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Titel: Auswirkungen der Coronaimpfung: Daten, Fakten und Schlussfolgerungen (1/2)

Datum: 4. September 2023 um 10:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik
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In Deutschland war es ab dem zweiten Weihnachtstag 2020 möglich, sich gegen Corona impfen zu lassen. Bis dahin musste man ohne spezielle Coronamedikamente und ohne einen wirksamen Impfschutz auskommen. Wie haben die Coronaimpfungen das Sterbegeschehen verändert? Wie viele Sterbefälle hätten im ersten Coronajahr vermieden werden können, wenn es bereits zu Beginn der Pandemie einen Impfstoff gegeben hätte? Mit welchem Risiko ist das Impfen verbunden? Und um welche Zeitspanne ist das Leben geimpfter Menschen verlängert worden? Diesen und einer Reihe weiterer Fragen geht der Statistiker Günter Eder in der vorliegenden Studie für die NachDenkSeiten nach und greift dabei auf Erfahrungen und Erkenntnisse zurück, die in den Jahren 2021 und 2022 mit dem Impfen gemacht worden sind.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Von Günter Eder sind auf den NachDenkSeiten auch folgende Artikel zum Thema Corona und Statistik erschienen:

Ein statistischer Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten von Corona

Verlorene Lebenszeit durch Corona – eine weitere Säule wankt

Die Coronapandemie im Spiegel der amtlichen Sterbefallstatistik

Chancen und Risiken der Coronaimpfung – ein Blick auf die Sterbezahlen

Gedanken eines Statistikers zur Übersterblichkeit während der Coronapandemie (Teil 1 und Teil 2)

Übersterblichkeit auf Rekordniveau – ein Rückblick auf drei Jahre Corona (Teil 1 und Teil 2)

Anzahl der Coronatoten

Im ersten Jahr der Coronapandemie sind dem RKI zufolge 43.618 Menschen an oder mit Corona gestorben (vgl. Tab. 1). Im zweiten Jahr steigt die Zahl auf 70.271 Verstorbene und geht 2022 wieder auf 46.318 Verstorbene zurück. Im Laufe des dritten Coronajahres, als die Pandemie allgemein als überwunden gilt, sind demnach mehr Coronatote zu beklagen als im ersten Jahr. Das ist zunächst einmal ein überraschender Sachverhalt. [1]

Tabelle 1: Entwicklung der Coronasterbezahlen differenziert nach Altersklassen (RKI)

Das Gros der Verstorbenen war 60 Jahre alt oder älter. Diese Altergruppe macht weit über 90% aller Coronatoten aus. Noch keine 60 Jahre alt waren im ersten Jahr lediglich 3,3% der Verstorbenen. Im Folgejahr steigt der Anteil auf 6,5% an, geht 2022 aber wieder auf 4,5% zurück. Das Leben von Kindern und Jugendlichen ist durch das Virus nicht gefährdet. Im ersten Jahr sterben lediglich sechs Heranwachsende an einer Infektion. Das ändert sich in den Jahren danach.

Abbildung 1 macht deutlich, wie stark die Zahl verstorbener Kinder und Jugendlicher zunimmt. Während bei Erwachsenen der relative Anstieg von 2020 nach 2021 eher moderat ausfällt und sich dann wieder umkehrt, nimmt die Zahl der Todesfälle bei Heranwachsenden kontinuierlich zu. Und das in dramatischer Weise. Zwar sind auch im Jahr 2022 immer noch „nur“ 43 Kinder und Jugendliche unter den Coronatoten zu verzeichnen, doch ist die Sterbezahl damit fast acht Mal so hoch wie im Ausgangsjahr 2020.
Abbildung 1

Eine medizinische Erklärung für den starken Anstieg gibt es bisher nicht. Zwar wird immer wieder darauf verwiesen, dass das Immunsystem der Kinder und Jugendlichen aufgrund fehlender sozialer Kontakte während der Pandemie weniger gut trainiert sei und sie so anfälliger wären für Erkrankungen, doch ob das tatsächlich der entscheidende Grund ist, weiß man nicht.

