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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Wer den Durchblick behalten will, muss die Methoden der Manipulation kennen
Datum: 20. November 2023 um 12:52 Uhr
Rubrik: Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Strategien der Meinungsmache, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen
Verantwortlich: Albrecht Müller
Vergangenen Mittwoch war ich zu einem Vortrag mit Diskussion in Friesenheim in der Ortenau. Thema war die Botschaft meines Buches „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst”. Da Manipulationen zum Alltagsgeschäft der Herrschenden gehören, bleibt das Thema leider aktuell. Sie finden im Folgenden das Manuskript der Rede. Sie enthält eine Reihe von aktuellen Belegen und viel Material, mit dem Sie bei Ihrer Aufklärungsarbeit arbeiten können. Später folgt dann auch noch ein Video. Albrecht Müller.
Rede in Friesenheim/Ortenau am 15.11.2023 auf Einladung von Events Ortenau
Thema:
Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst. Wie man Manipulationen durchschaut
Guten Tag, verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
die Mehrheit von uns hat wohl ein normales, ungetrübtes Verhältnis zu dem, was um uns herum geschrieben, gesagt und gesendet wird. Wenn Sie Ihre Zeitung aufschlagen und einzelne Artikel lesen, dann fragen Sie vermutlich nicht unentwegt, ob und wie Sie gerade manipuliert werden. Genauso sorglos sehen Sie sich vermutlich die Tagesschau und andere Fernsehsendungen an. – Das ist normal. Man würde ja verrückt, sollte man immer hinterfragen, wie und was mit uns gespielt wird.
Und dennoch ist diese vermutete Normalität nicht normal, nicht wirklich. In Wirklichkeit wird unentwegt versucht, uns zu einer beabsichtigten Sicht der Dinge und Meinung zu veranlassen, uns also zu manipulieren.
Wenn Sie in diesen Tagen in die Zeitung schauen oder im Fernsehen Nachrichten und Dokumentationen anschauen, dann werden Sie um vieles mehr als noch vor kurzem einer normal daherkommenden Berichterstattung über Kriege begegnen.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 12. November, also vom vergangenen Sonntag, machte ihre Titelseite mit der Schlagzeile auf:
Wie die Ukraine gewinnen kann.
Die Unterzeile lautete:
Der ranghöchste Soldat des Landes zieht Vergleiche zum Ersten Weltkrieg. …
Und in den Text eingeblendet heißt es:
Generäle erinnern daran, dass die Ukraine mit Langstreckenraketen schon viel erreicht habe. Jetzt könne die Ukraine wieder Getreide exportieren
Hier wird Meinung gemacht. Hier wird Stimmung gemacht. Hier wird Stimmung für Krieg als etwas Normalem, jedenfalls als Mittel der Politik gemacht. Und dies unentwegt.
In der Monopol-Zeitung meiner Region, der Rheinpfalz, hieß es vor einer Woche, am 8. November, auf der Titelseite rechts oben, unterfüttert mit der Abbildung eines Panzers:
Rüstungskontrolle: NATO setzt Vertrag vorerst aus.
Berlin. NATO-Staaten wie Deutschland und die USA setzen nach dem Rückzug Russlands aus dem Rüstungskontroll-Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) ihrerseits das Abkommen aus
Am 7. November, also einen Tag vorher, war ebenfalls auf der Titelseite eine markante Überschrift mit einem kleinen Artikel:
Brigade in Litauen:
Pistorius benennt Einheiten
Berlin. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) treibt die Planungen für die dauerhafte Stationierung einer Bundeswehr-Kampfbrigade in Litauen ab dem Jahr 2025 voran.
Im Text heißt es dann:
„Die Brigade Litauen ist das Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“, erklärte Pistorius am Montag mit Blick auf die Neuaufstellung der Bundeswehr in der Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. … . dpa
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Eine Brigade, also eine militärische Einheit, ist ein Leuchtturmprojekt, ein „Leuchtturmprojekt der Zeitenwende“.
Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie zu Anfang des Abends so sehr mit Meldungen über Militär und Rüstung belästige. Ich kann nichts dafür. Ich möchte Sie damit bekannt machen, wie sehr Instrumente der Meinungsmache in diesen Tagen dazu benutzt werden, um uns auf Kriege einzustellen.
