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Titel: Stellungnahme zum Artikel „Kritik an der Zinskritik“

Datum: 7. September 2011 um 16:18 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Schulden - Sparen, Zinskritik
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Wie kaum anders zu erwarten, hat der Artikel „Kritik an der Zinskritik“ bei einigen unserer Leser hohe Wellen geschlagen. Auf viele Mails bin ich direkt eingegangen, leider fehlt mir jedoch die Zeit, jede Mail einzeln zu beantworten. Daher habe ich mich entschlossen, noch einmal auf die am häufigsten genannten Punkte einzugehen. Von Jens Berger

Charakter des Zinses

Aus vielen Mails geht hervor, dass der Zins immer noch oft als etwas „mystisches“ gesehen wird, das sich der konkreten Betrachtung entzieht. Dem ist nicht so. Pragmatisch gesehen ist der Zins nichts anderes als eine Gebühr, deren Höhe sich an bestimmten Faktoren ausrichtet. In diesem Punkt unterscheidet er sich kaum von der Miete (auch Mietzins genannt) oder der Leihgebühr für ein Auto. Auch bei der Miete zahlt man demjenigen, der einem etwas für einen bestimmten Zeitraum überlässt, eine zuvor ausgehandelte Gebühr. Niemand käme auf die Idee, Vermietern zu unterstellen, sie würden die Mieteinnahmen nicht dem Wirtschaftskreislauf hinzufügen. Es käme auch niemand auf die Idee, dass die Miete nicht aus dem eigenen Geld gezahlt werden kann, sondern zwingend zur Verschuldung führt. Warum sollte das beim Kredit anders aussehen als bei der Miete? Immer wieder taucht in den Lesermails die Vorstellung auf, dass der Zinsabtrag entweder durch neue Kredite finanziert werden müsse oder aber vom Kreditgeber dem Wirtschaftskreislauf entzogen würde. Beides ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht haltbar. (Siehe weiter unten.)

Zinseszins

In vielen Mails wurde mir der Vorwurf gemacht, ich sei in meinem Artikel nicht hinreichend auf das „Problem des Zinseszinses“ eingegangen. Dieses „Problem“ ist jedoch nur dann ein „Problem“, wenn man sich die Argumentationsmuster der Zinseszinskritiker zu eigen macht. Auf Seite des Kreditgebers ließe sich nur dann eine relevanter Zinseszinseffekt erzielen, wenn man bestimmte Faktoren wie das Ausfallrisiko, die Inflation und die Steuern komplett ausblendet und ferner unterstelle, dass der Kreditgeber, bzw. der Sparer, nie Kapital aus seinem Kreditvolumen abzieht. Das wäre dann ein Pendant zum „Josephspfennig“, auf den ich schon in meinem Artikel ausführlich eingegangen bin. Die Zins- bzw. Zinseszinskritiker blenden hierbei elegant den Faktor „Risiko“ aus. Ist ein Kreditgeber risikoscheu, liegt sein Zinsgewinn ohnehin nur knapp über der Inflation, weshalb sich auch kein nennenswerter Zinseszinseffekt einstellen kann. Ist er risikofreudig, liegen seine Zinsgewinne im Erfolgsfall zwar weit über der Inflation – die Ausfallwahrscheinlichkeit ist jedoch ebenfalls erheblich größer, weshalb es hier unredlich wäre, dieses Risiko ganz einfach bei Seite zu wischen.

Noch geringer ist der Zusammenhang mit dem Zinseszins auf Seite des Kreditnehmers. Nur wenn man in die argumentative Trickkiste greift und unterstellt, dass Kredite a) nicht zurückgezahlt werden und b) die Zinskosten über neue Kredite bedient werden, die c) ebenfalls nicht zurückgezahlt werden, kommt überhaupt erst in die Gelegenheit, aus Seite des Kreditnehmers so etwas wie einen Zinseszins auszumachen. Für eine unterstellte „Gesetzmäßigkeit“ sind dies jedoch zu viele und vor allem zu realitätsferne Annahmen.

