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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: „Hochschulfreiheitsgesetz“ in NRW – oder der Putsch von oben gegen ein öffentlich verantwortetes, demokratisches Hochschulwesen
Datum: 31. Januar 2006 um 11:43 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft, Lobbyorganisationen und interessengebundene Wissenschaft
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Wie weit die Staatsverdrossenheit, ja die geradezu feindliche Einstellung gegenüber dem demokratischen Staat und gegenüber dem Parlamentarismus schon in den Staat selbst hineinreicht belegt ein sog. „Hochschulfreiheitsgesetz“ [PDF – 122 KB], dessen Eckpunkte der nordrhein-westfälische “Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) vorgelegt hat. Die bloße Rechts- und Finanzaufsicht des demokratisch legitimierten Staates über die Hochschulen als sich selbst verwaltende, autonome Körperschaften soll durch die „Fachaufsicht“ eines ständestaatlichen „Hochschulrates“ abgelöst werden, in dem nach aller Erfahrung Unternehmensvertreter das Sagen haben.
Am 25. Januar stellte der sich neuerdings „Innovationsminister“ titulierende Wissenschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen seine „Eckpunkte des geplanten Hochschulfreiheitsgesetzes“ vor. Nachdem der der FDP angehörende stellvertretende Ministerpräsident Pinkwart im Düsseldorfer schwarz-gelben Kabinett schon ein sog. „Studienbeitragsgesetz“ ins Gesetzgebungsverfahren gebracht hat und damit das Bürgerrecht auf Bildung durch die Einführung von Studiengebühren in ein privates Investment in die berufliche Zukunft degradiert hat, soll nun der – wie er selbst sagt – „Paradigmenwechsel“ vollends vollzogen werden. Die Hochschulen sollen von einer sich selbst verwaltenden Körperschaft mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Freiheit der Lehre, des Studiums und der Forschung zum „verselbständigten“ „Unternehmen“ umgewandelt werden, das sich den „Herausforderungen“ des „internationalen Wettbewerbs“ und des „Wettbewerbs zwischen Hochschulen“ stellen muss und im Zweifel sogar in Konkurs gehen kann.
Der Popanz „staatlicher Dirigismus“
Ich will hier nicht darüber streiten, ob es Sinn macht, die staatlichen Hochschulen, deren Autonomie und Selbstverwaltung durch Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz institutionell garantiert ist, durch eine wirkliche Reform ihrer inneren Strukturen und ihres Verhältnisses zum Staat, noch selbstverantwortlicher und noch handlungsfähiger zu machen, als sie es derzeit sind. Ich rede also nicht über ein effizienteres Hochschulmanagement, kürzere Entscheidungswege und klarere Verantwortlichkeiten, auch nicht über eine größere Finanzautonomie mittels Globalhaushalten oder durch eine eigene Personalhoheit der Hochschule.
Nein, mir geht es hier ausschließlich um das grundsätzliche Verhältnis zwischen öffentlich verantworteten und finanzierten Hochschulen auf der einen und dem Staat sowie dem demokratisch gewählten Parlament auf der anderen Seite.
Um das bisherige Verhältnis sachlich zu beschreiben, ist es nötig geworden zunächst einmal den nun seit Jahren aufgebauten Popanz vom Sockel zu stoßen, mit dem auch Pinkwart seine „Reform“ begründet. Es ist das Zerrbild von einem angeblichen „staatlichen Dirigismus“ gegenüber den Hochschulen, von einer angeblich bürokratischen und detailregelungswütigen Wissenschaftsverwaltung.
