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Titel: „Putin bezahlt die Verteidigung der Ukraine“ – Fake News zum 50-Milliarden-Dollar-Ukraine-Paket der G7
Datum: 18. Juni 2024 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Finanzen und Währung, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Jens Berger
Wer in der Halbzeitpause des Fußballspiels Deutschland gegen Schottland sich die ZDF-Nachrichtensendung heute angeschaut hat, dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Heute-Sprecherin Anne Gellinek verkündete dort gleich zu Beginn als Top-Meldung, die G7 hätten sich auf einen Milliardenkredit an die Ukraine geeinigt, der „aus Zinsen von eingefrorenen russischen Geldern bezahlt werden soll“. Das ist jedoch eine lupenreine Falschmeldung. Ausbezahlt wird dieser Kredit von den G7-Staaten selbst, zurückgezahlt wird er von der Ukraine. Die Zinseinahmen eingefrorener russischer Gelder sollen dabei lediglich als Sicherheit dienen. Da dies nicht reichen wird, werden die G7 am Ende auch dies übernehmen müssen. Nicht „Putin“, sondern die Steuerzahler der G7-Staaten bezahlen also einmal mehr die Waffen, die mit diesem Geld bezahlt werden. Der G7-Beschluss ist reine PR, und Medien wie ZDF heute spielen bei dieser Propaganda-Nummer unkritisch mit. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Vorbemerkung: Wenn Sie sich bislang mit dem Thema der durch die Sanktionen der EU eingefrorenen russischen Währungsreserven noch nicht ausführlich beschäftigt haben, sollten Sie bitte den im März erschienenen NachDenkSeiten-Artikel „Regelbasierte Weltordnung?“ lesen, in dem ich mich bereits sehr ausführlich mit dem Thema auseinandergesetzt habe.
Die rund 265 Milliarden Euro Guthaben der russischen Zentralbank, die durch die G7-Staaten auf Basis der Sanktionen eingefroren sind, lassen dem Westen – und hier vor allem den USA – keine Ruhe. Liebend gerne würde man diese Gelder einfach einbehalten und mit ihnen die politisch immer schwieriger durchzusetzenden „Hilfsgelder“ für die Ukraine bezahlen. Doch hier ist das Völkerrecht sehr eindeutig. Währungsreserven sind staatliche Vermögenswerte und damit durch internationales Recht immun. Und das bleiben sie auch, solange es keinen anderslautenden völkerrechtlich verbindlichen Beschluss gibt. Den gibt es nicht und den wird es auch in Zukunft nicht geben. Dem Westen sind also die Hände gebunden, will er sich nicht demnächst selbst durch einen glasklaren Verstoß gegen internationales Recht vor Gericht wiederfinden.
Ein wenig komplizierter sieht es bei den Zinseinnahmen aus, die mit den eingefrorenen Geldern erzielt werden. Hier beruft sich die EU auf eine vermeintliche „Gesetzeslücke“. Die Verträge zwischen der russischen Zentralbank und der belgischen Clearstream, die als sogenannter Zentralverwahrer die Konten für die Russen führt, sehen vor, dass die Zinseinnahmen nicht auf das Konto der russischen Zentralbank, sondern auf ein Anderkonto fließen, das Clearstream treuhänderisch verwaltet. Nach Rechtsauffassung der EU stellt dieses Anderkonto kein völkerrechtlich geschütztes Staatvermögen dar. Diese Argumentation ist rechtlich kaum haltbar und so recht scheint die EU ihrer eigenen Rechtsaufassung auch nicht zu glauben, sonst hätte sie die Zinseinnahmen, die laut dieser Rechtsauffassung Clearstream „gehören“, schon längst konfisziert.
Nimmt man die Aussagen von ZDF heute beim Wort, müsste man davon ausgehen, dass der von den G7-Staaten nun angekündigte 50-Milliarden-Dollar-Kredit für die Ukraine aus eben jenen Zinseinnahmen getilgt wird. Doch das ist schlichtweg falsch. Die Zinseinnahmen sollen – wie eine sehr gute Analyse der britischen Financial Times erklärt – lediglich als Sicherheit für den Kredit dienen. Mit anderen Worten: Sollte die Ukraine als Kreditnehmer die Raten nicht vertragsgemäß bedienen können, müssten die russischen, von Clearstream verwalteten, Zinseinnahmen als Sicherheit einspringen. Auch das wäre nach gängiger Auslegung ein klarer Bruch des Völkerrechts, der jedoch nur im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Ukraine eintreten würde. Das ist keinesfalls unrealistisch, mussten die Gläubiger der Ukraine doch erst vor wenigen Tagen einen Großteil der Forderungen aus ihren Staatsanleihen abschreiben. Inwieweit bereits die Nutzung der russischen Zinsen als Sicherheit für einen Kredit völkerrechtswidrig ist, ist eine Frage, die vielleicht schon bald internationale Gerichte beschäftigen wird.
