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Titel: Kolumbien: Die „Regierung des Wandels“ gefangen im politischen Labyrinth

Datum: 9. Juni 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Medien und Medienanalyse, Soziale Bewegungen
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Wir haben fast die Hälfte der Legislaturperiode hinter uns, und es ist klar, dass die Bestrebungen der ersten progressiven Regierung Kolumbiens durch ein Establishment ausgebremst werden, das in verschiedenen Bereichen des Staates die Privilegien der alten Eliten, die dieses Land schon immer regiert haben, bewahren will. Ein Beitrag der Redaktion des Alternativmediums Colombia Informa zur aktuellen Situation in Kolumbien und ihrem Engagement. Von Editora Bogotá.

Für einen Großteil der Linken ist diese Belagerungssituation dennoch eine Möglichkeit gewesen, aber viele Menschen, die die Regierung gewählt haben und die während des Sozialen Aufbruchs von 2021 auf der Straße gekämpft und auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen gehofft haben, fühlen sich enttäuscht.

Unterdessen benutzt die Rechte in all ihren Ausprägungen die soziale Unsicherheit für sich und wetteifert um die Führung der Opposition.

Wie in anderen Teilen des Kontinents geschehen, ist es möglich, dass die Rechte im Jahr 2026 wieder an die Regierung kommt. Solange der Progressismus kaum Alternativen für reale Lösungen bietet, die die materiellen Bedingungen der Arbeiterklasse, ihre Einheit und Organisation wesentlich verbessern, wird die Rechte diese Räume nutzen, um wieder hochzukommen.

Dazu sagte der Denker Álvaro García Linera: „Die Linke muss, wenn sie sich konsolidieren will, auf die Forderungen reagieren, aus denen sie hervorgegangen ist. Und wenn sie die Ultrarechte wirklich besiegen will, muss sie die Armut in der Gesellschaft, die Ungleichheit, die Prekarität der Dienstleistungen, des Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungswesens strukturell lösen. Um dies materiell tun zu können, braucht es radikale Reformen im Bereich des Eigentums, der Besteuerung, der sozialen Gerechtigkeit, der Verteilung des Reichtums und der Rückgewinnung der gemeinsamen Ressourcen zum Wohl der Gesellschaft.”

Der Frieden kommt nicht voran

Der Frieden ist nicht verwirklicht worden. Nach wie vor werden soziale Führungspersönlichkeiten von verschiedenen paramilitärischen Gruppen ermordet. Die zwischen den Streitkräften und den bewaffneten Gruppen vereinbarten Waffenstillstände sind der Zivilbevölkerung nicht zugutegekommen, und der Paramilitarismus wird mit Hilfe des Staates weiter gestärkt, wie Pater Javier Giraldo kürzlich sagte: „Man ist keinen Millimeter darin weitergekommen, die Beziehung zwischen Sicherheitskräften und Clan del Golfo zu zerbrechen.”

Der Friedensprozess mit den ELN-Aufständischen hat erhebliche Fortschritte gemacht, wird aber durch die Eile der Regierung, die Ergebnisse als Demobilisierung und Entwaffnung der Aufständischen zu präsentieren, gebremst. Die ELN hat wiederholt erklärt, dass dies nicht der Schwerpunkt der Verhandlungen sein kann.

Diese Hindernisse und die abstrakten Reden und Diskussionen führen dazu, dass sich die großen Mehrheiten von dem Prozess distanzieren.

Die Partizipation und der verfassungsgebende Prozess

Präsident Gustavo Petro hat bei seinem Treffen mit der „Minga de Resistencia del Suroccidente colombiano” eine landesweite Debatte ausgelöst, als er die Notwendigkeit eines verfassungsgebenden Prozesses vorbrachte. Dies wird in den meisten Sektoren selbst innerhalb der Linken aus Angst abgelehnt, dass die Rechte ihn für sich ausnützen könnte.

Diese Alternative der „constituyente” wird angesichts der Blockade der sozialen Reformen im Kongress durch die traditionellen Parteien und die hegemonialen Medien präsentiert, die trotz mehrerer Vermittlungsversuche der Regierung auf ihrem Interesse der Verteidigung von Geschäften wie den EPS und den privaten Rentenfonds beharren. Mit anderen Worten, sie wollen die Aufrechterhaltung der Gesundheit als Ware.

Wir sind uns darin einig, dass die Volkssektoren, die historisch von den Regierungs- und Staatsorganen ausgeschlossen sind, in der Lage sein müssen, ihre Agenda und ihre historischen Forderungen wirklich durchzusetzen und strukturelle Veränderungen im Lande in einem neuen institutionellen Rahmen vorzunehmen.

