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Titel: Venezuela: Sanktionen, Einflussnahme und Souveränität
Datum: 11. Februar 2024 um 12:00 Uhr
Rubrik: Länderberichte, Ressourcen
Verantwortlich: Redaktion
Am 18. Oktober 2023 lockerte die Regierung von Joe Biden einige Sanktionen gegen Venezuela. Neben der vorübergehenden Aussetzung der Beschränkungen für Bankgeschäfte, Bergbauaktivitäten und Schuldentransaktionen erteilte das US-Finanzministerium eine sechsmonatige Lizenz für Geschäfte mit dem venezolanischen Öl- und Gassektor. Dieser Schritt weckte unrealistische Erwartungen an die wirtschaftliche Erholung des Landes und (berechtigte) Forderungen an die Regierung von Präsident Nicolás Maduro, Probleme wie die Löhne im öffentlichen Sektor anzugehen. Die Entwicklung der letzten Wochen zeigt jedoch ein anderes Bild. Sanktionen und die ständige Drohung mit einer erneuten Verschärfung zielen letztlich darauf ab, die Fähigkeit des Landes zur Ausübung seiner Souveränität zu beeinträchtigen. Von Ricardo Vaz.
Was beinhaltet die Lizenz?
Die Aussetzung von Zwangsmaßnahmen ist nicht gleichbedeutend mit ihrer Aufhebung, schon gar nicht, wenn es sich um eine befristete Aussetzung wie die General License 44 handelt. Obwohl diese zweifellos zu einer verstärkten Aktivität im venezolanischen Energiesektor geführt hat, lohnt es sich zu analysieren, welche Art von Geschäften stattfindet.
Die GL44 erlaubt es US-Akteuren, bis April 2024 in venezolanisches Öl und Gas zu investieren und es zu kaufen. Fast unmittelbar nach Erteilung der Lizenz drohten US-Regierungsvertreter öffentlich mit der erneuten Verhängung von Sanktionen, sollte die Regierung Maduro nicht näher spezifizierte „demokratische Bedingungen” nicht erfüllen. Hinter den Kulissen stellte das US-Finanzministerium sicher, dass Investoren wussten, dass die Lockerung der Sanktionen „kein Aufruf zu Investitionen” war.
In den vergangenen Wochen gab es rege Aktivitäten, in erster Linie bei Spotverkäufen von Rohölladungen. Große Händler kauften venezolanisches Öl, und zu den Endbestimmungsorten gehörten indische Raffinerien, sowohl staatliche als auch private.
Die Möglichkeit, Rohöl „offen” zu exportieren, hat dazu geführt, dass die Verkäufe viel näher an den Marktpreisen liegen und die erheblichen Preisnachlässe und dubiosen Zwischenhändler weggefallen sind, die Venezuela zuvor zur Umgehung der Sanktionen eingesetzt hatte. Der Ökonom Francisco Rodríguez schätzt, dass die Öleinnahmen allein durch diesen Preisanstieg jährlich um rund 3,7 Milliarden US-Dollar steigen könnten.
Doch obwohl es an potenziellen Käufern nicht mangelt, ist PDVSA nicht in der Lage, umfangreiche Investitionen zu tätigen, um seine Produktionsobergrenze anzuheben. Und die Geschäfte, die zustande gekommen sind, fanden unter sehr speziellen Bedingungen statt.
Das „Chevron-Modell”
Die wichtigste Vereinbarung der letzten Wochen betrifft die Reaktivierung eines Joint Ventures mit Maurel & Prom im Westen Venezuelas. Der französische Multi hatte sich lange um eine Rückkehr in den Karibikstaat bemüht, insbesondere mit Plänen zur Gewinnung von abgefackeltem Erdgas aus Ölfeldern.
Einige Wochen später schloss der spanische Konzern Repsol einen ähnlichen Vertrag zur Erneuerung eines anderen gemischten Unternehmens, das Ölfelder sowohl im Osten als auch im Westen Venezuelas ausbeutet.