Zur Wirksamkeit der Coronaimpfung

Die Bereitschaft der Menschen, sich impfen zu lassen, war von Beginn an hoch und Ende 2021 waren mehr als dreiviertel aller Erwachsenen doppelt geimpft. Man war allgemein davon überzeugt, dass nur so ein guter Schutz gegen eine Coronainfektion und einem daraus möglicherweise resultierenden schweren Krankheitsverlauf sichergestellt werden könne. Gestützt wurde die Auffassung durch Studienergebnisse, die die Pharmaindustrie vorlegte. So hebt beispielsweise BioNTech in einer Pressemitteilung vom 18. November 2020 die hervorragende Schutzwirkung seines mRNA-Impfstoffs hervor.

„Die Wirksamkeit der Impfung war über alle Alters- und Geschlechtsgruppen in der gesamten diversen Studienpopulation konsistent. Der Impfschutz bei Erwachsenen über 65 Jahre lag bei über 94%.“ [2]

Damit die Menschen Vertrauen in eine Impfung haben, ist es wichtig, dass diese einen hohen Schutz garantiert. Doch worauf bezieht sich der in der Pressemitteilung genannte Impfschutz von 94%? Sind Geimpfte damit besonders gut vor einer Infektion geschützt, vor der Weitergabe des Virus, vor (schwerwiegenden) Erkrankungen, vor einem Krankenhausaufenthalt oder vor dem Tod? Hierzu macht BioNTech keine Aussage.

Allgemein beziehen sich Angaben zur Effizienz auf den Schutz vor Erkrankungen, in diesem Fall also vor einer symptomatischen Coronaerkrankung. Und so scheint der Prozentwert auch gemeint zu sein. Zumindest legt ein Blick in die Zulassungsstudie diese Vermutung nahe. [3]

Das RKI wird hier konkreter und gibt in den wöchentlichen Lageberichten zu Corona an, wie gut die Impfung vor dem Tod schützt. In einer Sonderauswertung werden für die zweite Jahreshälfte 2021 Werte zwischen 86% und 97% ausgewiesen. [4] Die Wirksamkeit der Impfung liegt danach für 18- bis 59-Jährige im Mittel bei 95,9% und für über 60-Jährige bei 87,5%. Werte in dieser Größenordnung können als äußerst zufriedenstellend angesehen werden, wenn sie korrekt berechnet worden sind. Doch wie sind sie ermittelt worden?

Das RKI orientiert sich nicht an der offiziellen Definition der Effektivität, sondern greift auf die Screening-Methode nach Farrington zurück. Das ist ein stark vereinfachtes Rechenverfahren, das – nach Selbsteinschätzung des RKI – lediglich grobe Schätzwerte für die Wirksamkeit der Impfung liefert. [5]

Formal ist die Effektivität definiert über die Sterbequote der Geimpften in Relation zur Sterbequote der Ungeimpften:

Effektivität = 100 x (1 – (Sterbequotegeimpft / Sterbequoteungeimpft))

Als Ergebnis erhält man einen Wert, der Auskunft darüber gibt, mit welcher prozentualen Verringerung der Sterbewahrscheinlichkeit man als Geimpfter gegenüber einem Ungeimpften rechnen kann. Die Effektivität kann folglich maximal 100% betragen und nimmt negative Werte an, wenn das Impfen das Sterberisiko erhöht. Ein Wert nahe Null bedeutet, dass Impfungen praktisch keinen Einfluss auf die Zahl der Sterbefälle haben.

Für die Aussageschärfe der Effektivität ist es von Vorteil, wenn der Berechnung ein Zeithorizont zugrundeliegt und dieser mit ausgewiesen wird. Häufig stehen die ersten 30 Tage nach einer Infektion (positiver PCR-Test) im Fokus. Das bedeutet, dass nur solche Fälle in die Betrachtung eingehen, bei denen nicht mehr als 30 Tage zwischen der Infektion und dem Sterbedatum liegen. Die Impfeffektivität macht dann eine Aussage über das Sterbegeschehen in diesen 30 Tagen. Sterbefälle, die nach dem 30. Tag auftreten, gehen nicht in die Berechnung ein, haben folglich keinen Einfluss auf die Höhe der Effektivität.