Wir meinen, dass der verfassungsgebende Prozess transformativ sein muss und nicht durch die Spielregeln der liberalen Demokratie, die von klientelistischen und korrupten Praktiken durchsetzt ist, begrenzt oder eingegrenzt werden darf.

Der Prozess der Beteiligung der Gesellschaft, ein Ergebnis aus den Verhandlungen mit der ELN, steht kurz vor dem Abschluss seiner ersten Entwurfsphase. Er enthält auch den Geist des verfassungsgebenden Prozesses. Deshalb hoffen wir, dass sich diese beiden Prozesse verbinden und zur Stärkung einer transformativen sozialen Kraft beitragen werden, die die Veränderungen in der Zukunft verteidigen kann.

In Lateinamerika gab es bereits Erfahrungen mit verfassungsgebenden Prozessen, die auf Krisen und Volksaufstände reagierten, wie der Caracazo 1989 in Venezuela, der Wasserkrieg in Bolivien und der „Aufstand der Gesetzlosen” 2005 in Ecuador.

In diesen Ländern schufen die Volkssektoren und Regierungen neue Verfassungen, die die Umsetzung sozialer Veränderungen garantierten. Mit unterschiedlichen Nuancen je nach dem Kräfteverhältnis in den einzelnen Ländern lehnten diese neuen Verfassungen den Neoliberalismus ab und schränkten die Macht der alten Oligarchien ein, um einen Wechsel des politischen Systems herbeizuführen.

Es gibt auch schlechte Beispiele, wie das, aus dem unsere derzeitige Verfassung hervorging, wo das Volk nicht das verfassungsgebende Subjekt war, sondern die Vertreter der mehrheitlich traditionellen politischen Parteien. Sie beschränkten sich darauf, nur über einige wenige Themen zu diskutieren, die lediglich dazu dienten, das Land dem Neoliberalismus zu öffnen.

Der jüngste Fall war Chile, wo infolge der sozialen Revolte im Jahr 2019 eine große Begeisterung für die Reform der aus der Zeit der Diktatur unter Augusto Pinochet stammenden Verfassung aufkam.

Obwohl eine große Mehrheit der mobilisierten popularen Sektoren daran teilnahm und wichtige Änderungen wie Plurinationalität, Indigenismus und Ökologie vorschlug, wurde der Prozess von den großen Medien herabgesetzt und stigmatisiert.

Die Angst vor Veränderungen führte dazu, dass die neue Verfassung schließlich bei der ersten Volksabstimmung im Jahr 2022 mit 62 Prozent abgelehnt wurde.

Angesichts dieser Situation entwarfen die damals siegreichen rechten Kräfte einen noch konservativeren Text, der wiederum im Dezember 2023 mit 55 Prozent der Stimmen abgelehnt wurde. So ist die alte Verfassung bis heute in Kraft und die Regierung hat die Reform aufgegeben.

Aufgrund unserer mehrjährigen Arbeit gemeinsam mit der sozialen Bewegung sind wir der Auffassung, dass das Ziel eines verfassungsgebenden Prozesses nicht nur der Text einer neuen Verfassung ist, sondern Ziel ist auch die Ermächtigung der Gemeinschaften über ihre Gebiete, die Ausübung der Solidarität, die direkte Demokratie und die Fähigkeit, sich eigenständig zu organisieren, um seine Rechte einzufordern.

Unser Engagement als alternatives Medium

Als alternatives und populares Medium werden wir die Kämpfe und Errungenschaften des seit Jahren mobilisierten Kolumbiens, das diese fortschrittliche Regierung erst möglich gemacht hat, hervorheben und darüber informieren.

Wir werden auch weiterhin die Wahlversprechen begleiten und überwachen. Wir werden keine Mühen scheuen, um die Kritiken vorzubringen, die sich aus der Legitimität der Gemeinschaften ergibt.

Wir werden alle politischen Aktionen, die von der sozialen Bewegung ausgehen, wie die ständige Anprangerung des Paramilitarismus und die Ermordung von sozialen Führungspersönlichkeiten, aufgreifen.

Ebenso werden wir mit unserer Arbeit weitermachen, die Verbrechen des Staates und die gegen das Volk gerichtete Politik jeder Regierung anzuprangern, und die Erinnerung an die sozialen Kämpfe zu bewahren, um zu einem ideologischen Wandel in der kolumbianischen Gesellschaft beizutragen.

Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21

Titelbild: Shutterstock / Michal Balada


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