Dazu muss man auf ein paar banale Selbstverständlichkeiten hinweisen: Wissenschaft, Forschung und Lehre sind nach unserem Grundgesetz zwar eine „öffentliche Aufgabe“ aber keine „öffentlich-rechtliche Aufgabe“ im Sinne einer staatlichen Zuständigkeit. Der Staat hat durch Gesetz die Freiheit der Lehre, des Studiums und der Forschung zu gewährleisten. Er kann und darf über Inhalte und Methoden der an den Hochschulen betriebenen Wissenschaft und der dort stattfindenden Lehre nicht zu befinden. Der Staat hat ausschließlich eine Rechts- und (weil die Hochschulen über Steuergelder finanziert werden) eine Finanzaufsicht über die Hochschulen. Die Hochschulen wählen ihre Leitungsorgane (Rektoren und Dekane) durch die Selbstverwaltungsgremien und sie haben das Recht auf „Selbstkooptation“, d.h. sie wählen die Wissenschaftler in einem vorgegebenen Auswahlverfahren aus. Der Staat darf eine Personalauswahl nur bei Rechts- oder Verfahrensverstößen ablehnen oder einen Vorschlag aus diesen Gründen zurückgeben oder unter rechtlich gebundenem Ermessen etwa von der Reihung der Berufungsvorschläge abweichen. Das hat seinen Sinn darin, dass die Personalauswahlverfahren einer externen Kontrolle unterliegen sollen, etwa um „Seilschaften“ zu unterbinden – und glaube nur niemand, dass es solche nicht gäbe.
Als ehemaliger Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium hatte auch ich gegen den Vorwurf staatlicher „Gängelung“ anzukämpfen. Sicher, auch ich konnte die finanziellen Wünsche und Notwendigkeiten (!) der Hochschulen angesichts der Kassenlage des Landes nicht erfüllen und musste Mangelverwaltung betrieben. Aber dieses Problem wird, wenn sich die Einnahmen des Staates nicht verbessern, künftig nur „in aller Freiheit“ an die Hochschulen nach unten weiter gereicht werden.
In punkto „staatlichem Dirigismus“ habe ich im Ministerium alle Erlasse des Hauses gegenüber den Hochschulen zusammentragen lassen und ich habe die Hochschulen aufgefordert mir jeden sie gängelnden Erlass zu benennen. Das Ergebnis war: Es konnten nur eine Handvoll Erlasse gefunden werden. Nahezu alle Erlasse, die die Hochschulen störten, waren keine Erlasse des Wissenschaftsministeriums, sondern Erlasse, die sich aus Gesetzen und Verordnungen ergaben, die nicht in die Zuständigkeit der Wissenschaft gehörten, also baupolizeiliche-, sicherheitstechnische-, finanztechnische oder Vorschriften des allgemeinen Beamten- oder Tarifvertragsrechts. Und natürlich gibt es die Verordnungen, mit denen höchstrichterlichen Entscheidungen Folge geleistet werden musste, wie z.B. die an den Hochschulen verhasste Kapazitätsverordnung (KapVO) zur Aufnahme eines Maximums an Studierenden – man könnte es auch freundlicher so formulieren: die Gerichte sorgten für einen effizienten Einsatz der Steuermittel.
Ich hätte am liebsten auch noch auf diese Kapazitätsverordnung verzichtet und die Studierenden, die von den Hochschulen abgewiesen worden sind, auf den individuellen Rechtsweg verwiesen. Wer nämlich auf die Abschaffung der sog. KapVO setzt, sollte sich nicht täuschen: Noch heute werden nach Angaben eines Fachanwaltes bis zu 60% der Numerus-Clausus-Klagen von den sich einklagenden Studierenden gewonnen.
Dass die Hochschulen über die Verwendung der ihnen zugewiesenen Finanzmittel gegenüber dem Staat als Treuhänder der Steuergelder der Bürger Rechnung legen müssen, ergibt sich aus dem elementarsten aller parlamentarischen Rechte, nämlich dem Haushaltsrecht des Haushaltsgesetzgebers.
Ich will gar nicht bestreiten, dass ein kameralistische Haushaltsrecht, das jede Planstelle aufführt, überholt ist, ich halte Globalhaushalte und eine nach Parametern gesteuerte, leistungsbezogene Mittelzuweisung durchaus für richtig.
