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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 3. Januar 2012 um 8:42 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
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Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Zur Manipulation mit Statistiken passt:
Im Jahr 2011 erstmals mehr als 41 Millionen Erwerbstätige
Im Jahr 2011 waren durchschnittlich rund 41,04 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig. Nach ersten vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wurde mit dem erstmaligen Überschreiten der 41-Millionen-Marke im Jahr 2011 der bisherige Höchststand der Erwerbstätigkeit des Vorjahres nochmals deutlich übertroffen, und zwar um 535 000 Personen oder 1,3 %. Diese positive Entwicklung steht im Zusammenhang mit dem seit zwei Jahren anhaltenden konjunkturellen Aufschwung und wurde zudem dadurch begünstigt, dass die Zahl der Erwerbstätigen im Jahr 2009 trotz des durch die Finanzkrise ausgelösten Einbruchs der Wirtschaftsleistung in Deutschland stabil geblieben war.
Nach vorläufigen Schätzungen auf Basis der Arbeitskräfteerhebung sank die Zahl der Erwerbslosen (nach international vergleichbarer Definition) im Jahresdurchschnitt 2011 in Deutschland um 446 000 Personen (– 15,1 %) auf 2,5 Millionen. Die Erwerbslosenquote ging im gleichen Zeitraum von 6,8 % auf 5,7 % zurück. Die Zahl der aktiv am Arbeitsmarkt verfügbaren Erwerbspersonen, definiert als Summe von Erwerbstätigen und Erwerbslosen, erhöhte sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 89 000 Personen auf 43,54 Millionen.
Der günstige Konjunkturverlauf des vergangenen Jahres spiegelt sich sowohl in der Zahl der Selbstständigen als auch der Arbeitnehmer wider. So wuchs die Zahl der Arbeitnehmer mit Wohnort in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2011 um 478 000 Personen (+ 1,3 %) auf rund 36,50 Millionen. Die Zahl der Selbstständigen einschließlich mithelfender Familienangehöriger stieg im selben Zeitraum um 57 000 Personen (ebenfalls + 1,3 %) auf rund 4,55 Millionen…
Die Erwerbstätigkeit hat im Jahr 2011 in fast allen Wirtschaftsbereichen zugelegt…
In der längerfristigen Betrachtung der Erwerbstätigkeit nach Wirtschaftsbereichen zeigt sich ein bemerkenswerter Strukturwandel. So hatten im Jahr 2011 weiterhin fast drei Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland ihren Arbeitsplatz in den Dienstleistungsbereichen. Der Anteil dieses so genannten tertiären Sektors an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen erhöhte sich von 60,9 % im Jahr 1991 auf 73,8 % im Jahr 2011. Spiegelbildlich dazu verringerten sich in diesem Zeitraum die Erwerbstätigenanteile des primären und des sekundären Sektors…Am stärksten verminderte sich seit 1991 das Gewicht des Produzierenden Gewerbes (ohne Baugewerbe) an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen, und zwar um fast zehn Prozentpunkte von 28,5 % im Jahr 1991 auf 18,7 % im Jahr 2011. Allein in den Jahren 2009 und 2010 war der Anteil der produzierenden Bereiche (ohne Bau) aufgrund der konjunkturbedingten Beschäftigungsverluste um insgesamt einen Prozentpunkt gesunken.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung WL: Das Zitat ist zwar abgestanden, aber es trifft halt zu: Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. Nun sind die Zahlen des Statistischen Bundesamtes natürlich nicht gefälscht, aber es ist mit Händen zu greifen, dass hier ein Rekordwert zu Propagandazwecken ermittelt wurde. Und diese Propaganda hatte Erfolg. Gestern lief keine Nachrichtensendung ohne diese Topmeldung.
Das Motiv der Regierungspropaganda springt schon aus dem dritten Satz, dass „diese positive Entwicklung … im Zusammenhang mit dem seit zwei Jahren anhaltenden konjunkturellen Aufschwung“ stehe. Haben die amtlichen Statistiker die Kompetenz eine solche arbeitsökonomische Aussage zu treffen? Ist es nicht mindestens genauso plausibel, dass mit immer niedrigeren Löhnen oder etwa mit den Kürzungen der Sozialleistungen immer weniger Familien mit ihrem Einkommen über die Runden kommen und zum Beispiel die Ehepartner in einen Teilzeitjob oder in eine Scheinselbständigkeit gezwungen werden?
