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Titel: ARD: Anne Will voll auf Kriegskurs – Und alle gegen Wagenknecht
Datum: 18. September 2023 um 11:52 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Tobias Riegel
Die Talkshow von Anne Will am Sonntag hat die bisherige Meinungsmache zum Ukrainekrieg zu einem neuen Höhepunkt geführt. Vor allem Anne Will selber hat ihre Rolle als Moderatorin in dieser Sendung missbraucht – das ist nichts Neues, aber in dieser deutlichen Form dann doch bemerkenswert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich vom Anspruch der Ausgewogenheit endgültig verabschiedet, es wird nicht mal mehr versucht, den Anschein zu erwecken. Respekt gebührt Wagenknecht: Sie führt sie alle vor. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Die ARD-Talkshow von Anne Will am Sonntag sticht heraus – auch wenn man von den öffentlich-rechtlichen Sendern schon viel gewohnt ist bezüglich einer unangemessenen Verteidigung der Regierungspolitik. Mit dem Ukrainekrieg hat sich diese bereits zuvor bestehende Tendenz der Anbiederung an die Macht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) nochmals zugespitzt.
Ein Paradebeispiel dafür, wie im ÖRR mit den Gebühren der Bürger eine höchst unausgewogene Meinungsmache für die unmoralische und politisch destruktive Verlängerung des Ukrainekriegs produziert wird, lieferte die Will-Sendung nicht nur wegen der gewohnt unfairen Besetzung der Runde: Mit Michael Roth (SPD, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses), Roderich Kiesewetter (CDU), dem „Osteuropa-Experten“ Karl Schlögel und Rieke Havertz (Internationale Korrespondentin für „Zeit Online“) standen Sahra Wagenknecht vier Streiter für die Kriegsverlängerung gegenüber.
Aus diesem Kreis hagelte es die mittlerweile sattsam bekannten und darum nicht weniger fragwürdigen Aussagen zur Vorgeschichte des Ukrainekrieges, das Trommeln für Kriegsverlängerung und Waffenlieferungen (auch mithilfe eines Hitlervergleichs) und die unverschämte Diffamierung von Regierungskritikern – das soll hier nicht nochmal im Detail beschrieben werden.
Ich möchte einen anderen Punkt betonen: Zum Verhalten der Gäste hinzu kam diesmal noch der (auch im Vergleich zu bisherigen problematischen Auftritten von Anna Will) hohe persönliche Einsatz der Moderatorin, die in einem minutenlangen Abschnitt mit unredlichen Mitteln gegen Wagenknecht ausgeteilt hat. Im Video ist das ab Minute 26:50 zu sehen. Will hat die einer Moderatorin eigentlich zugedachte Rolle eines unparteiischen Ordners schon oft verlassen, um in ihrer Sendung in ungebührlicher Form Politik zu machen. Doch dieses Mal wurde das noch übertroffen: in der Intensität, in der Wahl der unfairen formalen Mittel, in der sachlich oft falschen und trotzdem stur wiederholten Argumentation und im eifrigen persönlichen Engagement.
Wagenknecht führt die Mannschaft vor
Großer Respekt gebührt Sahra Wagenknecht: Sie führt die versammelte Mannschaft im Alleingang vor, ich kann mir momentan keine andere politische Persönlichkeit hierzulande vorstellen, die das in dieser Souveränität vollbringen könnte. Man fragt sich oft, warum Wagenknecht sich solche Runden antut, wie sie die Unverschämtheiten, die Unfairness in der Diskussionsführung und die sachlich falsche Meinungsmache immer wieder erträgt und an sich abperlen lässt. Die Rolle, die Wagenknecht hier als Einzelkämpferin übernimmt (übernehmen muss), ist wichtig: Es mag ein dreckiger Job sein, die furchtbare Einigkeit unter den Kriegsverlängerern immer wieder zu stören und diesen Runden dadurch den Spiegel vorzuhalten – aber jemand muss ihn machen.
Vielleicht ist ein Motiv Wagenknechts ja unter anderem auch das Herauskitzeln von entlarvenden Szenen wie jener von Anne Will – denn Will offenbart sich hier überdeutlich und noch mehr als ihre Gäste. Die Gäste erfüllen in erwartungsgemäßer Form ihre „Aufgabe“, das kann man (trotz der dabei transportierten infamen Meinungsmache) noch eher akzeptieren, als wenn sich die Moderatorin eines gebührenfinanzierten Mediums (endgültig) als ideologische Streiterin für ein bestimmtes Lager präsentiert: Den geladenen Vertretern politischer Parteien oder der Mainstream-Journalistin eines Privatmediums kann man erheblich mehr Tendenzfreiheit zugestehen als dem zur Ausgewogenheit verpflichteten ÖRR und seiner Angestellten* Anne Will.
Ich habe bisher den ÖRR und das wichtige Prinzip eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer verteidigt (etwa hier oder hier) – trotz all der berechtigten und teils vernichtenden Kritik an der konkreten Berichterstattung dieser Sender. Doch meine Zweifel an dieser Position nehmen erheblich zu: Die Vorstellung, diese Meinungsmache auch noch selber finanzieren zu müssen und sie dadurch mit möglich zu machen, wird immer unerträglicher.
*Ergänzung 19.9.2023: Die Sendung „Anne Will“ wird von der Firma „Will Media“ produziert. Das ändert aber nichts an der Verpflichtung zur Ausgewogenheit im Rahmen des ÖRR.
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Titelbild: Screenshot Anne Will/ARD vom 17.9.2023
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