Beim RKI wird der Zeitaspekt nicht direkt berücksichtigt, fließt aber indirekt mit ein, da den Coronadaten ein Zeitintervall von jeweils vier Wochen zugrundeliegt. Extrem geschwächt wird die Aussagekraft der Ergebnisse jedoch dadurch, dass das RKI den Impfstatus der meisten Verstorbenen nicht kennt. Lediglich von 39% der Coronatoten weiß man, ob sie geimpft sind oder nicht (Stand: 44. KW 2021). [5] Wie sich das Nichtwissen auf die Höhe der Impfeffektivität auswirkt, lässt sich nicht sagen und kann vermutlich auch das RKI nicht beurteilen. Mit anderen Worten: Wenn die in den Wochenberichten veröffentlichten Daten zum Infektions- und Sterbegeschehen den Wissensstand des RKI korrekt widerspiegeln, verfügt das RKI gar nicht über die nötigen Informationen, um die Impfeffektivität sauber zu berechnen.

Zum Glück ist die Datensituation in Großbritannien deutlich besser. Dort werden alle Covidtoten danach unterschieden, ob sie geimpft sind oder nicht. Und zudem werden Sterbedaten für unterschiedlich lange Überlebenszeiten ausgewiesen: für 28 Tage und für 60 Tage. Damit ist man nicht nur in der Lage, die Impfeffektivität exakt zu berechnen, sondern kann zudem beurteilen, wie sich ein längerer Zeithorizont auf die Impfeffektivität auswirkt.

Auf Basis der Daten, die die nationale Health Security Agency für die Zeit von der 38. bis zur 41. KW 2021 für Großbritannien ausweist, erhält man die in Tabelle 2 angegebenen Effektivitätswerte. [6] Jüngere Menschen sind danach durch die Impfung besser gegen den Tod geschützt als ältere Menschen. Bei Personen über 60 Jahre beträgt der Impfschutz, je nach betrachteter Überlebenszeit, 69,8% (28 Tage) bzw. 69,1% (60 Tage). Der Impfschutz bei 18- bis 59-Jährigen ist deutlich höher und liegt bei 81,7% (28 Tage) bzw. 79,0% (60 Tage). Die Impfung bietet folglich einen guten Schutz davor, an einer Coronainfektion zu versterben. Allerdings ist der Schutz bei Weitem nicht so hoch, wie man aufgrund der unspezifischen 94-Prozent-Angabe von BioNTech (für über 65-Jährige) vermuten würde.

Tabelle 2: Wirksamkeit der Coronaimpfung gegen den Tod

Die Effektivitätswerte für Kinder und Jugendliche sind weniger gut fundiert als die für ältere Geimpfte, da nur fünf unter 18-Jährige in dem betrachteten Zeitraum gestorben sind (vom Beginn der Impfung bis zur 41. KW 2021).

Eine Bestätigung erfahren die Ergebnisse durch eine amerikanische Studie. Dort hat eine Forschergruppe der Universität von Miami (Florida) die Wirksamkeit der Impfung am Beispiel von ehemaligen Militärangehörigen untersucht, von denen der Jüngste 19 Jahre alt war. [7] Die Studie umfasst die Zeit vom 25. Juli bis zum 30. September 2021 und stützt sich auf die Coronadaten von 57.784 Veteranen und Veteraninnen. Von diesen verstarben 4.478 innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen nach einem positiven PCR-Test. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die grundsätzliche Richtigkeit der britischen Werte. Zwar sind die Altersgrenzen mit 18 Jahre als unterer und 65 Jahre als oberer Grenze etwas anders gewählt, doch wird die Vergleichbarkeit der Ergebnisse dadurch nicht entscheidend beeinträchtigt. Die altersbezogenen Effektivitätswerte, die die amerikanische Forschergruppe ermittelt hat, unterscheiden sich kaum von den britischen Werten. Für Menschen zwischen 19 und 64 Jahre liegt die Impfeffektivität gegen den Tod bei 83%, für ältere Menschen ab 65 Jahre bei 69%.

