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Titel: Leserbriefe zu „Zinskritik – Rückkehr eines alten Denkfehlers“

Datum: 14. August 2023 um 14:32 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich:

Jens Berger vertritt hier die These, nach der die alten „Argumente“ der Zinskritiker offenbar seit dem erneuten Steigen der Zinsen ihre Wiedergeburt feiern würden. Während der Niedrigzinsphase der letzten Jahre sei es um die Zinskritik ruhig geworden. Es werden daher aus gegebenen Anlass zwei ältere Artikel vorgestellt, „die sich mit den „Argumenten“ der Zinskritiker beschäftigen und sie im Kern widerlegen“. Wir danken für die zahlreichen und interessanten Leserbriefe. Hier nun eine Auswahl, in der auch andere Meinungen vertreten werden. Christian Reimann hat sie für Sie zusammengestellt und Jens Berger zahlreiche Leserbriefe beantwortet. Da in den meisten kritischen Zuschriften auch auf zahlreiche andere ökonomische Themenfelder eingegangen wurde, würde es jedoch den Rahmen sprengen, alle Zuschriften in der Ausführlichkeit zu beantworten, die sie eigentlich verdient hätten. Wir bitten, dies zu verzeihen.


1. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

wichtige Erinnerung an den alten Artikel und zur richtigen Zeit!

Obwohl ich mit Zinsen und Krediten kaum etwas zu tun hatte (außer beim BaföG und das war zu meiner Zeit zinslos), war ich bisher der Meinung, dass der Zins eines der Grundübel des Kapitalismus sei. Aber er ist das Entgelt für eine Dienstleistung. Und oft für eine sehr nützliche (z.B. Ermöglichung des Eigenheimerwerbs). Habe wieder was dazu gelernt!

Komplizierte Zusammenhänge nicht nur analysieren, sondern auch noch verständlich darstellen, das können Sie. Chapeau!

Herzliche Grüße,
Rolf Henze


2. Leserbrief

Guten Tag Herr Berger,

ich schätze Ihre Artikel grundsätzlich sehr, und es ist auch verdienstvoll, dass Sie sich überhaupt mit dem Thema “Zinskritik” beschäftigen. Einige Argumente, das Sie bringen, sind angesichts der Schlichtheit der Argumentation manch eines Zinskritikers durchaus zutreffend. Unter den Zinskritikern befinden sich jedoch auch Ökonomen, und diese argumentieren vollkommen anders als von Ihnen rezipiert. Beispiele: Der Zusammenhang zwischen Zins und Wachstumszwang läuft über die “Goldene Regel der Akkumulation” (Phelps-Allais-Theorem – hier ein kurzer Beitrag aus Wikipedia). Die besagt am Ende ebenfalls, dass der Zinssatz der Wachstumsrate entspricht. Oder: Sicherlich gibt es Zinskritiker, die einfach “der Zins muss weg” ausgerufen haben, ohne nach seinen Bestandteilen zu differenzieren. Silvio Gesell, der Gründer der Freiwirtschaftslehre, strebte Preisstabilität an, wonach eine Inflationsprämie im Zinssatz nicht mehr gezahlt werden müsste. Die Risikoprämie im Zinssatz wollte er AUSDRÜCKLICH nicht abschaffen – lesen Sie sein Werk (z.B. S. 337 in der 9. Auflage aus 1949). Es geht “nur” darum, den “Basiszinssatz” (in der Sprache von Keynes die Liquiditätsprämie) durch künstliche Durchhaltekosten zu neutralisieren – ein Gedanke, den Keynes im Übrigen als “gesund” bezeichnete und der Keynes’ Hauptwerk durchzieht – auch, wenn er in der Mainstream-Keynes-Rezeption kaum vorkommt.  Ich könnte jetzt jeden zweiten Satz Ihres Beitrages so durchgehen – das wäre dann aber kein Leserbrief mehr, sondern ein Buch. Falls Sie sich wirklich einmal eingehender mit der Thematik beschäftigen wollen, melden Sie sich bitte bei mir. Meine o.a. Kritik schmälert im Übrigen nicht die Achtung und Bewunderung Ihrer sonstigen Arbeit – machen Sie weiter so!

