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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Albrecht Müllers Wochenrückblick: Wo bleibt das Positive? Wo das Konstruktive?
Datum: 11. November 2011 um 16:24 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Neoliberalismus und Monetarismus
Verantwortlich: Albrecht Müller
Regelmäßig erhalten wir Mails von NachDenkSeiten- Freundinnen und –Freunden, die uns diese Fragen stellen. Die Frage nach dem Konstruktiven ist relativ einfach zu beantworten. Trotz aller Kritik machen wir in der Regel konstruktive Vorschläge – zum Beispiel zur direkten Finanzierung der europäischen Länder durch die EZB, zum Beispiel zur Ankurbelung der Binnennachfrage im Vorfeld einer drohenden Rezession, zur Hochschulpolitik, zur Steuerpolitik usw. Die Frage nach dem Positiven ist ein bisschen schwieriger zu beantworten. Es gibt nicht sehr viel Positives. Das liegt aber nun nicht an uns NachDenkSeiten-Machern. Die Politik hat sich zum Spielball übermächtiger Finanzinteressen gemacht, ein Großteil der Wissenschaft klärt nicht auf, die Medien werden ihrer Rolle als kritische Wächter nicht gerecht. Was können wir dafür? Wie sollen wir mit diesem bedrückenden Befund umgehen? Albrecht Müller.
Was können wir dafür? Der Befund ist bedrückend, schauen wir nur auf diese Woche zurück:
Wie kommt es zu dieser einseitigen Zusammensetzung des Sachverständigenrates? Das ist wieder eine jener unumgänglich kritischen Fragen. Eine der Ursachen: die rot-grüne Bundesregierung hat ihre Möglichkeiten zur personellen Absicherung einer vernünftigen ökonomischen Politik in der wirtschaftspolitischen Beratung nicht genutzt. In der Regierungszeit von Schröder und Clement wurde zum Beispiel im Juni 2004 die verlässlich neoliberal tickende Sachverständige Beatrice Weder di Mauro ernannt. Auch der Vorsitzende des Sachverständigenrates Wolfgang Franz wurde 2003 zur Zeit von Rot-Grün ernannt. Ist das nicht zum Verzweifeln? Hätte Rot-Grün keine neoliberalen Ideologen, sondern an der Sache und am Gemeinwohl orientierte Wissenschaftler ernannt, gäbe es dafür heute eine Mehrheit.
Wie gehen wir mit dieser bedrückenden Lage um? Macht es Sinn, immer wieder und in neuen Variationen auf Fehler hinzuweisen und zu kritisieren?
Ich gebe zu, dass ich manchmal unsicher werde. Was sollen zum Beispiel meine erwachsenen Kinder, wie alle andern 20-45 Jährigen, mit unseren kritischen Analysen anfangen? Schließlich haben sie genug damit zu tun, sich in ihrem Beruf und ihrer Ausbildung durchzukämpfen.
Die fortwährende Kritik deprimiert, zumal die Lösung, sich politisch zu organisieren, bei weitem nicht so aussichtsreich erscheint, wie in jener Zeit, als meine Generation ihre kritischen Analysen anstellte und sich Gedanken darüber machte, was und wie man in Politik und Gesellschaft etwas ändern könnte. In den 1960ern und 1970ern schien das politische Engagement noch erfolgversprechend. Es gab viele im Freundeskreis, die mitzogen. Und man hatte das Gefühl, etwas ändern zu können. Im kommunalen Bereich sowieso, aber auch auf den nächsten Stufen, im Land und im Bund.
Auch bei Älteren, Freunden aus meiner Generation, merke ich, dass sie die andauernde Kritik oft satt haben und abschalten wollen. So arrangieren sich zum Beispiel viele mit der Perspektive, einen SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück zu bekommen und meinen, dass damit vielleicht wieder eine Alternative eröffnet wird. Ich muss das respektieren, auch wenn ich persönlich diesen Fehlgriff auch künftig anprangern werde. .
Andere wollen sich nicht immerzu vom allgemein verbreiteten Denken und Glauben ausgeschlossen fühlen und am Rande stehen. In Gesprächsrunden mit Freunden nur immer den warnenden Zeigefinger zu heben ist schwierig. Damit stört man soziale Beziehungen – man wird zum Nörgler abgestempelt. Dass dies viele nicht wollen oder nicht aushalten, kann ich gut verstehen. Schließlich weisen wir ja selbst immer wieder darauf hin, dass die totale Manipulation möglich ist. Wenn das aber so ist, dann muss man auch akzeptieren, dass sich manche mit den allgemein verbreiteten Deutungen arrangieren.
Bei allem Verständnis für solche persönlichen Reaktionen, wir werden trotzdem weiter Kritik üben und über Alternativen nachdenken. Andernfalls müssten wir das Projekt NachDenkSeiten an den Nagel hängen.
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