Da in Deutschland die gleichen Impfstoffe verwendet werden wie in Großbritannien bzw. den USA, kann man davon ausgehen, dass auch die Schutzwirkung ähnlich hoch ist. Es spricht folglich nichts dagegen, die ermittelten Effektivitätswerte auf Deutschland zu übertragen, wenn man abschätzen möchte, wie viele Todesfälle im Jahr 2020 durch die Impfung hätten verhindert werden können.

Tabelle 3 gibt einen Eindruck von der Höhe der möglichen Reduktion. Es ist eine 60-Tage-Impfeffektivität unterstellt worden, wie sie für Großbritannien ermittelt worden ist.

Tabelle 3: Tatsächliche und hypothetisch zu erwartende Anzahl an Coronatoten in Deutschland 2020

Angenommen, die Bevölkerung wäre vollständig geimpft gewesen, so hätte es im Jahr 2020 nicht 43.618 Coronatote gegeben, sondern lediglich 13.332. Die Zahl der Todesfälle wäre um 30.286 zurückgegangen. Die errechneten Werte sind das Ergebnis rein theoretischer Überlegungen. Wie nahe man ihnen realiter hätte kommen können, lässt sich nicht sagen. Was man darüber hinaus nicht weiß – und das ist ein besonders bitterer Wermutstropfen – ist, um welche Zeitspanne das Leben der „Geretteten“ verlängert worden ist. Das Einzige, was man verlässlich sagen kann, ist, dass sie nicht in den ersten 60 Tagen nach der Infektion gestorben wären, sie also mindestens noch 60 Tage gelebt hätten. Über die Zeit danach macht die Impfeffektivität keine Aussage.

Als sinnvoll hat sich vor allem das Impfen alter Menschen erwiesen. Hier hätte die Zahl der Todesfälle im Jahr 2020 um bis zu 29.128 zurückgehen können. Die Sterbezahl bei den 20- bis 59-Jährigen hätte dagegen nur um 1.153 abgenommen.

Die Zahlen machen deutlich, wie stark das Impfen alter Menschen das Sterbegeschehen beeinflusst und wie gering der Effekt ist, der von der Impfung der unter 60-Jährigen ausgeht. Selbst wenn im Jahr 2020 alle unter 60-Jährigen geimpft gewesen wären, hätte die Zahl der Coronatoten dadurch um maximal 2,6% abgesenkt werden können. Um das Leben einer einzigen erwachsenen Person unter 60 Jahre zu retten, hätten fast 40.000 Menschen dieser Altersgruppe geimpft sein müssen.

Doch zurück zum Aspekt der Lebensverlängerung durch die Impfung. Dazu ist zunächst anzumerken, dass fast alle Menschen, deren Leben durch Corona gefährdet ist, mehr oder weniger stark vorerkrankt sind. Das haben die Obduktionen von Professor Püschel in Hamburg gezeigt. [8] Vorerkrankungen werden durch die Impfung in den seltensten Fällen positiv beeinflusst. Sie bestehen nach der Impfung fort und schränken die Lebensperspektive stark ein. Zudem ist zu bedenken, dass die meisten gefährdeten Menschen alt oder sehr alt sind. Im Jahr 2020 lag das Durchschnittsalter der Coronatoten bei 83 Jahre. Unter diesen Bedingungen muss man realistischerweise davon ausgehen, dass das Leben von Menschen, die lediglich aufgrund der Impfung überlebt haben, eher um Monate als um Jahre verlängert worden ist. Darauf deutet auch der Verlauf der Übersterblichkeit hin. Der ist (insbesondere nach der ausgeprägten zweiten Welle) gekennzeichnet durch eine starke Untersterblichkeit in der abklingenden Phase. Dieser Effekt ist zu erwarten, wenn ein Großteil der Coronatoten (auch ohne die Covid-Infektion) nur noch wenige Monate gelebt hätte. (vgl. hierzu [9])

