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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Leserbriefe zu „„Ich habe meine Seele verkauft“: Ein Protestsong erobert die Welt“
Datum: 27. August 2023 um 14:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich: Redaktion
Tobias Riegel thematisiert hier den Song „The rich Men north of Richmond“ des bisher kaum bekannten US-Country-Sängers Oliver Anthony und die Debatte darum. Er stehe plötzlich an der Spitze der US-Charts und entwickle sich langsam, aber sicher zum Welthit. Das Lied habe „Seele und erreicht auf der Gefühlsebene zu Recht zahlreiche Menschen“. Es gebe aber auch fragwürdige Stellen im Text, darum stelle sich die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Protestsong handele. Wir danken für die zahlreichen und interessanten Zuschriften, die wir hierzu bekommen haben. Hier nun eine Auswahl der Leserbriefe, für Sie zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Protestsong hin oder her: Der junge Mann schreit das Elend raus.
Das beunruhigt die , sich so kultiviert wähnende, SZ . Schon ein Witz, dass diese und weitere KritikerInnen dann den Anspruch erheben, dass der Song zu wenig umfassende kapitalistische Kritik übe und ihm sogleich das Zertifikat “rechts” verpassen wollen.
Die Emotionen, die der Song hervorruft, passen dem “Establishment” nicht. Die könnten ja dazu führen, dass Menschen anfangen darüber weiter nachzudenken.
Na, wo kämen wir denn da hin!!!
L.G.
Ute Plass
2. Leserbrief
Sehr geehrte Damen und Herren:
Jetzt nehmen sich die Nachdenkseiten auch diesem Lied an. Es ist übrigens der zweite Country-Song in kurzer Zeit (nach “Try that in a small town”), der einen politischen Inhalt hat. Man kann sicherlich darüber spekulieren, ob der sich anbahnende Wahlkampf um die Präsidentschaft da eine Rolle spielt. Die Passage über die “kleinen dicken Sozialhilfeempfänger” ist mir auch unangenehm aufgestossen. Sicher kann man verstehen, daß Menschen mit weniger Bildung Probleme “personalisieren” also bestimmte Menschen oder Menschengruppen für die Misere in einem Land verantwortlich machen. Und von der Sozialhilfe zu leben wird wohl nicht von allen Beziehern als “Lebensart” angesehen. Deshalb ist dieses Lied in eher “linken” Medien auch umstritten. Andererseits scheint es auch eine gewisse Verbitterung der Menschen in den ländlichen Gebieten auszudrücken. Der Erfolg von Trump 2016 kam ja auch für viele Kommentatoren auf dieser Seite des “großen Teichs” überraschend.
Gruß
R.K.
3. Leserbrief
Lieber Herr Riegel.
Erfreulich, daß Sie in den/für die NDS auf Oliver Anthony`s “Song Rich Men of North Carolina” aufmerksam machen. Diese einfache, in der inzwischen (auch schon wieder) nächst 100jährigen Tradition des Country Blues stehende Ballade, erinnert selbstkritisch-ironisch („I’ve been selling my Soul, working all Day“) ans working-class-live ´der da unten´. Und ist aus meiner Sicht weder politisch “rechts” noch “links”. Auch nichtl lechts noch rinks.. Sondern ein wichtiger kleinkünstlerischer Beitrag zu dem, was auch heute noch gilt.
Ihr Link verweist auf Olivers selbst produzierten Beitrag. Der ihn allein mit Gitarre zeigt. Daß er nicht allein ist, verdeutlicht dieses soweit ich weiß 2023 aufgenommene Video
Mit freundlichem Gruß
Ihr Dr. Richard Albrecht
4. Leserbrief
Sehr geehrtes Nachdenkseiten-Team, sehr geehrter Herr Riegel,
“Ein Protestsong erobert die Welt” und kolportiert zugleich eine hochgradig problematische Interpretation gegenwärtiger Verhältnisse, die sich auf Ressentiments und Vorurteile gegen den Sozialstaat, Sündenböcke und Leute stützt, die teils genauso oder noch schlechter dran sind, die über noch weniger Sprachrohre und Aufmerksamkeit verfügen, um sich wehren zu können. Teile und herrsche, leider erneut erfolgreich.
