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Titel: Leserbriefe zu „Auch unter den Reichen gibt es Nazis? Ei der Daus!“
Datum: 1. Juni 2024 um 15:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich: Redaktion
Hier kommentiert Jens Berger ein Video in der vermeintlichen Promi-Bar „Pony“, das junge wohlhabende Menschen zeige, die in luxuriösem Ambiente zu Kirmes-Techno-Musik ausländerfeindliche Slogans grölen, den Hitlergruß imitieren und sich dabei prächtig amüsieren. Die Vorstellung, Deutschlands Geldeliten hätten „ein irgendwie progressives Weltbild“, sei nicht durch Fakten gedeckt. Wer vermögend sei, sei kein besserer, kein schlauerer und erst recht kein moralischerer Mensch. Oft sei eher das Gegenteil der Fall: „Man könnte hier von Wohlstandsverwahrlosung sprechen“. Wir danken für die interessanten Zuschriften. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe, die Christian Reimann für Sie zusammengestellt hat.
1. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger und NDS Redaktion,
ich bin voll bei Ihnen und der Einordnung dieses Vorfalls, ich möchte nur noch anmerken, ich finde es lustig wie das Lokal „Pony” nicht im Fokus ist bei der Berichterstattung.
Die Betreiber der Bar nahmen auf Instagram zu dem Video Stellung: »Liebe Freunde, auch wir haben gerade den Post gesehen und sind tief schockiert«. Im „Pony” sei „jeder Gast, unabhängig von der Ethnie”, herzlich willkommen. „Hätten wir von diesem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!”
Eine Stunde später ergänzte das Lokal die Story um eine weitere Kachel. Dort heißt es: „Vielen Dank an euch! Uns wurden die Namen von diesen Nazis zugespielt. Wir werden dieses widerliche Verhalten anzeigen und alle strafrechtlichen Möglichkeiten nutzen!!!”
Quelle: spiegel.de
Halten wir also fest, da haben Leute 150€ pro Person bezahlt, um sich selbst zu bewirten und Musik zu spielen ? Anders ist es nämlich nicht möglich, dass der Betreiber des Lokals nichts mitbekommen hat, womit wir auch wieder das typische Wegsehen haben. Man will es halt nicht genau wissen, somit ist dann auch der nächste „überraschende” Vorfall sicher und der ganze angebliche Kampf gegen “Rechts” den man ja angeblich führt entpuppt sich einmal mehr als Luftnummer bzw. reine Diskurskontrolle.
mfg
Ronny Dietzsch
Anmerkung Jens Berger: Das ist mir auch aufgefallen, lieber Herr Dietzsch. In den Bewertungen des „Pony“ auf Google und TripAdvisor klingt das übrigens nicht danach, dass die Betreiber jemals Probleme mit rechtem Gedankengut hatten …
Beste Grüße
Jens Berger
2. Leserbrief
Das ist genau die Interessengruppe, welche die AfD wirklich vertritt. Und die Masse merkt wieder mal nichts… Trotzdem, macht weiter so.
Beste Grüße
Ulrich Fräbel
3. Leserbrief
Hallo Herr Berger, Hallo NDS,
Da das heute so üblich ist, als allererstes natürlich: Ich persönlich distanziere mich von solchem im Video gezeigten Äußerungen. Egal ob so gemeint oder nicht, sollte man so etwas ohne konkret den Kontext klar zu machen, nicht mal zitieren!
Nun zu meiner Vermutung:
Ich denke nicht, dass es sich bei den Menschen in dem Video um Nazis handelt. Ich denke nicht mal, dass diese Menschen dort ihre tatsächliche Meinung kundtun, sondern nur ein ebenso viral gegangenes Video vom Ende letzten Jahres (in welchem augenscheinlich betrunkene, vom Laien optisch vermutlich als rechts einzuordnende Menschen, zu eben diesem Lied ebendiese Zeilen gröhlen, siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=ny4SeDcbaAQ) besoffen nachäffen, weil sie das anscheinend lustig finden. Das auf dem Video von Sylt geschehene, ist am ehesten als Zitat bzw. Satire zu sehen. Als richtig dämlicher, unpassender Humor.