Gemeldete Todesfälle in zeitlicher Nähe zur Impfung

Bis Ende 2021 sind 66,7% aller Menschen in Deutschland doppelt geimpft und 53,3% zusätzlich geboostert. Die Zahl der Auffrischimpfungen steigt ab der 44. Woche steil an und erreicht in der 50. Woche 2021 ihren Höhepunkt. Danach geht die Zahl der Impfwilligen stetig zurück und seit dem Frühjahr 2022 lassen sich kaum noch Menschen impfen. [10]

Zuständig für die Zulassung, Überwachung und Beurteilung von Impfstoffen ist in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Treten in zeitlicher Nähe zur Impfung Nebenwirkungen auf, so müssen diese dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldet werden. Dazu ist der behandelnde Arzt formal verpflichtet. Auch Betroffene oder Angehörige können Nebenwirkungen über das Internet anzeigen. Hierfür ist ein detaillierter zweiseitiger Fragebogen auszufüllen.

Jenseits von Corona hat die Behörde in der Vergangenheit zweimal im Jahr eine Liste veröffentlicht, aus der hervorgeht, welche Impfnebenwirkungen konkret gemeldet worden sind. Daraus ist unter anderem zu ersehen, wie viele Todesfälle es gegeben hat. Die Anzahl war in der Vergangenheit durchweg gering. Zwischen 2016 und 2020 waren es nie mehr als 30 gemeldete Todesfälle pro Jahr. [11]

Seit dem 14. April 2022 werden diese Daten nicht mehr veröffentlicht. Dem PEI zufolge genügt die Datenbank nicht mehr den hohen IT-Sicherheitsanforderungen und ist „bis zu deren technischer Erneuerung vorübergehend „on hold“ gesetzt.“ [11] Man darf gespannt sein, wie lange dieser Zustand anhalten wird oder ob es auf Dauer so bleiben wird.

Über Nebenwirkungen und Impfkomplikationen, die im Zuge von Coronaimpfungen auftreten, informiert das PEI seit dem 4. Januar 2021 in einem Sonderformat, den monatlich erscheinenden Sicherheitsberichten. [12] Darin werden die nach einer Impfung festgestellten Nebenwirkungen ausführlich und differenziert dargestellt und bewertet. Berichtet wird auch über Todesfälle, die nach Coronaimpfungen aufgetreten sind.

Im Jahr 2021 sind insgesamt 2.255 Todesfallmeldungen beim PEI eingegangen. Es ist der erste Wert, der Auskunft über die Gesamtzahl gemeldeter Corona-Impftoter eines Jahres gibt, und es ist zugleich auch der letzte. Denn seit Mitte 2022 werden keine Sicherheitsberichte und damit auch keine Sterbezahlen mehr veröffentlicht, obwohl für das erste Halbjahr 2022 noch einmal 768 Todesfälle gemeldet worden sind. Das PEI begründet die Einstellung mit der inzwischen „umfangreichen Datenlage zur Sicherheit der COVID-19-Impfstoffprodukte“. [12] Die Auswertung der Meldezahlen bleibt daher hier auf das Jahr 2021 beschränkt.

2.255 gemeldete Todesfälle innerhalb eines Jahres sind, wenn man sie mit entsprechenden Werten der Vorjahre vergleicht, eine beängstigend hohe Anzahl. Umso erstaunlicher ist es, dass die Todesfallmeldungen in der Diskussion um das Für und Wider der Coronaimpfung überhaupt keine Rolle gespielt haben.

Unter den 2.255 Todesfällen, die nach der Impfung auftraten, waren acht Kinder und Jugendliche. Wie sich die restlichen 2.247 Meldungen altersmäßig verteilen, wird in den Sicherheitsberichten nicht aufgeschlüsselt.

Mit Hilfe der Impfnebenwirkungsstatistiken, die die European Medicines Agency (EMA) veröffentlicht, ist es jedoch möglich, die Aufteilung grob abzuschätzen. [13] Demnach hatten 2021 auf europäischer Ebene 72,4% aller gemeldeten Impftoten das 65. Lebensjahr überschritten. 27,6% waren 64 Jahre oder jünger. Zum Vergleich: Der Anteil der unter 60-Jährigen an den Coronatoten liegt im Mittel bei nur 5%. Für unter 60-Jährige ist die Impfung folglich mit einem im Vergleich zur Infektion relativ höheren Sterberisiko verbunden als bei älteren Menschen.

