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Titel: UN-Vollversammlung: Linksregierungen Lateinamerikas fordern globalen Norden heraus
Datum: 25. September 2023 um 10:00 Uhr
Rubrik: Friedenspolitik, Globalisierung, Klimawandel
Verantwortlich: Redaktion
Neoliberale Weltordnung steht in New York am Pranger: Die links-gerichteten Präsidenten aus Lateinamerika haben bei der 78. Vollversammlung der Vereinten Nationen grundlegende Veränderungen der globalen wirtschaftlichen und politischen Ordnung gefordert. Sie übten scharfe Kritik am internationalen Finanzsystem und am Krieg in der Ukraine, die in ihren Augen den Kampf gegen Armut, Ungleichheit und Klimawandel verhindern. Von Hans Weber.
Der Präsident von Kolumbien, Gustavo Petro, dessen Rede Pressekorrespondenten als die „heftigste und lyrischste“ in „grandioser Sprache“ bezeichneten, schlug vor, „den Krieg zu beenden und das internationale Finanzsystem zu reformieren“, um die Klimakrise zu bekämpfen.
Laut Petro werden die Länder der Welt die UN-Nachhaltigkeitsziele für 2030, die er als soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit zusammenfasst, ohne tiefgreifende Veränderungen der aktuellen globalen Ordnung schlicht verfehlen. Das „Versagen der Regierungen“ lasse sich an den wachsenden Migrationsströmen aus den ärmeren in die reicheren Länder ablesen, die auf die Klimakatastrophe folgten. Er warnte davor, dass diese in Zukunft Dimensionen von drei Milliarden Menschen erreichen könnten.
Doch anstatt den Klimawandel zu bekämpfen, „haben wir beschlossen, unsere Zeit damit zu verschwenden, uns gegenseitig umzubringen“. Petro beklagte außerdem, dass Lateinamerika aufgefordert wurde, Waffen und Männer für den Krieg zu liefern, und dass nicht alle Kriege gleich behandelt werden:
„Die gleichen Gründe, die für die Verteidigung Selenskyjs angeführt werden, sollten auch für die Verteidigung Palästinas gelten. Wo ist der Unterschied, frage ich?“
Er schlug vor, eine Friedenskonferenz für den Krieg in der Ukraine und eine für den Nahostkonflikt zu organisieren. Dies würde „die Heuchelei als politische Praxis beenden“.
Wie schon beim G77+China-Gipfel vergangene Woche betonte Petro die Notwendigkeit öffentlicher Gelder der Länder im Kampf gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen. Er kritisierte „grünes Kapital“ als Lösung, da es nur dort agiere, wo es Profit gebe. Stattdessen könne der Internationale Währungsfonds (IWF) Sonderziehungsrechte zur Verfügung stellen, um die Auslandsschulden der armen Länder zu reduzieren. Statt Auslandsschulden zu bezahlen, könnten diese ihre öffentlichen Gelder zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzen. Petro nannte dies einen globalen „Marshallplan“.
Eine dekarbonisierte Wirtschaft erfordere zudem eine Reform des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken und des IWF. Gefordert sei eine demokratische, „nicht imperiale“ Sichtweise.
Auch Brasiliens Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva forderte eine Reform der internationalen Organisationen wie IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation. Der IWF habe im vergangenen Jahr 160 Milliarden US-Dollar an Sonderziehungsrechten für europäische Länder zur Verfügung gestellt, aber nur 34 Milliarden für afrikanische Länder. Das sei „inakzeptabel“, so Lula. „Reproduzieren die Institutionen Ungleichheiten, sind sie Teil des Problems und nicht der Lösung.“
Lula kritisierte den Neoliberalismus, weil er die soziale Ungleichheit vergrößere und damit den Weg für „Opportunisten der extremen Rechten“ ebne. Als neuer G20-Vorsitzender will sich Lula für eine Reform der internationalen Institutionen einsetzen, kündigte er an.
Auch die Präsidenten von Argentinien, Bolivien, Honduras und Chile haben sich für die Reformierung der Finanzorganisationen ausgesprochen. Diese setzten sich mehr für die Spekulation ein als für eine gemeinsame Entwicklung, beklagte der argentinische Regierungschef Alberto Fernández. Er kritisierte zudem, dass der IWF seine Zinssätze jedes Mal erhöhe, wenn die US-Notenbank ihre Zinsen anhebe, um die Inflation in den USA einzudämmen.
„Ironischerweise finanzieren sie [die internationalen Kreditinstitute] die Ukraine mitten im Krieg und mitten im Krieg verlangen sie von ihr überhöhte Zinsen. Was für ein Unsinn!“, sagte Fernández. Die Besetzung der Ukraine durch Russland habe nicht nur katastrophale humanitäre Folgen, sondern aufgrund der weltweit steigenden Inflation auch wirtschaftliche.
Für Boliviens Präsident, Luis Arce, stellt der Kapitalismus das Problem dar:
„Das grausame System der kapitalistischen Ausbeutung stellt die Produktion und Reproduktion des Kapitals über den Schutz des Lebens der Menschen und der Existenz des Planeten“.
Arce tadelte den „mangelnden Willen der internationalen Gemeinschaft“ um die „kriegerischen Anstrengungen“ zu stoppen, die von den „Multinationalen des Krieges“ gefördert würden. Bis April 2023 habe die Welt mehr als 2,24 Billionen US-Dollar in Waffen und die Kriegsindustrie investiert, die besser in den Frieden und die Entwicklung der Länder investiert worden wären.
Ähnlich äußerte sich die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro, die wie ihre linken Amtskollegen auch die Blockade und die Sanktionen gegen Kuba und Venezuela verurteilte.
Der kubanische Präsident Miguel Díaz Canel prangerte an, dass die USA Bankinstitute in aller Welt erpressen würden, indem sie sie zwingen, sich zwischen der Fortführung ihrer Beziehungen zu Kuba und den USA zu entscheiden.
Der chilenische Präsident Gabriel Boric erinnerte anlässlich des 50. Jahrestages des Putsches gegen Salvador Allende an die Mitverantwortung der damaligen US-Regierung. Er verurteilte die „russische Invasion in der Ukraine“. Das überfallene Land trage nicht die gleiche Verantwortung für den Krieg wie das einmarschierende Land, sagte Boric. Er verurteilte auch die „illegale Besetzung“ Palästinas durch Israel.
Der Artikel erschien zuerst auf Amerika21.
Titelbild: Von links nach rechts: Gustavo Petro (Kolumbien), Xiomara Castro (Honduras), Lula da Silva (Brasilien). Unten: Luis Arce (Bolivien), Gabriel Boric (Chile), Alberto Fernández (Argentinien) – Quelle: Screenshot von https://twitter.com/infopresidencia/status/1704299337142895027
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