Heute Abend werde ich Ihnen eine Reihe von Methoden der Manipulation vorstellen und diese anhand von praktischen Fällen erläutern. Dabei wird es nicht nur um Krieg gehen. Wir werden auch in anderen Bereichen unseres Lebens mithilfe ausgeklügelter Methoden gelenkt und manipuliert.
Dass Menschen manipuliert werden und dass das systematisch geschieht, ist keine neue Erscheinung. Ein markantes Beispiel aus früheren Zeiten: Der Ablassverkäufer Johannes Tetzel hat die Menschen mit dem bekannten Spruch, „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, rumzukriegen versucht. Martin Luther hat sich über diese Manipulation empört.
Edgar Allen Poe, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte, meinte:
„Du bist noch jung, mein Freund …,, aber die Zeit wird kommen, in der du lernst, selbst zu beurteilen, was in der Welt vor sich geht und nicht auf den Klatsch anderer zu vertrauen. Glaube nichts, was du hörst und nur die Hälfte von dem, was du siehst.“
Die aus heutiger Sicht schlimmste Phase der deutschen Geschichte, die zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft, ist angefüllt von Verführung und Manipulation. „Wollt ihr den totalen Krieg?!“ Aus dieser schrecklichen Aussage, aus dieser Drohung für die Mehrheit der Deutschen eine freudige Botschaft, ja eine Verheißung zu machen – das war schon hohe Kunst der Manipulation des Joseph Goebbels gewesen. Frenetischer Beifall. Ja, wir wollten den totalen Krieg.
Da Sie ja hier in der Ortenau wie auch ich Zuhause in der Südpfalz unmittelbar in der Nachbarschaft zum Elsass leben, will ich an eine lange Zeit betriebene Manipulation und zugleich an die Möglichkeit zu einer positiven Wende erinnern:
Mein kurpfälzischer Großvater hat mir 1950 kurz vor seinem Tod noch einzuschärfen versucht, was für schlimme Menschen unsere Nachbarn, die Franzosen sind. Abwertend nannte man sie bei uns die Wackes.
Wir haben dann gelernt – und wir sind übrigens auch mittels einer freundlichen Meinungsmache dazu erzogen worden, in den Franzosen nicht mehr unsere Feinde, sondern unsere Freunde zu sehen. Das war gut für unsere Geschichte und für das Leben diesseits und jenseits von Rhein und Lauter sowieso.
Auch der Umgang mit den Russen war und ist über weite Strecken von Stimmungsmache und Manipulation geprägt.
Sie waren im Ersten Weltkrieg und danach und dann bei den Nazis die gängige Zielscheibe unserer Aggressionen. Anders als im Umgang mit den Franzosen ging das dann in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts munter, es ging aggressiv und manipulativ weiter.
Am Verhältnis zu Russland und zu den Russen kann man bis heute studieren, wie unser Volk manipuliert worden ist und manipuliert wird.
Dieses Plakat stammt aus dem Bundestagswahlkampf 1953. Es wurde von der CDU und CSU und dann später von der NPD benutzt. Im oberen Teil – mit Kopf, Augen und Mütze des Rotarmisten – wird mustergültig sichtbar, wie Manipulation mit visueller Darstellung bewirkt wird:
Dieses Plakat wirkt bis heute nach. Das ist Rassismus, dank lang gepflegter und eingetrichterter Klischees von den Russen. Übernommen von Generation zu Generation.
Das war meine Einführung in die Praxis der Manipulation, vor allem im Umgang mit anderen Völkern.
Jetzt werde ich Ihnen einige Methoden der Manipulation vorstellen. Diese Beschreibung und Unterfütterung der Methoden ist der Kern von „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“. Dieses war ja der Anstoß für die Einladung an mich zu Ihnen in die Ortenau.
In diesem Buch habe ich 19 Methoden der Manipulation beschrieben und an praktischen Fällen belegt. Jeden Tag kommen neue Fälle hinzu.
Ich beschreibe die Methoden der Manipulation, damit Sie in der Praxis beobachten können, wie wir verführt und an der Nase herumgeführt werden. Das ist mein Versuch, zur notwendigen Aufklärung beizutragen.
Mein Buch enthält ein Lesezeichen, das Sie herausnehmen können und das damit nicht nur eine Übersicht über die 19 Methoden verschafft, sondern Ihnen auch die Möglichkeit bietet, unter den Methoden auszusuchen, was Sie besonders interessiert. Sie können das Buch also selektiv lesen.
