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Titel: „Zunächst dachte ich, in Wien steht die Regierung wirklich vor Gericht. Bis ich merkte, es war nur ein Theaterstück“

Datum: 12. Juni 2024 um 10:21 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Kultur und Kulturpolitik, Medienkritik
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Die Aufarbeitung der Coronazeit hierzulande verläuft schleppend. Die Mitwirkenden, Verantwortlichen in jedweder Form zeigen sich wenig bis nicht interessiert und machen weiter wie bisher, selbstgefällig und sich sicher fühlend – kein Wunder bei so viel Trägheit vonseiten der Aufklärer bzw. bei der gegenwärtig zu beobachtenden Ohnmacht gegenüber der politischen Klasse. Bei unseren Nachbarn ist derweil Interessantes zu vernehmen. In Österreich sorgte vor Kurzem eine Kunst-Aktion in Sachen Aufarbeitung für etwas Furore, die gar einen Kulturbeitrag im Deutschlandfunk (DLF) wert war und zunächst den Eindruck erweckte, es ginge tatsächlich justiziabel und ungeschminkt um Schuld, um Wiedergutmachung und darum, wie in Zukunft derartiges Handeln verhindert werden kann. Schnell stand fest: Es war letztlich „nur“ ein Theaterstück. Ein Zwischenruf von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Wiener „Prozess“

Beim „Wiener Prozess“ zum Thema Corona, einem aufwühlenden interaktiven Theaterstück (eines von drei Teilen), standen wegen der Pandemie sinnbildlich der demokratische Rechtsstaat und die Republik Österreich vor Gericht. Ich empfand diese Kunstaktion erstaunlich und geradezu vorbildlich für unsere deutsche Bundesrepublik, in der immer noch und fortwährend gemauert, relativiert, hinweggelächelt und/oder sogar ge- bzw. verleugnet wird, was diese schlimme Zeit, was die Verursacher, die Verantwortlichen mit uns allen machte(n) und bis heute machen. Trotz mehr und mehr veröffentlichter Offenbarungen von Fehlern, Fehlverhalten, von bewusst falschem Agieren ist hierzulande weit und breit keine echte „Wende“, kein Aufbruch in Sicht – außer die Zeitenwende im Militärischen und in der zunehmenden Einengung und Bedrängung Andersdenkender.

Verhandlung einer skandalösen Zeit, einer Katastrophe auf künstlerische Art

Der ÖRR, hier der Deutschlandfunk, berichtete in der Sendung Kultur von dem besonderen Kunststück aus Österreich – eines, welches ich mir ebenso in deutschen Theatern und im wirklichen Leben wünschte. Das Odeon-Theater in Wien wurde kunstvoll in ein Gerichtsgebäude verwandelt. Ein „Wiener Prozess“ wurde in Szene gesetzt und darin die Geschichte erzählt, die in der Realität ganz und gar keine fiktive, stattdessen eine tragische, dramatische, skandalöse ist. Die Corona-Pandemie mitsamt der Politik, der unsäglichen Covid-19-Maßnahmen, wie die Österreicher sagen, stand vor Gericht.

Zusammenfassend sei gesagt, dass im Theater die Beschuldigten von den „Geschworenen“ der „Freien Republik Österreich“ sowohl frei als auch schuldig gesprochen wurden. Die österreichische Bundesregierung wurde freigesprochen, im Zusammenhang mit den Covid-Maßnahmen aus der damaligen Sicht rechtswidrig gehandelt zu haben und darüber hinaus „zu stark“ in Grundrechte der Bürger eingegriffen zu haben. Schuldig erklärt wurde dagegen die Regierung, weil zu wenig zum Schutz von vulnerablen Gruppen unternommen wurde. Angemahnt wurde, künftig mehr für den Schutz zu unternehmen.

