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Titel: Schweden: Arbeitslos und Zeitverträge am laufenden Band für die 18-24 Jährigen

Datum: 14. Juni 2006 um 14:22 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Länderberichte
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In den Diskussionen um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit werden uns von den so genannten Experten, seien sie als Politiker oder auch als Journalisten verkleidet, die so erfolgreichen Modelle aus anderen Ländern vor Augen gehalten. Der Schwedenkorrespondent von Le Monde, Olivier Truc gibt in einem Artikel vom 8. April 2006 einen Eindruck vom ach so gelobten Schweden. Josef Martin, einer unserer Leser, hat uns diesen Beitrag übertragen.

Die 23 Jährige Fia Gumpel hat gerade ihre Stelle als Verkäuferin, die sie seit Februar in einer Stockholmer Modeboutique hatte, verloren. Eine Kurzarbeitsstelle nach vielen anderen. Den letzten 14-Stunden Arbeitsvertrag pro Woche hatte ihr eine Agentur für zeitlich befristete Arbeit vermittelt. „Es gibt so viele Jugendliche, die solche Stellen suchen, dass man ohne Beziehungen fast keine findet. Manchmal gibt es 300 Nachfragen für eine Stelle.“

Nach dem Gymnasium und einer Ausbildung in Informatik trat die junge Schwedin vor drei Jahren ins Berufsleben und immer wieder wurde sie arbeitslos. „Ganz wenige Jugendliche erhalten eine unbefristete feste Anstellung. Ich meine, dass es in Schweden zu einfach ist zu entlassen. Mein Wunsch wäre, dass man alle Formen von befristeten Verträgen abschafft.“ Die zeitlich befristeten Verträge sind das alltägliche Los von immer mehr Schweden, Verträge, die von Monat zu Monat verlängert werden, manchmal sogar in kürzeren Abständen.

„Ohne Ankündigung könne sie euch von heute auf morgen rausschmeißen. Ich habe das zwei Jahre lang erlebt“, sagt Fia Gumpel.

„Rund 40 % der Gewerkschaftsmitglieder unter 30 Jahren haben einen Arbeitsvertrag ohne genügenden Kündigungsschutz: das ist eine zu hohe Zahl“, bemerkt Johan Ingelskog, ein Vertreter des Gewerkschaftsbundes, in dem 80 % der schwedischen Arbeiter Mitglied sind. Das ist eine der Widersinnigkeiten Schwedens, wo die Jugendarbeitslosigkeit bei den 18-24 Jährigen bei 12 % liegt (das ist doppelt so viel wie der Durchschnitt auf Landesebene) und wo die Jugend unter einer zunehmenden Verarmung leidet.

Das Land hat einen eher liberalen Arbeitsmarkt, denn das staatliche Arbeitsrecht ist recht dünn. Alle Einzelheiten werden in Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt. „Und diese Verträge sind oft flexibler als die Gesetzgebung“, betont Carl Klingt, der für die Jugendlichen zuständige Mann beim Arbeitsamt.

Die Gewerkschaften allerdings glauben, dass die Arbeitsplätze gut geschützt sind und dass es schwierig ist zu entlassen; eine Meinung, die auch die rechten Parteien vertreten, die in das Arbeitsrecht einen Zusatz einführen möchten, der für jugendliche Einsteiger in das Arbeitsleben eine Kündigung ohne Begründung, und das auf zwei Jahre, möglich macht. Probezeiten von sechs Monaten sind bereits die Regel. Der Kündigungsschutz betrifft ausschließlich die unbefristeten Arbeitsverträge. Ob befristete Verträge oder Verträge über Halbtagsarbeit verlängert oder gekündigt werden, hängt allein von der Lust und Laune der Arbeitgeber ab, die hier eine unbeschränkte Handlungsfreiheit genießen.

„Immer mehr Jugendliche wechseln Jahre lang von einem befristeten Arbeitsvertrag in den nächsten und das manchmal im gleichen Unternehmen“, räumt Fredrik Möller, Berater in einem Stockholmer Arbeitsamt, ein.

„Der gute Schutz der unbefristeten Arbeitsverträge führte seit der Krise der 1990er Jahre, als die Arbeitslosigkeit stark angestiegen war, dazu dass die Zahl der befristeten Arbeitsverträge anstieg, was es den Unternehmen ermöglichte, das Kündigungsgesetz zu umgehen“, sagt bedauernd Jonas Franzen, ein 30jähriger Arbeitsloser aus eine Kleinstadt in Südschweden.

„Die Gesetze passen nicht mehr zu dieser Art von Verträgen und zu der Häufung der Kurzarbeitsagenturen“. „Immer mehr Jugendliche haben kein Geld, um sich eine Wohnung zu leisten. Sie bleiben bei ihren Eltern oder müssen sich eine Wohnung teilen, bzw. sie müssen sich überschulden“, meint Peter Palmstierna, der Sprecher des Mieterverbandes, der ohne zu zögern von einer „verlorenen Jugend“ spricht.


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