Hier ist das Lesezeichen mit den 19 beschriebenen Methoden der Manipulation:
Einige Zeit lang war ich Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt. Montags bis freitags trafen wir uns am frühen Morgen unter Vorsitz des Chefs des Bundeskanzleramtes in einem kleinen Sitzungssaal des Kanzlerflügels zur morgendlichen Lagebesprechung. Mit dabei außer den sechs Abteilungsleitern war der Regierungssprecher, damals die meiste Zeit Klaus Bölling, und der Redenschreiber des Bundeskanzlers. In dieser Runde wurde auch darüber beraten, was der Regierungssprecher bei der Bundespressekonferenz wie auch in Hintergrundgesprächen sagen sollte. Die morgendliche Lagerunde war und ist bis heute ein Ort der Sprachregelung. Man kann das Ergebnis solcher Beratungen bei der Bundespressekonferenz mit den Regierungssprechern beobachten.
Ich verweise darauf, dass diese Bundespressekonferenzen heute in ähnlicher Form und ähnlicher Weise stattfinden. Das wird ja auch dadurch sichtbar, dass der Redakteur der NachDenkSeiten Florian Warweg inzwischen dort regelmäßig Fragen stellt – und keine oder keine befriedigenden Antworten bekommt.
Sprachregelung ist überall spürbar. In der innen- und gesellschaftspolitischen Debatte beherrschen seit Jahren wiederkehrende Botschaften die Verlautbarungen: Es geht uns gut. Die Löhne sind zu hoch. Die Lohnnebenkosten sind auch zu hoch. Der Arbeitsmarkt ist zu unflexibel. Das hat uns Arbeitslosigkeit gebracht. Wir brauchen Reformen. Der Generationenvertrag trägt nicht mehr. Jetzt ist Digitalisierung angesagt. Usw. usw.
Auch in der außenpolitischen und sicherheitspolitischen Debatte herrschen Sprachregelungen vor. Wir nennen Regierungen, die uns nicht passen, „Regime“ oder „Diktaturen“. Wir sprechen vom Mullahregime und vom Schlächter Assad. Wir sprechen hingegen nicht vom Schlächter Mohammed bin Salman al-Saud, wenn wir den Kronprinzen von Saudi-Arabien meinen. Obwohl Saudi-Arabien und andere Staaten des Mittleren Ostens mit ihren Völkern und mit Nachbarn wie etwa dem Jemen mindestens so schlimm umgehen wie der Präsident in Syrien das angeblich tut, nennen wir diese dann besser nicht Diktatoren und nicht Schlächter. – So, nämlich Schlächter, könnten wir eigentlich auch Hillary Clinton wegen ihrer Rolle bei der Zerstörung staatlicher Strukturen in Libyen nennen, oder Obama, der mit dem Drohneneinsatz, über Ramstein gesteuert, schon ganze Großfamilien hat hinschlachten lassen. Da fehlt es offenbar an der entsprechenden Sprachregelung.
Auch die Coronadebatte leidet unter Sprachregelungen. Die Begriffe „Corona-Leugner“, „Impfmuffel“ oder „Impfleugner“ und „Impfverweigerer“ sind aufgeladen mit negativen Vorurteilen. Die Begriffe treffen auch Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, oder auch jene, die sich nach intensiven Untersuchungen und Prüfungen dazu entschlossen haben, sich nicht impfen zu lassen. Die Sprachregelung stört und zerstört die Möglichkeit, die Debatte um dieses wichtige und große Problem differenziert und solidarisch zu führen.
Jetzt noch ein aktuelles Beispiel über die Nutzung der Sprache: Deutschland soll kriegstüchtig werden, meint Verteidigungsminister Pistorius. – Diese Verbindung des für viele Menschen positiv klingenden Begriffs „tüchtig“ mit dem Wort Krieg – das ist schon hohe Schule der Propaganda, der miserablen Propaganda. In dem Wort „tüchtig“ ist die Bereitschaft zum Krieg schon enthalten.
