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Titel: Das Elend des Wirtschaftsjournalismus findet in der Börsenberichterstattung seine Vollendung

Datum: 5. August 2011 um 16:09 Uhr
Rubrik: Finanzkrise, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medien und Medienanalyse
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In diesen Tagen gehen die Aktienkurse zurück. Unsere Medien sind voll von Meldungen und Kommentaren. Die Börsenberichterstatter tun so, als handele es sich um einen volkswirtschaftlich wichtigen Vorgang. Sie wissen auch genau, worauf diese Änderung an den Aktienbörsen zurückzuführen ist. Von der entscheidenden Ursache der Kursschwankungen, von der allgegenwärtigen Spekulation, ist nicht die Rede. Im Anhang finden Sie die Links zu einer kleinen Auswahl von Berichten und Kommentaren der letzten Stunden. Daran kann man zeigen, wie desolat diese Berichterstattung ist. Dieser Beitrag soll helfen, auf diesen Mist nicht mehr zu achten. Albrecht Müller.

Deshalb hier einige kritische Anmerkungen zur aktuellen Berichterstattung und den ihr eigenen Fehl- und Vorurteilen:

  • Die Börsenberichterstatter wissen auch bei dem jetzt ablaufenden Börsengeschehen seltsamerweise genau, was die Ursachen sind:
    „Konjunkturangst lässt Kurse stürzen“, „Anleger fürchten einen Kollaps der Konjunktur“, sie sind unsicher wegen der Schuldenkrise usw. Dass die Sorge um die Konjunktur möglicherweise nur der unmittelbare Anlass dafür war, dass die Spekulation auf sinkende Kurse einsetzt, lesen wir nicht. Würden uns die Berichterstatter über die Entwicklung der Aktienkurse im Zeitablauf unterrichten, dann könnten sie die gravierende Bedeutung der Spekulation für die Entwicklung an den Börsen nicht übersehen. Die schon des Öfteren in den NachDenkSeiten abgebildete Entwicklung der DAX-30-Werte zwischen 1960 und 2010 zeigt, dass die Aktienkurse seit 1995 gewaltige Sprünge nach oben und nach unten machen. Sie haben sich vervierfacht und dann wieder auf ein Viertel vermindert. Und das mehrmals. Das kann mit sachlichen, ökonomischen Entwicklungen nichts zu tun haben. Die Unternehmen waren nicht plötzlich viermal mehr wert.
  • Entwicklung der DAX-30-Werte zwischen 1960 und 2010

    Entwicklung des Dachs

    Zwischen 1995 und im Jahr 2001 zum Beispiel gab es keine konjunkturelle Entwicklung, die die Vervierfachung der Kurse rechtfertigt. Genauso wenig danach die Reduzierung der Kurse. Auch die Hausse von 2004 bis zum Jahr 2008 ist keineswegs durch die wirtschaftliche Entwicklung bewirkt. – Wann endlich lernen Wirtschaftsjournalisten, dass die Aktienmärkte vor allem von der Spekulation getrieben werden und deshalb auch das Steigen und das Sinken de Kurse volkswirtschaftlich ziemlich irrelevant ist.
    Wenn man die volkswirtschaftliche Irrelevanz der Kursentwicklung begriffen hat und wenn man zusätzlich in Rechnung stellt, welche gefährlichen Signale von den gewaltigen spekulativen Ausschlägen ausgehen können, dann muss man aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend die Bedeutung des Börsengeschehens reduzieren. Urban Priol äußerte im Gespräch dazu einmal eine passende Idee: Macht die Börsen einmal im Monat auf! Das reicht.