Das erinnert mich an den kürzlichen Erfolg des selbsternannten “Anarchokapitalisten” in Argentinien, an den Erfolg und die Maßnahmen der “Brüder Italiens” oder die hiesigen Erfolge der AfD: Runter mit den Steuern, weg mit dem “Sozialstaat”, der Wurzel allen Übels und ein Hoch auf die “freien” Märkte. Auf diesem Weg fließen die Energien des Veränderung in Strömungen, hinter denen sich noch radikalere wirtschafts- bzw. neoliberale Dogmen und Programme verbergen, welche bereits bestehende Krisen eskalieren lassen und die Schere zwischen Arm und Reich noch gewaltsamer aufreißen würden.
Phänomenal, dass die offen einsehbaren Widersprüche nicht zuletzt eines solchen “Protestsongs” übersehen werden. Nicht der “Sozialstaat” ist verdächtig, der zunehmend gestutzt, untergraben und ausgehöhlt wird, sondern umgekehrt gerade die zu engen Kopplungen zwischen Staat und “freier” Wirtschaft, aufgrund derer Gewinne sowieso schon zunehmend privatisiert werden. Aber das ist eben das Problem eines von (a)sozialen (Marketing-)Medien und “Social Influencern” dominierten World Wide Webs: Da besteht leider nicht viel Raum für Reflexion zwischen den viralen Hypes, die mit rohen Emotionen und einem jeweils schwarz-weißen Weltbild hantieren, das sich interessierte Gruppen dann passgenau gestalten. Dass ein Großteil der Leute damit am Ast sägt, auf dem er selbst sitzt? Kein Problem, wird schon keinem auffallen, guckt eh keiner genauer hin.
Mit freundlichen Grüßen
Patrick G
5. Leserbrief
Liebes Team,
vielen Dank an Tobias Riegel, dass er die Leser der Nachdenkseiten mit diesem wirklich mächtigen Song bekannt macht. Ich habe ihn erst vor wenigen Tagen zum ersten Mal gehört und war ergriffen von seiner Kraft. Es blieb aber auch das ungute Gefühl, ob das nicht zu gut ist, um wahr zu sein. Ein Redneck, der in wenigen Tagen die Charts stürmt? Ich habe bisher keine Anzeichen für einen Deep Fake gefunden, aber warten wir es ab.
Etwas verwundert bin ich über Tobias Riegels Frage, ob das überhaupt ein Protestsong sei, weil er als “rechts” eingestuft wird. Ich gebe zu, dass ich meiner Jugend “rechts” und “Protest” wohl kaum in einem Atemzug genannt hätte. Aber was genau heißt das eigentlich? In Zeiten, in denen konservative Kräfte am Alten festhalten wollen und den Fortschritt behindern, ist “linker” Protest die Haltung der Stunde. In Zeiten, in denen linke Ideologie das mühsam Erarbeitete zu zerstören droht, scheint mir “rechter” Protest die richtige Antwort zu sein.
Denn eines kann man den grün-woken Spinnern ja nicht absprechen: Fortschritt wollen sie um JEDEN Preis. Strenggenommen sind sie also durchaus progressiv. Die alten Definitionen sind daher nicht einmal völlig falsch.
Vielen Dank für Eure Arbeit!
Peter Müller
6. Leserbrief
Hallo NDS,
bis der Interpret dies ggf. selbst deutlich macht, kann man “the obese milkin’ welfare”, “you’re 5-foot-3 and you’re 300 pounds” auch als Metapher für “Reiche” verstehen, die “mehr als genug haben” und dennoch keine Steuern bezahlen. Es würde auch klarer zu “These rich men north of Richmond” passen und allgemein, wovon der Song handelt. Ansonsten wäre das ein großes Thema mit einem sehr, sehr spezifisch gemischt, worüber man sich auch fragen könnte, inwiefern obese Bürger keine Steuern zahlen sollten?
