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Titel: Nord-Stream-Öffnung: Putin reicht Deutschland (immer noch) die Hand – Trotz Baerbocks „Nie Wieder“
Datum: 18. Oktober 2023 um 12:59 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Energiepolitik, Ressourcen
Verantwortlich: Tobias Riegel
Mehrere öffentliche Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin in den letzten Wochen waren direkt an die deutsche Bundesregierung gerichtet: unter anderem das konkrete Angebot, sofort Gas über die verbliebene Leitung von Nord-Stream-2 an Deutschland zu liefern. Diese Zitate zeigen: Die Bundesregierung hat es trotz Waffenlieferungen, Sanktionen und verbaler Hetze nicht geschafft, das deutsch-russische Verhältnis in dem Maße zu schädigen, wie man es erwartet hätte – Russland wäre demnach bereit, an eine für beide Seiten und ganz Europa unverzichtbare Zusammenarbeit anzuknüpfen. Läuft Annalena Baerbocks infames „Nie wieder“ langfristig ins Leere? Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der russische Präsident hat vor einigen Tagen bei der „Russischen Energiewoche“ gesagt (Übersetzung von Thomas Röper):
„Aber Nord Stream 2 geht direkt nach Deutschland. Ein Strang ist unbeschädigt, das wären 27,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, man muss nur den Knopf drücken. Dafür ist aber ein Beschluss der deutschen Bundesregierung erforderlich. Die wollen lieber alles 30 Prozent teurer kaufen und nicht unsere Energieträger nutzen. Das ist ihre Entscheidung.“
Er ist also offensichtlich noch vorhanden, der russische Pragmatismus gegenüber seinen europäischen Nachbarn – und das trotz Waffenlieferungen, jahrelanger harter Hetze und Wirtschaftskrieg. Viel länger sollte man aber nicht mit dieser Geduld auf russischer Seite rechnen.
Deutschland wird „für immer auf russische Energie verzichten“
Diese aktuellen Vorstöße Putins machen Hoffnung, dass das deutsch-russische Verhältnis von der aktuellen Bundesregierung nicht in dem Maße zerrüttet werden konnte, wie es mutmaßlich geplant war. Die Worte des russischen Präsidenten schwächen auch die infamen Erklärungen der Außenministerin Annalena Baerbock, „für immer“ auf russische Energie verzichten zu wollen.
Hier folgen zur Erinnerung nochmal einige der zerstörerischen Zitate unserer obersten „Diplomatin“ Baerbock aus dem letzten Jahr: Deutschland werde „für immer auf russische Energie verzichten“. Die Sanktionspakete Deutschlands würden dazu beitragen, Russland derart zu schädigen, dass „es volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommt“, ja sie würden „Russland ruinieren“. Dass die Sanktionen nicht wie offiziell beschrieben wirken, musste Baerbock inzwischen zähneknirschend einräumen. Dass die Sanktionen aber sehr wohl wirken, aber eben gegen die Bürger hierzulande, das hat etwa die „Berliner Zeitung“ beschrieben.
„Der amerikanische Energielieferant für den europäischen Markt hat natürlich ein Interesse daran“
Bereits eine Woche vor der „Russischen Energiewoche“ hatte sich Putin bei der Valdai-Konferenz zum Terroranschlag gegen die deutsch-russische Nord-Stream2-Pipeline geäußert (Übersetzung wieder von Thomas Röper). In dieser Antwort geht Putin auf die Vorgeschichte des Anschlags auf die Pipelines ein und auf die bisher unangemessenen Reaktionen darauf. Unter anderem sagt er dazu:
„Und schließlich muss man bei der Beantwortung der Frage, wer die Schuld trägt, immer auch die Frage beantworten, wer ein Interesse daran hat. Der amerikanische Energielieferant für den europäischen Markt hat natürlich ein Interesse daran. Die Amerikaner wollten das schon lange, und sie haben es erreicht. Durch wessen Hände, das spielt keine Rolle.
Es gibt noch eine andere Komponente in diesem ganzen Problem. Wenn jemals herausgefunden wird, wer es getan hat, muss er natürlich zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist ein Akt des internationalen Terrorismus.“
Bereits bei der Valdai-Konferenz hatte Putin in ähnlichen Worten wie dem des am Anfang dieses Textes stehenden Zitats sein Angebot zur Öffnung von Nord-Stream-2 vorgebracht:
„Aber eine Leitung von Nord Stream 2 ist noch vorhanden, sie ist unbeschädigt und kann 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa liefern. Es ist lediglich eine Entscheidung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Mehr ist nicht nötig. Heute fällt die Entscheidung, morgen drehen wir den Hahn auf und das war’s – das Gas fließt. Aber sie tun es nicht, zum Nachteil ihrer eigenen Interessen, weil der Washingtoner Oberkommandierende es nicht zulässt.“
Auf der „Russischen Energiewoche“ am 12. Oktober wurde auf diese Äußerungen wiederum nochmals eingegangen. Auf die Frage, ob es von deutscher Seite irgendwelche Reaktionen auf das russische Angebot der Gaslieferungen gegeben habe, antwortete Putin:
„Nein.“
Russland liefert noch immer Gas durch die Ukraine
Dann geht er auf die nicht nur selbstzerstörerische, sondern auch widersprüchliche Energiepolitik Deutschlands und anderer europäischer Länder ein:
„Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass wir sowieso Gas über die Ukraine nach Deutschland liefern. Es kommt nach Österreich, der Knotenpunkt heißt Baumgarten, und von dort wird es an Verbraucher in fast ganz Europa verteilt. Ich denke, es kommt auch nach Deutschland.“
Und weiter:
„Sie kaufen es 30 Prozent teurer in den USA ein, dort ist man glücklich. Einige Unternehmen ziehen, wie ich bereits sagte, in die USA um.