Wir kommen zur zweiten beschriebenen Methode der Manipulation:
Dazu gibt es treffende aktuelle Beispiele: Angriffskrieg. Oder Putins Krieg. Bitte beachten Sie: Angriffskrieg ist kein normales deutsches Wort. Normalerweise sagen wir Krieg. Oder Erster Weltkrieg oder Zweiter Weltkrieg. Oder Vietnamkrieg. Die jetzt allenthalben gebrauchte Wortkombination Angriffskrieg soll signalisieren, dass es einen eindeutig Schuldigen gibt: Russland. Damit sind wir gleich bei der nächsten Methode:
Erstes Beispiel: Überfall auf die Ukraine am 24.2.2022. Darüber wird geredet und geurteilt ohne Beachtung der Vorgeschichte, ohne Berücksichtigung der 11.000 und mehr Toten beim Beschuss der Ostukraine mit ihrer russisch-stämmigen Bevölkerung durch die Artillerie der Ukraine.
Zweites Beispiel für eine verkürzt erzählte Geschichte: Über den Terror der Palästinenser aus dem Gazastreifen wird berichtet und kommentiert, ohne die Umstände des jahrelangen Eingesperrtseins der Palästinenser zu beachten.
Diese und weitere Methoden nenne ich im Folgenden nur, ohne im Detail darauf einzugehen.
Ich will nur ein Beispiel aus der Gesellschaftspolitik nennen: Gebetsmühlenartig wird seit Ende der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts der demographische Wandel beschworen und behauptet, dieser zwinge zu einer Veränderung und namentlich zu einer Privatisierung oder Teilprivatisierung des Systems der Altersvorsorge. Deshalb ist die verkorkste Riester-Rente eingeführt worden. Und neuerdings hat die Lobby aus Banken und Versicherungswirtschaft noch einmal die alte Kampagne aufgelegt.
Zeitweise hat das gewirkt. Es ist ja auch schwer zu durchschauen, was aus der demographischen Veränderung folgt. Nicht viele Menschen sehen klar, dass eine Veränderung des Altersvorsorgesystems, etwa die Ergänzung der Gesetzlichen Rente durch die Riester-Rente nichts an den demographischen Relationen ändert. Es gilt das Mackenroth-Theorem: Real muss die Versorgung der Generation der Alten und der Kindergeneration immer von den arbeitsfähigen Menschen getragen werden.
Als in Deutschland ab 1999 die Agenda 2010 und der Ausbau eines breiten Niedriglohnsektors durchgesetzt werden sollten, da konnten sich jene, die an niedrigen Löhnen interessiert waren, darüber freuen, dass diese Drecksarbeit von einem sozialdemokratischen Bundeskanzler begonnen und umgesetzt wurde: von Gerhard Schröder.
Wichtig für die Glaubwürdigkeit der Forderungen und damit für die Durchsetzung der Agenda 2010 war es, dass nicht nur die daran interessierten Wirtschaftsbosse, sondern auch Personen, die als fortschrittlich galten, sich ebenfalls für diese Art von Reformen einsetzten – so zum Beispiel der ehemalige Spitzenpolitiker aus Baden-Württemberg Erhard Eppler.
Noch ein Beispiel aus der Außen- und Sicherheitspolitik: Als es ebenfalls 1999 darum ging, die Bundeswehr zu ihrem ersten Auslandseinsatz außerhalb des NATO-Bereiches in Jugoslawien zu schicken, was ein wirklicher Bruch der bisherigen politischen Linie war, bedurfte es zur Abwehr der Kritiker der gleichen Kriegs-Botschaft aus verschiedenen Ecken: CDU und CSU waren sowieso dafür. Da fügte es sich, dass ein Sozialdemokrat Verteidigungsminister war, der diesen Krieg mitmachte, nämlich Rudolf Scharping, und dass auch der Außenminister, die damalige Spitzenfigur der Grünen, Joschka Fischer, seine Zustimmung gab und sich dann als Busenfreund der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright ganz besonders engagierte.
Also: Wenn so verschiedene Personen wie Angela Merkel von der CDU, Rudolf Scharping von der SPD und Joschka Fischer von den Grünen dafür werben, die Bundeswehr auf den Balkan zu schicken, dann haben Zweifler kaum eine Chance.
Und noch ein anderes Thema: Als es darum ging, die zuvor schon erwähnte Teilprivatisierung der Altersvorsorge mithilfe einer maßlosen Dramatisierung des sogenannten demographischen Wandels durchzusetzen, nutzte man dazu als Sprachrohr nicht nur die Bild-Zeitung, sondern auch den Spiegel – also zwei Medien, die von der Mehrheit der Menschen an verschiedenen politischen Orten verortet werden.