Liebe Grüße,
Dennis
7. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten-Team,
bezüglich der Textzeile im Lied von Oliver Anthony:
Livin’ in the new world
With an old soul
gibt es ein Lied mit ähnlicher Aussage vom grossartigen Gundi (Gerhard Gundermann):
Viele Grüsse
Peter Jordan
8. Leserbrief
Sehr guter Artikel und grossartiges Lied.
Es hat mich direkt umgehauen und sofort an den jungen Bob Dylan erinnert, man schaue sich z.B. mal dessen ‘North Country Blues’ von vor genau 60 Jahren an [1].
Das Gitarrenspiel ist bei OA komplexer als bei Dylan, aber nicht immer ganz sauber (ich spiele selber), trotzdem oder gerade deshalb eine perfekte Begleitung zu der tollen Melodie und der unglaublich kraftvoll-ungekünstelten Stimme.
Dann der Text. Ich liebe diese Texte, die mit einfachen Sätzen mehr aussagen als alle Ethikkommissionen zusammen in langen “Expertisen”.
Kurzum, alles wirkt vollkommen authentisch. Ein Gesamtpaket wie ich es lange nicht erlebt habe. Und ich habe bisher nur vom Audio gesprochen…
Ach ja, was die mediale Resonator-Hysterie betrifft: Die juckt mich nicht.
MfG
Wolfgang Lohoff
[1] youtube.com/watch?v=pid0Ud4y3XY
9. Leserbrief
Liebe Redaktion, ja der Song ist für viele das was ihnen aus dem Herzen spricht. Er ist moralisch, geht ans Herz. Aber ein Protestsong ist er nicht. er zeigt keinen Weg wie es weitergeht, hat keinen Ausweg. Und in dem Sinne ist dieser Song ein typischer Song über das System in dem wir leben, der aber nicht über dieses System hinaus geht. Denn was anderes als Moral predigen unsere Politiker in den Parlamenten auch nicht. Nur haben die meisten schon keine Moral mehr. Für mich ein Song der ins Herz aber nicht ins Hirn geht. Trotzdem danke an Oliver. wir brauchen auch und gerade in der Kultur mehr Mut. Mit freundlichen Grüßen J. Karsten
10. Leserbrief
Wenn den Regierenden/ Mächtigen/ Eliten/ Medien/ usw.
etwas nicht passt / kritisch ist / ihnen gefährlich werden könnte/ usw.
wird heute sofort die Punze UMSTRITTEN oder EXTREMISTISCH oder ANTISEMITISCH oder RECHTSEXTREM ausgepackt.
Ziel / Absicht :
die Aussage / die Kritik / usw. unmöglich (!) zu machen.
Auch bei diesem Lied, das ich nicht kenne; sehr wohl aber erkenne ich, dass eine Journaille von der anderen abschreibt :
Mir hängt die R e s o n a t o r g i t a r r e schon beim Ohr heraus .
G.C.L.
11. Leserbrief
Liebe Nachdenkseiten mwd …. (smile)
gestern habe ich noch gedacht:
Na, das Lied könnte ich ja mal zum Nachdenken vorschlagen und heute morgen …. lese ich Nachdenkliches zu verkauften Seelen
Ich bin begeistert (wie immer!)
Für mich steht der Text nicht so sehr obenan, was die genaue Analyse angeht.
Da finden sich schon ein paar ‘stolprige’ Zeilen.
Aber es wird eine Saite in den Seelen angesprochen, die schon ganz lange darauf wartet!!!!!!
35 Millionen Seelen in ein paar Tagen spricht für sich!!!!!
Und wenn sich die Seelen dann auch noch miteinander ein wenig solidarisch fühlen, dann freut mich das ganz besonders. Wäre schön, wenn sich daraus was entwickeln würde.
