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Titel: Tesla in Grünheide – Auswertung einer Bürgerbefragung: Mehrheit gegen Erweiterungspläne
Datum: 23. Februar 2024 um 15:21 Uhr
Rubrik: Erosion der Demokratie, Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Redaktion
Elon Musk, Eigentümer des US-Elektroautobauers Tesla, denkt groß, sehr groß. Dort, wo der eloquente, milliardenschwere Geschäftsmann auftaucht, werden Nägel mit Köpfen gemacht. So auch in Deutschland. Bei Berlin, in Grünheide, ist zu sehen, wie das geht, wenn ein Amerikaner seines Schlags, seines Einflusses (Geld) und seines Egos seinen Traum verwirklicht: gierig, euphorisch, opulent und ehrgeizig. Doch stößt die nimmersatte Expansion des Werkes, welches sinnigerweise „Gigafactory“ heißt, nicht nur auf begeisterte Zustimmung. Die Bürgerinitiative Grünheide konnte gerade eine vielbeachtete öffentliche Bürgerbefragung auf den Weg bringen, deren Ergebnis eine Ablehnung vieler Bürger im Umfeld der gigantischen Tesla-Anlage ergab. Ein Kommentar von Frank Blenz.
Lohnen sich Bürgerbefragungen, wenn sie ohne Konsequenzen bleiben?
Viele Menschen machen sich in diesen Zeiten Gedanken über den Zustand unserer Gesellschaft, fragen sich, was Demokratie bedeutet und wie es um diese in Deutschland bestellt ist. Viele beantworten sich diese Fragen eher negativ, sorgenvoll blickt man in die Runde. Wie ein erfreulicher, erfrischender Luftzug demokratischer Natur fühlt es sich umso mehr an, wenn eine Bürgerinitiative mit einem berechtigten Anliegen gehört wird und die Befragung der betroffenen Bürger erfolgreich ist. Sogar große Medien (hier das ZDF) berichten:
Die Erweiterungspläne für die Fabrik des US-Elektroautobauers Tesla in Grünheide bei Berlin stoßen bei einer Bürgerbefragung mehrheitlich auf Ablehnung. Gegen das Vorhaben votierten 3.499 Einwohner, 1.882 dafür, wie der Bürgermeister von Grünheide mitteilte. Die Bürgerbefragung ist allerdings nicht bindend.
Dieser Wermutstropfen schmeckt indes bitter: „Die Bürgerbefragung ist allerdings nicht bindend.“
Wird trotz der offensichtlichen Forderungen der Bürger in der Region Grünheide zur Tagesordnung übergegangen, weil ihr Willen ja nicht bindend ist, bedeutet das die weitere Umsetzung der Tesla-Pläne, die bislang einzig Expansionspläne eines globalen Akteurs sind, der Deutschland lediglich als temporären strategischen Standort sieht. Das Prädikat „nicht bindend“ ist auch eine Ohrfeige für die engagierten Bürger, die demokratische Basisarbeit leisten. Der Zustand unserer Gesellschaft spiegelt sich in dieser Ignoranz der Entscheidungsträger und der Heuchelei. Wie soll man es sonst als Bürger verstehen, dass man zwar befragt wird, aber dann doch die Entscheidungen anders gefällt werden?
Bei aller kurzfristigen Freude der Aktivisten der Bürgerinitiative sei auch gesagt: Moneymaker Elon Musk wird die aktuelle Ablehnung der Nachbarschaft zu seinen Plänen wohl wenig jucken. Musk ist ja auch kein Demokrat, er ist ein amerikanischer Unternehmer, der durchstartet. Ähnliche Bürgerbefragungen und Engagements werden in seiner Heimat hinterm großen Teich meist ebenfalls dem alles beherrschenden Big Business untergeordnet. Warum sollte das in Deutschland anders sein? Hilfreich ist auch dieser Fakt: Gerade die hiesigen Entscheidungsträger schauen gern auf das Vorbild USA und folgen diesem. In Grünheide ist seit dem ersten Spatenstich zu beobachten, wie rote Teppiche ausgerollt werden. Zur Freude von Elon Musk. Und, ach ja, es geht auch um Arbeitsplätze.