Das Verhältnis von Staat und Hochschulen soll auf eine neue Grundlage gestellt werden
Aber darum geht es ja im „Hochschulfreiheitsgesetz“ des Herrn Pinkwart gar nicht primär, wenn er sagt:
„Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz wird das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen auf eine neue Grundlage gestellt.“
„Staat und Hochschulen gehen eine strategische Partnerschaft ein. Wir setzen auf eine Kultur des Vertrauens und verabschieden uns von staatlichem Dirigismus.“
Mir geht es in diesem Beitrag ausschließlich um das grundsätzliche Verständnis des Verhältnisses von Staat und Hochschule, das Pinkwart „auf eine völlig neue Basis stellen“ will.
Irreführung als Begründung: Die staatlich Rechtsaufsicht wird durch eine Fachaufsicht des Hochschulrates abgelöst
Das sog. „Hochschulfreiheitsgesetz“ unterliegt schon in seiner Begründung einem grundlegenden Irrtum: „Die Verselbständigung bringt mit sich, dass der Staat nur noch die Rechts- und nicht mehr die Fachaufsicht führt“. Mann müsste hier sogar von einer Irreführung sprechen, denn der Staat ist auf dem Gebiet der Selbstverwaltung schon nach dem Grundgesetz auf bloße Rechtsaufsicht beschränkt und darf gar keine Fachaufsicht gegenüber den Hochschulen führen und hat in NRW und wohl auch anderswo nie eine Fachaufsicht geführt. Dagegen hätten sich unsere selbstbewussten Hochschulen mit guten rechtlichen Gründen gewehrt.
Der Unterschied zwischen Recht- und Fachaufsicht ist von grundsätzlicher Art im Verhältnis von Staat und staatlichen Einrichtungen. Die Rechtsaufsicht bezieht sich auf die Rechtmäßigkeitskontrolle, die Fachaufsicht bezieht sich auf die inneren Angelegenheiten der Hochschule, sie geht weit über die Prüfung der Rechtmäßigkeit hinaus und betrifft auch Fragen der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit der Entscheidungen und des Handelns der Hochschulen.
Das Gegenteil dessen was Pinkwart behauptet, wird mit seinem angeblichen „Hochschulfreiheitsgesetz“ also eingeführt, nämlich erstmals eine „Fachaufsicht“ über die inneren Angelegenheiten der Hochschulen und zwar durch ein ganz neues Organ, dem „Hochschulrat“.
„Der Hochschulrat nimmt die Fachaufsicht wahr“ heißt es in den Eckpunkten.
Aber damit nicht genug, der Hochschulrat soll auch über die „strategische Ausrichtung der Hochschule“ entscheiden, er soll auch „über den Hochschulentwicklungsplan und über die von den Hochschulen mit dem Land ausgehandelten Zielvereinbarungen“ beschließen.
Darüber hinaus wird der Hochschule noch das ihr ureigene Recht der Hochschule auf Wahl ihrer Hochschulleitung abgesprochen: „Rektor/Präsident und Kanzler/Vizepräsident werden vom Hochschulrat gewählt und durch den Senat bestätigt.“
Im Ergebnis soll also der Staat von der „Bildfläche“ weitestgehend verschwinden und sich mit dem Aufhängen eines schlanken gesetzlichen „Rahmens“ zufrieden geben und darüber hinaus dürfen Steuerzahler und Haushaltsgesetzgeber noch die Rolle des Zahlmeisters spielen. Selbst das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulmitglieder wird ausgehöhlt und weitestgehend auf die Hochschulleitung übertragen. Dafür soll ein Hochschulrat fachliche Aufsichts- und inhaltliche Steuerungsrechte bis hin zum Auswahlrecht für das Leitungspersonal bekommen.
