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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Goldfinger – die Spekulation mit der Angst
Datum: 5. August 2011 um 9:02 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, PR
Verantwortlich: Jens Berger
Der Goldpreis erklimmt mit jedem Handelstag ein neues Rekordniveau. Wie bei einem Herdentrieb lassen sich immer mehr eingeschüchterte Bürger in Goldinvestments treiben. Gold ist jedoch keinesfalls der sichere Hafen, wie er oft scheint oder vorgegaukelt wird. Der Markt für physisches Gold ist gefährlich klein, die Spekulation hat jedoch in den letzten Jahren ein gigantisches Volumen erreicht. Es scheint fast so, als haben einige große Spieler es darauf abgesehen, mit der Goldblase das ganz große Geschäft zu machen. Anstatt zu warnen, heizen Medien und viele sogenannte „Experten“ die Spekulation zusätzlich an. Von Jens Berger
Der Filmbösewicht Auric „Goldfinger“ plante im gleichnamigen James-Bond-Film den Goldpreis nach oben zu manipulieren, indem er die Goldreserven von Fort Knox radioaktiv verseuchen wollte. Die Filmfigur Goldfinger war selbst Goldinvestor und wollte durch eine künstliche Verknappung des Goldes zum reichsten Mann der Welt werden. Heute muss man nicht Fort Knox sprengen, um den Goldpreis in ungeahnte Höhen zu treiben. Jedes Jahr werden rund 2.500 Tonnen Gold gefördert. Rund die Hälfte davon geht in die Schmuckproduktion, rund zehn Prozent wurden im letzten Jahr vom industriellen Sektor und den Zentralbanken aufgekauft. Wie bei jedem anderen Rohstoff auch, bestimmen beim Gold Angebot und Nachfrage den Preis. Sobald die Nachfrage beim aktuellen Preis höher als das Angebot ist, steigt der Preis. 1.000 Tonnen Gold entsprechen beim aktuellen Kurs rund 48 Milliarden US$, das sind allerdings weniger als 5 Promille der gesamten Spareinlagen des privaten Sektors in den OECD-Staaten. Wer die Anleger mit Ängsten und Sicherheit vorspiegelnder Werbung in Goldinvestments lockt, kann angesichts eines immensen Anlagevolumens den Goldpreis ohne Probleme nach oben manipulieren.
Der De-Beers-Coup
In den 1950er Jahren gelang dem weltgrößten Diamantenproduzenten De Beers ein ähnlicher Coup. De Beers investierte viel Geld in eine Werbekampagne, die den Konsumenten den Eindruck vermitteln sollte, Diamanten seien nicht nur ganz besondere Steine, sondern auch das Symbol ewiger Liebe. In den Folgejahren stiegen die Preise für Diamanten in den Himmel und De Beers wurde eines der reichsten Unternehmen der Welt.
Gold ist ein marketingstrategischer Glücksfall. Käufer von Gold sind nicht an einem Symbol für die ewige Liebe interessiert, sondern haben im Regelfall Angst davor, ihr (Geld-)Vermögen zu verlieren – sei es durch Währungskrisen oder durch Inflation. Mit großem Erfolg wurden durch die Goldlobby Mythen geschaffen, die sich jedoch bei näherer Betrachtung in Luft auflösen:
Gold ist handelbarer Rohstoff und Spekulationsobjekt. Da der Markt für Gold sehr klein ist, ist der Goldpreis überaus volatil, dass heißt, er schwankt sehr stark. Bereits kleinere Angebots- und Nachfrageschwankungen können den Preis massiv beeinflussen. Tägliche Kurskorrekturen von mehr als 5% sind dabei keine Seltenheit. Gold ist somit genau so wertstabil wie Aktien größerer Unternehmen und wesentlich volatiler als Staatsanleihen.
Anders als vielfach angenommen, gibt es seit mehr als 15 Jahren keinen Zusammenhang mehr zwischen dem Goldpreis und der Inflation. Die jüngere Periode des starken Anstiegs des Goldpreises fällt genau in die Zeit, in der in allen Industriestaaten die Inflation vergleichsweise gering ist. Da Gold ein Spekulationsobjekt mit teilweise extremen Kursschwankungen ist, wäre es auch vermessen zu glauben, dass Gold vor einer möglichen Inflation in der Zukunft schützt. Wer beispielsweise 1981 einen Goldbarren gekauft und ihn zehn Jahre später verkauft hat, musste einen nominellen Verlust von 50% und sogar einen inflationsbereinigten Realverlust von 75% hinnehmen. Dies ist freilich ein Extrembeispiel, dass jedoch sehr gut zeigt, dass Gold vor allem dann kein Inflationsschutz ist, wenn man es zu relativ hohen Kursen kauft.
Die industrielle Nachfrage nach Gold ist verschwindend gering. Wenn man bedenkt, dass Gold auch in großen Maßstab recycelt wird, liegt sie streng genommen bei Null. Dennoch kommen jedes Jahr 2.500 Tonnen neu gefördertes Gold auf den Markt. Die einzigen Verwendungszwecke für dieses Gold sind die Schmuckproduktion und die Wertanlage. Da Gold – anders als die meisten anderen Rohstoffe – kaum verbraucht wird und kaum einen realen (produktiven) Nutzwert hat, ist es lediglich der Glaube daran, dass die Menschheit auch in Zukunft einem glänzenden Metallklumpen einen realen Wert beimisst. Der innere Wert von Gold ist somit eine selbsterfüllende Prophezeiung, er ist weniger ökonomisch als mehr vielmehr psychologisch begründet.