Für mich ist es immer ein wenig umständlich, die Geschichte von Susanne K zu erzählen. Wie das Handelsblatt im Frühjahr mitteilte, bekommt sie für das letzte Jahr ungefähr 1,2 Mrd € Rendite (wie jedes Jahr) ausgezahlt. 1200 Millionen geteilt durch 365 Tage (sie arbeitet sicher ganz ganz hart jeden Tag – auch Weihnachten) macht eine gute Millionen jeden Tag. ‘Rich (wo)men south of Richlandmünchen’
danke Tobias Riegel für den Text (und für viele andere Texte auch)
der Nachdenkseitenleser und -unterstüzer Hans Kania
12. Leserbrief
Hallo Nachdenkseiten,
ja, das ist ein Protestsong, und wie alle Protestsongs ein verschwiemelter Kitsch-Schmarrn. Gerade die viel genannte “Authentizität” des Interpreten ist der lupenreinste Kitsch! Und der Song ist so rechts-religiös wie halt noch jeder Protestsong aus den US of A. Der Gestus des ohnmächtig schreienden, leidenden – meinetwegen auch wütenden Christenmenschen, der sich mit seinem kalkulierten Gebarme auch noch wirklich ernst nimmt: So bekannt wie der älteste Ostfriesenwitz, der je auf der drögsten Party vorgelesen wurde!
Sagt mal, Leute, merkt Ihr noch was??
Allerherzliebst
Stephan K.
13. Leserbrief
Sehr geehrte Redaktion,
Vielen Dank für Ihren Artikel zu diesem Lied.
Da ich “handgemachte” Musik sehr mag, habe ich es mir gerne angehört und musste spontan an verschiedene Stücke u.a. von Bruce Springsteen denken.
Der ganze Text gibt wieder, was sicher viele hier und in den USA denken.
Von daher trifft der Song einen Nerv und gefällt mir einfach.
Leider zeigen Sie in Ihrem Artikel auch gleich mit auf, wie diese “neue Welt” mit einem Lied mit alter Seele verfährt.”Redneck”, “Rechten gefällt das”, “Unklar, wo der Sänger steht” sind die zugehörigen Schlagworte dazu.
Von hier an braucht es nur ein kleines Gerücht, ein Raunen im Feuilleton und die Cancel-Culture Falle ist gespannt und bereit zum zuschlagen.
Wer Springsteens Album Nebraska kennt, der weiß um solche Lieder.
Lieder, welche eine bestimmte Stimmung wiedergeben und von einem Ohnmachtsgefühl erzählen.
Woher es kommt, wird klar, wenn man sich die mediale Begleitung zu diesem Lied anschaut.
Ich kenne den Songschreiber nicht.
Es ist mir auch egal, dass er vom Typus ein rothaariger, weißer Mann ist und welche Dinge er denken mag und wer nun alles versucht, Kapital aus diesem Song zu schlagen.
Er hat ein gutes Lied mit zur Zeit passendem Text geschrieben.
Evtl. sollte man sich weniger an seiner Person oder seiner Herkunft abarbeiten und ihm mehr zuhören.
Danach könnten sich Dinge ändern und andere Lieder; mit positiveren Texten, entstehen.
Aber solange diese “neue Welt” weiter ihren Kurs bei behält, wird es immer weniger Platz für “alte Seelen” geben.
mit freundlichen Grüßen
Georg Meier
14. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
schön, dass Sie auf den Song von Oliver Anthony hinweisen und seinen Text vollständig und zweisprachig veröffentlichen.
Zu diesem Song und seiner Rezeption möchte ich 3 Anmerkungen machen.
1. Man sollte politische Verhältnisse in den USA nicht mit einer Brille betrachten, die auf deutsche Verhältnisse eingestellt ist. Weder sind die Republikaner schlicht rechts, noch die Demokraten schlicht links. Eine Übertragung im Sinne von Republikaner = CDU/CSU und Demokraten = SPD ist vollkommen unzutreffend. Die „Neocons“ nutzen beide Parteien für ihre Zwecke.