Beste Grüße
Prof. Dr. Dirk Löhr 

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Löhr,

dass das gesamte Thema „Zinsen“ weit über die pauschale Zinskritik hinausgeht, die ich in meinen beiden Artikeln thematisiert habe, ist vollkommen klar. „Nur“ weil ich diese pauschale Zinskritik für einen Denkfehler halte, heißt dies natürlich nicht, dass ich den status quo in allen Punkten verteidige. In vielen meiner Artikel übe ich ja auch scharfe Kritik an der Zinspolitik der Zentralbanken und die Geschäftsmodelle vieler Banken kritisiere ich ohnehin. Über die Höhe des Zinses schreibe ich wohlweislich ja auch gar nichts. Es geht „nur“ um die Argumentation, den Zins als solches für sämtliche Probleme verantwortlich zu machen, die es mit unserem Wirtschaftssystem gibt.

Beste Grüße
Jens Berger


3. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Auf Ihren Artikel „Kritik der Zinskritik“ vom 23.8.2011, den Sie jetzt in Nachdenkseiten wieder veröffentlichen, schreibe ich Ihnen.

Ich bin nach intensivem Studium der Literatur und der Argumente der Freiwirtschaftstheorie ein Anhänger. So abwegig wie Sie, sehe ich das nicht. Ich freue mich einmal eine Kritik zu lesen, die nicht so oberflächlich ist.
Man muss darüber viel lesen und sich intensiv hineindenken. Z.B. Das Buch „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz. In meinem Brief beziehe ich mich auf die 5. Auflage 2001. Es gibt auch neuere Auflagen, herausgegeben von Thomas Kubo. Mir beantwortet das Buch fast alle Fragen zu unserem Finanzsystem.

Sie fragen: Warum soll eine Umlaufgebühr die Menschen abhalten Geld zu horten? Die Inflation würde es doch ohnehin entwerten.

Die Inflation entsteht in erster Linie, wenn zu viel Geld in das System kommt. Betrachten Sie einmal, wie stark die EZB die Geldmenge in den letzten 20 Jahren erhöhte, um von deflationären Gefahren loszukommen. Ein ständiger gesunder Geldumlauf lässt sich steuern. Das will die Freiwirtschaft.
Was Horten anbelangt, muss man nur einmal ansehen, wie Bargeld sortiert ist: 33% sind nach Geldsysndrom 1000DM Scheine,– die bei der normalen Nachfrage so gut wie nicht benutzt werden. Das ist heute bei den 200 und 500€Scheinen ähnlich . Siehe GS Seite 191, 199 und 204.

Die Freiwirtschaft will den Zins nicht verbieten! Er ist ein wichtiger Regulator. Ihr geht es nur um den so. Grundzins oder Prämie für Liquiditätsverzicht.

Die EZB vermag es nicht die Geldmenge zu steuern. Steuern kann man nur, was sich bewegt. Und weil sich zu viel nicht bewegt, haben wir die Probleme.

Ich will keinen langen Brief schreiben, weil ich nicht weiß, ob Sie ihn lesen und bedenken. Ich habe es bedacht. Eine gut gemanagte Umlaufgebühr würde viele Probleme lösen. Außerdem will die Freiwirtschaft auch die Bodenwirtschaft gerechter gestalten und erklärt, wie Geld und der unvermehrbare Boden zusammenhängen. Mir sind diese Gedanken wegweisend.

Darf ich auf eine Antwort hoffen?

Mit freundlichen Grüßen
Adolf Holland-Cunz

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Holland-Cunz,

selbstverständlich dürfen Sie auf eine Antwort hoffen und Sie bekommen auch eine. Es ist nicht „nur“ das Thema Zinskritik, bei dem ich mit Autoren wie den von Ihnen zitierten Herrn Creutz über Kreuz liege. Auch seine Erklärung zur Entstehung der Inflation ist ein Denkfehler. Mit diesem Thema hatte ich mich auch schon auseinandergesetzt. Dass Autoren, die die Geldmenge monokausal für die Inflation verantwortlich machen, auch zu m.E. skurrilen Einschätzung zum Zins kommen, überrascht mich da nicht. Aber auch hier sollten die letzten zehn Jahre eigentlich die Argumente ordnen. Während der gesamten Niedrigzinsphase hatten wir in Deutschland ja eben fast überhaupt keine Inflation, während im letzten Jahr Preise und Zinsen stiegen. Klar, man darf hier Ursache und Wirkung nicht verwechseln, da die EZB ihre Zinspolitik ja vor allem an der Inflation ausrichtet. Die „Theorie“, dass die Zinshöhe monokausal die Inflation bestimmt, ist daher ein Irrglaube. Zynisch könnte man sagen, dass empirisch wohl eher das Gegenteil der Fall ist und die Inflation den Zins „steuert“ – EZB und Co. sei Dank.

