Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Nils Minkmar – Stellt endlich die Systemfrage!
- Gabriel versucht die Kanzlerin zu toppen – ein ökonomisch hoffnungsloser Fall
- Eurokrise
- Amazon – Malign neglect
- Lohndumping, Hightech und Krise
- „Die Verarmung wird überhaupt nicht wahrgenommen“
- Revolte gegen Scheckbuchmacht der US-Firmen
- Riestern über die Rentenversicherung
- Wildwest bei Siemens
- Rechte Gewalt im Osten: Germania Dating
- Turiner Mob zündet Zigeunersiedlung an
- Deutsche Zustände
- Die USA weisen nicht allein den Weg
- Georg Schramm redet Klartext
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Nils Minkmar – Stellt endlich die Systemfrage!
Brüssel, Durban, Klima, Geld: Probleme werden auf Krisengipfeln breitgetreten, aber nicht gelöst. Wer den Ärger angerichtet hat, muss sich dort nicht stellen. Wie lange noch? […]
Plötzlich weiß man ja auch wieder, dass die Staatsschuldenkrise nicht auf unfähige Beamte, nicht auf die mangelnde Effektivität des Staates zurückgeht, sondern ganz im Gegenteil auf die Reibungslosigkeit, mit der die Parlamente aller Länder für Schulden votiert haben, die direkt der Finanzindustrie zugutekamen, als sich die Superhirne dort verzockt hatten.
Bis heute wurden die Verursacher der Krise weder rechtlich noch finanziell zur Verantwortung gezogen. Stattdessen müssen europäische Rentner, Studenten und Arbeitslose öffentliche Sparprogramme ertragen, die ihnen Regierungen aus sogenannten Fachleuten geschrieben haben.
Das ist der wichtigste Sieg der Finanzindustrie: dass sie selbst nie auf Gipfeln erscheinen muss, dort aber Regie zu führen versucht, und dass ihre Kriterien bei der Bewertung der dort erzielten Ergebnisse als die vernünftigen gelten. Warum findet sich kein europäischer Minister, der mal aus den hymnischen Berichten vorliest, die angesehene Wirtschaftsweise, sogenannte Experten und Ratingagenten über den isländischen Wahnsinn, die irischen Luftbuchungskünstler und die amerikanische Immobilienbranche komponiert haben, gegen schöne Entlohnung, natürlich?
Quelle: FAZ
- Gabriel versucht die Kanzlerin zu toppen – ein ökonomisch hoffnungsloser Fall
Beim ökonomischen Tenor, den Gabriel heute im Feuilleton der FAZ ausbreitet, fragt man sich, warum er nicht gleich einen gemeinsamen Gastbeitrag mit der Kanzlerin verfasst hat. Vielleicht, weil ihm die Kanzlerin und ihre Koalition beim Sparen noch nicht weit genug gehen. Wahrscheinlich sogar, denn diese Position hat der SPD-Chef schon häufig eingenommen.
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Eurokrise
- Lessons of the 1930s – There could be trouble ahead
In 2008 the world dodged a second Depression by avoiding the mistakes that led to the first. But there are further lessons to be learned for both Europe and America
Quelle: The Economist
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Passende Bilder zum Vergleich der Jahrzehnte, und ein ganz schön fortschrittliches Denken für ein wirtschaftsliberales Blatt.
- Euromess: The View From Germany
[…] For the journalists I spoke to—from outlets across the political spectrum—inflation hawkishness and hostility to eurobonds (centrally issued debt that Europe as a whole, including Germany and France, would have to pay back) were as accepted as, say, kissing babies is in American politics. These feelings went far beyond the left-right divide—people who were otherwise progressive seemed totally opposed to the idea that German taxpayers might have to pay to cover Spanish or Italian or Portuguese deficits. […]
Perhaps this isn’t surprising. But what was shocking to me was the total absence of any recognition that there might be an alternate view. When I mentioned the idea that the euro’s problems might not be entirely due to government irresponsibility on the periphery, but rather a balance-of-payments issue […], people looked at me like I was from space. The fact that German and French banks are holding the bag for Spain and Italy’s debt never came up, and no one seemed to have any doubts that the European Stability Mechanism, the fund the eurozone countries are setting up for emergencies, would be sufficiently large to deal with the situation.
