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Titel: Stimmen aus Ungarn: Die EU-Eliten sind im Kriegsfieber – doch wer soll eigentlich Europa verteidigen?

Datum: 18. Juni 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Europapolitik, Wettbewerbsfähigkeit
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Die EU und ihre Mitgliedsländer gehen mit der Bewaffnung der Ukraine an die Grenzen, als ob es sich selbst verteidigen könnte, wenn es darauf ankommt. Davon ist aber keine Rede. Die Frage ist also nicht mehr, ob die EU die Ukraine verteidigen kann, sondern ob es sich selbst verteidigen kann. Die Europäische Union scheint das nicht zu begreifen, aber es ist noch nicht zu spät, diese unverständliche und unverantwortliche Politik zu ändern. Nicht nur die Ukraine, sondern auch die EU könnte in diesen Krieg hineingezogen werden. Ein Beitrag von Gábor Stier, übersetzt von Éva Péli.

Die deutsche Bundeskanzlerin hat die Lieferung von Patriot- und IRIS-T-Raketen an die Ukraine angekündigt. Olaf Scholz sagte auf einer Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Berlin, es sei billiger, Zerstörungen im Land zu verhindern. Wolodymyr Selenskyj, der sich in Deutschland aufhielt, und Scholz haben neben der Militärhilfe für die Ukraine auch über den Ausbau der Luftverteidigungskapazitäten und die gemeinsame Waffenproduktion gesprochen. Der deutsche Bundeskanzler sagte, Deutschland werde der Ukraine in Kürze ein drittes Patriot-Luftabwehrsystem, weitere IRIS-T-Luftabwehrsysteme, „Gepard“-Panzer sowie Raketen und Munition zur Verfügung stellen. Der Bundeskanzler forderte die Konferenzteilnehmer außerdem auf, die ukrainische Luftverteidigung gegen russische Angriffe weiter zu stärken, und rief die Verbündeten auf, die entsprechende deutsche Initiative zur Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung „in jeder erdenklichen Weise“ zu unterstützen. Selenskyjs Besuch in Deutschland erfolgte kurz nach der Kehrtwende Berlins, das der Ukraine erlaubt hat, deutsche Waffen für Angriffe auf russisches Territorium einzusetzen.

Sie werden sich erinnern, dass es nach Ausbruch des Krieges um Helme ging und die Deutschen dann zu Leopard- und IRIS-T-Systemen sowie Patriots übergingen. Und angesichts des Trends sollten wir uns nicht wundern, wenn Scholz schließlich der Lieferung von Taurus-Langstreckenraketen zustimmt.

Und wir sprechen hier über das stets vorsichtige Deutschland, nicht über die russophoben Polen oder die ebenso kriegerischen Briten. Auch nicht von Emmanuel Macron, der in den letzten Monaten aus taktischen Gründen zum Falken geworden ist. Tatsache ist, dass die wilde, kriegerische Rhetorik des französischen Präsidenten seit Februar neuen Druck auf die europäischen Politiker ausgeübt hat, die sich nicht von ihrer moralischen Verpflichtung lösen können. Gleichzeitig wird das Modell Washingtons, die Kosten für die Aufrechterhaltung und militärische Unterstützung der Ukraine langsam und schrittweise auf Europa abzuwälzen, immer deutlicher. Ein Europa, das inzwischen mit der Tatsache konfrontiert ist, dass seine Verteidigungskapazitäten in den letzten 30 Jahren auf gefährliche Weise erodiert sind, aber der Weltfrieden und das Ende der Geschichte noch nicht gekommen sind und nur die Vereinigten Staaten seine Sicherheit garantieren können. Dies hat natürlich auch zu einer größeren Abhängigkeit geführt, sodass Europa zu einem Vasallen Amerikas geworden ist.

In dieser Situation sollte Europa seine stark dezimierte Verteidigungsindustrie wiederbeleben, seine Lagerhallen auffüllen, die bei Ausbruch des Krieges in der Ukraine völlig erschöpft waren, seine Verteidigungskapazitäten verbessern, seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten und der Ukraine weiterhin helfen.

Dies ist eine unlösbare Aufgabe, daher sollten Prioritäten gesetzt werden. Dazu müssen zunächst die Interessen Europas verstanden werden. Und wenn dies geschehen ist, geht es darum, diese Interessen durchzusetzen, vorausgesetzt, es gibt genügend Handlungsspielraum – strategische Autonomie, die von Macron, dem Mann, der sie am meisten gefordert hat, bereits vergessen wurde.

Hier sind wir nun angelangt, und es scheint, dass die Europäische Union es für wichtiger hält, die Ukraine mit Krediten zu unterstützen, als ihre eigenen Verteidigungskapazitäten auszubauen. Einige Länder denken darüber nach – Polen ist das offensichtlichste Beispiel –, aber Europa ist noch weit davon entfernt, sich selbst verteidigen zu können. Die Einsicht in die Notwendigkeit, die Verteidigungskapazitäten zu stärken, ist da, aber in der Praxis sind wir noch weit davon entfernt.