Beste Grüße
Jens Berger


4. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

ich bitte Sie über folgende Dinge nachzudenken :

  1. Worin unterscheiden sich Staatsschulden von Eigenheim oder Unternehmensschulden ?
  2. In den Bankbilanzen von z.B. der GLS Bank ist transparent dargestellt, dass alle Einlagen in Form von Schuldverschreibungen geparkt werden und sämtliches neues Kreditgeld als Buchgeld in der Bilanz neu auftaucht. Somit steigt die Geldmenge mit der Kreditnachfrage und die Einlagen bekommen nicht die Kreditkunden.
  3. Unternehmen müssen für Anleger mehr Dividende/Rendite verdienen, als der Investor risikolos von der Bank erhält. Dies entspricht dem Einlagezins der Zentralbank, da die Bank dort das Geld risikolos parken kann. Der Zins übt somit Druck auf Unternehmen aus ausreichend Gewinn zu erzielen, damit Anleger genug Dividende erhalten. Dieser Druck ist Kostendruck, da die Märkte oft gesättigt sind und der Umsatz nicht beliebig erhöht werden kann.

Der größte Denkfehler ist aus meiner Sicht der systemimanente Wachstumszwang durch die Investoren, die mehr Rendite haben möchten, als es bei der Bank gibt. Dieser Wachstumszwang übt im globalen Wettbewerb einen ungeheuren Lohn, Rationalisierungs- und Outsourcingdruck auf die Beschäftigten aus.

Viele Grüße
Andreas Grenzdörfer


5. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

zunächst vielen Dank für Ihren interessanten Artikel über Zinsen.

Ich möchte jedoch noch auf zwei Aspekte hinweisen, die meiner Meinung nach in diesem Kontext zumindest erwähnenswert sind:

  1. Sie haben nur über das Prinzip Zinsen gesprochen, nicht aber über den Mechanismus der sie festlegt.
    Zinsen werden (bei uns) durch die Europäische Zentralbank (planwirtschaftlich) festgelegt. Sie unterliegen damit einem Monopol.

    Wenn es der EZB beliebt kann sie die Zinsen erhöhen oder reduzieren. Das bedeutet insbesondere, dass Zinsen sich nicht an der aktuellen Nachfrage nach Krediten orientieren, also nicht durch Angebot und Nachfrage festgelegt werden. Somit entstehen potentiell unnötige Blockaden bei der Geldvergabe (durch zu hohe Zinsen) oder gefährliche Anreize Kredite aufzunehmen (durch zu niedrige Zinsen). Menschen werden bei zu niedrigen Zinsen verleitet Dinge zu kaufen, die sich sich eigentlich nicht leisten sollten. Das hat insbesondere auch Sekundäreffekte: Wenn viele glauben sich ein Haus leisten zu können, weil es Null- und Negativzinsen gibt, dann erhöht das die Nachfrage nach Immobilien immens. Dadurch erhöhen sich die Preise für Immobilien und damit etwas zeitverzögert auch die Mieten.

    Und nicht zuletzt machen Zentralbanken mit einer Nullzinspolitik den Geschäftsbanken ihr Geschäftsmodell kaputt, durch Kredite Geld zu verdienen. Dies nötigt dann die Banken unter Umständen riskantere Geschäfte einzugehen und erhöht das Risiko von Bankenpleiten.

  2. Sie haben nur über das Prinzip Kredit gesprochen, nicht aber über dessen Mechanismus. Während Privatleute und Firmen Kredite nur vergeben können, wenn sie das entsprechende Geld auch besitzen, sieht es bei Banken anders aus. Diese dürfen (bei uns) für jeden Euro Stammkapitel 99 Euro Kredit ausgeben. Das bedeutet, dass Banken gegenüber anderen Unternehmen bei gleichem Kapitel das 100 fache an Zinsen erwirtschaften können.

Anders formuliert: Geschäftsbanken bekommen Geld für etwas, das sie gar nicht besitzen. Denn das Geld für den Kredit eines Kunden wird aus dem Nichts erzeugt, wenn der Kunde den Kredit abruft. Und es verschwindet auch wieder im Nichts, wenn der Kredit zurückgezahlt wurde. Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Richard Werner hat dies in einem Experiment auch empirisch nachgewiesen.

Aus meiner Sicht sind diese beiden Aspekte bei der Diskussion zu Zinsen und Krediten relevant.