Man vergleiche mal diese vier historisch bedeutsamen Präsidenten der USA:
Abraham Lincoln, Republikaner, erster Präsident aus der Republikanischen Partei, Farmersohn und Autodidakt
Dwight D. Eisenhower (Vorfahren aus dem Saarland), Republikaner, Sohn eines Gemischtwarenhändlers, Eisenbahnmechanikers und Molkereiarbeiters
Franklin D. Roosevelt, Demokratische Partei, aus wohlhabender Familie, Vater Vorstandsmitglied mehrerer Unternehmen
John Fitzgerald Kennedy, Demokratische Partei, Sohn reicher Eltern, Einsatz im WWII, u.a. mit dem „Purple Heart“ ausgezeichnet
mit diesen beiden Figuren:
Donald John Trump (Vorfahren aus der Pfalz), Republikaner, Vater Immobilienunternehmer, er selbst „Unternehmer, Entertainer und Politiker“
Joseph „Joe“ Robinette Biden, Demokratische Partei, aus begüterter Familie (Autohandel), von 1973 bis 2009 Senator für Delaware, dem Steuerparadies und Staat der Briefkastenadressen
Nachdem die Bush-Family die Lebensbedingungen der amerikanischen Bevölkerung auf ihre Weise geschreddert hat, schreddert nun die Biden-Family die Bevölkerung von der anderen Seite her. Das Ergebnis ist das gleiche: Einfaches Volk arm und verzweifelt, reiche Grüppchen immer reicher und mit Spaß beim Kriege anzetteln.
2. Lieder sind eine Form der Lyrik. Lyrik besteht idR nicht aus einer ausführlichen Darlegung eines politischen Programms samt Handlungsleitfaden zur Umsetzung. Prinzipiell möglich wäre natürlich eine Vertonung des Grundgesetzes oder der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Das ließe sich auch als Pflichtmusik bei Tanzveranstaltungen vorschreiben. Vermutlich hätte es sich dann mit Tanzveranstaltungen. Spaß beiseite. Lieder, Liedtexte greifen Stimmungen auf, erzeugen Stimmungen, finden eine emotionale Resonanz bei den Rezipienten (oder auch nicht). Der Ausdruck eines Gefühls ist das wesentliche Charakteristikum. Und erst einmal entscheidet jede/r für sich, ob das Lied sie oder ihn berührt. Dann kann man sich die Frage stellen, weshalb man durch den Song berührt wird und beginnen, den Text („lyrics“) zu interpretieren.
Im Falle des Songs von Oliver Anthony waren die politisch-ideologischen Kommentatoren mit ihrem „framing“ sozusagen schneller fertig, als Anthony die erste Strophe singen konnte. Willkürlich herausgerissene Textfetzen werden genutzt, um die Bewertung, die bereits vor Anhören des Songs feststand, irgendwie zu „belegen“. Geradezu absurd, dass deutsche Kommentatoren Anthony als „AFD-Anhänger“ ausweisen wollen.
Bevor man den Song beurteilt, geschweige denn politisch bewertet, sollte man sich mit dem Text auseinandergesetzt haben. Und zwar mit dem vollständigen Text. Und auch, über den Song selbst hinaus, mit seinem Kontext.
3. Die ersten drei Strophen könnten auch für sich stehen, zwei Mal wiederholt, mit Refrain, und das wäre ein vollständiger Song. Darin wird eine Erfahrung samt zugehörigem Gefühl beschrieben, die viele der nicht begüterten Amerikaner/innen kennen und die darüber hinaus anscheinend weltweit viele Menschen nachvollziehen können.
