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Titel: Julian Assange darf vielleicht Berufung einlegen
Datum: 26. März 2024 um 15:53 Uhr
Rubrik: einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Erosion der Demokratie
Verantwortlich: Redaktion
Heute Morgen hatten die NachDenkSeiten darüber berichtet, dass das Londoner High Court heute bekannt geben wird, ob Julian Assange weitere Rechtsmittel gegen seine Auslieferung an die USA einlegen kann. Heute kurz vor 12 Uhr MEZ wurde die folgende Entscheidung verkündet: Julian Assange darf Berufung einlegen, es sei denn, die USA geben Zusicherungen, dass Julian in den USA nicht die Todesstrafe droht und dass er nicht dadurch benachteiligt wird, dass er Australier ist und kein US-Staatsbürger. Julian Assange war auch heute nicht persönlich am Gericht anwesend. Von Moritz Müller.
Die USA haben nun bis zum 16. April Zeit, diese Zusicherungen zu geben. Tun sie dies nicht, so kommt es ohne eine weitere vorherige Anhörung zu einer Berufungsverhandlung am High Court, deren Zeitpunkt in den Sternen steht – so zumindest gefühlt für den auf sechs Quadratmetern eingesperrten Julian Assange.
Falls die USA Zusicherungen einreichen, können wiederum die Verteidiger von Julian Assange ihre Kommentare zu diesen Zusicherungen einreichen. Dann würde das High Court nochmals zusammentreten, um über den Berufungsantrag zu entscheiden. Das Datum hierfür ist der 20. Mai „oder möglicherweise zu einem vom Gericht bekannt gegebenen späteren Zeitpunkt“.
Es ist erstaunlich, dass die USA ein weiteres Mal eingeladen werden, Zusicherungen zu geben, nachdem die eigentliche Anhörung stattgefunden hat. Julian Assange wurde es im heutigen Bescheid verwehrt, neue Beweise einzubringen.
BREAKING: Julian Assange may still be extradited to the US in three weeks if US Gov provides "assurances" – previously deemed by Amnesty as "inherently unreliable" – including that he will not be prejudiced at trial by reason of his nationality and not receive the death penalty… pic.twitter.com/H90vu00oV8
— WikiLeaks (@wikileaks) March 26, 2024
„Erstaunlich“ war auch das Erste, was Stella Assange heute vor dem Gericht sagte. Sie war sichtlich außer sich, und man merkte ihr an, dass es für sie schwer war, diese Wendung zu erfassen. Stella Assange sagte außerdem, dass die USA nun eingeladen seien, von politischer Seite einen Brief zu schreiben, während es ihrem Mann nicht erlaubt würde, Beweise dafür einzubringen, dass die USA Pläne schmiedeten, ihn zu entführen oder zu töten. Sie forderte den US-Präsidenten dazu auf, diesen Fall zu den Akten zu legen. Stella Assange war die Einzige, die heute direkt nach dem Termin vor die Kameras trat, obwohl hinter ihr Kristinn Hrafnsson und Joseph Farrell von Wikileaks, der ecuadorianische Ex-Konsul Fidel Narvaez und Rebecca Vincent von Reporter ohne Grenzen zu sehen waren.
Martin Sonneborn schreibt in einem Tweet von „mindestens einem weiteren Jahr im kafkaesken Rechtssystem Großbritanniens. Aber immerhin keine direkte Auslieferung an die USA.“
Nach dem heutigen Richterspruch erscheint das Vorgehen der britischen Justiz einmal mehr genau auf die Bedürfnisse der USA zugeschnitten. Dadurch, dass den USA die Abgabe von Zusicherungen erlaubt wird, wird das Ansetzen der Anhörung am High Court um mindestens weitere acht Wochen hinausgezögert. Der High Court tagt in der jetzigen Periode vom 2. Oktober bis zum 31. Juli, sodass mit der Verzögerung durch die Möglichkeit der Abgabe der Zusagen dort höchstwahrscheinlich eine Anhörung nicht vor Oktober stattfinden wird.
Die US-Präsidentschaftswahl findet am 5. November statt, und es würde mich nicht wundern, wenn die Anhörung erst danach richtig in Gang käme. Derweil können die sogenannten Leitmedien weiter den Ruf von Julian Assange schädigen, wie vor knapp zwei Wochen im ZDF geschehen.
Parallel dazu werden in den USA Gerüchte gestreut, dass es zu einer Verständigungsvereinbarung (Plea Deal) zwischen den USA und Assange kommen könnte, und Julian Assange kann dann als derjenige dargestellt werden, der sich uneinsichtig bzw. nicht kompromissbereit zeigt. Kevin Gosztola hat das Thema in diesem Artikel (auf Englisch) analysiert.
Der öffentliche Druck auf die Beteiligten muss weiter erhöht werden, damit hier kein endgültiger abschreckender Präzedenzfall in Sachen Pressefreiheit geschaffen wird. Von dieser abschreckenden Wirkung hat auch Heribert Prantl am 14. März in der Sendung von Markus Lanz eindrücklich gesprochen, und er hat das hier (leider hinter einer Bezahlschranke) auch beschrieben.
Auch die NachDenkSeiten und ich werden in dieser Sache natürlich weiterhin am Ball bleiben.
Anmerkung: In einer früheren Fassung stand an einigen Stellen „Supreme Court“ anstatt „High Court“.
Titelbild: sal1661/shutterstock.com
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