Konkrete Einzelheiten der Vereinbarungen sind nicht bekannt, aber von beiden wurde berichtet, dass sie sich am „Chevron-Modell” orientieren, unter Anlehnung an die Vereinbarung von Ende 2022, mit der der US-Ölgigant den Betrieb seiner Projekte in Venezuela wieder aufgenommen und ausgebaut hat.
Diese Abmachung sieht vor, dass ein Teil der Einnahmen zur Begleichung ausstehender Schulden verwendet wird. Außerdem übernimmt der ausländische Partner trotz seiner Minderheitsbeteiligung den Betrieb der Ölfelder und den Rohölverkauf. Letztere Aufgaben lagen bisher nicht nur als Mehrheitsaktionär, sondern auch aufgrund der Energiegesetzgebung immer in der Verantwortung von PDVSA.
Angesichts der Sanktionen, die „Flexibilität” verlangen, bleiben die Aussichten jedoch düster. Die geplanten Produktionssteigerungen von Chevron, Maurel & Prom und Repsol belaufen sich in den nächsten Jahren auf etwa 120.000 Barrel pro Tag (bpd). Die venezolanische Produktion lag zuletzt bei 780.000 bpd, sodass die Partnerschaften mit ausländischen Unternehmen nicht einmal ausreichen, um die symbolische Grenze von einer Million bpd zu überschreiten.
Da Erdölinitiativen nur begrenzte Möglichkeiten bieten, hat die Regierung Maduro ihre Aufmerksamkeit auf Erdgas gelenkt, das wiederum seine eigenen Beschränkungen und Möglichkeiten hat.
Verlust von Anteilen
Ein kürzlich mit Trinidad und Tobago unterzeichneter 30-Jahres-Vertrag zur Exploration von Offshore-Erdgasvorkommen könnte ebenfalls einen neuen Standard für künftige Partnerschaften setzen. Das Dragon Gas Field Project (Campo Dragón) scheint wie maßgeschneidert für Shell zu sein, das Berichten zufolge einen Anteil von 70 Prozent an dem Joint Venture halten und den Betrieb leiten wird, während die National Gas Company (NGC) aus Trinidad die restlichen 30 Prozent halten wird. PDVSA wird kein Anteilseigner sein, und Venezuela wird (nur) Steuern und Lizenzgebühren erhalten.
Es ist wichtig klarzustellen, dass dieses Abkommen nicht gegen die venezolanische Kohlenwasserstoffgesetzgebung verstößt. Während PDVSA gesetzlich verpflichtet ist, eine Mehrheitsbeteiligung an Ölprojekten zu halten, gibt es für Erdgas keine solche Beschränkung. Der frühere Präsident Hugo Chávez hatte darauf gedrängt, dieses Schlupfloch zu schließen, aber es wurden keine Schritte in diese Richtung unternommen.
Die Campo Dragón-Initiative ist in dieser Hinsicht keine Neuheit. So gehört Cardón IV beispielsweise dem spanischen Konzern Repsol und dem italienischen Konzern Eni (zu je 50 Prozent). Die Werbung für mögliche Erdgasinvestitionen in Venezuela ist nicht nur der europäischen Nachfrage und der Tatsache geschuldet, dass Erdgas im Vergleich zu Öl eine „sauberere” Energiequelle ist. Wenn PDVSA eine Minderheitsbeteiligung oder gar keine Beteiligung hält, gelten die US-Sanktionen nicht[1], allerdings holen sich die Unternehmen immer noch zuerst in Washington grünes Licht.
Beim Dragón-Deal hatte die Regierung Maduro ursprünglich die „koloniale” Auflage der USA zurückgewiesen, dass Venezuela kein Geld aus dem Projekt erhält. Obwohl das US-Finanzministerium die entsprechende Lizenz im Oktober geändert hat, könnte die Tatsache, dass PDVSA kein Anteilseigner ist, bedeuten, dass es Lizenzgebühren und Steuern über die Erdgaslieferungen erhält.
