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Titel: „Die Anti-Corona-Demonstranten sind ebensolche Antisemiten“

Datum: 16. Oktober 2023 um 13:31 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Beim Lesen mancher aktueller Artikel fühlt man sich, als würde man mit einer Zeitmaschine in die Zeit der Hetze gegen Andersdenkende während der Corona-Politik zurückversetzt. Beispielhaft soll hier auf eine infame Kolumne in der „Berliner Zeitung“ eingegangen werden, in der die aktuellen Vorgänge in Nahost für härteste Meinungsmache gegen Kritiker der Corona-Maßnahmen instrumentalisiert werden. Aggressive Pamphlete wie dieses zeigen deutlich, warum eine Aufarbeitung der Corona-Politik und auch der begleitenden damaligen Medienhetze so wichtig sind. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die „Berliner Zeitung“ hat am Samstag eine Kolumne von dem dort regelmäßig zum Einsatz kommenden Autor Thilo Mischke unter dem Titel „Antisemitismus ist nicht nur ein muslimisches Problem – sondern auch ein deutsches“ veröffentlicht. Weder dem Autor noch seinem Text sollen hier echte Relevanz zugesprochen werden. Der Text wird trotzdem hier behandelt, weil er zum einen einfach skandalös ist, zum anderen aber, weil er beispielhaft für eine sture Fortführung der Meinungsmache gegen Kritiker der Corona-Politik steht, die in vielen Beiträgen von Medien oder Politikern noch immer weit verbreitet ist. Manche Journalisten und Politiker verhalten sich so, als würden wir noch immer das Jahr 2021 und die in der Zeit praktizierte, allumfassende und die Gesellschaft bis heute spaltende Meinungsmache von der Alternativlosigkeit der „Maßnahmen“ durchleben.

Dieses aktuelle Phänomen der Kontinuität und der dreisten Flucht nach vorne von damaligen Verteidigern der unangemessenen Corona-Maßnahmen zeigt, wie unverzichtbar eine schonungslose Aufklärung der Hetze gegen Andersdenkende ist, die unter dem Label „Schutz und Solidarität“ während der Corona-Politik praktiziert wurde.

Ein aggressives Pamphlet

Der Text von Mischke ist ein aggressives Pamphlet, in dem Besuchern von Demonstrationen gegen die unangemessenen Corona-Maßnahmen allgemein unterstellt wird, sie seien Antisemiten. Der Text steht hinter der Bezahlschranke, hier soll auch nicht darauf verlinkt werden, um das Produkt nicht noch mit Klicks zu unterstützen. Mischke nutzt zur kollektiven Herabsetzung einer großen und sehr heterogenen Gruppe pauschale und gruppenbezogene Diffamierung – man könnte also feststellen, dass der Autor selber rechtsextreme Taktiken nutzt, um politische Gegner als rechtsextrem darzustellen. Er behauptet in dem Text etwa, die Motivation der Hamas für die scharf zu verurteilenden Terroranschläge auf isrealische Zivilisten und die Motivationen der Kritiker der Corona-Maßnahmen hätten indirekt die gleichen Wurzeln:

„Der Terror der Hamas ist keine Eskalationsstufe, nein, es ist einfach nur eine andere Ausdrucksform. Die widerlichste, verachtungswürdigste von allen, der heimtückische Mord, das Massaker. Aber der Hass, er hat dieselbe Wurzel: Antisemitismus. Die Anti-Corona-Demonstranten sind ebensolche Antisemiten.“

Es geht noch weiter:

„Wir zeigen auf die wenigen Muslime, die in unserer Nachbarschaft öffentlich und ungezügelt ihren Antisemitismus leben. Und viele tun das, besonders die rechtspopulistischen Kräfte, um ein billiges Feindbild zu erzeugen. Was wir dabei vergessen: Noch vor anderthalb Jahren, nicht vor 80, standen 50.000 Menschen am Brandenburger Tor, und in ihren vom Hass dumm gewordenen Gesichtern war auch der Judenhass zu erkennen. Der deutsche, über Jahrhunderte gegärte, garstige Judenhass. Er platzte aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Keine Neonazis, keine radikalen Muslime, keine Pubertierenden. Nein, Ursulas und Gerts, die in ihren Softshell-Jacken Transparente trugen, die vor dem großen Reset warnten.“

Die Schuld, die Mischke zuteilt, ist anscheinend weit verbreitet und trifft nicht nur Kritiker der unangemessenen Corona-Politik, sondern gleich „die meisten Deutschen“:

„Dieser Antisemitismus ist kein muslimisches Problem in Deutschland, es ist ein Problem der meisten Deutschen.“

Und weiter:

„Jeder, der während der Corona-Pandemie auf diesen unsäglichen Demonstrationen war, die frauenfeindlich, antidemokratisch, antisemitisch waren, die Neonazis angelockt haben, macht sich mitschuldig. Jeder, der die Lügen dieser Demonstrationen weiterverbreitet, macht sich mitschuldig. Jeder, der sich jetzt nicht klar gegen Antisemitismus positioniert, macht sich mitschuldig.“

Zwischen der Diffamierung Andersdenkender zeigt Mischke auch seine lyrische Seite:

„Ich laufe unter welkem Ahorn und verpasse den Herbst, der gerade in meiner Straße von opulenter Schönheit ist.“

Corona: Fast nichts ist aufgearbeitet

Die Dreistigkeit des Artikels verschlägt einem kurz die Sprache. Man fühlt sich wie in einer Zeitmaschine in die Hochzeiten der Corona-Meinungsmache versetzt. Solche Texte sind heute immer noch möglich, weil die zerstörerische und nicht angemessene Corona-Politik noch immer als alternativlos dargestellt werden kann, weil noch immer fast nichts aufgearbeitet ist. Der Text zeigt auch, wie es sich noch immer verrohend auswirkt, dass zur Verteidigung der unangemessenen Corona-Politik reihenweise Tabus im sprachlichen Umgang mit Andersdenkenden gebrochen wurden.

Der Kolumnist Thilo Mischke macht, wie viele andere, bei der Stimmungsmache gegen Kritiker der Corona-Politik „immer noch mit“, wie sein Text zeigt. Und leider (in diesem Fall) auch die Redaktion der „Berliner Zeitung“, dabei zählt die Zeitung meiner Meinung nach eigentlich zu den besseren gedruckten Presseerzeugnissen. Die Zeitung schreibt unter dem Text, dass „Kolumnentexte“ (allgemein, nicht speziell dieser Text) „nicht die Meinung der Redaktion“ widerspiegeln würden. Die Redaktion hat den infamen Text aber auch bei „X“ (ehemals Twitter) beworben – immerhin: Die allermeisten Nutzerkommentare dort sind eindeutig.

Titelbild: Shany Muchnik/Shutterstock


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