Versucht man diesen amerikanischen Song bzw. Songtext, der an die amerikanische Bevölkerung adressiert ist, aus dem Blickwinkel der Verhältnisse und Lebensbedingungen in Deutschland zu betrachten, stößt man unweigerlich auf Fragen des Mindestlohns, die Bezahlung von Pflegekräften, die Arbeitsbedingungen bei Betrieben wie Amazon Deutschland. Wenn die eigene Vollzeit-Beschäftigung nicht mehr ausreicht, um das Überleben zu sichern.
Und wer trägt vor allem die Steuerlast? Diejenigen, die von ihrer Arbeit, ihrer Kraft, ihrem Witz (Verstand/Kreativität) leben müssen. Was wird mit dem Reichtum gemacht, den sie erwirtschaften? Milliarden für geheime „Impfstoff“-Verträge und dubiose Maskendeals. Sondervermögen für Aufrüstung. Steuerrückzahlungen an Leute, die keine Steuern gezahlt haben (Cum-Ex).
„Die Reichen nördlich von Richmond“ zahlen keine Steuern, sie bedienen sich aus dem Steuertopf. Und sie wollen die „totale Kontrolle“ (auch vermittels der WHO und ihrer Einflussagenten in der EU), um „das Volk“ nicht nur auszuplündern, sondern restlos zu verwerten. Das ist m. E. die Aussage der ersten drei Strophen.
Die vierte Strophe hat es in sich. Das ist Dichtung: Das Verdichten komplexer menschlicher Verhältnisse in wenigen Sprachbildern.
Teil 1:
Sich um Bergleute (miners) kümmern – die Geschichte der Bergleute in Amerika ist bekannt (bzw. recherchierbar), die ist vor allem eines: blutig. Hier auch der Anklang an Woody Guthrie („My daddy was a miner, And I’m a miner′s son, He’ll be with you fellow workers, Until this battle’s won“ – Which side are you on?“).
„Und nicht nur (um) Minderjährige auf einer Insel irgendwo“ – das ist eine Zeile, die, wie ich finde, in gelungener Weise mehrdeutig ist. Es wird auf Privatjet und Privatinsel von J. Epstein und dessen Missetaten sowie deren strafrechtliche Verfolgung angespielt, jedoch nicht die Strafverfolgung explizit genannt. „Sich um Minderjährige kümmern“ ist in diesem Kontext zweideutig und enthält den Verweis auf die Mittäter und „Busenfreunde“ Epsteins (wer die sind, ist bekannt, die sind auch „north of Richmond“).
Teil 2:
„Leute auf der Straße, die nichts zu essen haben“ und „Fettleibige, die von Sozialhilfe leben“. Nanu, was soll das denn bedeuten? Die Leute, die nichts zu essen haben, könnten doch Sozialhilfe beantragen (und fettleibig werden), die „Fettleibigen“ könnten als Diät derweil deren Platz einnehmen, oder wie oder was?
(Vorweg eine Artikelempfehlung: aerztezeitung.at/2022/oaz-artikel/politik/adipositas-in-den-usa-ueberproportionale-zunahme/)
Um sich einem Verständnis dieser Zeilen zu nähern, sollte man sich mit den Verhältnissen in Amerika und dem Selbstverständnis seiner Einwohner beschäftigen.
The american dream, es aus eigener Leistung zu etwas bringen, unabhängig vom Gängelband des Staates zu sein, das ist ein Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist die Erfahrung, die viele Amerikaner/innen gemacht haben, dass der Staat in Verbund mit den Finanzkonzernen wesentlich zu ihrer Verelendung beigetragen hat (s. Immobilienkrise, Filmempfehlung dazu: „The Big Short“). Michelle Obama, fragwürdig, wie sie ist, hat einmal gesagt: „They put the barrs higher“, nach dem Motto: Sobald du glaubst, etwas erreichen zu können, legen sie dir weitere Hindernisse in den Weg. Oder so: Sobald du etwas erreicht hast, nehmen sie dir alles weg. Und dennoch gilt für diese Menschen meist: „But the fighter still remains“ („The Boxer“, Simon und Garfunkel). Also schlagen sie sich auf der Straße durch.
