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Titel: Zehn Jahre Maidan-Umsturz: Doppelte Standards und Gewalt nach innen und außen

Datum: 6. Februar 2024 um 11:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Gedenktage/Jahrestage, Länderberichte, Rechte Gefahr
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Der Maidan-Umsturz vor zehn Jahren war auch geprägt von Ultranationalisten – schon damals waren die ukrainischen Rechten für viele westliche Journalisten und Politiker hoch willkommen. Und das, obwohl schon 2014 deutlich war, dass der rechte Staatsstreich in der Ukraine zum Krieg in Europa führen kann. Zusätzlich werden aktuell die doppelten Standards und Widersprüche beim Umgang mit „Rechts“ besonders deutlich. Von Bernhard Trautvetter.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In diesem Monat jährt sich der Staatsstreich vom Februar 2014 in der Ukraine zum zehnten Mal. Zur Vorgeschichte des verfassungswidrigen Regierungswechsels gehört der Euromaidan, der im Westen als ‚Revolution der Würde‘ bezeichnet wird. Passend dazu feiern meinungsführende westliche Medien den Maidan auch als pro-europäische Demokratiebewegung. ‚Pro-europäisch‘ heißt hier pro EU. Die Medien werden dieses Jubiläum für ihre jeweilige Ausrichtung benutzen.

Am Maidan waren sehr unterschiedliche Kräfte beteiligt, darunter eine pro-westliche demokratiebewegte Opposition für eine Öffnung des Landes zur EU hin. Olaf Scholz erklärte einen Monat nach dem Beginn der gewaltsamen Invasion Russlands in die Ukraine im März 2022 kurz nach seiner seiner ‚Zeitenwende‘-Rede:

„Es geht um europäische Werte – um Demokratie und Freiheit, um die Stärke des Rechts.“

Das Element moderner Kriegspropaganda, demzufolge die eigene Seite das Gute verkörpert, die im Gegensatz zu den Feinden die Demokratie und menschliche Werte verteidigt, ist in allen Kriegen unserer Epoche beobachtbar.

Die andere Seite des Maidan: Gewalt und Ultranationalismus

Doch der Maidan hatte auch eine ganz andere Seite, bestehend aus Gewalt und Ultranationalismus gegen die Demokratie, Kräfte, die die Ende Februar 2014 installierte sogenannte „Übergangsregierung“ mit prägten. Der Rechtsbruch dieses Regierungswechsels ging der Krim-Krise voraus.

Olaf Scholz muss wissen, dass die Werte der Demokratie und Freiheit im aktuellen Krieg in Osteuropa von einer Regierung mit starken Demokratiefeinden untergraben werden. Zu diesen Kräften zählt die Partei ‚Swoboda‘, die enge Verbindungen zur NPD Sachsen unterhielt; Swoboda trug den Maidan-Protest mit. Zu Swoboda berichtete damals das ARD-Magazin Panorama in einem Bericht über den Einfluss rechter Kräfte auf den Maidan am Staatsstreich im Februar 2014 in Kiew:

Historisch bezieht sich Swoboda auf die »Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) unter Stepan Bandera (1909-1959). Dieser wird vor allem in der Westukraine als Freiheits- und Unabhängigkeitskämpfer verehrt, während er im Süden und Osten des Landes zumeist als Nazi-Kollaborateur gesehen wird.“

Damals ging die „Vaterlandspartei“ mit Vitali Klitschko in der Führung ein Bündnis mit Swoboda ein. Neben Swoboda waren weitere ultranationalistische und rechtsextreme Kräfte auf dem Maidan aktiv: Darunter waren paramilitärisch organisierte Gruppen des sogenannten „Rechten Sektors“. In seiner Führung befand sich der Neonazi Dmitrij Jarosch. Auf der Webseite prahlen einzelne Mitglieder mit ihren angeblichen oder tatsächlichen Kampferfahrungen in Tschetschenien oder im Kosovo.

Wer waren die Sniper auf dem Maidan?

Westmedien berichteten damals, der Maidan sei ein Opfer der Gewalt der damaligen pro-russischen Janukowitsch-Regierung gewesen. Das ARD-Magazin Monitor berichtete demgegenüber im April 2014 über die Gewalt auf dem Maidan im April 2014:

Das Ukraina-Hotel … war das damalige Zentrum der Demonstranten. …Wir sind nachts unterwegs mit Ermittler Sergej. Er zeigt uns mit einem Laser, dass es nicht nur Schusskanäle aus Richtung der Regierungsgebäude gibt. Einige Kanäle in den Bäumen deuten in die entgegengesetzte Richtung, wenn man durch Austrittsloch und Einschussloch leuchtet, oben ins Hotel Ukraina, damals die Zentrale der Opposition. Das aber passt schlecht zur Version des Generalstaatsanwalts, der uns nach Tagen Überzeugungsarbeit endlich empfängt. Er ist von der neuen Regierung eingesetzt, gehört dem rechtsnationalen Flügel der damaligen Opposition an, der umstrittenen Swobóda-Partei. … Haben also radikale Oppositionelle am Ende selbst geschossen, um Chaos zu erzeugen? Um Janukowitsch die Schuld anzuhängen? Die russischen Fernsehsender verbreiten Bilder, auf denen genau das zu sehen sein soll. Unsere Recherchen bestätigen, dass die Aufnahmen tatsächlich im Hotel Ukraina gemacht wurden. Aber wer da genau auf wen schießt, lässt sich nicht endgültig klären.“