Wer sein Vermögen wirklich gegen die „Hyperinflation“ von derzeit 2,4%(!) oder vor einem befürchteten Kollaps des Kapitalismus schützen will, sollte sich wohl eher ein Sturmgewehr kaufen. Wer den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems erwartet, sollte eher eine Kuh, ein paar Schweine und ein Stück Ackerland erwerben. Als Krisennotgroschen hat Gold den großen Nachteil, dass es nur sehr schwer teilbar ist und eine Krüger-Rand-Münze nun einmal so viel wert ist, dass sie zum postapokalyptischen Einkauf ohne Wechselgold kaum geeignet scheint.
Da es keine ökonomisch sinnvolle Erklärung für die Goldpreisentwicklung der letzten Jahre gibt, ist auch nicht möglich, die zukünftige Entwicklung des Preises an ökonomischen Entwicklungen festzumachen. Der einzige Faktor, der den Goldpreis bestimmt, ist die Angst und die Spekulation. Wer heute Gold kauft, wettet also streng genommen darauf, dass die Menschen in Zukunft noch viel mehr Angst vor volkswirtschaftlichen Turbulenzen haben werden. Haben sie nur genauso viel Angst wie heute, platzt bereits die Blase, da dem neu geförderten Gold plötzlich keine Käufer mehr gegenüberstehen – oder noch schlimmer, dass die professionellen Spekulanten ihre Gewinne mitnehmen. Wer in der Vergangenheit und in der Gegenwart in Gold investiert hat, hat meist bereits vorhandene Ersparnisse umgeschichtet und das Gold nicht aus den monatlichen Einkünften gekauft.
Schneeballsystem
Das alles erinnert an ein Schneeballsystem. Jeden Monat benötigen die Preistreiber neue Käuferschichten. Da die Preistreiber wissen, dass Angst ein treibender Faktor ist, wird genau diese Angst geschürt. Wer hinter die Kulissen der Internetseiten schaut, die in teilweise unverantwortlicher Manier Angst vor dem Zusammenbruch des Währungs- und Wirtschaftssystems verbreiten, erkennt dort oft gänzlich eigennützige Interessen – mittlerweile scheint Gold das am meisten im Netz beworbene Produkt zu sein. Auch vermeintlich seriöse Zeitungen und Zeitschriften treiben ihre Leser mittlerweile ganz offen in Goldinvestments – hier wären vor allem die WELT und der FOCUS samt seines skandalträchtigen Ablegers FOCUS Money zu nennen. Wie sagte doch der alte Börsen-Grandseigneur André Kostolany? Wenn Dir die Schuhputzer Aktientipps geben, ist es höchste Zeit aus dem Markt auszusteigen. Welche Interessen die Analysten und Autoren, die in diesen Blättern kostenlos Werbung für Gold machen dürfen, vertreten, ist oft nur schwer zu erkennen. Die Interessen des Lesers sind es jedoch offensichtlich nicht.
Die aktuelle Goldpreisentwicklung zeigt überdeutlich Zeichen einer typischen Blase. Irgendwann wird diese Blase platzen – die interessantere Frage ist, wann und bei welchem Kurs. Noch funktioniert das Schneeballsystem prächtig, irgendwann ist jedoch der Zeitpunkt erreicht, an dem die Preistreiber keine neuen Opfer mehr finden können. Da der Großteil des handelbaren Goldes in den Händen von privaten Kleinanlegern liegt, stehen die Opfer bereits fest. Es ist das häufig zu beobachtende Schicksal von Kleinanlegern von institutionellen Anlegern über den Tisch gezogen zu werden. Es ist wie beim Poker – zuerst füttern die Profis die Anfänger mit kleinen Gewinnen an, nur um sie dann so lange im Spiel zu halten, bis man sie bis aufs letzte Hemd abgezockt hat. An Spekulationsmärkten sind es daher auch meist die Kleinanleger, die bei überhöhten Kursen kaufen und dann nach dem Kurssturz zu Niedrigstkursen verkaufen. Der Profi kauft, bevor der Preis in die Höhe geht, verkauft kurz vor dem Platzen der Blase und kauft dann zu Niedrigstkursen zurück. Da der Goldmarkt gänzlich intransparent ist, kann man leider nicht sagen, ob die Profis bereits verkaufen.
In einem relativ kleinen Markt wie diesem könnte einige wenige Großinvestoren mit einer Verkaufsorder bereits die Blase zum Platzen bringen. Der volkswirtschaftliche Schaden wird sich in diesem Falle jedoch in Grenzen halten. Nimmt man alle Goldbarren zusammen, die weltweit als Wertanlage gehortet werden, ergibt sich ein Gegenwert von rund 1.316 Milliarden US$. Bei einer Kurkorrektur auf vertretbare 400 US$ pro Unze entstünde somit ein Spekulationsverlust von rund 1.000 Milliarden US$. Natürlich gilt auch hier die Börsenweisheit, nach der das Geld nicht weg ist, sondern nur jemand anderem gehört – den Profis, die momentan den Preis treiben. Goldfinger wäre sicherlich neidisch auf diesen Billionencoup. Fragt sich nur, wer nach dem Platzen der Goldblase die Anzeigen auf den „Panik-Seiten“ im Internet bezahlt?
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