Schöne Grüße,
Andreas

Antwort Jens Berger:

Lieber Andreas,

da gebe ich Ihnen weitestgehend Recht. Diese Punkte hatte ich in der Vergangenheit auch häufig kritisiert. Ich hatte das z.B. mal in einer Rezension zu Thomas Frickes Bankenbuch erwähnt. Wichtig ist aber: Das sind regulatorische Themen, die nicht mit dem Zins als solchen zu tun haben. Das es hier eine Menge Punkte gibt, die kritisiert werden müssen, steht für mich völlig außer Frage. Das schreibt ich im Artikel zur Zinskritik aber auch ganz explizit. Ihre Zahlen zur möglichen Kreditvergabe sind übrigens nicht korrekt, da es ja auch noch die Saldenmechanik und Eigenkapitalrichtlinien für Banken wie Basel II und III gibt, die verhindern, dass Einlagen im maximal theoretisch möglichen Maße gehebelt werden.

Beste Grüße
Jens Berger


6. Leserbrief

Sie schreiben:

Es besteht keine Notwendigkeit, Zinsen und Zinseszinsen durch immer neue Kredite zu bedienen und die Geldmenge bleibt durch den Zins weitestgehend unberührt.

Das verstehe ich nicht. Z.B. kann Zentralbankgeld ausschließlich durch die Zentralbank geschöpft werden. Geschäftsbanken können lediglich Derivate wie z.B. Giralgeld erzeugen, was nur Versprechen auf Zentralbankgeld sind. Wenn nun eine Zentralbank 1000 EUR schöpft und an eine Geschäftsbank verleiht, und die Zentralbank bei 10% Zinsen verlangt, dass die Geschäftsbank dafür in einem Jahr 1100 EUR zurückzahlen soll, wie soll das ohne zusätzliche Kredite funktionieren, wenn doch nur 1000 EUR Zentralbankgeld geschöpft wurden?

Irgendwie schade, dass ich meine Frage nicht in einem öffentlichen Forum zur Diskussion stellen kann und statt dessen durch die “Zensur” der [email protected] gehen muss.

VG Andreas

Antwort Jens Berger:

Lieber Andreas,

auf diesen Punkt gehe ich im Artikel ein. Die Zinseinnahmen der Banken und Gläubiger werden aus dem normalen Geldkreislauf entnommen. Geld != Vermögen.

Beste Grüße
Jens Berger


7. Leserbrief

Lieber Herr Berger, liebe Freunde von den Nachdenkseiten,

der Artikel ist soweit jeweils in den einzelnen Punkten nachvollziehbar, impliziert meines Erachtens jedoch mindestens ein wenig, dass die Kritik an dem gegenwärtig hohen Zins-Niveau der Europäischen Zentralbank falsch ist. Ihr Artikel kommt zur Unzeit, wenigstens wäre ein Absatz zum Zinsniveau der EZB ratsam gewesen.

Dazu meine ich, dass die gegenwärtig hohen Zinsen eine bereits röchelnde Wirtschaft weiter erwürgen und zur Inflationsbekämpfung deshalb nicht notwendig sind, weil es sich ja eben nicht um die von Lohnentwicklung versus Profit getriebene Standardinflation handelt.

Die Ursachen der jetzigen Inflation sind dagegen fast monokausal und beruhen hauptsächlich auf der (selbstverschuldeten) Entwicklung der Energiepreise. Nebenbei segeln vorwiegend gerade auch die Nahrungsmittelriesen und die Wohnungswirtschaft im Schatten dessen mit und treiben ihre Profite in ungeahnte Höhen. Deren “Gierflation” lässt sich nur gründlich anprangern. Das bremst sie vielleicht.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Engelke

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Engelke,

um Himmels Willen! Ich gehöre doch selbst zu den Kritikern der EZB-Zinspolitik. Ich bin da also ganz bei Ihnen. So sollte der Artikel nicht verstanden werden.

Beste Grüße
Jens Berger


8. Leserbrief

Hallo Herr Berger,

vielen Dank für den o.g. Artikel, er lässt mich auch noch einmal eigene Gedanken reflektieren, mitunter jenen, wodurch der Zins nicht zwangsläufig aus neuer Kreditvergabe erbracht werden muss, sondern womöglich schlicht eine Umverteilung stattfindet, um den Zins zu finanzieren. Hier wäre es vielleicht interessant, dass einmal statistisch zu belegen oder näher zu erläutern, ich persönlich halte beide Ansätze für denkbar aber das nur am Rande.

Mir ist folgende Passage in Ihrem Artikel aufgefallen:

“wenn man sich die Statistiken der Bundesbank [PDF – 25 KB] anschaut, erkennt man jedoch, dass der Kreditsumme von 3.963 Milliarden Euro, die der deutsche Bankensektor an den Privat- und Unternehmenssektor vergeben hat, immerhin 3.206 Milliarden Euro an Einlagen aus diesen beiden Sektoren gegenüberstehen. 
… die Kreditvergabe im Wesentlichen aus den Einlagen der Bankkunden vorgenommen wird.”

