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Titel: Deutschlands „Solidarität mit Israel“ bedarf dringend einer Präzisierung
Datum: 3. Dezember 2023 um 13:00 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Rechte Gefahr
Verantwortlich: Redaktion
Bei seinem aktuellen Besuch in Israel hat der Bundespräsident seinem israelischen Amtskollegen Izchak Herzog noch einmal versichert: „Unsere Solidarität gilt auch mit dem Israel, das sich wehrt, das kämpft gegen eine existenzielle Bedrohung.” Noch nie sei Israel so tief verwundet worden wie am 7. Oktober. Das Land kämpfe um seine Existenz. Israel hätte jedes Recht, sich selbst zu verteidigen und seine Existenz zu sichern. Diese Aussage bedarf einer Ergänzung, dass Israel nämlich nicht „jedes Recht“ hat, sich selbst zu verteidigen, sondern dabei dem Völkerrecht verpflichtet ist. Von Jürgen Hübschen.
Israel, das Völkerrecht und die rechtsradikalen Kräfte im Land
Die beiden israelischen Historiker Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann wollen die deutsche Solidarität präzisiert sehen auf ein „demokratisches Israel“ und sehen in ihrem jüngsten Buch „Denk ich an Deutschland – ein Dialog in Israel“ das „jüngste rechtsradikale Kabinett Netanjahus“ als eine Zäsur und beklagen den fehlenden Widerspruch aus Deutschland gegenüber den „israelischen Zerstörern der freiheitlichen Demokratie und eine fatale Solidarität, die überwiegend einer ultrarechten israelischen Regierung, aber nicht den verbliebenen demokratischen Kräften in Israel gilt“. Sie sehen die aktuelle Regierung angesichts ihrer extremistischen Kabinettsmitglieder und ihrer grundsätzlichen Ablehnung einer Zweistaatenlösung eher als eine Gefahr als einen Garanten israelischer Sicherheitsinteressen.
Zu diesen extremistischen Kabinettsmitgliedern gehört der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich mit Aussagen wie:
„Die freiwillige Abwanderung und die Aufnahme von arabischen Gaza-Bewohnern durch die Länder der Welt ist eine humanitäre Lösung, die dem Leiden von Juden und Arabern gleichzeitig ein Ende setzen wird.“
Dieser zynische Gedanke ist nichts anderes als eine Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen, die ja de facto bereits begonnen hat, indem man die Menschen aus dem Norden durch sogenannte humanitäre Korridore in den Süden vertrieben hat, wo diese Menschen unter schlimmsten Verhältnissen zusammengepfercht sind.
In einem Interview mit Brigitte Kramer im „Echo der Zeit“ des Schweizer Senders SRF vom 28. November 2023 hat der Chef der „United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“ (UNRWA), Philippe Lazzarini, nach seinem zweiten Besuch im Gazastreifen gesagt:
„Bei Kriegsbeginn haben wir als Erstes die Massaker der Hamas in Israel vom 7. Oktober mit Nachdruck verurteilt. Die Massaker haben zur Ermordung von 1.200 Personen und der Entführung von etwa 250 Menschen geführt. Danach habe ich meine Befürchtung geäußert, dass die Empathie der internationalen Gemeinschaft das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge in Gaza nicht miteinschließt.“
Und dann führt er als Beispiel für seine Befürchtungen unter anderem an:
Die Kabinettsmitglieder, die eine Vertreibung der Palästinenser aus ganz Israel anstreben, werden von extremistischen Kräften im Land unterstützt, vor allem aber durch die 700.000 Siedler im Westjordanland, die seit Wochen, quasi im Windschatten des Krieges mit der Hamas, systematisch an einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung arbeiten, dabei Felder verwüsten und sogar Dörfer zerstören, und das Ganze geschieht unter den Augen von bewaffneten israelischen Sicherheitskräften.
Neben denjenigen, die in Israel offen oder verdeckt daran arbeiten, mit Hilfe der Vertreibung der Palästinenser das „große Israel“ zu realisieren, gibt es Extremisten wie den ehemaligen israelischen Offizier Giora Eiland, die das Problem mit den Palästinensern im Gazastreifen auf eine Art lösen wollen, wie man sie bislang nur aus den Konzentrationslagern der Nazis kannte. Eiland ist nicht irgendein Offizier, sondern war u.a. der Leiter der militärischen „Operations and Planning Division“ und Leiter des „National Security Council“. Seine Überlegungen hat er zunächst in der hebräischen Zeitung Yedioth Ahronoth dargelegt, und am 23. November 2023 wurden sie in der israelischen Zeitung Haaretz veröffentlicht. Allgemein zugänglich gemacht wurden sie am 28.November 2023 im Internet durch den Journalisten Gideon Levy in John Menadus Public Policy Journal.
In Yedioth Ahronoth entwickelt Eiland die Idee, dass Epidemien im Gazastreifen gut wären für Israel, und denkt dabei offensichtlich an die im Süden des Gazastreifens zusammengepferchten Palästinenser und schreibt wörtlich:
„Epidemien in Gaza sind gut für Israel. Letzten Endes werden uns schwere Epidemien im südlichen Gazastreifen dem Sieg näher bringen und die Verluste bei den israelischen Soldaten reduzieren. Man muss nur noch darauf warten, dass sich die Töchter der Hamas mit der Seuche infizieren, und wir haben gewonnen.“
Ich erspare mir eine Bewertung dieser menschenverachtenden Aussage und nehme sie als einen schrecklichen Beweis dafür, dass Deutschland seine generelle Solidarität gegenüber Israel einer sehr genauen Überprüfung unterziehen muss.
Zusammenfassung
Ich fasse meinen Appell an die Bundesregierung, diese undifferenzierte Solidarität mit Israel aufzugeben, mit den Aussagen zusammen, die die jüdische deutsch-amerikanische Schriftstellerin Deborah Feldmann in einem Interview in der SZ gemacht hat, indem sie u.a. erklärt hat:
Moshe Zimmermann und Moshe Zuckermann stellen am Ende ihres Buches fest:
„Die jetzigen deutsch-israelischen Beziehungen zeigen jedenfalls, das etwas mit den Lehren aus der Geschichte schiefläuft.“
Noch ist Zeit, das zu ändern, und dazu gehört zwingend eine neue Definition der deutschen Solidarität gegenüber Israel. Ein erster Schritt auf diesem Weg muss sein, dass sich niemand in Deutschland mehr einreden lassen darf, dass berechtigte und mittlerweile auch dringend erforderliche Kritik an der Politik Israels irgendetwas mit Antisemitismus zu tun hat.
Titelbild: Shutterstock / Timeckert
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