Hier ist ein einschlägiger Spiegel-Titel, der die demographische Entwicklung auf besondere Weise dramatisierte:
Spiegel Titel 2/2004: Der letzte Deutsche
Und die Bild-Zeitung vom Januar 2007: Alte kassieren! Junge zahlen nur drauf!:
Aus verschiedenen Ecken. Das hat fantastisch funktioniert.
Wenn aus verschiedenen Ecken die gleichen Sprüche verkündet werden, was sollen wir armen Adressaten dann noch widerstehen?
Das können Sie immer wieder im Fernsehen studieren. Meist in der Variation 4 zu 1. Vier gegen Sahra Wagenknecht zum Beispiel.
Zur Beschreibung und zum Beleg dieser Methode im Folgenden ein Beispiel aus der Vergangenheit und ein aktuelles Beispiel:
Willy Brandt erzielte im November 1972 einen überragenden und nie mehr von der SPD erreichten Wahlsieg: 45,8%. Danach wurde er vom „Parteifreund“, dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD Herbert Wehner und vom stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Helmut Schmidt und ihren Helfern systematisch schlecht gemacht, vor allem in Hintergrundgesprächen. Diese Stimmungsmache gegen den eigenen Vorsitzenden und Bundeskanzler zahlte sich für den heimlichen Konkurrenten, für Helmut Schmidt, aus. Der Wippschaukeleffekt wirkte zu seinen Gunsten und zulasten von Brandt. Nicht einmal ganze zwei Jahre später, im April 1974, war Brandt erledigt.
Und nun das aktuelle Beispiel: Je tiefer die AfD in der öffentlichen Debatte getaucht wird, umso mehr erscheinen die Konkurrenten, die CDU, die CSU, die Grünen, die FDP und die SPD in einem freundlicheren Licht.
Damit Sie mich nicht missverstehen: ich will die AfD nicht schönreden. Aber die mit der Kritik an der AfD bewirkte Beschönigung der anderen Parteien ist unangebracht. Sie findet parallel dazu statt, dank des funktionierenden Wippschaukel-Effekts.
Die nächste Methode:
Dazu gleich mehr.
Dazu nur ein kurzer Hinweis. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt galt eigentlich als guter Manager und als leistungsfähig. Das war der vordergründige Eindruck. Wir stellten bei Umfragen fest, dass das nicht stimmte. In einer der jährlich stattfindenden Klausuren der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes berieten wir dieses Phänomen und machten dann Helmut Schmidt den Vorschlag, künftig vom „Modell Deutschland“ zu sprechen, wenn von unserem Land und den Leistungen der Bundesregierung die Rede ist. Der Bundeskanzler selbst und auch andere aus seinem politischen Lager sollten künftig immer mal wieder vom „Modell Deutschland“ sprechen.
Schmidt schloss sich diesem Vorschlag an. Es funktionierte fantastisch. Die übliche Reaktion war oft so: Naja, der Schmidt soll mal nicht übertreiben, aber im Grunde hat er ja recht.
Nach dieser Aufzählung der 19 Methoden der Manipulation komme ich jetzt weiter auf einige ausgewählte Methoden der Manipulation zurück:
10. Umfragen nutzen, um Meinung zu machen
Ich werde auf einen aktuellen Vorgang und auf zwei frühere Vorgänge eingehen.
Zum ersten: Bei der Landtagswahl 1985 in Nordrhein-Westfalen war ich beratend beteiligt. Regelmäßig traf sich auf Einladung des Landesgeschäftsführers der SPD ein kleiner Kreis von Beratern. Zum Abschluss einer dieser Sitzungen merkte er an, es stehe wieder mal ein Telefongespräch mit dem Chef des Umfrageinstituts an. Sie wollten dabei auch über das gewünschte Umfrageergebnis sprechen. Deshalb wolle er von uns wissen, ob die Ergebnisse der Umfrage eher positiv und siegesgewiss oder bedrohlich ausfallen sollten, ob sie eher den sogenannten Bandwaggon-Effekt, den Mitzieheffekt, auslösen sollten, oder eine Bedrohung signalisieren sollten.