Die Statistik, dass der Kreditsumme in ähnlicher Höhe Einlagen gegenüberstehen mag richtig sein. Aber daraus zu schließen, dass die Kreditvergabe im Wesentlichen aus den Einlagen vorgenommen wird, das ist meines Erachtens nach nicht korrekt.

Bei der Bundesbank lesen wir hierzu:

“Tatsächlich wird bei der Kreditvergabe durch eine Bank stets zusätzliches Buchgeld geschaffen. Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Bank „auch altes, schon früher geschöpftes Buchgeld, z.B. Spareinlagen, weiterreichen“ (könne), wodurch die volkswirtschaftliche Geldmenge nicht erhöht wird, trifft nicht zu.”

siehe hier

Auch hat Professor Richard Werner dies nachgewiesen, siehe hier

Vielleicht möchten Sie die obige Passage daraufhin noch einmal überprüfen und ggf. abändern?

Besten Dank für Ihre Mühen im voraus und auch vielen Dank an dieser Stelle für Ihre wertvolle Arbeit, ebenso an Ihre Kollegen.

Beste Grüße
Julian Waizmann

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Waizmann,

da haben Sie vollkommen Recht. Diese Passage in meinem alten Text ist missverständlich. Ich wollte darauf hinweisen, dass in der Bilanz Einlagen und Kredite sich ungefähr die Waage halten. Das heißt nicht, dass die Kredite aus dazu korrespondierenden Einlagen 1:1 finanziert werden. Diese Passage würde ich heute sicher anders formulieren. Sinn und Zweck war es lediglich, das „Argument“ der Zinskritiker zu widerlegen, dass die Kredite die Einlagen um ein vielfaches übersteigen würden.

Beste Grüße
Jens Berger


9. Leserbrief

Hallo Herr Berger,

mir fehlt leider bezüglich ihres Artikels zur Zinskritik, ihre Meinung zur Geldschöpfung der Zentralbanken gegenüber Geschäftsbanken gegen Zins (dem so genannten Leitzins). Ist es bei dieser Zinszahlung nicht der Fall dass das Geld für die Rückzahlung des Zins nicht vorhanden ist, und nur durch neue (Zentralbank)Geldschöpfung erzeugt werden kann. Und somit einen “Wachstumszwang”, bzw. ein Zwang , neues Geld schöpfen zu müssen um die Zinsen zu bezahlen, erzeugt wird? Können Sie bitte zu dieser Thematik, der Geldschöpfung, uns Ihre Meinung mitteilen.

Mit freundlichen Grüßen,
Jens Hoffmann

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Hoffmann,

zum Thema „Geldschöpfung“ hatte ich vor 10 Jahren mal einen kleinen Infofilm gemacht.

Beste Grüße
Jens Berger


10. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Sie schreiben in Ihrem Artikel “Stellungnahme zum Artikel „Kritik an der Zinskritik“”:

Es ist zwar richtig, dass Banken ihre Kredite nicht ausschließlich aus den Kundeneinlagen vergeben – wenn man sich die Statistiken der Bundesbank [PDF – 25 KB] anschaut, erkennt man jedoch, dass der Kreditsumme von 3.963 Milliarden Euro, die der deutsche Bankensektor an den Privat- und Unternehmenssektor vergeben hat, immerhin 3.206 Milliarden Euro an Einlagen aus diesen beiden Sektoren gegenüberstehen.

Diese Aussage war schon 2011 falsch und ist es heute immer noch. Die Geschäftsbanken verleihen bei der Kreditvergabe nicht einen Cent von Kundeneinlagen. Mit dem Buchungssatz “Forderungen an Verbindlichkeiten” werden bei der Kreditvergabe dem Kunden auf seinem Girokonto Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt (Guthaben eingebucht) und im selben Atemzug auf dem Kreditkonto eine Forderung gegen den Kunden gebucht. Das ist alles. Kann man bei der Bundesbank hier nachlesen oder sich die Seiten des Projektes “Wie entsteht Geld” der Universität Hamburg anschauen.

Herzlichst
Hajo Zeller

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Zeller,

das ist natürlich korrekt, aber für die konkrete Fragestellung eher ein Nebenkriegsschauplatz. Das Bankensystem funktioniert natürlich nicht so, dass man einen Euro aus dem Einlagekonto A auf das Kreditkonto B überweist. Hätte ich im Artikel aber nun auch noch ausführlich die Themen „Saldenmechanik“ und „Geldschöpfung“ thematisiert, hätte man darauf wohl ein Buch machen können und die eigentliche Zielrichtung wäre verwässert. Letztlich ist es für die reine Debatte der Zinskritik m.E. sinnvoller, sich auf die Geldmenge und Bilanzen des Geschäftsbankensektors zu beschränken und die Geschäftsbanken selbst als Black Box zu betrachten.