Der Hochschulrat als „höheres Wesen“, eine Erfindung des CHE
Welches höhere Wesen, das jenseits von einer demokratisch legitimierter Regierung und jenseits des vom Volk gewählten Parlaments, endlich die Freiheit der Hochschulen verheißen soll, steckt nun hinter dem „neuen Organ“ Hochschulrat:
Der Hochschulrat soll nach den Vorstellungen Pinkwarts mindestens zur Hälfte aus Mitgliedern von außerhalb der Hochschule zusammengesetzt sein, der Vorsitzende muss von außen kommen. Die Mitglieder werden auf Vorschlag von Senat und Rektorat vom Minister ernannt, so will es das neue Gesetz. So oder so ähnliche Regelungen finden sich auch schon in den Hochschulgesetzen von Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen.
Schaut man sich einmal um, woher dieses Konzept des Rückzuges des Staates und der Einsetzung einer neuen Leitungsebene „Hochschulrat“ stammt, so stößt man auf die „Governance Struktur“ des „New Public Management“-Modells, das vom „Centrum für Hochschulentwicklung“ (CHE) der Bertelsmann Stiftung und dem hochschulpolitischen Arm der Wirtschaft, dem „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“ seit geraumer Zeit der Politik angedient, ja noch mehr, geradezu aufgenötigt wird. Kein Wunder also, dass das CHE und sein Leiter, der Betriebswirt Detlev Müller-Böling, die nordrhein-westfälischen Eckpunkte für das geplante Hochschulfreiheitsgesetz überschwänglich begrüßen: „Es ist zu wünschen, dass die allermeisten der von Minister Pinkwart angekündigten Regelungen tatsächlich Gesetz werden.“
Das CHE hat sich inzwischen nicht nur zum Hauptratgeber für die Wissenschaftsministerien sondern mit seinen „Benchmarks“ und seinen von den Ministerien selbst in Auftrag gegebenen Stellungnahmen zu einer Art Präfekt der Glaubenskonkregation in Sachen Hochschulgesetze aufgeschwungen. Nicht nur das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sah sich gezwungen eine Stellungnahme des CHE zu seinem geplanten Hochschulgesetz einzuholen, das CHE hat sogar den Titel des nordrhein-westfälischen „Hochschulfreiheitsgesetzes“ erfunden und nicht nur das. Schon Ende 2005 hat es „Zehn CHE-Anforderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz in NRW“ aufgestellt, um Pinkwart nunmehr – wie einem gelehrigen Schüler – ein Zeugnis auszustellen, inwieweit er die Anforderungen des CHE erfüllt hat.
Den Forderungen nach einer Flexibilisierung der Governance-Strukturen würde Pinkwart „in erheblichem Umfang Rechnung“ tragen. Vor allem mit der
Schaffung verschiedener Optionen für Führungsmodelle einschließlich eines erweiterten Präsidiums und insbesondere eines an die Stelle des Kuratoriums tretenden, überwiegend extern besetzten Hochschulrates mit strategischen Kompetenzen. E wählt zudem den vom Senat zu bestätigenden Rektor bzw. Präsidenten wie auch den Kanzler bzw. Vizepräsidenten. Das Prinzip der „doppelten Legitimation“ wird so auf der Ebene der Hochschulleitung eingeführt. Richtig ist auch, dass hier Externe gewählt werden können. Dem Hochschulrat sollte dabei aber in jedem Falle die Entscheidung über die Grundordnung, über den Hochschulentwicklungsplan und über die Zielvereinbarung obliegen.
So heißt es anmaßend in den „Bewertungen“.
„Sehr gut, setzen Schüler Pinkwart“, urteilen also die Zensurengeber aus Gütersloh. Pinkwart „trägt Rechnung, „richtig ist“, Pinkwart „sollte“ usw. Soweit ist also die Politik schon in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem externen, durch nichts als durch Geld legitimierten Unternehmens-Think-Tank geraten. Die Regierung, das demokratisch legitimierte Parlament oder die Parteien sind zu Befehlsempfängern der Bertelsmann-Stiftung degradiert.
Wie sieht die wunderbare Welt des „New Public Managements“ in der Realität aus?