Swoboda stellte nicht nur mehrere Regierungsmitglieder, darunter den Vizechef der Regierung und den Generalstaatsanwalt. Der Chef des „Rechten Sektor“, Dmitrij Jarosch, wurde im Verlauf der Ereignisse, die Panorama „Putsch“ nennt, Vizechef des „Nationalen Sicherheitsrates“, der wiederum von Andrej Parubi geleitet wurde, dem Ex-Sicherheitsbeauftragten des Maidan. „Swoboda“-Parteichef Oleh Tjahnibok hatte vor dem pro-westlichen Staatsstreich im Februar 2014 in Kiew über eine von ihm so genannte ‚russisch-jüdische Mafia‘, die die Politik in der Ukraine kontrolliere, Hetze verbreitet.

Die USA hatten im Vorfeld des verfassungswidrigen Regierungswechsels laut der US-Spitzenpolitikerin Victoria Nuland über fünf Milliarden Dollar fließen lassen, wie unter anderem die ZEIT berichtete:

Haben die Amis den Maidan gekauft? Fünf Milliarden Dollar für eine Revolution?

Die Bundeszentrale für politische Bildung ordnet die Fernwirkungen dieser Ereignisse vor zehn Jahren so ein:

Die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine, die vom Aufstieg der ehemals undurchsichtigen Neonaziorganisation Patrioten der Ukraine (PU) …geprägt sind, können aus rein politischer Perspektive betrachtet werden. Sie können jedoch nicht zur Gänze verstanden werden, ohne die … Aktivitäten einiger rechtsextremer Organisationen in der Ukraine zu berücksichtigen.“

Zu diesen Aktivitäten zählen auch Beteiligungen am Krieg in der Ukraine: „Kämpfer des Asow-Regiments würden in der Ukraine als Helden angesehen, weil sie schon 2014/15 und jetzt wieder ihr Leben und ihre Gesundheit für die Landesverteidigung gäben, so Umland: ‚Was genau der historische Hintergrund für die Entstehung der Einheit war, ist den Ukrainern, so glaube ich, letztlich egal’ …“, wie es der Politologe Umland einschätzt.

Doppelte Standards, Widersprüche und Falschdarstellungen

Der faschistische Anteil an der politischen und militärischen sowie gesellschaftlichen Macht in der Ukraine weist Parallelen zur Macht von rechtsextremen Kräften in anderen Weltkonflikten, etwa zu Israels Netanjahu-Regierung mit rassistischen Ministern wie dem Polizeiminister Ben-Gvir und dem Finanzminister Smotrich, der sich selbst als Faschisten bezeichnet, auf: „Ben-Gvir ist … ein Bewunderer des Terroristen Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron in eine Moschee eindrang, auf die Betenden schoss, 29 Menschen niedermetzelte …“, wie das Hamburger Abendblatt Anfang 2023 berichtete. Dessen ungeachtet erklärte Olaf Scholz am 17. Oktober letzten Jahres anlässlich eines Deutschlandbesuchs des israelischen Premiers Netanjahu:

„Deutschland und Israel, uns vereint die Tatsache, demokratische Rechtsstaaten zu sein. Unser Handeln fußt auch in Extremsituationen auf Recht und Gesetz.“ 

Daraus ergibt sich die Frage: Auf welche Gesetze und Werte bezieht sich Olaf Scholz, dessen ‚Ampel‘-Regierung Kriegswaffen in Kriegsgebiete liefert?

Und dieses Handeln steht im Widerspruch zu schön klingenden Worten von Olaf Scholz und der Bundesregierung, wenn sie gegen die Gefahr, die von erstarkenden Rechtsextremen und Faschisten in Deutschland ausgeht, mobilisieren. Nach den Correctiv-Enthüllungen erklärte Olaf Scholz laut Tagesschau in einem Videopodcast:

„Ich sage es in aller Deutlichkeit und Härte: Rechtsextremisten greifen unsere Demokratie an. Sie wollen unseren Zusammenhalt zerstören … alle gefordert, klar und deutlich Stellung zu beziehen: Für Zusammenhalt, für Toleranz, für unser demokratisches Deutschland.“

Die doppelten Standards, Widersprüche und Falschdarstellungen in existenziellen Fragen der Politik machen deutlich, wie wichtig der Schwur der 1945 aus KZ-Haft in Buchenwald befreiten Überlebenden ist: „Wir werden den Kampf erst aufgeben, wenn der letzte Schuldige vom Gericht aller Nationen verurteilt ist. – Die endgültige Zerschmetterung des Nazismus ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ideal.“ Einige kommunistische Überlebende ergänzten einige Tage nach der Befreiung, es gehe ihnen um „die endgültige Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln“. Das beginnt mit der Überwindung jeglicher Doppelzüngigkeit, der Überwindung einer immer massiveren Verarmungspolitik und Militarisierung nach innen und außen.

Titelbild: Olesia_O / Shutterstock


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