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Titel: Joe Bidens Außenpolitik gegenüber Lateinamerika: „Ich ignoriere dich”
Datum: 6. Januar 2024 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, USA, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Redaktion
Keine Einschüchterung oder Schikane wird erreichen, dass die Regierungen Lateinamerikas sich auf die Seite Washingtons stellen. Die USA sind nicht mehr der Hegemon der Hemisphäre. Nicht alle US-Administrationen und ihre Regierungen waren in Bezug auf Lateinamerika gleich, einige waren aggressiver, andere weniger aggressiv. Wir werden uns hier den Fall der Regierung von Joe Biden anschauen und ihre Nuancen, ihre Ignoranz und Indifferenz hervorheben. Von José A. Amesty R..
Wir erinnern uns daran, dass Biden im Wahlkampf zahlreiche Versprechen gemacht hat, um – in seinen Worten – die Ursachen der lateinamerikanischen und insbesondere der mittelamerikanischen Migration anzugehen, einen wirksamen Ansatz gegen Venezuela zu suchen und seinen „demokratischen” Stil in Lateinamerika zu befördern. Doch die Faktoren, die die Migration antreiben, haben sich kaum verändert. Venezuela setzt seinen Weg der Selbstbestimmung der Völker fort, und viele „Demokratien” wanken nach Auffassung der USA weiterhin.
Der Schwerpunkt dieser Ära Biden, der ein Produkt des Krieges in der Ukraine und jetzt des Gaza-Israel-Konflikts ist, hat die USA mit Westeuropa und dem Nahen Osten verbunden, wobei Biden mehr Glück mit den europäischen Verbündeten hat als mit den Drogen- und Migrationsproblemen Lateinamerikas.
Bidens diplomatisches Team hat bisher die meiste Zeit mit dem Versuch verbracht, Allianzen mit Europa, dem Nahen Osten und Asien neu zu schmieden. Erst in jüngster Zeit haben sie begonnen, Lateinamerika Aufmerksamkeit zu schenken. Jedoch sagen Parlamentarier ebenso wie Wirtschaftsführer, dass diese Bemühungen zu wenig seien. Sie würden deshalb die Geduld verlieren.
Die US-Regierung sagt, sie habe einen Plan. Letztes Jahr kündigte sie die Amerikanische Partnerschaft für wirtschaftlichen Wohlstand (Asociación de las Américas para la Prosperidad Económica, Apep) an. Kritiker sagen aber, dass die Apep heute kaum mehr ist als ihre Initialen. Die Unternehmen sind frustriert, da sie keine Möglichkeit haben, der Regierung ihre Erwartungen an das geplante Abkommen vorzutragen. Es hieß, dass es Ende 2022 oder Anfang 2023 Verhandlungen geben werde. Aber tatsächlich geschieht nichts.
Sogar Bidens Verbündete sind besorgt, denn wenn es keine raschen Fortschritte im Wettlauf um wirtschaftlichen Einfluss in Lateinamerika und der Karibik gibt, werden die USA weiter hinter China zurückfallen. Peking hat in der Region bereits 20 Mitgliedsländer in seiner Belt-and-Road-Wirtschaftsinitiative.
Letztlich werden der politische Druck und die Wirtschaftssanktionen der Biden-Administration und anderer US-Regierungen gegenüber den lateinamerikanischen und karibischen Ländern dazu führen, dass diese sich gezwungen sehen, ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China und Russland zu vertiefen.
Wenn Chinas Angebot lautet: Wir verlangen keine Reformen, wir bieten nur etwas Geld an, es gibt eine Investition. Und wenn das Angebot der USA lautet: Helfen wir euch erst einmal dabei, all diese Dinge – politische, soziale und wirtschaftliche Auflagen – besser zu machen, dann werden wir für einen Austausch offen sein … Dann wird dies dazu führen, dass die USA immer weiter zurückfallen werden.
Auf der anderen Seite und in der gleichen Art und Weise plädieren die wichtigsten republikanischen Kandidaten im Vorfeld der Wahlen 2025 für eine Wiederbelebung der unter Donald Trump geschlossenen Abkommen mit „sicheren Ländern” in Lateinamerika, um Druck auf diese Länder auszuüben, die Migration zu verhindern. Und sie wollen die Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und andere verschärfen. Letzteres ist für einflussreiche Wähler in Südflorida eine Priorität.