Wir waren uns einig, dass das Meinungsforschungsinstitut Ergebnisse liefern solle, die eine Bedrohung der Position der SPD andeuten. Das könnte bei der in der letzten Phase des Wahlkampfes notwendigen Mobilisierung helfen. – Genauso ist es dann auch umgesetzt worden.
Zum zweiten der Hinweis auf einen noch älteren Vorgang. In den ersten zwei Jahrzehnten der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland stellte die Union die Bundeskanzler – zuerst Adenauer und dann Ludwig Erhard. Bei der Bundestagswahl 1965 sahen die Strategen der SPD die Chance, die CDU/CSU als Kanzlerpartei abzulösen. Dafür sprachen auch die Umfrageergebnisse des renommierten und von der bekannten Umfrageforscherin Elisabeth Noelle-Neumann geführten Instituts für Demoskopie Allensbach. Sie signalisierten eine bedrohliche Umfragekonstellation für die CDU/CSU und eine Chance zur Regierungsübernahme für die SPD. Der damals in der SPD-Führung für den Wahlkampf zuständige Herbert Wehner und seine Helfer glaubten an diesen von den Umfragen signalisierten Trend.
Das Ergebnis fiel aber dann ganz anders aus:
Die Union erreichte 47,6 Prozent der Zweitstimmen, die SPD nur 39,3 Prozent, also weit abgeschlagen.
Die SPD-Strategen hatten sich von den Allensbach-Umfragen täuschen lassen.
Nach der Wahl bekannte der für den Wahlkampf der CDU zuständige Bundesgeschäftsführer Josef Hermann Dufhues, dass man die von Allensbach gelieferten und für die Union schlechten Umfragen gewünscht hatte, um eine Bedrohung der Kanzlerschaft der Union zu signalisieren, obwohl die Fakten anders waren.
„Im Fernsehen brüstete sich der CDU-Geschäftsführer Josef Hermann Dufhues, die Kopf-an-Kopf-Propaganda sei eine Wahllist gewesen, um die Bürger an die Urne zu bringen.“ So berichtete „Der Spiegel“ am 28.9.1965, eine Woche nach der Wahl.
Zum dritten, und damit bin ich bei einem aktuellen Versuch, mit Umfragen Meinung zu machen: Die besondere Beliebtheit des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius.
(Quelle: Statista)
Im Oktober 2023 lag Boris Pistorius mit dem Wert +1,6 weit vor dem nächsten, nämlich Markus Söder mit +0,1.
Und dann gibt es nur noch Minus-Werte: Olaf Scholz mit -0,2. Friedrich Merz mit -0,3, Baerbock und Habeck beide mit -0,5. Und Sahra Wagenknecht mit -1,1 weit abgeschlagen.
Frage an das Publikum: Halten Sie diese Ergebnisse, halten Sie das Ergebnis, wonach Boris Pistorius mit +1,6 unschlagbar vorne und Sahra Wagenknecht mit -1,1 weit hinten liegt, für realistisch?
Ich vermute, dass zumindest die Werte von Pistorius geschönt und die vom Wagenknecht runtergerechnet sind.
Das positive Umfrageergebnis liegt im Interesse der Rüstungswirtschaft und des reaktionären Teils der deutschen Führungskräfte. Hier soll offenbar jemand gefördert werden, der unser Land kriegstüchtig machen will.
Nummer 12. NGOs gründen oder benutzen
Ein herausragender Beleg für diese Methode der Manipulation sind die 5 Milliarden $, die die USA vor und nach dem Maidan in der Ukraine investiert haben. 5 Milliarden, nicht 5 Millionen $! – Und nicht für Investitionen in Straßen und andere Infrastrukturen oder in Industriebetriebe, sondern vor allem Investitionen in den Aufbau von NGOs und Propagandaeinheiten.
