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Titel: Der große Sodann ist tot (1. Juni 1936 – 5. April 2024)

Datum: 8. April 2024 um 8:59 Uhr
Rubrik: einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte
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Als Helene Weigel 1964 den rothaarigen, gelernten Werkzeugmacher am Berliner Ensemble für dessen Traumberuf angestellt hatte, soll eine Schauspielkollegin geraunt haben: „Gott, ist der hässlich.“ Von Diether Dehm.

Der Einmeterachtundsechzig-Kleine musste überwiegend mit kreativer Intelligenz zum Großen wachsen. Mit tiefer Stimme, mit endlos langen Spannungsbögen über seinen Sprechpausen, mit dem argwöhnisch zugekniffenen rechten Auge lud er sein Publikum zum Mitdenken ein. Ob er nun Karl May las, den Brecht oder ob er den ersten ostdeutschen Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher 15 Jahre lang für die ARD spielte.

Er war Theaterintendant, Regisseur, Schauspieler, Rundfunksprecher, später Bibliotheksleiter, aber immer: Friedenskämpfer.

So sprach er am 15.2.2003 neben Konstantin Wecker und Reinhard Mey am Goldenen Engel in Berlin vor den 500.000 Menschen gegen eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg. Und anrührend davon, wie er seinen Vater an der Ostfront verloren hatte.

Peter Sodann wollte im Brecht’schen Sinne nützlich sein. Und ließ sich darum auch nutzen. Als er von der Stadt Halle als Intendant „vor die Tür des Neuen Theaters gesetzt worden war“, das er 1981 mit eigenen Händen aufgebaut hatte, erklärte er das sich und anderen, er habe „wohl dort zu kämpferisch und zu oft den 1. und den 8. Mai gefeiert“.

Und dann war der gewitzte Gysi 2009 auf einen Floh in Sodanns Ohr verfallen: dessen Kandidatur als Bundespräsident. Aber allein, weil Peter zwar über ein ungeheures Darstellertalent verfügte, aber über so gar nichts Präsidiales, hätten ihm gute Freunde dieses gewiss ausgeredet. Hätte nicht Gysi den populären Schauspieler beschworen, es vorerst niemandem zu erzählen, schon garnicht in der Führung der Linkspartei. Nutznießer dieses Coups war Gysi selber. Denn er, der Ewig-Stasi-Verdächtigte, konnte nun Peter Sodann neben sich vorzeigen: einen, der selbst monatelang in Stasi-Einzelhaft gesessen hatte. Aber der Künstler zahlte teuer für diese Weißwäscherei. Als er zur Strafe für die Präsidentschafts-Kandidatur von den ARD-Granden alle TV-Rollen gestrichen bekommen hatte, gab es von Gysi nicht viel mehr als ein warmes Beileid. Parteipolitik ist schon deswegen oft so unpolitisch, weil sie instrumentalisiert.

Gleichwohl: Auch für den bitter gewordenen Peter Sodann wurde Solidarität keine Einbahnstraße und sein Talent war auch für die Marktplätze. Nach 1989 rettete er hunderttausende Bücher des „Leselands DDR“ vor dem Reißwolf des Wilde-Werte-Westens. In zwei großen Archiv-Gebäuden stampfte er die „Peter-Sodann-Bibliothek“ in Staucha aus dem Boden, etikettierte, katalogisierte und verlieh Bücher, von denen er fürchten musste, dass sie ansonsten vielleicht sogar verbrannt würden.

Wieder und wieder alleine gelassen: gerade von jenen, die sich am Berliner Ensemble, bei Dreharbeiten des ARD-Stars und während der Feiern des neuen Ehrenbürgers von Halle, Peter Sodann, gerne in seiner Nähe gesonnt – aber hinter seinem Rücken den Kopf über den „betenden Kommunisten“ und den „Putin-Versteher“ geschüttelt hatten. Dem widerborstigen Streiter stand dabei immer seine Frau Conny zur Seite. Sonst hätte die Krankheit ihn wohl schon eher erwischt.

Ende letzten Jahres fragte er mich, wie wir wieder mehr als „nur ein paar Zehntausend gegen die NATO, für Frieden mit Russland und in Gaza über alle Parteigrenzen und Blockaden hinweg“ mobilisieren könnten. Seine Frage sei hiermit weitergereicht.

Diether Dehm arbeitete künstlerisch und politisch eng mit Peter Sodann zusammen; u.a. an Revuen im Neuen Theater Halle, am Theaterstück „Heimatabend“ mit Sodann und Norbert Blüm; am Theaterstück „ABS“ im Saal der Auschwitzprozesse Ffm. (Weltnetz.tv), an der Roman-Vertonung des Hörbuchs „Bella Ciao“ und bei diversen CDs.

Titelbild: Tagesschau


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