Dass der ganze Vorfall unabhängig davon, wie es gemeint war, natürlich mehr als unschön, unangemessen und unangebracht ist und selbstverständlich nicht ohne Folgen bleiben sollte, steht außer Frage. Man sollte jedoch tunlichst vermeiden, jeden Menschen der besoffen oder nüchtern einen unangebrachten Witz macht, oder eben virale Videos nachäfft, direkt als Rassisten oder Nazi zu bezeichnen. Wenn Comedians mit Migrationsgeschichte, Böhmermann oder Harald Schmidt solche Witze machen, ist der Kontext klar. Und auch da kichern und lachen die Leute im Publikum. Alles Nazis und Rassisten? Im vorliegenden Fall muss man eben erst mal um zwei Ecken denken.
Nicht jeder Mensch, der so was irgendwo anders als auf einer Bühne im humoristischen Kontext äußert, ist automatisch Nazi oder Rassist. Manche Menschen zeigen einfach an unpassenden Orten zu unpassenden Zeitpunkten absolut unpassenden Humor.
Freundliche Grüße
Danny Altmann
4. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
Liebes Nachdenkseiten-Team,
Als ich Ihren Beitrag las, musste ich (Jahrgang ’84) über meine eigenen Jugendsünden nachdenken: Dinge, die ich gesagt habe oder Musiktexte die ich gehört und zitiert habe, die man (heutzutage) locker als gewaltverherrlichend, frauenfeindlich, usw. einstufen und mir vorwerfen könnte, wenn man wollte.
Viele Dummheiten entstehen aus einem Gruppengefühl heraus, einer Stimmung der Gruppenzugehörigkeit. Partygefühl und Alkohol tragen einen nicht unerheblichen Teil dazu bei.
Ob die hier dargestellten jungen Leute in die Kategorie Nazis oder rechtsradikal fallen, daran möchte ich stark zweifeln.
Die meisten Angehörigen dieses Partyklientels werden – so meine blinde Vermutung – ein Studium oder sonstigen Bildungshintergrund haben, in dem sie ausreichend mit Nichtdeutschen zu tun haben, ein Auslandssemester absolviert oder überhaupt in einem internationalen Studiengang in einem multikulturellen Umfeld sozialisiert werden. Gut vorstellbar, dass das hier aufgezeigte Partyvolk auch Freundschaften mit in Deutschland lebenden Ausländern aufgebaut und gute Beziehungen ins Ausland pflegt.
Inwieweit es sich hier um ‘echte’ Ausländerfeinde handelt, das erschließt sich mir nicht. – Und diese Verallgemeinerung würde ich Ihnen in Ihrem Beitrag auch nicht vorwerfen.
Was Ihr Beitrag vor allem zeigt, ist dass ausländerfeindliche Äußerungen (sei es aus tiefgreifendem Hass oder aus dem Affekt, evtl. unter Einfluss von Rauschmitteln) kein isoliertes Problem einer sog. Unterschicht sind, sondern auch in arroganten Elitenkreisen vorkommen.