Das Urteil erntete im Stück seitens der Klägerseite heftige Kritik. Ich teile diese, weil ich meine, die Geschworenen gingen zu sanft und zahm mit den Angeklagten um, was auch bedeutet, dass es in Zukunft wieder derartige Wiederholungen übergriffigen, anmaßenden und machtmissbrauchenden Handelns geben wird, weil in der Gegenwart die Voraussetzungen gegen Wiederholungen nicht geschaffen werden – wer hat daran wohl ein Interesse? Beim ORF ist nachzulesen:

Ganz und gar keine Freude mit dem „Freispruch“ bei Grundrechtseinschränkungen hatte „Kläger“ Alfred Noll, der einen Appell an das „Jüngste Gericht“ ankündigte. Wenn sich Minister nicht an Gesetze hielten und trotz Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof der Meinung seien, dass das in Ordnung sei, befinde man sich in ganz erheblichem Abstand zu dem, was wir demokratischen Rechtsstaat nennen …
Wenn man nicht mehr der Gesetzlichkeit der Verwaltung vertrauen könne, sei das Konzept der Demokratie hinfällig. Den „Geschworenen“ warf Noll in diesem Zusammenhang vor, der ausführenden Gewalt einen Freibrief ausgestellt zu haben.
(Quelle: ORF)

Und bei uns? Keine Prozesse, sondern weiter so wie bisher

Man könnte ja annehmen, dass angesichts nun nicht mehr geschwärzter Zeitdokumente (RKI-Files u.a.), die einen sprachlos werden lassen, die Protagonisten Einsicht zeigten, dass sie zur Verantwortung gezogen würden usw. Nichts geschieht, stattdessen geht alles seinen Gang.

So posiert der amtierende Gesundheitsminister, welcher sich in Pandemiezeiten ähnlich verhalten hat wie seine Kollegen in Österreich, völlig ungeniert im TikTok-Stil in einer Szenerie von Beinprothesen und einer jungen Frau mit einer Prothese. Der Minister agiert munter weiter wie zu Pandemiezeiten. Er findet die „Pflege“ in Gefahr, ohne darauf hinzuweisen, dass die steigenden Zahlen Pflegebedürftiger vielleicht auch etwas mit den in Kauf genommenen Kollateralschäden der Coronazeit zu tun haben könnten. Dann will er eine Reform der Krankenhäuser durchpeitschen, die den Namen nicht verdient. Ungeniert und ganz ohne in Gefahr zu geraten (etwa seinen Posten zu verlieren) säuselt der Minister ins Mikrofon, dass heutige Krankenhäuser viele unnötige, ja unsinnige Operationen, zum Beispiel Hüftoperationen, bewusst durchführten, und dies aus einem einzigen Grund: Die Operationen bringen Umsatz, Geld in die Krankenhauskasse. Allein diese Aussage ist ein Schuldeingeständnis, die Anerkenntnis groben Fehlverhaltens. Er beschreibt kriminelle Handlungen, ohne darauf zu sagen: Das geht nicht.

Ich finde, er hat als Minister, als Regierungsmitglied sehr wohl die Handhabe, gegen diesen Wahnsinn einzuschreiten. Man erinnere sich, zu Coronazeiten waren Maßnahmen möglich, die vorher keiner für möglich gehalten hatte …

Ein bisschen Aufklärung und Aufregung darf dann doch sein. Der brave Bundesbürger bekommt prompt aus der Regenbogenpresse aufgetischt (natürlich ohne dass die Boulevardblätter wirklich protestieren und/oder gar den Rücktritt fordern), dass der Gesundheitsskandal durchgewinkter, gewusster, bewusster Alltag ist:

Eigentlich ist eine Operation der letzte Ausweg, um Schmerzen zu lindern oder Schlimmeres zu verhindern. Aber aufgepasst, wenn Ihnen Ihr Arzt zu einem Eingriff an Schulter, Rücken, Knie oder Hüfte rät! Denn eine Auswertung der Techniker-Krankenkasse für BILD hat jetzt ergeben: Die Mehrzahl dieser Operationen ist unnötig.
(Quelle: BILD)

Der Minister will das Krankenhauswesen, wie er es plötzlich nennt, reformieren. Mit einem Mal spricht er von „Wesen“, obwohl das gesamte Konstrukt ein „Markt“ ist, wo nur das Geld zählt.