Quelle: Mother Jones
- Eurokrise: Was Rettung verspräche
Das bisher verabreichte Rezept dürfte mittlerweile jedem geläufig sein. Die staatlichen Ausgaben kürzen, Löhne und Sozialleistungen senken und öffentliches Eigentum verkaufen, um die Staatseinnahmen zu erhöhen. Das Ziel: Die Haushaltsdefizite und die Staatsschulden senken, denn sie sind nun einmal die Krankheit, die die behandelnden Ärzte diagnostiziert haben.
Dass dieses Rezept bisher keine Heilung brachte, sondern alles nur verschlimmerte, beruht auch auf folgendem, eigentlich einfachem Sachverhalt: Deutschland wehrt sich mit Händen und Füßen gegen gemeinsame Staatsanleihen – Eurobonds –, weil es meint, dass hierüber seine Zinslast steigen und damit auch der weitere Schuldenabbau gefährdet würde. Das aber ist gar nicht das entscheidende Kriterium…
Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
- Euro-Kremlinology
Understanding developments in the European crisis has become rather like Kremlinology, trying to figure out the meaning of subtle changes in wording, and rearrangements of the Politburo on the podium for May Day parades. In particular, Mario Draghi of the ECB goes back and forth, sometimes suggesting that the ECB will do what nearly everyone else can see is minimally necessary to the survival of the euro (namely, print lots of them, and use some to buy EU government debt, as was done by the Fed and the Bank of England). At other times, though, it’s as if Jean-Claude Trichet is doing a ventriloquist act.
Quelle: Social Europe Journal
- „Kaltes neues Europa“
Kontrolle, Bestrafung, Disziplin – Berlin setzt seine Vorstellungen eines „deutschen Europa“ beim jüngsten Krisengipfel weitgehend durch. Massiver Wirtschaftseinbruch und fortgesetzte Destabilisierung der Eurozone in 2012 wahrscheinlich.
Quelle: Hintergrund
- Amazon – Malign neglect
Gegen Amazon brach bereits ein kleiner Aufstand los: so stellten mehrere Blogs, etwa die NachDenkSeiten, der Spiegelfechter, der Binsenbrenner oder Klaus Baum die Zusammenarbeit mit Amazon ein und riefen zum Boykott auf: […]
Das ist löblich, kostet es die beteiligten Blogs doch ihren Anteil an der Werbekostenerstattung. Nur enthält gerade die NDS-Begründung einen fundamentalen Fehler. Amazon und die DHL-Subunternehmer (und zahllose weitere Unternehmen) nutzen keine Gesetzeslücken aus. Dass sie gerade in den Fokus geraten sind ist letztlich zufällige Willkür.
Denn tatsächlich sind die bei beiden Unternehmen ans Licht gekommenen Praktiken in allen Branchen Gang und Gäbe. Seit den Agenda-Reformen wurden solcherlei Arbeitsverträge und Auslagerungen an Subunternehmen in praktisch jeder Branche vorgenommen. Dass Amazon und DHL jetzt gewissermaßen als Stellvertreter an den Pranger gestellt werden ist allerdings gefährlich. Nicht, dass die es nicht verdient hätten. Nur entstehen zwei fatale Fehleindrücke: zum Einen scheint es so, als ob es sich nur um vereinzelte schwarze Schafe handle, die man fröhlich boykottieren müsse, damit diese zu moralisch einwandfreien Praktiken zurückkehren, und zum Anderen scheint es, als würden sie ganz hinterlistig Gesetzeslücken zu ihrem Vorteil totinterpretieren.
Quelle: Oeffinger Freidenker
Anmerkung JB: Stefan Sasse hat Recht. Aber wie soll man diese unhaltbare Situation ändern? Jede Aktivistengruppe weiß, dass man flächendeckendes falsches Verhalten am besten bekämpfen kann, wenn man ein exponiertes Beispiel publik macht und sich klar positioniert. Warum soll Amazon für „uns“ nicht das sein, was BP für Greenpeace ist? Jede Veränderung beginnt im Kleinen, auch wenn die im Artikel genannten politischen Blogs als David natürlich gar keine Chance gegen den Goliath haben können – egal, ob er Amzaon oder Agenda-Reformen heißen mag.
- Lohndumping, Hightech und Krise
Das angebliche deutsche “Erfolgsmodell” verdankt sich sinkenden Lohnstückkosten, aber die allgemein steigende Arbeitsproduktivität führt nicht nur in der Euro-Zone zur Krise des Kapitalismus
Nach allgemeiner Auffassung liegt einer der Gründe dafür, dass “Deutschland die Krise besser überstanden hat als andere”, wieder “wettbewerbsfähig” wurde und “heute wirtschaftlich so glänzend dasteht”, in der Agenda 2010 der rotgrünen Koalition unter Kanzler Schröder und dem dazu notwendigen “Umbau des Sozialstaats”.