Die Geister, die ich rief? Die Gigafactory ist SO kein Segen
„Wenn der Musk merkt, dass sein Geschäft in Deutschland sich nicht so rechnet, wie er es sich vorgestellt hat, dann ist der so schnell wieder weg, wie er gekommen war“, sagen Menschen mit Beobachtungsgabe und gesundem Misstrauen. Doch vorher, vor dem Kassensturz, wird geklotzt, als gäbe es kein Morgen. Trotz der Tatsache, dass alle Beteiligten am Projekt Gigafactory wissen, dass Teile des Geländes in einem Wasserschutzgebiet liegen, wurde und wird gebaut. Das Thema Wasser war und ist ein Wichtiges. Doch was stört das einen Musk, dem die Politik auch noch prominent zur Seite springt?
„Die Geister, die ich rief“, heißt es. So werden die Grünheider sie einfach nicht mehr los?
Tesla hat in Grünheide bis jetzt eine Fläche von 300 Hektar inne. Tesla baut die Produktion seiner elektrischen Fahrzeuge schrittweise aus. Immer mehr und mehr Autos sind geplant, dazu braucht es noch mehr Platz. Musk will und wird (?) weitere Flächen kaufen. An die 100 Hektar Wald werden weichen für neue Werkhallen, einen eigenen Güterbahnhof, für Logistikflächen und sogar für einen Gigafactory-Kindergarten. Elon Musk mit Herz.
Eine Gewerkschaft ist hingegen nicht vorgesehen, das stünde Musks Interpretation einer freien Unternehmenskultur in der gigantischen Fabrik entgegen, die die Mitarbeiter, zunächst überaus euphorisch und einnehmend angeworben, tagtäglich zu spüren bekommen. Egal, auch ein schlechter, unfairer Arbeitsplatz made in USA ist einer. Zumindest kämpfen die Mitarbeiter gegen die Missstände an und legen offen, unter welch‘ skandalösen Bedingungen in Grünheide schicke Teslas produziert werden.
Die Politik macht munter bei diesem ganzen Treiben Musks mit, wo doch ein notwendiges Nachverhandeln in allen Bereichen erforderlich wäre. Bei aller unternehmerischer Freiheit: Soll es denn wirklich nicht möglich sein, ein nachhaltiges, zukunftsweisendes Werk, Rücksicht auf das Umfeld, die Umwelt und ein gesundes, faires Betriebsklima hinzubekommen, was alles auch berechtigterweise kritische Bürger mittragen können?
In dem NDS-Artikel ist ein Beispiel politischer Fehlleistung genannt, die Forderung dagegen und der nüchterne Befund zu unternehmerischer Gier:
Minister Habeck könnte man wirklich folgen, würde der Grüne nicht den privaten Wasserverbrauch limitieren, sondern Musk in die Schranken verweisen, denn ein Unternehmen gut zu führen, heißt nicht, nur auf Maximierung und Expansion zu bauen. 500.000 Fahrzeuge pro Jahr sind zu viel, eine geplante Batterieproduktion im Naturschutzgebiet unsinnig. Das muss der kluge, clevere, weltgewandte und visionäre Elon Musk wissen, auch um seiner Willen. Er weiß es, aber er handelt anders.
Die Bürger wollen eines: Unternehmerisches Handeln mit Augenmaß und Rücksicht
Tatsächlich hat der hier viel kritisierte Autogigant Tesla an und für sich enormes Potenzial in die Region gebracht: An jedem (kritisierten) Arbeitsplatz des Automobilherstellers hängen ein, zwei Dutzend weiterer, vom Service bis zum Zulieferer, von Dienstleistungen bis zum Transport und so weiter. Handel und Wandel kommen in Fahrt. Die Bürger der Region freut das, sie bleiben dennoch besorgt, dass Musk seiner kühlen Vision der Maximierung folgt. Für eine kurze Zeit freuen sich engagierte Bürger über einen Erfolg gegen einen Giganten:
Das Nein zur Erweiterung ist ein historischer Sieg für den Wald- und Wasserschutz – nicht nur in Grünheide, sondern auch für ganz Brandenburg und Berlin.
Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide
Titelbild: Tobias Arhelger/shutterstock.com
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