Beste Grüße
Jens Berger


11. Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren,
 
…”Wir halten die Zinskritik für einen Irrweg”…, wer ist “Wir”.  Im Buch von Prof. Dr. Senf “Der Nebel um das Geld” geht er mit den wissenschaftlichen Mythen hinsichtlich des Geldes und der Zinsen um.  Herr Prof. Dr. Hörmann setzt sich mit der Verbuchung von Krediten im Bankensektor sehr kritisch auseinander. Er spricht vom “Schuldscheintausch”. Niemand schuldet dem anderen etwas. Somit entfallen auch Zinsen. Er bezeichnet die Finanzwissenschaften als “Firlefanzwissenschaften. Herr Prof. Dr. Flassbeck spricht davon dass Zinsen Produktivität benötigen. Der Mensch muß sie also erwirtschaften. Ich hatte dies etwas anders ausgedrückt (Der Zins ist nie in der Welt). …”Wer seine Ersparnisse also nicht unter dem Kopfkissen versteckt, „hortet“ sie auch nicht, sondern stellt sie – indirekt über den Bankensektor – Kreditnehmern und somit der Volkswirtschaft zur Verfügung.”…Viele Kredite entstehen so aber nicht – es entsteht Giralgeld, ich glaube man nennt es girieren. Verbucht wir es als sogenannter Schuldscheintausch. (Prof. Dr. F. Hörmann). Was meiner Meinung nach völlig unbeachtet bleibt ist der Faktor der “Verschuldensfähigkeit”. Herr Prof. Dr. Flassbeck hat dazu ja schon sehr schön ausgeführt und damit die Staatsverschuldung erklärt. Wenn Haushalte, Unternehmen nur noch sparen muß der Staat sich eben verschulden. Einer muß Schulden machen. Alternativ das Ausland (Target 2 Salden die Herr Prof. Dr. Sinn erklärt). Was aber so gut wie nie erklärt wird ist die Frage wer ist verschuldensfähig und wo sind die Grenzen.Durch den Euro haben sich die Staaten mit dieser Währung ein Zinsproblem geschaffen. Die EZB muß bei ihrer Zinspolitik die hochverschuldeten Länder berücksichtigen wenn sie durch Zinserhöhungen die Inflation und damit die heraufziehende Wirtschaftskrise bekämpfen möchte. Viele Meinungen zu diesem Thema zeigen doch nur dass niemand so ganz genau Bescheid weiss. Die ökonomischen Entwicklungen weltweit zeigen dies doch sehr deutlich, insbesondere bei uns durch die Zunahme der Tafeln. Warum ändert dies die Politik nicht? Kann sie nicht oder will sie nicht? Ach ja, auf jedem Produkt oder jeder Dienstleistung lasten ca. 30 – 40  Prozent an Zinskosten. Die Einkommensschwachen trifft es am härtesten. Diese Zinsen fließen in die Taschen der Gläubiger.
 
Mit freundlichen Grüßen
P. Ehrental

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Ehrental,

Sie haben sicher Verständnis, dass ich Ihnen hier keine ausführliche Antwort geben kann, da dies den Rahmen sprengen würde. Nur so viel – ich kenne die Schriften von Herrn Senf und halte sie für irreführend und falsch. Gleiches gilt für Herrn Hörmann. Hans-Werner Sinns Aussagen zu Target 2 sind abenteuerlich. Dazu hatte ich in der Vergangenheit schon häufiger was geschrieben.

Beste Grüße
Jens Berger


12. Leserbrief

Hallo NDS, sehr geehrter Herr Berger,

meiner Meinung nach vermag kein einziger Punkt Ihres Artikels aus dem Jahre 2011 zu überzeugen. Stattdessen klingt vieles verklausuliert und erinnert an jenen “Sprech”, der den Banken-, Wirtschafts-, Versicherungs- und ähnlich dubiosen Sektoren entstammt, und dem mißtraut werden sollte, weil er i.d.R. dazu dient, den Charakter eines Hütchenspiels zu verschleiern und den Spielteilnehmer – das auszunehmende Opfer – hinlänglich zu verunsichern.