Was damit gemeint sein könnte, mögen die folgenden Daten verdeutlichen. Sie wurden im November 2011 zweimal in SPIEGEL-Online veröffentlicht, am 09.11. unter dem Titel “Sinkende Reallöhne: Deutsche können sich immer weniger leisten”, am 23.11. dann noch einmal unter dem Titel “Steigende Reallöhne: Arbeitnehmern bleibt mehr Geld in der Tasche”. Während es am 09.11. um die Entwicklung der letzten 10 Jahre ging, handelte es sich am 23.11. um die Zukunftsmusik irgendwelcher “Wirtschaftsweisen”, denen zufolge die Stundenlöhne 2012 um 2,7% steigen, während die Inflation im kommenden Jahr bei 1,9% liegen soll. Aber wer mag daran schon glauben?
Quelle: Telepolis
Anmerkung unseres Lesers P.F.: Ein gut lesbarer Artikel, der das sog. deutsche Erfolgsmodell plakativ auf das zurückführt, was es ist, nämlich die politisch gewollte Kombination von Lohndumping (Hartz IV, Niedriglohnsektor) bei gleichzeitiger Steigerung der Arbeitsproduktivität, die nicht mehr an die abhängig beschäftigen Konsumenten weitergegeben wird. Die Ursächlichkeit dieses Modells für die aktuelle Eurokrise und der Wahnsinn, dieses Modell auch noch Resteuropa aufzuzwingen, wird auf den Punkt gebracht. Das ist zwar alles für NachDenkSeiten-Leser nichts wirklich Neues, aber gut in einem Artikel aufbereitet. Der Autor verdeutlicht zudem, dass es sich beim aktuellen Krisengeschehen um ein systemisches Phänomen handelt.
Ergänzende Anmerkung JB: Der Artikel enthält auch noch zwei sehr interessante Tabellen, die auch regelmäßige NachDenkSeiten-Leser interessieren dürften.
- „Die Verarmung wird überhaupt nicht wahrgenommen“
Armut und Ernährung in Deutschland. Interview mit Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg.
Die wachsende soziale Ungleichheit spiegelt sich auch in der Ernährungssituation wider. Laut Studien ernähren sich Menschen mit niedrigem Einkommen schlechter als Reiche, was sich auch in einer durchschnittlich niedrigeren Lebenserwartung niederschlägt. Die DA sprach mit Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) über Tafelwirtschaft und Widerstand gegen die Monopole in der Nahrungsmittelindustrie.
Quelle: Direkte Aktion
- Revolte gegen Scheckbuchmacht der US-Firmen
Sie drohen mit Verlegung der Firmenzentrale, wenn ihnen die Steuern zu hoch sind. Sie zahlen oft mehr an Lobbyisten als an das Finanzamt. Häufig schreiben sie die Gesetze selbst, die Abgeordnete dann sogar verabschieden. Die Macht der US-Konzerne ist gewaltig – und provoziert jetzt Gegenreaktionen.
Quelle: Manager Magazin
- Riestern über die Rentenversicherung
Der 2001 eingeleitete „Paradigmenwechsel“ in der Altersvorsorgepolitik ist nicht so alternativlos, wie von den meisten Parteien und Wissenschaftlern behauptet. Das wurde am Wochenende bei einer Fachtagung der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg zum 120-jährigen Bestehen der gesetzlichen Rentenversicherung in Stuttgart deutlich. Allerdings gibt es auch unter Experten wie dem langjährigen Vorsitzenden des Sozialbeirats, Winfried Schmähl, und dem Stuttgarter Versicherungsexperten Jörg Schiller unterschiedliche Auffassungen über die langfristig tragfähigste Alterssicherungspolitik. Der als Befürworter der umlagefinanzierten Rente bekannte Wirtschaftswissenschaftler Winfried Schmähl hob in seinem Rückblick auf die Entwicklung der Rentenversicherung hervor, dass um die Jahrtausendwende bei fast allen verantwortlichen Politikern eine Art „kollektive Gehirnwäsche“ eingesetzt habe. Der Einstieg in die rentenersetzende kapitalgedeckte Altersvorsorge habe eine „Demontage” der umlagefinanzierten Rentenversicherung eingeleitet. Der Wechsel zu einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik habe aber nur „scheinbar zu einer Stabilisierung des Beitragssatzes“ geführt, erklärte Schmähl. Denn die Arbeitnehmer müssten nun – zusammen mit den Beiträgen für die kapitalgedeckte Vorsorge – „deutlich mehr bezahlen“, sagte Schmähl unter Verweis auf die gesetzlich vorgesehene Zusatzvorsorge von vier Prozent des Bruttoeinkommens. Die Folgen des mit der Einführung der Riester-Rente abgesenkten Rentenniveaus seien „lange geleugnet“ worden, kritisierte der langjährige Leiter des Zentrums für Sozialpolitik (ZeS) an der Uni Bremen. Inzwischen habe die Entwicklung zwar „auch die Politik erreicht“, so Schmähl, eine politische Kehrtwende habe es jedoch weder unter der großen Koalition (ab 2005) noch unter der jetzigen Regierung (ab 2009) gegeben. „Wenn aber selbst lange Erwerbszeiten langfristig nur zu einem Rentenanspruch knapp oberhalb der Grundsicherung führen, verliert die Rentenversicherung ihre Legitimation“, warnte Schmähl.