Moral und Bildung (so wie wir sie klassisch definieren) haben recht wenig miteinander zu tun, wie ich das in den letzten Jahren meiner universitären Laufbahn erleben durfte. Das Gruppendenken, der Blick auf die eigene 6Karriere und die Angst vorm sozialen Tod sind dort, wo dem freie Denken, dem Meinungsaustausch und der Streitkultur viel Platz eingeräumt werden sollte, leider besonders ausgeprägt. Es gibt schließlich viel zu verlieren: Geld, Ansehen und sozialer Status. Jeder schaut eher darauf, wie er wirkt und das beeinflusst eben was wir denken, wie wir Argumentieren und uns die Realität auslegen. Vorauseilender Gehorsamkeit wird belohnt. In der heutigen Zeit wo alles moralisiert wird, meidet man sogar Diskussionen oder Standpunkte wo nur der Verdacht entstehen könnte falsch interpretiert zu werden. Wer quer denkt, aneckt und Unangenehmes ausspricht, muss bereit sein den Gegenwind auszuhalten und für seine Überzeugung soziale Unannehmlichkeiten und Nachteile auf sich zu nehmen – eine Eigenschaft bzw. Stärke die im obig erwähnten klassischen Bildungsbegriff nicht (mehr) eingeschlossen ist.
Und so kann es eben sein, dass der verwöhnte und angepasste Elitennachwuchs, wenn er unter sich ist und sich unbeobachtet fühlt, ausländerfeindliche Parolen singt. So kann es auch sein, dass Parteikader sich zur moralischen Instanz aufspielen und diejenigen diffamieren, die die vorgegebene Weltanschauung hinterfragen. So entstehen Elfenbeintürme, wo selbst die Körperpositivsten Vorschriften machen welche Behandlung man sich zu unterwerfen hat, wo die friedensliebendsten Waffen- und Soldatenlieferungsbefürworter nicht bereit sind ihren eigenen Kampfgeist für den Sieg ins Schlachtfeld zu werfen, oder wo eben die vorgeblich Ausländerfreundlichsten ihren Nachwuchs nicht auf Schulen mit hohem Migrationsanteil schicken.
Ich bin mir selbst nicht ganz schlüssig, wie ich dieses im Beitrag thematisierte Verhalten und die “Ausländer raus” Parole bewerten würde. Im Zweifel erst mal als geschmacklose Meinungsäußerung. Wie das letztendlich Einzuordnen ist und wie ernst man diese Vorfälle nehmen sollte, da kann ich noch nicht zu einem Schluss kommen. Was mich jedoch meist interessiert: Warum jemand so denkt und handelt, wie er eben denkt und handelt. Welche individuelle Motivation steckt hinter den Teilnehmern des Skandalvideos um sich solch einer Liedtextaussage anzuschließen und in dieser Stimmung mitreißen zu lassen? Was haben die sich dabei gedacht?
Vielen Dank für die Beiträge der Nachdenkseiten!
Herzlichst Ihr Leser
Lorenz Faust
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Berger,
keine Angst: Der Hitlergruß steht in Deutschland unter Strafe. Da wird jetzt sicher intensiv ermittelt und abschreckende Geldstrafen, für die Papis Taschengeld herhalten muss, werden folgen.
Ob diese Kinder reicher Eltern wirklich Faschisten sind, ist nicht ausgemacht. Im Zweifel haben sie einfach keine Ahnung. Was diese jungen Erwachsenen aber wittern, ist, dass Faschismus in Deutschland und Europa – es war nur eine Frage der Zeit – wieder fashionable ist: Party und Faschismus, das ist kein Gegensatz (Party oder Rave als sog. Jugendkultur ist ungefähr so geistvoll oder politisch wie das DDR-Fernsehballet).
Formell ist deshalb alles in Ordnung: Der Gesetzgeber bestraft formelle Bekenntnisse zum Nationalsozialismus, die politische Klasse bekämpft die AfD als Nazis mit dem starken Bekenntnis zur Demokratie – was die Politik in diesem Rahmen leisten soll und muss, steht nicht zur Debatte. Wahlrecht ist doch echt schon der Mega-Wahnsinn!