Horten

In vielen Antworten und Kommentaren zum meinem Artikel kam immer wieder das Argument vor, Geld, das nicht ausgegeben, sondern gespart würde, würde „gehortet“ und damit der Volkswirtschaft entzogen. Dieses Argument lässt sich bereits bei der Betrachtung der regulären Kreditvergabe widerlegen. Es ist zwar richtig, dass Banken ihre Kredite nicht ausschließlich aus den Kundeneinlagen vergeben – wenn man sich die Statistiken der Bundesbank [PDF – 25 KB] anschaut, erkennt man jedoch, dass der Kreditsumme von 3.963 Milliarden Euro, die der deutsche Bankensektor an den Privat- und Unternehmenssektor vergeben hat, immerhin 3.206 Milliarden Euro an Einlagen aus diesen beiden Sektoren gegenüberstehen.

So berechtigt die Kritik an den zu laschen Mindestreserve- und Mindesteigenkapitalanforderungen auch sein mag – ein Blick auf die Zahlen der Bundesbank zeigt, dass auch heute noch die Kreditvergabe im Wesentlichen aus den Einlagen der Bankkunden vorgenommen wird. Wer seine Ersparnisse also nicht unter dem Kopfkissen versteckt, „hortet“ sie auch nicht, sondern stellt sie – indirekt über den Bankensektor – Kreditnehmern und somit der Volkswirtschaft zur Verfügung.

Geld versus Vermögen

Sehr viele Einwände der Kritiker beruhen auf dem simplen Denkfehler, Geld und Vermögen gleichzusetzen. So wird oftmals die Geldmenge fälschlicherweise mit dem Volksvermögen gleichgesetzt. Dieser Denkfehler lässt sich jedoch mit einem simplen Beispiel widerlegen. Wer ein komplett abgezahltes und nicht belastetes Haus besitzt, ist zweifelsohne im Besitz eines Vermögensgegenstands. Dieses Haus findet sich jedoch in keiner Geldmengenberechnung wieder – es ist für die Notenbanken schlichtweg nicht existent. Erst wenn man dieses Haus beispielsweise als Sicherheit für einen Hypothekenkredit belastet, taucht sein Wert plötzlich auch in der Geldmengenstatistik auf. Am nächsten Tag ist dann die Geldmenge um den Betrag dieses Kredites gewachsen. Selbstverständlich hat diese Transaktion jedoch nichts am Vermögen geändert.

Umlaufgebühr

Einige Leser, die offensichtlich Anhänger der „Freiwirtschaft“ sind, wiesen mich darauf hin, dass nicht der Zins, sondern die positive Zinsrate „das Problem“ sei. Abhilfe würde demnach eine Umlaufgebühr schaffen, die das „Horten“ von Geld durch eine periodische Abwertung bestraft.

Ich gebe gerne zu, dass ich derlei Argumentation noch nicht einmal im Ansatz nachvollziehen kann. Worin besteht der Unterschied einer solchen Umlaufsicherung zu der vorhandenen Inflation? Warum soll eine Umlaufsicherung die Menschen davon abhalten, Geld zu „horten“? Wer sein Geld dem Kreislauf entzieht, muss auch heute mit einer Entwertung dieses Geldes rechnen – nur halt nicht absolut, sondern relativ. In die gleiche Kategorie sind Leseranmerkungen einzuordnen, die den Zins deshalb verbieten wollen, weil eine konstante Geldmenge und ein konstanter Wert des Geldes anzustreben sei. Warum sollte so etwas anzustreben sein? Wenn eine konstante Geldmenge einer wachsenden Gütermenge gegenübersteht, führt dies zwangsläufig zu Deflation mit all ihren negativen Folgen, die sich vor allem negativ auf die Kreditvergabe auswirken würden, weil das Risiko, dass die Kredite sich nicht amortisieren größer würde. Gäbe es Deflation und keine Zinsen, wäre es nämlich tatsächlich vorteilhafter, sein Geld zu „horten“.

Antisemitismusvorwurf

Es ist nicht der Fall, dass ich meinem Artikel Zinskritiker pauschal in eine antisemitische Ecke stelle. Im Artikel schreibe ich – in einem einzigen kleinen Nebensatz -, dass Zinskritik oft mit einem antisemitischen Grundton durchmischt sei. Ich wundere mich, dass sich einige Leser an dieser Aussage reiben, ist es doch kein großes Geheimnis, dass antisemitische Machwerke wie Gottfried Feders „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ sich auch heute noch in vielen Foren großer Beliebtheit erfreuen.


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