Und was ist nun mit den „fettleibigen Sozialhilfeempfängern“? Die macht er doch verächtlich und diskriminiert sie? Nein, tut er nicht, sondern im Gegenteil, wie die fünfte Strophe zeigt:
Wer immer wieder runtergestoßen wird, ist irgendwann so verzweifelt, dass er oder sie zum Freitod auf Raten greift, z. B. alles in sich reinfrisst, irgendwo haust und sich darin verschanzt, von der Welt nichts mehr wissen will („sich sechs Fuß in den Boden stecken“). Und so und für diesen Zweck sollten Steuermittel nicht verwendet werden.
Wie ist in der Hinsicht die Situation in Deutschland?
Für Deutschland sei an Georg Schramm erinnert (im Rahmen des Programms „Volksverblödung“ von 2009):
(Stichwort: „5 Big Mac Döner und kurz vorm Platzen“)
Dazu sollte man sich an die Zerschlagung der Arbeitslosenhilfe erinnern. Die Arbeitslosenhilfe war kein Almosen, sondern Teil der Arbeitslosenversicherung. D. h. wer sozialversicherungspflichtig tätig war, hatte Anspruch auf Gelder aus dem Topf, den sie oder er mit erwirtschaftet hatte. So blieb im Falle der (in der Regel fremdverschuldeten) Arbeitslosigkeit zumindest noch der Anschein einer Würde gewahrt. Die Regierung Schröder/Fischer, bekannt für ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, hat der Arbeitslosenhilfe den Garaus gemacht und stattdessen eine „Hilfeform“ gesetzt, die nach einem gerichtsbekannten Puffgänger benannt wurde. Anschließend beschimpften Schröder, Clement, Müntefering, Steinmeier et al Menschen, die ihre Arbeitsstelle verloren hatten, als Faulpelze und Nichtsnutze, die froh und dankbar sein sollten, wenn man sie wenigstens scheel ansehen würde. Und an dieser offen zur Schau gestellten Menschenverachtung seitens der Regierung hat sich seitdem nichts mehr geändert. Auf am Boden liegende Menschen einzutreten, das ist das Merkmal aller Regierungen seit Schröder/Fischer.
Und wie gehen die Betroffenen damit um? Je nach vorhandenen Möglichkeiten versuchen sie, aus diesem Elend herauszukommen. Sobald sie das zu schaffen scheinen, werden sie wieder getreten. Nicht alle stehen dann wieder auf. Ein Teil bleibt liegen, erhält „Sozialhilfe“ (die man genauso als Antihilfe oder asoziale Form der Intervention eines menschenverachtenden Staates bezeichnen könnte, denn natürlich reicht das hinten und vorne nicht und bei „abweichendem Verhalten“ wird sie gekürzt oder gestrichen). Mittlerweile gibt es auch in Deutschland Familien, die seit mehreren Generationen von Sozialhilfe „leben“. Stehe mal auf, wenn du fast schon „six feet under“ liegst.
(Empfehlung der Grünen: Sozialhilfeempfänger sollten sich vegan ernähren und ihre Lebensmittel im Bioladen kaufen, Sport treiben (Golf, Tennis, Segeln) und nur Elektro-Fahrzeuge kaufen. Und ihre zentral gelegenen Villen schimmelfrei halten.)
Wenn man auf das 0815-Geblubber der Framing-Medien verzichtet, stattdessen die Reaktionen vielerlei Menschen, einfacher Menschen, nicht vom WDR hinzugezogener Angestellter oder von den Grünen dazu abgestellter Mitgliederrinnen zur Kenntnis nimmt, dann kann man sehen, wie breit gefächert die Zustimmung zu diesem Song bei allen Unterdrückten dieser Welt ist. Wobei eigentlich schon alles gesagt ist, wenn Rapper einen Countrysong gut finden.
Danke für die Arbeit der NDS.
Grüße, Heinrich Peter
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