Ich bin selbst externes Mitglied eines Hochschulrates. Ich war immerhin fast zehn Jahre als Wissenschaftler an mehreren Hochschulen tätig und vier Jahre Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium und kenne mich ein wenig mit Hochschulverwaltung aus. Aus meiner Erfahrung als Hochschulratsmitglied und von Berichten über andere Hochschulräte weiß ich, dass zumindest die von außen kommenden Hochschulratsmitglieder, die allenfalls vier oder fünfmal im Jahr zu einer Sitzung an die Hochschule kommen, mit den in den Gesetzen vorgesehenen Entscheidungskompetenzen aufgrund ihrer unzureichenden eigenen Anschauung der jeweiligen Hochschule und wegen mangelnder Detailkenntnisse und persönlicher Erfahrung über die Entscheidungsgegenstände bei den ihnen übertragenen Entscheidungen ehrlicherweise überfordert sind. Wie sollen denn von weit her gereiste Hochschulratsmitglieder etwa eine ausreichende interne Personenkenntnis etwa für einen Vorschlag oder für die Wahl des Leitungspersonal haben?
Wie sollen sie kompetente Anwälte der „strategischen Ziele“ der Hochschule sein, wenn sie die Hochschulen nur aus der Distanz kennen? Ausschlaggebend ist da doch meist nur die eigene (Vor-)Urteilsstruktur.
Es bleibt den extern Berufenen im Allgemeinen nicht viel mehr übrig, als sich auf die Vorschläge des amtierenden Präsidenten oder Rektors zu stützen. Wenn also der Rektor vor allem den von außen kommenden Vorsitzenden des Hochschulrates auf seine Seite bringt, hat er seine Mehrheiten in der Regel gesichert. Der ohnehin dominante Rektor oder Präsident wird also zum starken Mann, der wie ein Vorstandsvorsitzender einer Firma nach innen autoritär seine Entscheidungen durchsetzen kann und sich beim Aufsichtsrat den nötigen Rückhalt dazu besorgt.
Wer sitzt in Hochschulräten
Es geht aber nicht nur um Sachnähe und mangelnde Information, noch problematischer ist die Frage, wer im Hochschulrat sitzt und damit die Entscheidungen anstelle des Staates und der Hochschulselbstverwaltung trifft.
Im Sinne des allenthalben verbreiteten Staatsskeptizismus könnte man einwenden: Wunderbar, endlich kommt die „Zivilgesellschaft“ zu ihrem Recht und endlich entscheiden die gesellschaftlichen Kräfte über die Hochschulen und nicht mehr der Moloch Staat.
Schauen wir uns doch dazu einmal nur beispielhaft die gesellschaftlichen Kräfte an, die in schon bestehenden Hochschulräten etwa in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg oder Niedersachsen sitzen:
(Das Folgende sollten Sie nur überfliegen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Die Vertreter der Wirtschaft sind zur leichteren Übersicht kursiv gedruckt.)
Im Hochschulrat der Ludwig-Maximilians-Universität München sitzen:
Im Hochschulrat der TU München sitzen
Im Hochschulrat der TU Darmstadt sitzen
Dem Hochschulrat der künftigen Eliteuniversität Heidelberg gehören an:
Als externe Mitglieder:
Der sozialdemokratische Wissenschaftsminister Prof. Jürgen Zöllner hat für die Johannes Gutenberg Universität Mainz berufen:
Im Hochschulrat der Universität Hannover sitzen:
Testen Sie einfach selbst, wer üblicherweise einem Hochschulrat angehört
Die Liste der Hochschulräte und ihrer Mitglieder in allen Ländern, in denen es bisher schon Hochschulräte gibt, ließe sich beliebig fortsetzen. Geben Sie einfach unter Google „Hochschulrat“ die Sie interessierende Hochschule ein.
Gleichgültig, ob durch die Hochschulsenate vorgeschlagen oder durch die jeweiligen Minister ernannt, unter den externen Mitgliedern finden sich neben einigen durchaus renommierten Wissenschaftlern oder Wissenschaftsfunktionären und einigen sog. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ganz überwiegend Vorstandsvorsitzende, Aufsichtsratsvorsitzende oder Aufsichtsratsmitglieder großer Konzerne oder die Chefs großer mittelständischer Unternehmen. Sonstige Vertreter gesellschaftlicher Gruppen von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften sucht man vergebens.
