gewaltsamen Separierung der Ukraine von Russland, obwohl beide Länder eine über 1.000-jährige, multiethnische gemeinsame Geschichte verfügten, widerspricht fundamental dem Geist und den Buchstaben der UN-Charta.
  5. Das aber war seit jeher die Strategie der USA und ihrer Verbündeten, wie es etwa die Truman-Doktrin 1947 formulierte: „Die freien und unabhängigen Staaten rechnen auf unsere Unterstützung. Wenn wir in dieser Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt und schaden der Wohlfahrt unserer eigenen Nation.“ Doch das genaue Gegenteil war und ist der Fall.
  6. Die westliche Ideologie unterliegt, von kapitalistischen Interessen geleitet, damit einer vollständigen politischen Fehleinschätzung des Entwicklungsweges Russlands und auch Chinas sowie dem Rest des sogenannten Globalen Südens: Diese Länder wollen aufgrund ihrer relativen ökonomischen Rückständigkeit gegenüber dem Westen, der einen Großteil dieser Länder jahrhundertelang blutig kolonialisiert hat, eine eigenständige Gesellschaftsstrategie entwickeln, weil sie sich damit gegen den Wirtschaftsliberalismus des Westens wehren, der in diesen Ländern seit jeher primär nur Bodenschätze und Arbeitskräfte ausgebeutet hat.
  7. Während es diesen Ländern heute darum geht, die Arbeits- und Lebensbedingungen für ihre eigenen Bevölkerungen so rasch wie möglich zu verbessern und dabei zu vermeiden, dass die globale Spaltung zwischen Arm und Reich – wie in den westlichen Ländern durch deren angeblich liberale Innen- und Außenpolitik – immer weiter auseinanderdriftet, ist der Westen in erster Linie nur an der weiteren Profitmaximierung für seine wohlhabenden Minderheiten interessiert.

Anstatt durch eine Politik der friedlichen Koexistenz, d.h. durch politische, wirtschaftliche und kulturelle Annäherung aller Nationen, den gegenseitigen progressiven sozialen Wandel zu befördern, ist der überhebliche Westen auf dem alten Holzweg, dem Rest der Welt sein angeblich demokratisches Gesellschaftssystem als das einzig mögliche aufzuzwingen. Das ist im Kern eine Politik des Kreuzzuges im Interesse „westlicher Werte“, die zum Scheitern verurteilt ist, ja das Risiko birgt, in einem dritten Weltkrieg mit Atomwaffen zu münden. Aber das ist das Hauptmotiv, warum der Westen und das von ihm abhängige Selenskyj-Regime nicht an einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen interessiert sind. Denn es geht ihnen darum, in einer vermeintlichen Systemkonfrontation ihre bisherige Weltvormachtstellung zu bewahren und auszubauen und zu verhindern, dass Russlands und Chinas Weg hin zu einer multipolaren Welt Schule macht.

Titelbild: Shutterstock / IrenaR


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