Um solches zu sehen und zu erleben, müssen wir nicht in die Ukraine reisen. Bei uns sind solche falschen NGOs zum Beispiel aktiv, um kritische Stimmen mundtot zu machen, jedenfalls zu bekämpfen. Wir Macher der NachDenkSeiten haben das hautnah erlebt. Es wurde versucht, uns das Etikett Verschwörungstheoretiker oder wahlweise Verschwörungsideologen anzuheften. Dafür wurde eine Einrichtung mobilisiert, die vermutlich auch zum Zwecke der Diffamierung kritischer Zeitgenossen gegründet worden ist: das Zentrum Liberale Moderne, abgekürzt LIB Mod, des ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Ralf Fücks und seiner Partnerin Marieluise Beck. Ich zitiere in diesem Fall entgegen meiner Gewohnheit nach Google-Suche:
Das Zentrum Liberale Moderne ist eine deutsche Denkfabrik, die 2017 von Marieluise Beck und ihrem Ehemann Ralf Fücks gegründet wurde, die beide Mitglieder der Partei Die Grünen sind. Seit 2019 wird das Zentrum im Rahmen der institutionellen Förderung aus dem Bundeshaushalt mit Steuergeldern finanziert.
Mithilfe von Steuergeldern – zwischen 2019 und 2022 waren es fast 5 ! Millionen Euro – werden dann sogenannte Gutachten vergeben, im konkreten Fall wurde ein sogenannter Professor aus Trier, Professor Linden, beauftragt, ein Gutachten über die NachDenkSeiten zu schreiben. Und der kommt dann zu dem gewünschten Ergebnis, die NachDenkSeiten neigten zu Verschwörungstheorien. Und diese Diffamierung wiederum setzt sich über Wikipedia weiter um und fort.
Als Herausgeber und Autor der NachDenkSeiten muss ich leider feststellen, dass ich es in meinem ganzen Leben noch nicht und auch für NachDenkSeiten-Texte nicht geschafft habe, mir Verschwörungen auszudenken. Und auch keinem der anderen Redakteure in unserer Redaktion ist das bisher gelungen. Jens Berger nicht, Tobias Riegel nicht, Christian Goldbrunner nicht, Florian Warweg nicht, nichts, keiner ist fähig, sich Verschwörungen auszudenken.
Aber es steht eben bei Wikipedia und diese haben das Raunen von dem Professor aus Trier und seinem von uns Steuerzahlern bezahlten Auftraggeber LIBMOD übernommen.
Ich habe das so ausführlich geschildert, damit Sie verstehen, in welchen jämmerlichen Zustand die Meinungsbildung und damit die demokratische Willensbildung und die Demokratie inzwischen hierzulande geraten ist.
Nummer 14. Experten helfen zu manipulieren.
Belege und Anschauungsmaterial für den Einsatz von Experten zur Meinungsbildung und sehr oft zur Manipulation von Menschen finden Sie fast täglich in den Nachrichten unserer Fernsehsender. Dort werden ständig irgendwelche Experten eingeblendet und zitiert. Meist Professoren und auffallend viele Professoren aus Bundeswehr-Hochschulen, aus München oder Hamburg.
Als ich mir vor zehn Tagen Notizen für diesen Vortrag machte und die gerade zitierte Beobachtung formulierte, schaute ich schnell mal nach, ob meine Behauptung zutrifft. Also gab ich bei Google ein: Tagesschau Experte Bundeswehr Hochschule.
Und ich erhielt folgendes Ergebnis:
Der Fund beginnt mit Carlo Masala aus München. Das ist sehr berechtigt. Denn dieser sogenannte Experte taucht in unserer Fernsehkiste unentwegt auf. Dann auch noch Stephan Stetter von der Bundeswehr-Hochschule in München und Stefan Baier, Verteidigungsexperte und Professor von der Bundeswehr-Hochschule in Hamburg. Das waren drei Beispiele. Das Arsenal an gefügigen Experten ist unerschöpflich.
Im bisherigen Katalog der 19 von mir untersuchten und beschriebenen Manipulationsmethoden fehlt bisher eine der besonders dreisten Methoden der Manipulation: die bewusste Täuschung, die Lüge.
Diese Methode nutzen wir im Alltag. Und sie wird in der großen Politik benutzt. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Methode mit großer Wirkung und Reichweite ist im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine festzuhalten:
Das sogenannte Minsker Abkommen spielte zeitweise eine große Rolle. Mithilfe der als Vermittler auftretenden Nationen Deutschland und Frankreich kam es 2014 zu einem Abkommen zwischen Russland und der Ukraine.
Zu diesem Abkommen, das viele Beobachter für einen Hoffnungsschimmer hielten und ernst genommen haben, erklärte die Altkanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit Zeit Online Anfang Dezember 2022:
„Und das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht“.