Venezolanische politische Führungspersönlichkeiten preisen das Abkommen mit Trinidad als einen wichtigen Schritt, der angesichts der Notwendigkeit, Investitionen anzuziehen, ganz normal sei. Bei einer geschätzten anfänglichen Fördermenge von 185 Millionen Kubikfuß pro Tag beläuft sich das Projekt bei den derzeitigen Gaspreisen (2,5 US-Dollar pro tausend Kubikfuß) auf etwa 170 Millionen US-Dollar pro Jahr. Wenn sich die Lizenzgebühren und Steuern auf 50 Prozent summieren, was sicherlich zu hoch geschätzt ist, würde dies 85 Millionen Dollar an Einnahmen für die Staatskasse bedeuten. Das ist zwar nicht unerheblich, aber sicher kein Betrag, der alles verändert.
Gefährdung der Souveränität
Das ganze Getöse und die schiere Absurdität, die die von Juan Guaidó geführte „Übergangsregierung” umgaben, haben zu einer falschen Wahrnehmung der Sanktionen beigetragen. Während Donald Trump und seine Vertreter sich damit brüsteten, „maximalem Druck” auszuüben, um einen Regime Change durchzusetzen, wurden die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen als gezielte Operation mit kurzfristigen Zielen dargestellt.
Die Realität ist aber, dass die Sanktionen die Ökonomien des Globalen Südens beeinträchtigen und ihre Souveränität langfristig untergraben. Sie sind ein immer wichtigeres Instrument im Arsenal Washingtons, um seine zerfallende Hegemonie zu verteidigen.
Der Fall Venezuela zeigt dies sehr deutlich. Bei den jüngsten Vereinbarungen mit Chevron, Maurel & Prom, Repsol und Shell hat PDVSA im Vergleich zu früheren Standards sehr ungünstige Verträge abgeschlossen. Die Sanktionen trafen zunächst die Kapazitäten und die Infrastruktur von PDVSA sowie die gesamte venezolanische Wirtschaft. Dann errichteten sie Hürden und stellten dringende Anforderungen, wenn es darum ging, neue Verträge abzuschließen.
Mit anderen Worten: Der Einfluss von PDVSA bei Verhandlungen mit ausländischen Partnern über die Ausbeutung venezolanischer Ressourcen ist sehr viel geringer geworden. Die Regierung Maduro ist nicht aus der Verantwortung, weder bei Energiegeschäften noch in der allgemeinen Wirtschaftspolitik, aber das Spielfeld hat sich eindeutig verschoben. Die Kehrseite der Zugeständnisse an das Privatkapital ist eine geringere Fähigkeit, soziale Belange anzugehen, ganz zu schweigen von den Forderungen der Basis, was ebenfalls beunruhigende langfristige Folgen hat.
Fast 25 Jahre lang haben die verschiedenen US-Regierungen versucht, den Bolivarischen Prozess mit einer Vielzahl von Strategien zu Fall zu bringen, und setzten vor allem auf den Wirtschaftskrieg. Sie haben ihr Ziel nicht erreicht, aber es ist ihnen gelungen, einige der wichtigsten Errungenschaften der Revolution wieder zurückzudrehen und den multinationalen Konzernen günstigere Bedingungen zu verschaffen.
Wir sollten damit rechnen, dass die Sanktionen in Kraft bleiben, sei es in ihrer vollen Form oder in der neuesten Kombination aus Lizenzen und Drohungen.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.
Titelbild: Shutterstock / Prehistorik
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[«1] Die US-Sanktionen blockieren Vermögenswerte und verbieten Transaktionen mit Unternehmen, an denen PDVSA oder ein anderes venezolanisches Staatsunternehmen eine Mehrheitsbeteiligung hält.
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