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Titel: Vogel-Strauß-Taktik der Bundesregierung: Von Deutschland gelieferte Kriegswaffen im Einsatz gegen zivile Ziele in Gaza

Datum: 7. Juni 2024 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Bundesregierung, Erosion der Demokratie, Militäreinsätze/Kriege
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Die deutsche Außenministerin hat jüngst erklärt, Deutschland hätte gar keine Waffen an Israel geliefert, „die in Gaza zum Einsatz kommen, um Kinder zu töten“. Doch diese Darstellung ist höchst fraglich. Denn allein letztes Jahr hat die Bundesregierung 3.000 Stück Panzerabwehrwaffen nach Israel geliefert, ein Großteil davon vom Typ „Matador“. Es gibt unzähliges verifiziertes Bildmaterial, welches den Einsatz dieser auch für den Einsatz im Häuserkampf entwickelten Mehrzweckwaffe beim Einsatz gegen zivile Ziele in Gaza zeigt. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, auf welcher Informationsgrundlage die Außenministerin so vehement ausschließen kann, dass mit dem Matador (zu deutsch „Schlächter“) keine Kinder und andere Zivilisten getötet wurden. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Wenn wir gar keine Waffen geliefert haben, die in Gaza zum Einsatz kommen, um Kinder zu töten, dann kann man diese Waffenlieferungen auch gar nicht stoppen.“

So die Aussage von Außenministerin Annalena Baerbock gegenüber Kritikern auf dem sogenannten „Demokratiefest“ am 26. Juni in Berlin. Doch diese Aussage hält einem Faktencheck kaum stand.

Kanzler Olaf Scholz hatte in seiner Regierungserklärung am 12. Oktober 2023 erklärt, er habe Premierminister Netanjahu gebeten, ihn über „jeglichen Unterstützungsbedarf zu informieren“. Diese Unterstützungsbitten würde die Bundesregierung, so Scholz damals weiter, „unverzüglich prüfen und auch gewähren”. Danach schnellten die Waffenlieferungen an Israel in die Höhe und stiegen auf einen Gesamtwert in Höhe von 326 Millionen Euro – rund zehnmal so viel wie im Jahr 2022. Die Zahlen gab die Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen (BSW) bekannt.

Die Bundesregierung lieferte in Folge unter anderem Gewehrmunition, Schulterwaffen (wie die schon erwähnte schultergestützte Matador), Radfahrzeuge, Elektronik und Kriegsschiffe. Das genehmigte Arsenal geht, wie ARD-Panorama in einem Beitrag mit dem Titel „Todeszone Gaza: Waffen aus Deutschland“ schreibt, „quer durch das Spektrum des modernen Kriegshandwerks“. Deutschland ist der weltweit zweitwichtigste Waffenlieferant für Israel, mehr Waffen liefern nur noch die USA an den Staat, dem alle relevanten westlichen Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International oder Human Rights Watch schwere Kriegsverbrechen und die Etablierung von Apartheidstrukturen vorwerfen.

Die fragwürdige Unterscheidung zwischen „Kriegswaffen“ und „sonstigen Rüstungsgütern“

Die Bundesregierung unterscheidet bei ihren Exporten nach Israel explizit zwischen sogenannten „Kriegswaffen“ und „sonstigen Rüstungsgütern“. Diese Art der Unterscheidung wird aber von zahlreichen Kritikern als künstlich bewertet. Denn die Steuerungselektronik für Kampfdrohnen oder der Dieselmotor für einen Kampfpanzer, die als „sonstige Rüstungsgüter“ geführt werden, dienen natürlich ebenso der israelischen Kriegsführung in Gaza wie die explizit als Kriegswaffe geltenden Panzerfäuste aus deutscher Produktion. Eine Art der Kriegsführung, welcher laut UN-Angaben bis Stand 5. Juni 2024 über 36.000 Palästinenser, davon in ihrer Mehrzahl Frauen und Kinder, zum Opfer gefallen sind.

Werden mit von Deutschland gelieferten Waffen Kriegsverbrechen in Gaza begangen?

Die meisten Völkerrechtler und Militärexperten bejahen diese Frage. So erklärte beispielsweise Andreas Krieg, Experte für Militär und Internationale Beziehungen am renommierten King’s College in London, auf die entsprechende Frage gegenüber der ARD-Sendung Panorama vom 15. April 2024:

„Alle, die an Israel liefern, alle, die die israelische Armee unterstützen, vor allem materiell und finanziell, haben eine Mitverantwortung. Da kann man Deutschland nicht ausnehmen.“

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2024

Frage Warweg
Frau Baerbock hat ebenfalls am 26. Mai erklärt, dass Deutschland keinerlei Waffen an die israelische Armee liefere, mit denen Kinder in Gaza getötet würden. Deutschland hat allein 2023 um die 3000 Stück Panzerabwehrwaffen geliefert. Ein Großteil davon ist vom Typ Matador. Die Hamas besitzt bekannterweise keine Panzer. Es gibt wirklich unzähliges verifiziertes Videomaterial, das zeigt, wie israelische Soldaten mit dem Matador auf zivile Infrastruktur zielen und diese zerstören.

Vor dem Hintergrund der Aussage von Frau Baerbock wüsste ich gern: Auf welcher Informationsgrundlage kann Frau Baerbock ausschließen, dass bei dem verifizierten Einsatz von Matador gegen zivile Infrastruktur im Gazastreifen Kinder getötet wurden?

Fischer (Auswärtiges Amt )
Ich denke, die Äußerungen der Außenministerin stehen erst einmal für sich. Im Übrigen haben wir die Lieferungen gegenüber dem Internationalen Gerichtshof offengelegt. Darüber kann sich jeder informieren.

Zusatzfrage Warweg
Die Außenministerin sagt sehr grundsätzlich: Wir liefern keine Waffen, mit denen Kinder getötet werden können. – Jetzt gibt es, wie ich dargelegt habe, den massiv belegten Einsatz der Matador-Waffe. Der Name spricht schon für sich. Ihre Antwort hat sich mir, ehrlich gesagt, nicht erschlossen. Können Sie mir bitte sagen, auf welcher Informationsgrundlage die Außenministerin so absolut ausschließen kann, dass dabei auch Kinder getötet werden?

Fischer (AA)
Ich müsste die Zitate sehen. Aber ich denke, es geht um das, was wir jetzt liefern. Momentan gibt es in diesem Zusammenhang keine Lieferungen, die Sie erwähnt haben.

(Zuruf Warweg): Die Zitate kann ich gerne liefern

Fischer (AA)
Das haben wir hier öfter besprochen. Es geht auch aus den IGH-Beschlüssen hervor. Es gab eine Steigerung der deutschen Lieferungen direkt nach dem 7. Oktober. Sie sind dann zurückgegangen. Seit Beginn dieses Jahres hat es praktisch keine Waffenlieferungen mehr gegeben.

Ich versuche gerade, mich daran zu erinnern, was sie gesagt hat. Sie hat in etwa gesagt, sie könne nichts stoppen, was wir nicht lieferten.

Falls Sie Themen- oder Fragevorschläge für die Bundespressekonferenz haben, schreiben Sie uns gerne an: [email protected].

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 05.06.2024


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