Materiell sieht es anders aus: Die sog. Zeitenwende ist eine Rolle rückwärts zu dem, was Horst Köhler seinerzeit euphemistisch die Verteidigung deutscher Handelsrouten nannte. Damit war nicht die Verteidigung gegen Piraten, sondern der neokoloniale Anspruch auf Rohstoffsicherung gemeint – Deutschland verbraucht pro Kopf mindestens doppelt so viele Ressourcen wie der Weltdurchschnitt. Köhlers Kopf musste rollen, damit seine Nachfolger besser getarnt sind: Der fromme Herr Gauck als Dr. Seltsam der deutschen Außenpolitik (nicht mehr am Spielfeldrand stehen: Mitschießen – Zu Befehl!)
Frage: Welche Kriegsziele verfolgten eigentlich die Reichskanzler Bethman Hollweg (1. Weltkrieg) und Adolf Hitler (2. Weltkrieg) bezüglich “deutscher Handelsrouten”? Lesen Sie Fritz Fischer.
Und noch einen Historiker sollte man lesen um zu verstehen, in welcher Kontinuität der neu-deutsche Furor gegen Russland steht (über den Faschismus der israelischen Regierung muss man nicht sprechen – wer ihn unterstützt, reiht sich ein).
Arno J. Mayer: – Der Krieg als Kreuzzug – vertritt die These, dass die Idee der “Endlösung der Judenfrage” in Nazideutschland zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen wurde, als sich abzeichnete, dass der Feldzug gegen den “jüdischen Bolschewismus” (Sowjetunion und Russen als Protagonisten des “Weltjudentums”) abermals (wie der 4-monatige Krieg von Bethman Hollweg) nicht der vorhergesagte Spaziergang werden würde.
In einer imposanten Analogie zu den Zeiten der Kreuzzüge des Mittelalters – wem die Reise ins gelobte Land zu beschwerlich war, konnte sich das Himmelreich auch durch Judenmassakrieren in Deutschland verdienen – Speyer und Mainz waren Etappen auf diesem Weg – verknüpft Mayer (ein aus Luxemburg vor den Deutschen in die USA geflüchteter Jude) Vernichtung der Juden und Vernichtungskrieg gegen Russland und die Sowjetunion zu einem unauflöslichen Ganzen.
Auf dieser Verknüpfung beruhte nebenbei auch der (durch Deutschland finanziell unterstützte) faschistische ukrainische Nationalismus vor und im 2. Weltkrieg mit späteren Verbindungen in das Nachkriegsdeutschland und die USA. Die unappetlichen Reste und Nachfahren des ukrainischen Faschismus haben sich Deutschland und der Westen ohne allzu viele Berührungsängste spätestens seit dem Maidan ins Boot geholt.
Mag sein, dass das Ziel “deutscher Handelsrouten” in die Ukraine, den Kaukasus und den nahen Osten nicht nach dem Geschmack anderer Nationen in Europa war – Deutschlands Dominanz widersprach der mit dem westfälischen Frieden etablierten Machtbilanz auf dem Kontinent. Hitlers Antisemitismus und sein Feldzug gegen den jüdischen Bolschwismus in der Sowjetunion hatte hingegen europaweit Anhänger – die Allianz mit der Sowjetunion zerbrach, sobald Deutschland besiegt war.
Das westliche Dekret, Russland habe keine achtenswerten Sicherheitsinteressen, weshalb man seine schriftlichen Vorschläge so wenig zur Kenntnis genommen hat, als habe sich der Dienstbote erdreistet, mit den Herrschaften am Tisch sitzen zu wollen, ist lupenreiner Kolonialrassismus, der in Neu-Deutschland wieder hoffähig ist. Hierzu passt, dass die deutsche Außenministerin dem russischen Außenminister den zivilisierten Handschlag verweigerte – Baerbock als Repräsentantin des zivilisierten Westens: Armer Westen.
Die formale Entrüstung über den Hitlergruß kaschiert das Tabu, die Politik des Westens in der Ukraine und Palästina mit dem richtigen Namen zu bezeichnen (es zu tun, bedeutete den politischen Tod). Faschismus ohne Hitlergruß – völlig undenkbar.
Herzliche Grüße,
Anonymus.
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