Unterm Strich haben wir – trotz aller Detail- und Sonderfallfragen – eine ganz simple Situation, die ich in drei ebenso simplen Sätzen umschreiben möchte:

Ich erschaffe einen Hosenknopf per Zauberei/Fingerschnipps, und diesen Hosenknopf leihe ich Ihnen, weil sie bedauerlicherweise keinen haben. Ich möchte dafür aber zwei Hosenknöpfe von Ihnen zurück. Sie sind des magischen Fingerschnipps jedoch leider nicht mächtig…

Es ist mir vollkommen schleierhaft, wie man hierin kein grundsätzliches Problem erkennen mag. Da liegt freilich der von Ihnen erwähnte Verdacht des “Systemspielers” nahe.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Bichler


13. Leserbrief

Guten Tag Herr Berger,

an der aufgezählten Kritik fehlt mir in Abwesenheit näherer Kenntnis vom Thema vor allem mein erster Punkt, wurde der nie genannt?

  1. Das Geld ist eine öffentliche Einrichtung, zur zwangsweisen Benutzung durch Jedermann bestimmt, durch die Allgemeinheit getragen und anerkannt, mit Rechten und Pflichten, der reguläre Gebrauch mit Vorteilen und Risiken verbunden. Schon von daher verbietet sich ein Einkommen auf dessen Basis. So wie ich ja eben auch nicht einfach Schranken auf den öffentlichen Straßen, welche dieselben Eigenschaften aufweisen, aufstellen darf, um dann vom Straßenbenutzer eine Gegenleistung zu verlangen.
  2. Das bedeutet nichts anderes als ein leistungsloses Einkommen. Tatsächlich kommt die Leistung natürlich von den Benutzern.
  3. Der Zins als Ausfallrisikoausgleich stellt in sich ein Widerspruch dar. Der Kredit kann nur einmal ausfallen, vermutlich mit rasch abfallender Wahrscheinlichkeit, nicht linear. Wäre der Zins quasi eine Ausfallversicherung, dürfte der Kreditgeber sich bei Ausfall nicht noch zusätzlich am bisher bezahltem Teil bedienen. Oder der Zins müßte bei vollständiger Abzahlung zurück erstattet werden.
  4. Der Zins kann auch kein Ausgleich für ein Warten auf Was auch immer darstellen, da das Geld nach Punkt 1 der Allgemeinheit gehört. Zwar darf man dem „Besitzer“ nicht einfach das Geld wegnehmen, wenn er es gerade mal nicht benutzt, wie übermäßiges Parken muß aber übermäßige Verhinderung des regulären Gebrauches wie auch die Drohung damit sanktioniert werden.
  5. Da das Geld nicht dem Besitzer gehört, der Mietgegenstand aber dem Eigentümer, sind Miete und Zins nicht vergleichbar. Bonus: Kaution für den Fall des Ausfalles (Unfall, Mietnomade) fällt einmal an, geht wieder an den Mieter zurück.
  6. Beim Unterschied zwischen Umlaufgebühr und Inflationen meinen Sie wahrscheinlich den Zins. Dieser ist wie die Straßenschranke eine Erpressergebühr, zu zahlen vom Straßenbenutzer an einen Einzelnen, die Umlaufgebühr fällt beim Schrankenaufsteller an und geht an die Allgemeinheit.

Soweit die Logik, weitgehend aus Punkt 1 abgeleitet.

Nach Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen und Inflation, sind in vielen Preisen erhebliche Zinsanteile enthalten, zum Teil weit über 50%. Wenn das so ist, kann man den Zins als leistungsloses Einkommen nicht als auswirkungsarm einstufen.

Gute Nacht
Udo steinbach


14. Leserbrief

Sehr geehrte Nachdenkseiten-Redaktion,
sehr geehrte Nachdenkseiten-Leser,

ich habe mir den Artikel versucht offen durchzulesen, eine gewisse Vereinnahmung muss ich dabei allerdings eingestehen. Die Kritikpunkte waren mir im Kern bekannt, auch wenn ich den Zins trotz dieser Kritikpunkt kritisch gegenüberstehe.

Einer dieser Kritikpunkte ist das Konzept der Gegenleistung für eine Zahlung in der Zukunft gegen einen Mehrheit in der Gegenwart. Das lässt sich auch realwirtschaftlich erklären, dass ein konkretes Materielles Objekt heute, eben einen höheren Wert hat, wie das Objekt erst in 10 Jahren zu besitzen. Das Haus oder Auto sind hier prima Beispiele. Würde ich trotzdem ein Auto und ein Haus nutzen wollen, ohne Kredit, dann müsste ich diese Objekte mieten, oder eben unter der Brücke wohnen und mit dem Fahrrad fahren. Dies ist imho. sogar der kritischsten Punkt, den es zu beachten gälte, wenn man das Geldsystem ändern will… und ich glaube das sollte man trotzdem, aber eben unter Berücksichtigung, dass dieser Nutzen in irgendeiner Form trotzdem der Gesellschaft zu Gute kommt.