Besonders verwirrend ist diese Statistik, wenn man sie mit der Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit vergleicht. Dort wurde für den November 2011 die Zahl der Arbeitslosen noch mit 2.713.000 und die Arbeitslosenquote mit 6,4 Prozent angegeben. Und schon diese Angaben sind höchst umstritten, so musste gerade dieser Tage die Bundesregierung zugeben, dass einfach 100.000 Menschen im Alter von über 58 Jahren aus der Statistik herausgefallen sind.
Im Kleingedruckten erfährt man natürlich auch vom Statistischen Bundesamt, warum die Werte in dieser neuesten Statistik so „positiv“ ausfallen. Hier wird das Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zugrunde gelegt. Dabei wird jede Person im erwerbsfähigen Alter, die in einem einwöchigen Berichtszeitraum mindestens eine Stunde lang gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen oder mithelfenden Tätigkeit gearbeitet hat.
Schon diese Berechnungsweise macht deutlich, dass diese Statistik natürlich nur wenig über die Art und vor allem nichts über die Qualität der Erwerbstätigkeit aussagt. Schon wer eine Stunde Nachhilfe in der Woche gibt, gilt danach als erwerbstätig. Bezeichnenderweise wird z.B. die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht ausgewiesen.
Noch vor 3 Tagen berichtete das gleiche Statistische Bundesamt über die „niedrigsten Tarifverdienste“.
Wie wenig diese Statistik über die tatsächliche Situation auf dem Arbeitsmarkt aussagt, hat gleichfalls das Statistische Bundesamt erhoben. Danach würden insgesamt rund achteinhalb Millionen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren gern mehr arbeiten, als sie es derzeit tun können. Dazu gehören nicht nur die 2,7 Millionen statistisch ausgewiesenen Arbeitslosen und eine Million nicht gezählte Arbeitslose, sondern auch noch knapp 4 Millionen Unterbeschäftigte.
Sicher man kann in einer Statistik nicht immer alle Daten gleichzeitig veröffentlichen, aber das heißt noch lange nicht, dass man sich die Statistiker des Bundesamtes als Propagandamittel missbrauchen lassen müssten.
Anmerkung Orlando Pascheit: Kai Ruhsert hat 2008 in einer ausführlichen Rezension auf das Buch von Richard Werner hingewiesen und zusammengefasst: “Die Annahme, höhere Zinsen würden das Wachstum bremsen und niedrigere es tendenziell fördern, ist ohne empirische Grundlage. Das ist für Richard Werner jedoch keineswegs ein Grund, die Bedeutung der Geldpolitik in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Als Ergebnis einer Reihe weiterer, empirischer Untersuchungen weist er den Zentralbanken sogar eine überragend große Verantwortung für das Wachstum zu. Einerseits hätten Zentralbanken die Konjunktur durch eine zu kontraktive Geldpolitik häufig abgewürgt; andererseits seien sie wiederholt für die Entstehung von Spekulationskrisen verantwortlich gewesen, indem sie in großem Umfang Kredite für nichtproduktive (d.h. spekulative) Verwendungen zuließen.”
Dabei betont Ruhsert nicht die Zügelung der Kreditvergabe in Werners Analyse – Werner verwirft natürlich die spekulationsfinanzierende Kreditschöpfung und die Konsum finanzierende Kreditschöpfung – sondern stellt die “Produktionsfinanzierende Kreditschöpfung” in den Mittelpunkt. Werner schreibt: “Gelingt es den Banken (oder den Aufsichtsbehörden, vor denen sie sich zu verantworten haben) dafür Sorge zu tragen, dass die neue Kreditschöpfung nur jenen Aktivitäten zugute kommt, die die potenzielle Wachstumsrate anheben – die Sachvermögensbildung etwa – so wird diese zusätzliche Kreditschöpfung, selbst bei Vollauslastung, nicht inflatorisch wirken und die Ausbringung – über die Möglichkeiten der bisherigen Kapazitätsausnutzung hinaus – erhöhen.” Ruhsert schreibt folgerichtig: “Eine Europäische Zentralbank, die sich nur der Inflationsbekämpfung verpflichtet sieht und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen dank völliger Unabhängigkeit vor niemandem verantworten muss, ist für diese Aufgabe natürlich nicht geeignet.”
Anmerkung MB: Der Arbeitgeberpräsident spricht und die WELT gibt es ohne Nachfragen und ohne Hintergrundinformationen brav weiter.