Quelle: Ihre Vorsorge
- Wildwest bei Siemens
“Einer der niedrigsten gewerkschaftlichen Organisationsgrade der Nation” – so wirbt die Handelskammer von Charlotte auf ihrer Website. Weitere Standortvorteile in North Carolina seien die im US-Vergleich niedrigen Löhne sowie die “zweithöchste Produktivität aller Bundesstaaten”. Diese Argumente, verstärkt durch Millionen Dollar schwere Subventionen für Neuansiedlungen haben Hunderte Unternehmen nach North Carolina gelockt, darunter auch die Siemens AG aus München. In der US-Hauptstadt kommentiert der Sprecher der Gewerkschaft Electrical Workers Union (UE) die Fabrikeröffnung in North Carolina als “nicht mehr neuen Trend”. Chris Townsend: “Die Unternehmen gehen in die in jeder Hinsicht rückschrittlichsten Bundesstaaten der USA, wo sich kein Arbeiter trauen würde, einen Gewerkschaftsbutton zu tragen. Leider gilt das auch für Unternehmen, die in ihren Heimatländern stolz auf ihre Mitbestimmung sind.”
Quelle: taz
Anmerkung Orlando Pascheit: Und so beraubt sich das Kapital auf globaler Ebene der kurzfristigen Profite wegen der langfristigen Perspektive, der effektiven Kaufkraft von Mensch und Staaten.
- Rechte Gewalt im Osten: Germania Dating
Der Regisseur David Wendt spricht über rechte Gewalt und die Recherchen zu seinem Spielfilm “Kriegerin”, der Geschichte eines ostdeutschen Neonazi-Mädchens: “Es gibt einen eigenen Zweig der Rechtsextremismusforschung, der sich mit den Frauen beschäftigt. Es werden immer mehr, die auf verschiedensten Ebenen aktiv in der rechten Szene mitmachen. Sie sind nicht nur dabei, weil ihr Freund Skinhead ist, nein, sie sind genauso rassistisch und gewalttätig. Einige versuchen, in NPD-Ämtern auf legal-bürgerlichem Weg für ihre Ziele zu kämpfen und machen dann etwa in Elternvertretungen, Vereinen und Verbänden mit. Andere sind in Kameradschaften. … In Lübben sprach ich mit ganz normalen Jugendlichen, 14-jährigen, sympathischen Mädchen, die aufs Gymnasium gingen. Die sagen, sie seien in keiner rechten Gruppe, aber wenn man dann über Ausländer spricht, ist es für sie das Normalste der Welt, gegen Ausländer zu sein. Das ist Mainstream-Meinung. Dabei gibt es in der ostdeutschen Provinz nur sehr wenige Ausländer, in manchen Gegenden liegt der Bevölkerungsanteil bei ein, zwei Prozent. In Sachen Demokratie-Ablehnung und Ausländerfeindlichkeit sind die Rechten kompatibel mit der Mehrheit. Bei rechten Demos im Osten wird der „Sozialismus“ im Nationalsozialismus betont und mit einer Kapitalismus-Kritik verknüpft, auch da stoßen die Rechten auf offene Ohren.”