Wissen Sie, ich möchte jetzt korrekt sein, aber ich habe den Eindruck, dass das ein irgendwie unkluges wirtschaftliches Verhalten ist: als ob sie der deutschen Wirtschaft absichtlich schaden. Ich verstehe einfach nicht, wozu. Warum kann man Deutschland über die Ukraine mit Gas versorgen, aber ihrer Meinung nach geht das nicht über Nord Stream 2? Warum kann man Polen nicht anbieten, die Jamal-Europa-Pipeline zu öffnen? Ich verstehe das einfach nicht.“
Über den allgemein sehr widersprüchlichen und selbstzerstörerischen Charakter der „westlichen“ Energiepolitik sagte Putin:
„Aber die Gaslieferungen gehen weiter, auch durch das Gebiet der Ukraine. Wir liefern durch das Territorium der Ukraine und zahlen übrigens Geld für diesen Transit. Ich habe bereits darüber gesprochen. Wir hören, dass wir Aggressoren sind, dass wir so und so und böse sind. Aber Geld stinkt anscheinend nicht, das Geld für den Transit bekommen sie, sie kassieren das alles ein. (…) Wir zahlen Geld, weil die Ukraine das Transitland ist, und wir liefern nur deshalb Transit durch die Ukraine, weil wir unsere vertraglichen Verpflichtungen gegenüber unseren Geschäftspartnern in Europa erfüllen.“
In den beiden Übersetzungen finden sich noch weitere interessante Punkte, dieser Text soll sich aber auf Nord-Stream und das Angebot an Deutschland konzentrieren.
Keine „Irrtümer“: Es ist bewusste Geopolitik
Die hier beschriebenen Szenen mit dem russischen Präsidenten sind wahrscheinlich nicht so spontan, wie sie aussehen sollen, mutmaßlich sind die Szenen inszeniert, um die Bundesregierung vorzuführen und um die richtige Botschaft anbringen zu können. Das mag sein. Aber auf die Botschaft kommt es ja an und die ist sehr zu begrüßen. Sind die Worte Putins nur leere Provokationen? Nun – die Bundesregierung könnte es herausfinden, indem sie in Verhandlungen über preiswerte russische Energielieferungen eintreten würde.* Betont werden muss auch, dass ein fruchtbarer Handel Deutschlands mit Russland keine naive Unterwerfung unter ein „russisches System“ bedeutet und auch nicht mit einem romantischen Verhältnis zu Russland begründet werden sollte: Es ist schlicht im beiderseitigen Interesse. Und eine europäische Friedens- und Handelsordnung ist undenkbar, solange nicht auch die Interessen des europäischen Landes Russland einbezogen werden.
Ansonsten erscheinen die hier zitierten Szenen, als würden die Erwachsenen beraten, wie sie ein störrisches Kind (die Bundesregierung) wieder aus der (selbstzerstörerischen) Schmoll-Ecke bekommen. Nur dass das im Fall der ideologisch von den Grünen dominierten Bundesregierung keine irregeleiteten Kinder sind, sondern Politiker, die bewusst eine bestimmte Geopolitik machen. Im konkreten Fall ist das eine Geopolitik, die den Bürgern hierzulande schadet und eigentlich nur mit der Bedienung US-amerikanischer Interessen rational erklärt werden kann.
Die Energiepolitik der Bundesregierung wird nicht von „höheren Gewalten“ diktiert: Sie ist eine bewusste Entscheidung, die den Krieg in der Ukraine fast nicht beeinflusst – ein Krieg, der zudem leicht hätte verhindert werden können und dessen lange Vorgeschichte eindeutige moralische Positionen sehr schwierig macht. Dass sich die Positionierung gegen Kriegsverlängerung, Waffenlieferungen und Wirtschaftskrieg nicht gegen die Zivilisten in der Ukraine richtet, wird in diesem Artikel thematisiert.
Die russische Seite hat sich nun einmal mehr deutlich (und immer noch überraschend freundlich) erklärt – aber auch bei dieser thematischen Zwickmühle bezüglich der Energiepolitik werden es die Bundesregierung und ihre treuen Journalisten wohl einmal mehr schaffen, sich mit ganz viel emotionaler Ablenkung und Meinungsmache herauszuwinden.
*Aktualisierung 18.10.2023, 13.30h: Dieser Satz würde hinzugefügt.
Titelbild: Zerbor / Shutterstock
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