Auf Deutsch heißt das: Das Minsker Abkommen war kein wirklicher Verständigungsversuch. Es war der Versuch, der Ukraine Zeit für die militärische Aufrüstung zu verschaffen.
Der russische Präsident Putin erklärte deshalb nach Kenntnis der Äußerungen der früheren deutschen Bundeskanzlerin am 9.12.2022:
„Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Führung der BRD sich uns gegenüber aufrichtig verhält“. Es sei zwar klar gewesen, dass Deutschland auf der Seite der Ukraine stehe, sie unterstütze.
„Aber mir schien trotzdem, dass die Führung der BRD immer ehrlich um eine Lösung bemüht war auf Grundlage der Prinzipien, die wir vereinbart haben und die unter anderem im Rahmen des Minsker Prozesses erzielt wurden.“
Meines Erachtens ist dieser Vorgang auch ein Beleg dafür, dass das Vertrauen zwischen wichtigen Völkern und Regierungen Europas zerstört ist, mutwillig zerstört worden ist. (Diese Passage wurde leicht verändert.)
Vermutlich haben die Deutschen mehrheitlich der damaligen Bundeskanzlerin und den anderen Akteuren geglaubt. Ich jedenfalls gehöre zu den Gläubigen.
Bitte beachten Sie, dass dieser Vorgang Konsequenzen bis heute hat. Damit wurde unsere Glaubwürdigkeit ruiniert, damit wurde das Vertrauen Russlands in westliche Entscheidungen und Politik sinnlos beschädigt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen wichtigen Vorgang in der deutschen Geschichte hinweisen: Als ausgangs der sechziger Jahre der damalige SPD-Vorsitzende und spätere Bundeskanzler Willy Brandt versuchte, die Politik der Konfrontation und des Kalten Krieges durch die sogenannte Ostpolitik abzulösen, spielte das Wort Vertrauen in der Wortkombination „vertrauensbildende Maßnahmen“ eine zentrale Rolle. Die damals verantwortlichen Politiker – ab Oktober 1969 in zentraler Funktion der damalige Bundeskanzler Willy Brandt – hatten erkannt, dass man Entspannung und Frieden zwischen den Völkern in West und Ost nur erreichen kann, wenn Vertrauen geschaffen wird. Die zentrale Botschaft in der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Brandt am 28. Oktober 1969 lautete:
Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein.
Das war ein Bekenntnis zum Aufbau von Vertrauen.
Was damals mühsam aufgebaut wurde, hat Merkel mit der Lüge zum Minsker Abkommen mit dem Hintern eingerissen. Wahnsinn!
Eigentlich müssten wir Vertrauen neu aufbauen. Aber wenn man sich das Personal anschaut und seine Reden anhört, wenn man Baerbock, Pistorius und Scholz zuhört, dann überfällt einen das kalte Grausen.
Ich komme zum Schluss:
Worin liegt der Sinn der Analyse und der Beschreibung der Methoden und der Fälle von Manipulation? Kritiker meines Versuchs, über diese Methoden und Machenschaften aufzuklären, könnten einwenden, ich würde damit eine Atmosphäre des Misstrauens schaffen. Diesen Einwand kann ich nicht gelten lassen. Denn, so wäre zu fragen, welchen Zustand hat diese Gesellschaft, wenn die Manipulateure unbehindert wirken können, wenn sie freies Spiel haben?
Das wäre und ist eine Gesellschaft mit vielen abstrusen, unwirklichen Debatten und vielen politischen Fehlentscheidungen – Und im Übrigen auch mit vielen Enttäuschungen der Getäuschten.
Dann lieber aufklären, dann lieber bei möglichst vielen Menschen das Wissen und das Bewusstsein verankern, dass es demokratische Pflicht ist, um Manipulationen zu wissen, sich dagegen zu wehren und sich nicht manipulieren zu lassen.
Wenn sich das Wissen darum ausbreitet, dass nicht für bare Münze zu nehmen ist, was gesagt wird, und dass man sinnvollerweise hinterfragt, dann müssen die Manipulierenden vorsichtiger werden.
Ich werbe für eine Gesellschaft der Aufgeklärten, der Wissenden und Hinterfragenden. Deshalb habe ich „Glaube wenig. Hinterfage alles. Denke selbst“ geschrieben. Und deshalb bin ich gerne zu Ihnen hier in die Ortenau gekommen. Ich bin gespannt auf die Diskussion .
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