Quelle: Tagesspiegel
- Turiner Mob zündet Zigeunersiedlung an
Nach einem erlogenen Vergewaltigungsvorwurf einer jungen Italienerin hat eine aufgebrachte Menschenmenge in Turin ein Zigeunerlager angegriffen und in Brand gesetzt. Rund hundert Leute waren beteiligt, nur zwei wurden festgenommen.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Ja, es sind Eurozeiten, Guttenbergzeiten, aber Europa hat noch ganz andere Defizite. – “Rom” heißt Mensch, aber angekommen ist das in Europa bei den Wenigsten. Europa behandelt seine Roma als Menschen zweiter wenn nicht dritter Klasse. In Deutschland wird oft auf den Antiziganismus unserer östlichen und neuerdings auch einiger westlicher Nachbarländer verwiesen (Frankreich, Italien), doch auch wir müssen uns befragen, unterstreicht Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats deutscher Sinti und Roma: Hierzulande würden Flüchtlinge vom Balkan Opfer von Mietwucher und Arbeitssklaverei, gegen die sie sich wegen ihres höchstens prekären Aufenthaltsstatus nicht wehren könnten. Bis zu 68 Prozent der Deutschen bekennten sich zudem zu ihren Zigeuner-Vorurteilen; dabei seien 500 000 europäischer Sinti und Roma ebenso dem Holocaust zum Opfer gefallen wie sechs Millionen Juden: „Wer Antisemitismus ächtet und Antiziganismus toleriert, hat aus der Geschichte nichts gelernt.“
Wer sich näher informieren möchte, sei auf das Buch “Europa erfindet die Zigeuner” von Klaus-Michael Bogdal verwiesen und das Schwerpunkheft der ZAG (Zeitschrift antirassistischer Gruppen):
Antiziganismus in Europa
Die Folgen des sozial und rechtlich miserablen Status der Roma in Europa dokumentiert und analysiert die ZAG seit ihrem Beginn 1992. Ausdruck findet dieser nicht zuletzt in den schlechten Lebensverhältnissen, in denen die meisten Roma nicht nur leben, sondern zumeist schlichtweg gefangen sind. Als Ereignis zeigt sich dies in den hochgezogenen Mauern – 1990 in Sfintu Gheorghe (Rumänien), 1999 in Usti nad Labem (Tschechien) und 2009 in Ostrovany (Slowakei). Die schlechten Umstände unter denen Roma in den Mitgliedstaaten Europas leben, werden vom politischen Willen der gesellschaftlichen Mehrheiten meist völlig entkoppelt wahrgenommen und diskutiert. Allein die Roma selbst hätten es letztlich aufgrund ihrer sozialen Verhältnisse, die nach wie vor selten als solche überhaupt nur Anerkennung finden, zu verantworten, wenn sie verfolgt oder abgeschoben werden, sie keine Jobs, keine Schulen oder keinen legalen Ort zum Leben fänden – so nach wie vor der Tenor in weiten Teilen der Gesellschaften Europas. Sie sollen zumeist einfach nur verschwinden – hinter Mauern, wie in den oben genannten Ländern Osteuropas oder mit 250 ¤ Taschengeld wie 2009 in Berlin. Die ZAG konzentriert sich mit dem nun vorliegenden Heft 59 zum zweiten mal mit einem Schwerpunkt auf die politische, soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung von Roma – beschrieben mit dem Begriff Antiziganismus.
Quelle 1: ZAG
Quelle 2: antirassistische Zeitschrift
- Deutsche Zustände: Angst vor dem Absturz und der kulturellen Vielfalt führt zum Hass auf Minderheiten
Seit 10 Jahren erforscht das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld die “Deutschen Zustände” nach den Zeichen und der Präsenz von “Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit” (GMF). Darunter werden neben Fremdenfeindlichkeit Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie verstanden, also Formen der Abwertung identifizierbarer Gruppen von Menschen, die nicht als gleichwertig betrachtet werden, weil sie irgendwie anders, fremd oder “unnormal” sind. Gestern wurde der abschließende zehnte Band der Studie vorgestellt, für die jeweils jährlich eine repräsentative Auswahl von 2000 Menschen telefonisch befragt wurden, und konstatiert, dass sowohl Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, beispielsweise gegenüber Sinti und Roma, als auch die Abwertung von Langzeitarbeitslosen, Obdachlosen und Behinderten zugenommen haben. Zurückgegangen sind hingegen die Islamfeindlichkeit nach einem Peak im Jahr 2010, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie. Gleichwohl sagen weiterhin mehr als 30 Prozent, sie fühlten sich durch die Anwesenheit der Muslime im Land manchmal wie Fremder (2010: 38,9%) und sind islamfeindliche Aussagen nun wieder auf dem Stand von 2003. Und 54 Prozent meinen, wer neu im Land ist, müsse sich erst mal mit weniger zufrieden geben (2010: 64,7%). Und 29, 3 Prozent sagen, man solle die in Deutschland lebenden Ausländer in ihre Heimat zurückschicken, wenn Arbeitsplätze knapp werden (2010: 24,%). Der Wunsch nach einer homogenen Wir-Gesellschaft zeigt sich daran, dass 47 Prozent der Ansicht sind, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland. Das sind zwar weniger als 2002, für die Forscher ist die Veränderung aber nicht signifikant. Klar ist jedoch, dass die GMF keine Randerscheinung ist, sondern aus der Mitte der Gesellschaft, aus der vom Absturz bedrohten Mittelschicht, kommt.