  • Die Börsenberichterstatter haben kein sachliches Verhältnis zum Börsengeschehen.
    Ihre Sprache verrät ihre Vorurteile: „Kurse gehen nach unten“, „Verlusttage“, „Schwere Verluste“, „Sturzflug“, „Jahrestief“. „Negativtrend“. “Es war ein totales Blutbad”. – Das sind Begriffe und Sprachgebräuche, die der tatsächlichen Bedeutung der Aufwärts- und Abwärtsbewegung der Kurse nicht gerecht werden. Volkswirtschaftlich ist es eh egal, ob die Kurse steigen oder sinken. Aber auch einzelwirtschaftlich betrachtet sind die zitierten Wertungen und die zur Zeit oft zu sehenden traurigen Gesichter der Journaille an den Börsen unangebracht. Wer zum Beispiel in Aktien neu einsteigen will, kann sich freuen, wenn die hohen Kurse – man könnte auch sagen überhöhten Kurse – nachgeben.
  • „Bei Kurssteigerungen werden Werte geschaffen, bei sinkenden Kursen werden Werte vernichtet.“ Das ist ein ausgemachter Quatsch. Aber unglaublich gängig:
    „Damit wurden alleine bei den 30 Dax-Unternehmen in den vergangenen Tagen Börsenwerte von insgesamt fast hundert Milliarden Euro vernichtet. Dies entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung von Neuseeland.“ So schreibt Spiegel online am 4. August. Oder SpiegelOnline gerade jetzt am 5.8.: „Börsenpanik vernichtet 2,5 Billionen Dollar“. – Bei steigenden Aktienkursen entstehen bei den Inhabern der Aktien Kursgewinne, das sind Buchwerte.. Wenn sie sinken, landen Eigentümer vielleicht wieder da, wo sie eingestiegen sind. Oder sie macht sogar einen kleinen Gewinn. Oder Verlust. Mit geschaffenen oder vernichteten Werten hat dies nichts zu tun. – Wir erleben zur Zeit wieder einmal eine grandiose Volksverdummung. Bei den privaten Medien und bei den öffentlich-rechtlichen Medien. Es gibt keine maßgebliche Stimme der Vernunft.
  • Es fällt auf, dass die berichtenden Journalisten sehr oft keine eigene Meinung präsentieren, sondern sich auf „Analysten“, Chefvolkswirte von Banken oder „Anleger“ berufen. Oder auf die Märkte.
    Oft geschieht das anonym wie hier: ‚Händler sprechen von einem “Blutbad“’, manchmal mit Namen. Wieso Anleger quasi wie Experten präsentiert werden, ist das Geheimnis dieser Journalistinnen und Journalisten. Dass sie noch keine Distanz zu den Analysten gewonnen haben, ist ein besonderes Armutszeugnis. Denn die so genannten Analysten haben sich in den letzten Jahren wirklich nicht als erkenntnisreich erwiesen. Außerdem haben sie in der Regel eine rein betriebswirtschaftliche Perspektive.

Anlage: Verschiedene Meldungen von Medien zum Börsengeschehen der letzten Tage:

  1. 05. August 2011, 07:27 Uhr
    Börsencrash – Konjunkturangst lässt Kurse stürzen
    Massive Kursverluste an der Wall Street und in Europa sorgen für Panik – auch die Börsen in Asien und Australien sind auf Talfahrt. Händler sprechen von einem “Blutbad”, …
  2. 04. August 2011, 17:42 Uhr
    Panik am Aktienmarkt – Dax und Dow stürzen ab
  3. 05. August 2011, 13:05 Uhr
    Teurer Crash – Börsenpanik vernichtet 2,5 Billionen Dollar
  4. Börse : Trichet schickt DAX auf Talfahrt – indem er die Unsicherheit für die Konjunktur als “ungewöhnlich hoch” bezeichnet.
  5. Sturzflug : Aktienmärkte brechen weltweit ein
  6. Kurssturz an den Märkten Börsianer bangen vor Krisen-Telefonat
    Die Angst vor einer Eskalation der Schuldenkrise in den USA und Europa schickt die Börsen weltweit auf Talfahrt: Der Dax notiert auf einem Ganzjahrestief, der Dow rauscht in den Keller – und am Morgen brach der japanische Nikkei-Index gleich nach Eröffnung des Handels um 3,4 Prozent ein. …


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