Das also ist die Zivilgesellschaft oder das sind die gesellschaftlichen Kräfte, die künftig auch in Nordrhein-Westfalen den Staat ablösen sollen und mehr als es bisher die Ministerien konnten und rechtlich durften die Geschicke unserer Hochschulen wesentlich bestimmen.
Vom Staate „befreit“ der Wirtschaft „unterstellt“
Gerade heraus gesagt, unsere Hochschulen werden vom Staat „befreit“ und der „Regie“ der Wirtschaft unterstellt. Statt von den Repräsentanten des Volkswillens werden sie von den meist mehrheitlich in den Hochschulräten repräsentierten Unternehmensvertretern gesteuert. Die Globalzuwendungen für die Hochschulen dürfen zwar nach wie vor ganz überwiegend vom gemeinen Steuerzahler aufgebracht werden, die Verteilung der öffentlichen Mittel in den Hochschulen beschließen aber die „Räte“, sie treffen auch die Personalauswahl und die „strategischen“ Entscheidungen.
Das kann man nicht anders als eine Privatisierung der Hochschulen auf „kaltem Wege“ nennen. Das bedeutet eine Entstaatlichung und eine Entmachtung des Parlaments und damit des Wählers und Souveräns zugunsten einer „Räteherrschaft“ oder einer Ständegesellschaft, in der im Wesentlichen nur noch ein Stand das Sagen hat und ein Rat dominiert, nämlich der der Unternehmer und Manager von Großkonzernen.
Die Freiheit, die sie meinen
Pinkwart nennt sein „Hochschulfreiheitsgesetz“ das „mit Abstand freiheitlichste Hochschulrecht“. Wie in Berthold Brechts Kongress der Weißwäscher wird „Freiheit“ also zum Synonym für Unternehmerfreiheit oder für die Freiheit der Herrschenden. Das ist wohl die „Freiheit“, die konservative oder wirtschaftsliberale Politiker meinen.
Der Präsident der nordrhein-westfälischen Hochschulrektorenkonferenz, Volker Ronge, begrüßte diese neue „Freiheit“ im wdr und von den meisten Medien wurde der Gesetzentwurf geradezu euphorisch etwa mit Schlagzeilen wie „Freiheit für die Hochschulen“ begrüßt. Die Studierenden protestieren zwar heftig und die inzwischen oppositionelle SPD im Düsseldorfer Landtag zedert: “So wird die Freiheit von Forschung und Lehre auf dem Altar der Marktwirtschaft geopfert”, aber kritische Stimmen dringen nicht mehr durch.
Die Staatsverdrossenheit hat inzwischen schon so weit um sich gegriffen, dass alles was gegen den staatlichen und parlamentarischen Einfluss gerichtet ist, ungestraft als „Befreiung“ dargestellt werden kann. Mit der schwarz-gelben Koalition hat sich die geradezu feindliche Einstellung gegen demokratische Kontrolle bis in die Regierung hinein durchgesetzt.
In anderen Zeiten hätte man das „Hochschulfreiheitsgesetz“ als Putsch gegen ein öffentlich verantwortetes, demokratisch organisiertes Hochschulwesen bezeichnet.
Man darf gespannt sein, ob diese Art der „Freiheit“ sich vor Gericht auch noch gegenüber der grundgesetzlich garantierten „Freiheit von Forschung und Lehre“ durchsetzt.
Nach einem preußischen Universitätsreformer à la Humboldt, mit dessen Reformen die deutschen Hochschule ihre Blüte erlebten und die zum Vorbild einer hochqualifizierten, freien und unabhängigen, dem Allgemeinwohl verpflichteten Wissenschaft in aller Welt wurden, sucht man in Deutschland und wohl auch in Europa vergebens.
Quelle: “Eckpunkte des geplanten Hochschulfreiheitsgesetzes” [PDF – 122 KB]
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