Aufgrund der etwas unterschiedlichen Altergrenzen wird für die Übertragung auf Deutschland ein leicht auf- bzw. abgerundetes Meldeverhältnis von 3:1 unterstellt. Teilt man die dem PEI gemeldeten Todesfälle entsprechend auf die unter und über 60-Jährigen auf, so erhält man die in Tabelle 4 angegebenen Schätzwerte. Auf die Altersgruppe der 20- bis 59-Jährigen entfallen dann 562 Todesfallmeldungen, auf die Gruppe der über 60-Jährigen 1.685.

Wären Ende 2021 nicht nur 66,7%, sondern 100% aller Menschen in Deutschland geimpft gewesen, so hätte es deutlich mehr Todesfallmeldungen gegeben. Der Tabelle 4 kann entnommen werden, wie stark die Zahl der Meldungen voraussichtlich angestiegen wäre. Hierfür sind die Meldezahlen mit dem reziproken Wert der Impfquote multipliziert worden. Die Zahl zu erwartender Todesfallmeldungen erhöht sich dadurch auf 2.887.

Tabelle 4: Anzahl geimpfter Personen und Anzahl gemeldeter Todesfälle in zeitlicher Nähe zur Impfung

Die hypothetische Überlegung, wie viele Impftote es gegeben hätte, wenn die gesamte Bevölkerung geimpft gewesen wäre, ist für keine Altersgruppe so relevant wie für die unter 20-Jährigen. Den Angaben des PEI zufolge sind im Jahr 2021 acht Kinder und Jugendliche nach der Impfung gestorben. Geimpft waren zu dieser Zeit lediglich 16,6% der Heranwachsenden. Wäre die Altergruppe vollständig geimpft gewesen, hätte man mit sechs Mal so vielen Todesfallmeldungen rechnen müssen, also mit 48 Verstorbenen.

An den Folgen einer Coronainfektion sind im gleichen Zeitraum jedoch „nur“ 34 Kinder und Jugendliche gestorben (vgl. Tab 1). Das bedeutet, dass selbst wenn die Impfung den Tod aller an Corona verstorbenen Heranwachsenden hätte verhindern können, wären vermutlich mehr Kinder infolge der Impfung gestorben als ohne die Impfung an Corona gestorben sind.

Für 20- bis 59-Jährige stellt sich die Situation, trotz 562 gemeldeter Impftoter, nicht ganz so dramatisch dar. Um die Angabe zur Zahl der Toten als Entscheidungshilfe für oder gegen eine Impfung nutzen zu können, muss man den Wert in Relation zur Zahl der Coronatoten betrachten. Das waren im Jahr 2020, als noch niemand geimpft war, 1.459 Verstorbene und im Jahr 2021, als bis Ende des Jahres dreiviertel aller 18- bis 59-Jährigen doppelt geimpft waren, 4.595 Verstorbene. Wenn man einmal von dem eigenartigen Sachverhalt absieht, dass im Jahr 2021 trotz Impfung dreimal so viel jüngere Menschen an Corona gestorben sind wie im Jahr 2020, ist das Risiko, an einer Impfung zu versterben, durchaus von einer Größenordnung, die bei der Impfentscheidung berücksichtigt werden sollte.

Wären im Jahr 2020 alle Menschen dieser Altergruppe geimpft gewesen, so hätte es zwar 1.153 Coronatote weniger gegeben (vgl. Tab. 3), gleichzeitig aber wären 756 Todesfallmeldungen nach der Impfung zu erwarten gewesen (vgl. Tab. 4). Letztlich wäre die Zahl der Sterbefälle also nur um 397 Personen zurückgegangen. Bezieht man die Zahl der Impftoten in die Wirksamkeitsbetrachtung mit ein, so hätten von der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen 115.000 Menschen geimpft sein müssen, um das Leben einer einzigen Person zu retten.

Bei gründlicher Abwägung der Vor- und Nachteile sind mRNA-Impfungen eigentlich nur für alte Menschen mit schweren oder schwersten Vorerkrankungen uneingeschränkt empfehlenswert.

