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Titel: Mediengesteuerter SPD-Parteitag

Datum: 5. Dezember 2011 um 9:07 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Rente, SPD
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Schon die leise Gefahr, dass es auf dem SPD-Parteitag in Berlin einen Streit um die weitere Absenkung des Rentenniveaus von derzeit 50 auf 43 Prozent und eine Debatte um eine Anhebung der Reichensteuer geben könnte, löst bei den medialen Sturmgeschützen der Agenda-Politik ein Trommelfeuer aus. Sicher ist es kein Zufall, dass diese geballte Medienkampagne kurz vor dem SPD-Parteitag einsetzt. Die Medienberichterstattung dieses Wochenendes ist ein Musterbeispiel für die Fremdbestimmung der SPD und dafür wie die Meinungsmacher die Agenda-Politiker in der SPD-Spitze stützen. Wolfgang Lieb

In vielen Beiträgen auf den NachDenkSeiten haben wir nachzuweisen versucht, dass die SPD eine fremdbestimmte Partei geworden und keine eigenständige politische Kraft mehr ist. (Sie brauchen dazu nur einmal „fremdbestimmt“ in unserer Suchfunktion einzugeben.) Viele mögen das immer noch nicht glauben oder sie halten das für übertrieben.

Wer von unserer These der Fremdbestimmung der SPD noch nicht überzeugt ist und wer noch nicht gemerkt hat, dass die Agenda-Politiker der Sozialdemokraten ein Produkt der Medien sind, der möge sich einfach nur einmal das Medienecho des Wochenendes vor dem SPD-Parteitag in Berlin zu Gemüte führen.

Da gibt es von der Parteibasis einige Anträge und einige Stimmen, die das ohnehin schon auf 50 Prozent abgesenkte Rentenniveau nicht – wie gesetzlich geplant – weiter bis auf 43% absinken lassen wollen. Und da gibt es den Vorschlag ab einem Einkommen von 150.000 Euro bei Alleinstehenden den Spitzensteuersatz auf 52 Prozent anzuheben (also immer noch unter den 53 Prozent, die noch zu Helmut Kohls Zeiten galten) und schon wird dagegen geradezu ein Interviewkrieg geführt. Diese Anträge hätten zwar auf dem Parteitag ohnehin keine Mehrheit bekommen, aber schon eine Diskussion über solche Themen wird offenbar für gefährlich gehalten und soll im Keime erstickt werden.

Der Kölner DuMont-Konzern mit seinen Zeitungen bietet dem Consigliere der Agenda-Politik Frank-Walter Steinmeier eine Plattform. Sowohl in der Berliner Zeitung als auch in der Frankfurter Rundschau wird ein langes Interview von ihm abgedruckt. Obwohl das Schwergewicht der Fragen auf dem Thema Europa liegt, schafft es die Schlagzeile „Steinmeier warnt SPD-Linke“ auf die Seite 1 der FR. „Die Rentenreformen wurden gemacht, weil sich die Mehrheit damals einig war, dass ein Ansteigen der Beitragssätze in Richtung 25 Prozent…die Akzeptanz des Systems der solidarischen Sozialversicherung aushöhlen würde“, darf Steinmeier unwidersprochen erklären. Da er Mitverantwortlich für die Einführung der Riester-Rente war, müsste er es besser wissen, also belügt er die Leserinnen und Leser glatt. Er müsste nämlich nur zu gut wissen, dass mit der Riester-Rente, die ja die Senkung der gesetzlichen Rente angeblich kompensieren sollte, die Arbeitnehmer schon jetzt 4 Prozent ihres Bruttogehalts zusätzlich in diese Altersvorsorge einbezahlen sollen, also der Beitragssatz schon längst „in Richtung 25 Prozent“ gegangen ist – nur eben einseitig zu Lasten der Lohnempfänger. (Nämlich 19,9 Prozent paritätisch finanziert plus 4 Prozent ausschließlich durch die Arbeitnehmer zu tragen.)

Der Springer-Verlag bringt in der Samstagsausgabe der Welt einen Vorabbericht und in der Welt am Sonntag ein Interview mit dem nur noch seinen privaten Geschäften nachgehenden Gerhard Schröder. Dort darf der Altkanzler verkünden: „Ich finde, wir haben damals eine richtige Steuerpolitik gemacht. Das trägt, neben der Agenda 2010, dazu bei, dass Deutschland besser durch die Krise kommt als andere Länder. Es gibt keinen Spielraum für Steuersenkungen. Aber die Pläne, die Steuern zu erhöhen, halte ich für ganz falsch.“ Es wäre von den Springerjournalisten natürlich zu viel verlangt, Schröder daran zu erinnern, dass gerade sein Unternehmensteuersenkungswahn dazu geführt hat, dass die Gewinne in die Finanzspekulation wanderten und die Krise erst mit verursacht haben.

