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Titel: Corona? Für Literatur, Film und Fernsehen offenbar ein Tabu
Datum: 13. Dezember 2023 um 12:18 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kultur und Kulturpolitik, Medienkritik
Verantwortlich: Jens Berger
Jede zeitliche Periode, jedes mehr oder weniger wichtige geschichtliche Ereignis musste schon als Rahmen für unzählige Romane, Spielfilme oder sonstige Fernsehproduktionen herhalten. Wie viele Bücher und Filme gibt es beispielsweise, deren Rahmenhandlung der Mauerfall ist? Unzählige. Doch was ist mit den Coronajahren? Dabei gäben die Coronamaßnahmen und all die Irrungen und Wirrungen, die persönlichen Schicksale im Großen wie im Kleinen doch ein äußerst vielschichtiges Sujet für künstlerische Ansätze ab. Doch hier herrscht gähnende Leere. Noch nicht einmal in den zeitgenössischen TV-Produktionen dieser Jahre kamen Masken, Schulschließungen, Ausgangssperren oder der Umgang mit Ungeimpften vor. Ist das nicht seltsam? Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Allein im letzten Jahr sind in Deutschland fast 65.000 Bücher veröffentlicht worden. Die Zahl der Kino- und TV-Filme samt Serien geht in Zeiten von Streamingangeboten ohnehin durch die Decke. Man hat das Gefühl, jede Geschichte wurde in irgendeiner Form schon mal erzählt. Vor allem die großen Themen Liebe und Beziehungen, Alter und Tod, Verzweiflung und Hoffnung, Identität und Selbstfindung, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit oder ethische und psychologische Fragen sind die Dauerbrenner bei fiktiven Geschichten. Was sich allerdings ändert, ist der Rahmen, das Sujet. Man kann eine unvollendete Liebe in Zeiten des Mauerfalls, im Kontext der Flüchtlingsdebatte oder verschiedener Kriege erzählen. Der Rahmen gibt stets Ansätze für spannende Geschichten abseits des Haupterzählungsstrangs. Doch warum ist gerade die Coronapandemie ein Rahmen, der so gut wie nie gewählt wird?
Ließe sich keine gute Geschichte erzählen, bei der beispielweise die Eltern im Altenheim versterben, ohne dass man sie dank der Besuchsverbote ein letztes Mal gesehen hat und auf dem Sterbebett mit ihnen den letzten Frieden geschlossen hat? Wäre es nicht erzählenswert, sich die psychischen Probleme von Kindern in Zeiten der Schulschließungen und des Lockdowns einmal vorzunehmen? Und wie ist es mit der Liebe? Mein damals frisch verliebter Schwager aus Lörrach war beispielsweise wochenlang von seiner Freundin aus Basel durch einen Grenzzaun getrennt. Sie trafen sich dann illegal, indem sie die grüne Grenze übertraten. Ist das keine Geschichte, die erzählt werden kann?
Aber nein, diese Geschichten, die in welcher Form auch immer fast jeder von uns in den letzten Jahren erlebt hat, werden nicht erzählt. Noch nicht einmal als Rahmen scheint die Coronazeit für Autoren von Romanen und Drehbüchern interessant zu sein. Zumindest ist mir keine Produktion bekannt, bei der z.B. eine der handelnden Figuren eine Gaststätte nicht betreten darf, weil sie nicht geimpft ist. Die zahlreichen Fernsehkommissare mussten auch nie die Verbrecherjagd pausieren lassen, weil sie daheim auf ihre Kinder aufpassen mussten, die nicht mehr in den Kindergarten oder die Schule gehen durften. Besonders auffällig: Selbst in Produktionen, die während der Coronazeit unter den G-Regeln stattfanden, trägt niemand vor der Kamera eine Maske. Warum?
Auf dieses „Warum?“ habe ich weder im Kleinen noch im Großen eine wirklich überzeugende Antwort. Will man das Publikum nicht abschrecken? Gibt es eine Schere im Kopf? Ist der Schmerz noch zu frisch und muss von den Kreativen selbst erst noch verarbeitet werden? Ist es Feigheit oder Scham, weil man selbst ein Mitläufer war und dies lieber verdrängen will? Oder ist jegliche Kritik an den Maßnahmen – und sei sie nur in die Rahmenhandlung eingebettet – von den Verlagen und Studios unerwünscht?
Vielleicht wissen Sie da ja mehr als ich oder haben eine überzeugende Erklärung. Auf mich wirkt es jedenfalls so, als gäbe man sich die größtmögliche Mühe, das Thema und alles, was damit zusammenhängt, so gut wie möglich zu verdrängen, ja zu tabuisieren. Vielleicht müssen ja noch einige Jahre ins Land gehen, bis unsere Kulturschaffenden dieses heiße Eisen anfassen.
Titelbild: Media Whale Stock/shutterstock.com
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