Wie sind die Meldezahlen zu Impfnebenwirkungen grundsätzlich zu bewerten? Ist eine gemeldete Zahl von 2.255 Impftoten eher als zu hoch oder eher als zu niedrig einzuschätzen? Wird nur ein Teil der impfbedingten Todesfälle tatsächlich erkannt und dem PEI gemeldet oder werden viele Sterbefälle aufgrund einer zeitlichen Nähe zur Impfung vorschnell und fälschlicherweise der Impfung zugerechnet? Eine Antwort auf die Frage fällt schwer und wird noch dadurch erschwert, dass das PEI keine Auskunft darüber gibt, ob Meldungen von einem Arzt, Krankenhaus oder Gesundheitsamt eingereicht worden sind oder von einer Privatperson. Das ist bedauerlich, da es für die Beurteilung der Verlässlichkeit der Werte eine wichtige Zusatzinformation wäre. Denn Meldungen von Ärzten können sicher mit höherer Wahrscheinlichkeit als korrekt angesehen werden als Meldungen von Privatpersonen.

Im Sicherheitsbericht vom September 2022 teilt das Paul-Ehrlich-Institut dann überraschend mit, dass von den bis Juni 2022 gemeldeten 3.023  Todesfällen lediglich 120 als „konsistent mit einem ursächlichen Zusammenhang mit der Gabe des jeweiligen COVID-19-Impfstoffs“ angesehen werden können. [12] Wie die Zahl von 120 Impftoten ermittelt worden ist, wird nicht näher erläutert. Nur eines ist klar: Auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die aus der Obduktion Verstorbener resultieren, basiert die Angabe nicht. Denn Obduktionen von Personen, die in zeitlicher Nähe zur Impfung gestorben sind, sind hierzulande kaum durchgeführt worden.

Das bemängelte Johannes Friedmann, der Leiter der Arbeitsgruppe Obduktion im Bundesverband Deutscher Pathologen, bereits im März 2021 und forderte in einem Schreiben an den Bundesgesundheitsminister mehr Obduktionen von gemeldeten Impftoten. „Nur so können Zusammenhänge zwischen Todesfällen und Impfungen ausgeschlossen oder nachgewiesen werden.“ Seiner Einschätzung nach ist insgesamt viel zu wenig obduziert worden, so dass man über mögliche Todesursachen eigentlich „noch gar nichts weiß“. [14]

Zu den wenigen Pathologen, die überhaupt gemeldete Impftote in größerer Zahl obduziert haben, zählt Peter Schirmacher, der geschäftsführende Direktor des Pathologischen Instituts am Universitätsklinikum Heidelberg. Er hat mehr als vierzig Menschen untersucht, die innerhalb von zwei Wochen nach einer Coronaimpfung gestorben sind. Seiner Erfahrung nach kann man davon ausgehen, dass etwa 30% bis 40% der Obduzierten aufgrund der Impfung gestorben sind. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die mRNA-Impfstoffe neuartige Substanzen enthalten, die bisher noch nie in Impfstoffen enthalten waren und im Körper Reaktionen auslösen können, deren langfristige Auswirkungen nicht bekannt sind. [14]

Geht man davon aus, dass die Einschätzung von Professor Schirmacher zutrifft, so dürften von den 2.255 gemeldeten Impftoten des Jahres 2021 zwischen 676 und 902 Betroffene an der Impfung gestorben sein. Das sind sechs- bis siebenmal so viele Tote, wie das PEI vermutet.