Natürlich darf das „Sprachrohr“ von Steinbrück und Steinmeier, der Spiegel, in diesem Trommelfeuer nicht fehlen. In der Printfassung dieser Woche macht sich der Spiegel unter dem Titel „Rote Versuchung“ darüber Sorgen, dass Gabriel es zulassen könnte, dass der linke Flügel den Spiegel-Schützling Steinbrück demontiert, wenn die SPD in der Rentenpolitik „die Rolle rückwärts“ mache. Dass die Linke bei der Rente gerade umgekehrt die Spirale nach unten aufhalten will, spielt bei dieser Panikmache des Kampagneblattes für die Agenda-Politik natürlich keine „Rolle“. Noch dramatischer macht es Spiegel Online und titelt: „SPD-Spitze fürchtet kalten Putsch“. Da Steinbrück und Steinmeier am Wochenende als Interviewpartner schon belegt waren, musste sich Spiegel Online mit Andrea Nahles als Gesprächspartner begnügen. Auch die dereinst als Parteilinke gehandelte Nahles spricht sich selbstverständlich gegen die Anhebung des Spitzensteuersatzes aus und bei der Rentendiskussion vertröstet sie wieder einmal mit der Einsetzung einer neuen Kommission.

Gabriel durfte schon vor einer Woche im Tagesspiegel vor einer „Reichensteuer“ warnen: Die SPD müsse sich im besten Sinne sozial und liberal aufstellen, sonst könne sie keine Wahl gewinnen, sagte er. Dass die SPD mit dieser Aufstellung derzeit bei 25 Prozent dümpelt, scheint den SPD-Vorsitzenden offenbar nicht zu kümmern.

Als blinde Gefolgsleute dieses Medienmainstreams hatten selbstverständlich auch die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF nichts anderes zu bieten, als Steinmeier und/oder Gabriel über den angeblichen Streit mit der linken Basis einzuvernehmen. Selbst Gabriel, war eine derartige Fragerei zu blöd: Eine Partei, die stumm ist, sei dumm, servierte er seinen Interviewpartner ab.

Wenn schon die als „Leitmedien“ betrachteten Zeitungen keine andere Sorge hatten, als die vor einem „Linksrutsch“ der SPD, war es klar, das alle Presseagenturen und alle Regionalzeitungen nachzogen. (Dazu muss man nur zu den betreffenden Suchworten einmal google News mit zahllosen Meldungen dazu aufrufen.)

Man könnte mir natürlich entgegenhalten, dass es doch selbstverständlich ist, dass vor einem Parteitag eben die Parteiführung befragt wird. Der Einwand mag teilweise berechtigt sein. Natürlich geht die rechte Parteispitze gerne in die Medien, um mögliche Kritik der Basis abzuwehren. Aber das ist noch lange kein Grund, diese Abwehr zur Schlagzeile zu machen und unkritisch deren fast wortgleiche Sprechblasen abzudrucken. Nirgendwo habe ich einen Bericht oder ein Interview gefunden, in denen die Antragsteller zu Wort gekommen wären und ihre Argumente hätten darlegen können.

Es ist doch ziemlich klar, dass die Mehrheit der Parteitagsdelegierten von diesem Druck der Medien nicht unbeeindruckt bleibt. Man muss doch als „Parteisoldat“ zu Recht befürchten, dass man dieser Kampagne im Kampf um die Köpfe der Menschen nicht stand halten kann. Also zeigt man wieder einmal Disziplin und Geschlossenheit mit der Parteiführung und die Steinbrücks und Steinmeiers dürfen die SPD weiter auf den Abgrund zufahren. Angela Merkel wird sich die Hände reiben.

Übrigens:
Das einzige was nach diesem Parteitag der SPD erneuert sein dürfte ist das Design der Partei.
Die Farbe ist jetzt lila. Sozusagen „Lila, der letzte Versuch“. Die SPD kehrt vom Würfel zurück zum Quadrat. Dazu meinen Werbeexperten: „Unternehmen die in so kurzer Zeit so nachhaltig ihr Corporate Design verändern, wirken orientierungslos. Ein Markenprodukt, dessen Verpackung im Jahresrhythmus wechselt, erzeugt Verunsicherung auf Kundenseite. Das SPD-Design flattert wie ein Fähnchen im Wind. Es strahlt das Gegenteil von Verlässlichkeit aus.“


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