Es ist daher nicht nur unverständlich, sondern auch unverantwortlich, dass Europa oft die Kriegstrommeln schlägt – über die Erwartungen seines ‚großen Bruders‘ jenseits des Ozeans hinaus – und eine Eskalation des Krieges, eine direkte Konfrontation mit Russland riskiert, zunächst mit seinen Ideen und dann mit seinen immer gefährlicheren Aktionen.

Diese Politik ist unverantwortlich, weil sie die Gefahr eines großen Krieges birgt, und sie ist unverständlich, weil Europa nicht über die Kapazitäten für einen großen Krieg verfügt. Und wir haben noch nicht einmal erwähnt, dass nicht nur die europäischen Armeen, sondern auch die Gesellschaften auf eine mögliche horizontale Eskalation des Krieges nicht vorbereitet sind. Die Gesellschaften wachen langsam, aber sicher auf. Sie beginnen zu begreifen, dass die Verschlechterung des Lebensstandards nicht nur das Ergebnis der übertrieben hochgejubelten „grünen Revolution“ und der Fehlsteuerung der Migration ist, sondern zunehmend auch die Folge eines Krieges.

Trotzdem haben wir nicht gesehen, dass die Wähler bei den Europawahlen die nationalen und Brüsseler Eliten wirklich abgestraft haben. Es gibt bereits Anzeichen von Unzufriedenheit, wie die Ergebnisse zeigen, aber die politischen Führer lassen sich davon nicht abschrecken.

Doch das Problem ist größer, als viele denken. Nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit Europas und der Lebensstandard der Europäer sinken spektakulär, sondern auch die Sicherheit. Da die meisten europäischen Staaten aus moralischen oder geschäftlichen Gründen ihre Lager ausräumen und einen großen Teil ihrer vorhandenen Waffen an die Ukraine abgeben, haben sich die Verteidigungskapazitäten der europäischen NATO-Länder auf spektakuläre Weise verringert. Natürlich wird die Rüstungsindustrie angekurbelt, doch um ihre Kapazitäten zu erhöhen, braucht es Zeit und Geld. An beidem mangelt es gegenwärtig. Dazu kommt, wie oben beschrieben, dass die Verlegung der verbleibenden Raketenabwehrsysteme die europäischen Verteidigungskapazitäten verringern. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die kriegerischen Äußerungen des französischen Präsidenten die Gefahr einer Ausweitung der Feindseligkeiten auf Europa bergen.

Wir wissen natürlich, dass die Ukraine weder über Luftstreitkräfte noch über Luftverteidigung verfügt, sodass die Aussichten des Krieges immer düsterer werden, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Europa mit Kiews zunehmend sichtbarer Bewaffnung – F-16, Patriot-Systeme, Langstreckenraketen – selbst wehrlos wird. Wenn das so weitergeht, wird der europäische Luftraum und damit auch die europäische Bevölkerung immer wehrloser werden, während die russische Seite weiter provoziert wird.

Es sei daran erinnert, dass Kiew vor Kurzem insgesamt 25 Bataillone Luftabwehrsysteme vom Westen gefordert hat, während der Block über etwa zwölf Bataillone und 200 bis 220 Abschussrampen außerhalb der Vereinigten Staaten verfügt. Die Staats- und Regierungschefs der NATO sollten sich darüber Gedanken machen, was nach der Verlegung von immer mehr Raketenabwehrsystemen mit der Sicherheit Europas geschehen wird. Denn machen wir uns keine Illusionen: Genauso, wie es das geopolitische Ziel der Vereinigten Staaten ist, Russland zu schwächen, spielt Moskau nicht nur damit, die Ukraine ausbluten zu lassen, sondern auch, Europa dadurch zu schwächen. Und wir sollten nichts überstürzen: Die 500 Milliarden Euro, die für den Wiederaufbau der Ukraine benötigt werden, hätten ihren Platz auch in der EU, die Patriots, die Raketen müssen auch ständig ersetzt werden, was den Haushalt nur belastet.

Wir sollten es uns zweimal überlegen, bevor europäische Politiker beginnen, die Kriegstrommeln zu schlagen und sich zu sehr für einen Sieg über Russland begeistern. Stattdessen sollte sich die Diplomatie eher darauf konzentrieren, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und das europäische Sicherheitssystem wieder aufzubauen – und natürlich auf die Stärkung der eigenen Verteidigungskapazitäten. Schließlich schwächt die derzeitige Politik die Sicherheit Europas, während sie bei der Zerstörung der Ukraine enthusiastisch assistiert. Zwar wird dadurch Russland auch nicht stärker, aber ist es das auf Kosten der immer offenkundigeren und schmerzhafteren Schwächung Europas wert?! Wohl kaum. Ganz abgesehen davon, dass die Frage heute nicht mehr lautet, ob Europa die Ukraine verteidigen kann. Wenn es seine derzeitige Politik nicht ändert, stellt sich zunehmend die Frage, ob es sich im Fall der Fälle selbst verteidigen könnte.

Dieser Beitrag ist zuerst auf dem ungarischen Portal Moszkvatér erschienen.

Titelbild: Shutterstock / Shocky


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