Zusätzlich muss man bedenken, dass viele Impftote nicht als solche erkannt und gemeldet werden. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann niemand verlässlich sagen. Die der amerikanischen Regierung unterstellte Bundesbehörde Agency for Healthcare Research and Quality hat in einer Untersuchung, die sich mit dieser Frage befasste, festgestellt, dass weniger als 0,3% aller Nebenwirkungen, die von Medikamenten herrühren, auch tatsächlich gemeldet werden. Die Meldequote für Impfnebenwirkungen wird nicht explizit ausgewiesen. Es heißt lediglich, dass sie unter 1% liegt. Das kann bedeuten, dass die Quote ähnlich hoch ist wie bei Medikamenten. Es kann aber auch heißen, dass die Quote zwei- oder dreimal so hoch ist. [15]

Für schwerwiegende Nebenwirkungen von Medikamenten hat man in der Studie eine deutlich höhere Aufdeckungsquote ermittelt. Sie liegt zwischen 1% und 13%. Es liegt nahe zu vermuten, dass die schwerste aller Nebenwirkungen, nämlich der Tod, noch häufiger aufgedeckt wird. Ob oder wie diese Ergebnisse auf das Impfen übertragbar sind, wird nicht gesagt. Über die Höhe der Aufdeckungsquote bei Impftoten kann man folglich nur spekulieren. Möglicherweise liegt sie bei 10%, vielleicht aber auch bei 20% oder 30%.

Damit bleibt offen, ob und wie stark die Zahl gemeldeter Todesfälle nach unten oder nach oben korrigiert werden müsste, wenn man einen korrekteren, die Realität besser abbildenden Wert für die Zahl der Impftoten anstreben würde. Vieles spricht dafür, dass der Wert deutlich angehoben werden müsste. Doch Studien, die darüber verlässlich Auskunft geben und die allgemein anerkannt sind, gibt es nicht. Angesicht dieser Sachlage scheint die gemeldete Zahl an Todesfällen immer noch der solideste Schätzwert für die Zahl der Impftoten zu sein, auch wenn es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit eher um einen unteren Grenzwert handelt.

Im morgen erscheinenden zweiten Teil des Artikels blickt Günter Eder auf die Übersterblichkeit und geht dabei auf die Frage ein, wie sich das Sterbegeschehen in den letzten Jahren verändert hat.


Titelbild: Cryptographer/shutterstock.com

[«1] Robert Koch-Institut: Coronavirus SARS-CoV-2 – Todesfälle nach Sterbedatum, Stand: 19. Januar 2023

[«2] BioNTech Pressemitteilung – Pfizer und BioNTech schließen Phase-3-Studie erfolgreich ab. 18. November 2020, New York und Mainz

[«3] Fernando P. Polack et al. – Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. BioNTech- Zulassungsstudie veröffentlicht am 10. Dez. 2020, IN: The New England Journal of Medicine

[«4] Robert Koch-Institut – Geschätzte Impfeffektivität der COVID-19-Impfung nach Altersgruppen. Stand 2.5.2023

[«5] Robert Koch-Institut – Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Kranklheit-2019 (COVID-19)

[«6] UK Health Security Agency – COVID-19 vaccine surveillance report, Week 42 2021

[«7] Fei Tang et al. – COVID-19 mRNA vaccine effectiveness against hospitalisation and death in veterans. IN: The Lancet, Vol.3 September 2022

[«8] Obduktionen in Hamburg – Fast alle Corona-Toten waren vorerkrankt. NTV vom 30. Februar 2021

[«9] Günter Eder – Gedanken eines Statistikers zur Übersterblichkeit während der Coronapandemie. NachDenkSeiten vom 3. September 2022

[«10] Robert Koch-Institut: Digitales Impfquotenmonitoring zur Covid-19-Impfung. Stand: 20. Januar 2023

[«11] Paul-Ehrlich-Institut – Auswertung der Verdachtsfallmeldungen von Impfkomplikationen 2000 bis 2021 (exclusive Covid-19-Impfstoffe)

[«12] Paul-Ehrlich-Institut – Sicherheitsbericht: Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 seit Beginn der Impfkampagne. Stand: 7.2.2022, Langen

[«13] Europaen Medicines Agency – Online-Zugriff auf Verdachtsfallmeldungen über Arzneimittel-nebenwirkungen

[«14] Carina Rehberg – Corona-Impfung: Pathologe vermutet Dunkelziffer bei Impftoten. Zentrum der Gesundheit, 24. Juli 2022

[«15] Lazarus Ross – Electronic Support for Public Health-Vaccine Adverse Event Reporting System. Grant ID: R18 HS 017045, AHRQ Rockville 2011


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