Warum gehen so viele Menschen früher in Rente? Werden sie nicht mehr gebraucht? Sind ihre Arbeitsplätze nicht altersgerecht bzw. alternsgerecht? Haben sie gesundheitliche Probleme? Haben sie noch eine gute Rente und können es sich einfach finanziell leisten, sich nicht mehr bei der Arbeit kaputt zu machen? Dazu gibt es keine einzige Antwort und keine einzige Hintergrundinformation.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Altersgruppe der 60- bis 64jährigen stieg immerhin auf 1,2 Millionen an. Klingt das nicht erst mal toll? Ja, dann ist ausgehend von 28,966 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ausgehend von der wohlwollenden Annahme, dass diese Zahl überhaupt stimmt tatsächlich jeder 24. (!!!) in dieser Altersgruppe.
Ja, es wird noch toller! Wir dürfen uns auf eine Rentenbeitragssenkung von 19,9% auf 19,6% freuen. Bevor Sie Ihre Gehaltsabrechnung für Januar 2012 erhalten werden, können Sie jetzt schon mal die gigantische Ersparnis ausrechnen, die auf Sie warten wird. Es sind genau € 0,30 pro € 100,00 sozialversicherungspflichtigem Einkommen – dreißig Pfennig pro Hunni, falls Sie es einem BILD-Leser und RTL-Zuschauer erklären müssen! Ist das nicht toll. Ausgehend von den fast 29 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bringt und die bombastische Entlastung von 2,6 Milliarden Euro im Durchschnitt … rechnen wir mal nach … die Hälfte davon ist eine flächendeckende Reduzierung der Arbeitskosten für die Arbeitgeber … ja wirklich, uns bleiben im Durchschnitt € 44,88. Toll, nicht wahr. Ja, € 44,88 im Jahr, bzw. € 3,74 im Monat. Ist das größte Wirtschaftswachstum seit dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht schon mit beiden Händen spürbar?
dazu: The Unconstitutional Constitution
On New Year’s Day, the new Hungarian constitution became law. The Hungarian parliament has been preparing for this event by passing a blizzard of “cardinal” – or super-majority – laws, changing the shape of virtually every political institution in Hungary and making the guarantee of constitutional rights less secure. In the last two weeks alone, the parliament has enacted so many new laws that it has been almost impossible to keep up. And to top it off, there was also a huge new omnibus constitutional amendment – an amendment to the new constitution even before it went into effect. By one commentator’s count, the Fidesz government has enacted 359 new laws since it came to power 18 months ago.
Quelle: New York Times
Anmerkung JB: Interessant ist hier die Frage, was Diekmann und den Springer-Verlag dazu verleitet hat, Wulff „den Krieg zu erklären“. Die eigentlich offensichtliche Variante, investigativer und kritischer Journalismus, dürfte hier als Motiv auszuschließen sein. Cui bono?
Anmerkung Jürgen Karl: Da kann man ja nur noch lachen, Journalistenverband geisselt Versuch der Einflussnahme. Ansonsten sind die Herren ja nicht so pingelig wenn es darum geht neoliberale Regierungspropaganda zu verbreiten oder wieder einmal Werbung für die private Rentenvorsorge zu machen. Wulff muß hier offensichtlich als Watschenmann herhalten an dem die Journaille ihr ach so kritisches Mütchen kühlen kann.
Anmerkung MB: Interessante Informationen über Hannoveraner Machteliten und anderes Hannoveraner Volk. So stammen neben Politeliten, Industrie- und Versicherungsmogulen auch Eurovisions-Song-Contest-Sternchen Lena und der Serienmörder Fritz Haarmann aus Hannover, der seine ausschließlich männlichen Opfer zerstückelte und der Legende nach zu Wurst verarbeitete. Hannoveraner Interessensverflechtungen abseits von Wulff & Co. werden in Erinnerung gebracht. Erinnern Sie sich an Ministerpräsident Glogowski (zwischen Schröder und Gabriel)? Er ließ sich Hochzeit und Hochzeitsreise von Sponsoren co-finanzieren und trat zurück, als es herauskam; ausgerechnet der damalige Oppositionsführer Christian Wulff gehörte zu den Jagdführern.
Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wer das Wirken Klaus Zimmermanns vor allem beim DIW nicht goutieren konnte, kann nur begrüßen, dass sich Zimmermann (und sein Team) wieder einem früheren Forschungsschwerpunkt, Migration, zuwandte.
Anmerkung JB: Die NachDenkSeiten gratulieren.
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