Belegt wird von der Auswertung der Umfrage, dass die Menschen, die Deutschland als überfremdet empfinden (50%) oder die zu viele kulturelle Unterschiede für einen Zusammenhalt als schädlich betrachten (37%), sich auch eher als benachteiligt oder krisenbedroht sehen: “Gefühle des Ausschlusses, der Vereinzelung und Desintegration gehen mit Verunsicherungen über den Zustand (der Gesellschaft) einher.” Gleichzeitig sehen sich diese Menschen natürlich auch bedroht von den Anderen und Fremden, über die man sich stellt, um sie zu degradieren.
Quelle 1: Telepolis
Quelle 2: Uni Bielefeld [PDF – 337 KB]
Anmerkung Orlando Pascheit: Erinnert sei an eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche das Ausmaß an Menschenfeindlichkeit in ausgewählten europäischen Ländern beschreibt. Sie dokumentiert Vorurteile, wie diese aussehen, wer sie vertritt und wo in Europa sie besonders verbreitet sind: “Die Abwertung der Anderen. Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung” [PDF – 6 MB]
- Die USA weisen nicht allein den Weg – Die Demokratie und die Finanzierbarkeit von Journalismus
Rasmus Kleis Nielsen und Geert Linnebank haben analysiert, wie stark ringsum der Staat die Medien und damit den Journalismus subventioniert. Sie fanden Bemerkenswertes heraus. Beim Vergleich von Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Grossbritannien sowie den USA kommen sie zum Befund, dass sich die medienpolitischen Förderinstrumente seit den achtziger Jahren kaum verändert haben – trotz den stürmischen Zeiten, die wir durchleben, und trotz dem rapiden Wandel unserer Medienwelt. Vor allem die «Alten» profitierten davon – sei das der öffentliche Rundfunk oder die Presse. Beide hängen in allen sechs untersuchten Ländern seit langem am staatlichen Tropf: Die einen erhalten üppige Rundfunkgebühren, die anderen Vergünstigungen beim Postvertrieb sowie Steuererleichterungen oder -befreiungen und in einigen Ländern auch direkte Subventionen. Selbst in den USA, die in der öffentlichen Diskussion stets als Land angeführt werden, in dem die Medien kein Geld vom Staat erhalten, fliessen jährlich mehr als eine Milliarde Dollar Steuergelder in öffentliche Fernseh- und Radioprogramme und nahezu gleich viel Geld in die Kassen der Zeitungshäuser.
Quelle. NZZ
- Georg Schramm redet Klartext
We Are Change Switzerland traf den bekannten politischen Kabarettisten Georg Schramm nach der Vorstellung an der Bar des Kleintheaters in Luzern. Zunächst erkannten sie ihn gar nicht weil er nicht mehr aussah wie seine Kunstfigur “Dombrowski”. Seine lockere souveräne Art hat ihnen sehr gut gefallen, obwohl sie sehen konnten dass er ganz schön ausgepowert war. Das ist keiner dem der Ruhm zu Kopf gestiegen ist. Im Gegenteil. Jemand der nach der Aufführung erschöpft nachdenklich und authentisch bleibt. Manch anderer hätte sich zum Hinterausgang rausgeschlichen.
In einer sehr lockeren und offenen, entspannten Atmosphäre in seiner Garderobe gab eine kleine Nachhilfe in Schweizer Geschichte(n), sprach über den Finanz und Bildungskrieg, Drombowski’s Zorn, erklärte uns weitere Massenschutzwaffen und Glaubenskriege.
Quelle: WeAreChange