Doch auch so ist dieses Konzept ganz offensichtlich eine Luftnummer. Wir reden von 50 Milliarden US-Dollar. Dieses Geld soll von internationalen Investoren kommen – also von Banken, Vermögensverwaltungen und Fonds. Diese Akteure sind aber nicht dumm und verleihen ihr Geld nur dann, wenn sie die Sicherheiten zufriedenstellen. Das trifft auf das Zinsgewinn-Anderkonto von Clearstream aber nicht einmal im Ansatz zu. Wenn es beispielsweise im nächsten Jahr einen Friedensvertrag gäbe, würde Russland selbstverständlich darin die Freigabe der eingefrorenen Gelder fordern und mit Unterschrift dieses Vertrages wären die Sicherheiten weg. Die Grundlage für das Einfrieren ist dabei selbst fragil. Aller sechs Monate müssen die betreffenden Sanktionen durch die EU verlängert werden – und dies einstimmig. Würden z.B. Ungarn oder die Slowakei die Unterschrift verweigern, wäre die Sicherheiten ebenfalls weg; Gleiches gilt für den Fall, dass ein internationales Gericht das Einfrieren der russischen Währungsreserven für nicht rechtens erklärt.
Hinzu kommt, dass die Summe viel zu gering ist. Man kann einen 50-Milliarden-Dollar-Kredit nicht mit vagen – vom Marktumfeld abhängigen – Zinseinnahmen in Höhe von rund drei Milliarden US-Dollar pro Jahr absichern. Darauf würde sich keine Bank und kein Fonds einlassen – außer man entschädigt die Investoren durch einen ganz erheblichen Risikoaufschlag bei den Zinsen. Damit wiederum wäre aber der Ukraine nicht geholfen, da sie einen Kredit ohne Absicherung durch erstklassige Bürgen niemals auch nur im Ansatz zurückzahlen könnte.
Was bei diesem Modell fehlt, ist also – wie es im Finanzjargon heißt – ein Kreditgeber letzter Instanz, Englisch „lender of last ressort“. Und nun raten Sie mal, wer das sein soll! Natürlich die G7-Staaten selbst, wer denn auch sonst? Sie würden einspringen, wenn die Ukraine mit der Rückzahlung im Rückstand ist und die eingefrorenen Zinsgewinne entweder nicht ausreichen oder – was wahrscheinlicher ist – es rechtliche Bedenken gibt, sie tatsächlich anzurühren.
Das ganze Gerede über „Putins Gelder“ oder auch nur die Zinsgewinne im Allgemeinen ist also ein pure PR-Nummer. Aus diesen Geldern wird nichts bezahlt und selbst als Sicherheit werden sie kaum angetastet werden. Streng genommen reden wir hier also über einen Kredit privater Banken und Fonds, den die G7 und damit die Steuerzahler der G7-Staaten und niemand sonst absichert. Dazu liest man freilich nicht viel in den Medien und das ist auch kein Wunder, da hinter den Kulissen bereits im Vorfeld mit harten Bandagen über die Verteilung der Sicherheiten unter den einzelnen G7-Staaten gestritten wurde. Kleinere Staaten wie Frankreich oder Italien drängen offenbar darauf, dass diese Sicherheiten in Relation zum BIP der einzelnen Staaten verteilt werden, während die USA für ihren Part offenbar die Weltbank einspringen lassen will – Hintergrund dürfte hier sein, dass eine Sicherheitsleistung von der US-Regierung nicht vergeben werden kann, ohne dass Senat und Repräsentantenhaus dem zustimmen, was angesichts der Rangeleien um das letzte Ukraine-Paket, das auch wirklich das letzte sein sollte, eher unwahrscheinlich ist. Auch in Europa sind diesbezüglich noch einige Probleme zu erwarten, da die Gelder von der EU und nicht den G7-Staaten eingefroren wurden und die einzelnen EU-Staaten hier ein Wörtchen mitzureden haben.
Im Kleingedruckten sind daher noch gar keine Details zu diesem Kredit genannt. Man will die Details erst im Laufe des Jahres innerhalb der G7 ausarbeiten. Ob es so weit kommt, ist mehr als fraglich. Am Ende dürfte es höchstwahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass die eingefrorenen Gelder zu einem reinen Kommunikationstrick zurückgestutzt werden, der in den konkreten Verträgen zum Kredit – wenn überhaupt – nur noch am Rande auftaucht. All dies erfahren Sie aber im ZDF nicht.
Titelbild: Pixels Hunter/shutterstock.com
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