Wenn das Weiße Haus 2025 die Führung wechselt, wird es also seinen außenpolitischen Schwerpunkt vom Atlantik auf Lateinamerika verlagern.
Dieses von uns erwähnte Desinteresse Bidens und seiner Außenpolitik gegenüber Lateinamerika zeigt sich zum Beispiel darin, dass Biden von 14 Auslandsreisen in 21 Länder als Präsident nur einmal in Lateinamerika war, und das nur für 48 Stunden.
Damit wollen wir nicht sagen, dass die Vorschläge der Demokraten und Republikaner der USA die Krise der westlichen Hemisphäre lösen werden, sondern ganz im Gegenteil, sie könnten uns in die Katastrophe führen, wenn sie es in einigen Ländern nicht schon tun.
Kurz gesagt, Demokraten und Republikaner leben tagtäglich in unterschiedlichen Welten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie so unterschiedliche Außenpolitiken formulieren.
Deshalb könnten Maßnahmen, die sich an den Republikanern orientieren, die Sympathien derjenigen Wähler für die Regierung Biden erhöhen, die der Meinung sind, dass die wichtigsten außenpolitischen Anliegen der USA näher an zu Hause als in Europa, Asien und dem Nahen Osten liegen.
Wenn wir zu unserem Hinterhof zurückkehren, etwa zu Mexiko und seinem aktuellen Problem mit Fentanyl als zerstörerische Droge in den USA, müssen sie einsehen, dass Mexiko ein wichtiger sozioökonomischer Akteur ist und sie die Beziehungen nicht gefährden sollten. Eine Intervention brächte hohe wirtschaftliche Kosten für die einfachen Amerikaner mit sich.
Keine Art von Abschreckung – egal, wie brutal sie sein mag – wird die Einwanderung und den Drogenhandel stoppen.
Letztlich wird keine Einschüchterung oder Schikane erreichen, dass die lateinamerikanischen Regierungen sich auf die Seite Washingtons stellen. Auch wenn man das von den republikanischen Kandidaten nicht hört, die USA sind bereits nicht mehr der allmächtige Hegemon der Hemisphäre.
Eine Spezialfall, was Bidens „Indifferenz” angeht, ist Kuba. Er machte mehrere Wahlkampfversprechen hinsichtlich der Überprüfung der Beziehungen zu Kuba, hat aber die Politik seines Vorgängers Trump beibehalten.
Diese Politik hat jedoch ihre Ziele nicht erreicht und führt dazu, die USA weiter zu isolieren. Die Insel wurde zum Mitglied der UN-Menschenrechtskommission gewählt, wobei sie das Land mit den meisten Stimmen in Lateinamerika wurde. Außerdem stimmten zum 30. Mal die UN-Mitgliedsländer fast einstimmig gegen die Blockade.
Die US-Politik gegen Kuba schränkt selbst die Rechte von US-Bürgern und Unternehmern ein, die inmitten einer globalen Wirtschaftskrise Geschäftsmöglichkeiten verlieren.
Wenn die US-Außenpolitik gegenüber Lateinamerika und der Karibik sich nicht ändert, wird sie die gleichen Früchte ernten, die Frankreich heute mit seiner Politik gegenüber den afrikanischen Ländern erntet. Sie werden von China und Russland besser behandelt, mit denen sie tragfähigere politische und wirtschaftliche Beziehungen wahrnehmen.
Drei Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten hat Biden eine eigene Agenda gegenüber Lateinamerika und der Karibik nur sehr unzureichend entwickelt. Er irrte sich in der Annahme, dass die Beibehaltung des republikanischen Ansatzes in der Region dazu beitragen würde, dass die Mitglieder dieser politischen Richtung bei den nächsten Wahlen für die Demokraten stimmen würden. Lateinamerika entfernt sich immer weiter von den USA, und Florida, einst ein Swing State, ist heute eine Republikaner-Hochburg.
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21
Titelbild: Shutterstock / Philip Yabut
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