Das Gras darf nicht über die unbequemen Dinge wachsen

Das Gras wächst, vor allem über unbequeme Dinge, wenn man das Gras nicht mäht, sprich: die Sachen auf sich beruhen lassen will. Doch aus vielen Gründen ist das Nicht-auf-sich-beruhen-Lassen der Corona-Pandemiezeit wichtig. Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft lernen, wir müssen eine klare, offene, kritische Überprüfung der getroffenen politischen Maßnahmen in dieser Zeit, im Kleinen, im Großen angehen. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und Konsequenzen ziehen weit über ein „Wir haben uns viel zu verzeihen“ hinaus.

Schauen wir zu unseren westlichen Wertepartnern in Großbritannien und in den USA in Sachen Corona. Dort wird in Untersuchungsausschüssen heftig, offen und schonungslos über Machtmissbrauch, Verfehlungen, über Theorien, über Forschung, über Interessen gesprochen. Mehr und mehr entpuppen sich Aussagen, die in Coronazeiten diffamiert wurden, als doch nicht so abwegig.

Ich wünschte mir in unseren Medien, in den ÖRR wie in den Privaten, Printmedien usw. mehr und engagiert Aufklärung, geduldiges Nachhaken, ein nicht Lockerlassen. Wie es geht, zeigt eine Zeitung aus unserer Hauptstadt: die Berliner Zeitung. In einem Artikel des Blattes über Anthony Fauci, den ehemaligen Berater des US-Präsidenten, erfahren die Leser einiges über Machtmissbrauch und Anmaßung. Beispiele:

Umso erstaunlicher erscheint nun, was der Corona-Untersuchungsausschuss in Washington am Montag offenbarte: Fauci habe angegeben, dass er die Corona-Social-Distancing-Regel von sechs Fuß (ca. zwei Meter Abstand halten) „erfunden“ habe …
Im Gespräch mit dem Anwalt sagte Fauci laut Daily Mail wörtlich, dass die Regelung zum „Social Distancing“ während der Pandemie „irgendwie einfach aufgetaucht“ sei und dass er sich nicht daran erinnern könne, wie sie zustande gekommen sei: „Weißt du, ich erinnere mich nicht. Es ist irgendwie einfach aufgetaucht“, sagte er laut Ausschussprotokollen, als er danach befragt wurde, wie zu Beginn der Pandemie die Regelung zustande kam.
Vier Jahre zuvor hatte Fauci – unter anderem zusammen mit dem deutschen Charité-Virologen Christian Drosten – daran mitgearbeitet, dass die Labortheorie zu Beginn der Pandemie sehr schnell öffentlich als Verschwörungstheorie ad acta gelegt wurde. Stattdessen wurde die Theorie verbreitet, das Coronavirus stamme von einem Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan.

Und zu lesen ist auch, was unter anderem zu fordern ist:

Die Welt darf nicht die Risiken der Forschung tragen, die das Potenzial hat, Pandemien zu verursachen.“
(Quelle: Berliner Zeitung)

Kein Pausieren mehr – doch die Realität sieht anders aus

Das Überprüfen und Folgehandeln gerade jetzt in der Zeit der Aufarbeitung entspräche tatsächlich uns, unserem Land, das ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat ist. Wir haben erleben müssen, dass dieser Rechtsstaat pausierte für eine Zeit, die sich nicht wiederholen darf. Das Pausieren darf nicht wieder passieren. Doch schlimmerweise „pausiert“ unser Land schon wieder, diesmal in Bezug auf den bürgerschaftlichen Widerstand gegen Kriegstreiberei, Aufrüstung und Eskalation einer demokratischen, freien Zivilgesellschaft, die keine militärische Gesellschaft werden darf – und keine, die in Zukunft womöglich wieder eine unsägliche Maßnahmenpolitik erleiden muss.

Titelbild: Screenshot ORF


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