Ein Anti-Kritikpunk vom Artikel war: Die Geldmenge steigt durch den Zins nicht.
Das ist in sofern korrekt, aber der korrekte Kritikpunkt an Stelle lautet ja aber auch, dass durch die Schöpfung des Zinses, es im Gesamttopf niemals genug Geldmenge gibt, um alle Kredite inkl. Zinsen zurückzuzahlen. Sprich der eigentliche Kritikpunkt ist nicht die Erhöhung der Geldmenge, sondern die Tatsache, dass die Zinsen lediglich durch Aufnahme weiterer Kredite bezahlbar sein. Dies führt unweigerlich in eine sich immer schneller drehende Spirale, je höher der Anteil der Kredite bzw. Zinsen am Gesamtgeldtopf beträgt. Es leuchtet ein, dass die Erhöhung der Geldmenge dieses Anteil verkleinert. Inwiefern dies die Quote auf einem “gesunden” Niveau halten kann, möchte ich nicht behaupten beurteilen zu können. Es müsste hier Klarheit geschaffen werden, ob dies tatsächlich unter Realbedingungen möglich sei. Denkbar wäre hier auch ein andere gezielten Mechanismus auf Seiten der Zentralbank einer Währung, um hier einen Ausgleich zu schaffen. Für ein konkreten Vorschlag fehlt mir hier die Fachkenntnis und ich meine auch keinen in anderen Artikeln gefunden zu haben. Mir gefällt mir auch die Anekdote mit dem 100€-Schein, der als Kaution beim Hotelier liegt, eine Ketten von Schulden im Dorf begleicht, bevor der Schein wieder auf dem Tresen liegt und dort ohne etwas bezahlt zu haben, wieder mitgenommen wird. Es zeigt sinnbildlich deutlich, wie das Hinzufügen der Geldmenge, etwas anderes ist aus Sicht der Dorfwirtschaft nicht, es wurde das umlaufende Geld um 100 € erhöht und nach Tilgung der Schulden wieder entnommen. Ob dieses Gedankenkonstrukt in der Realität klappen würde, ist dann allerdings fraglich, da die Schuldenkette sich sicher selten so einfach geradlinig auflösen lässt. Denn wenn das klappen würde, müsste die Zentralbank nur gelegentlich Geld schöpfen und warten bis es wieder bei ihnen ankommt, um es dann wieder aus dem System zu nehmen. Aber streng genommen funktioniert die Geschäftsbanken-Kreditvergabe ja genau so. Die Zentralbank schöpft das Geld und mit Rückzahlung des Kredits kommt es wieder aus dem System. Damit wäre imho. die Realität schon eine Widerlegung dieser Anekdote, trotzdem ist dieser Mechanismus sicher trotzdem mit einem gewissen Einflussfaktor am Werk.

Wegen dem Argument “Horten” möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass meines Wissens nach volkswirtschaftlich dann Aufschwung herrscht, je schneller das Geld wieder den Besitzer wechselt. Kredit und Zins sind definitiv Teil dieses “Wirtschaftsmotors”.

Mein Kritikpunkt an der Zinskritik wäre übrigens allgemein, dass man den Zins nicht separat betrachten sollte. Er ist Teil des Geldsystem, und sollte bei Änderungen auch als solcher betrachtet werden. Eine Änderung des Zinssystem, ohne das komplette Geldsystem zu überarbeiten, dürfte verheerend sein. Hier wären die größten Kritikpunkte, warum dieses quasi vom Bankenkartell gesteuert wird und selbst Staaten nur beschränkt Einfluss darauf haben. Das hat mit einem demokratischen System wenig gemein (vgl. Apell von Ernst Wolff: “Es ist Zeit für ein demokratisches Geldsystem”). Hier wäre für Anpassungen auch breiter Diskurs von unten bis nach oben zu den “Experten” trotzdem angebracht, auch wenn man die meisten Kritikpunkte am Zinssystem tatsächlich entkräften oder mit beiden Seiten der Medaille betrachten sollte, bleibt dennoch ein gewisser systemischer und moralischer Mangel am Geldsystem allgemein nicht völlig ausgeräumt. Hier wäre analog der Spruch zur Demokratie angebracht: “Das aktuelle Geldsystem ist das Schlechteste, das es gibt. Ich kenne nur kein Besseres.”

Herzliche Grüße aus der Pfalz
Markus S.


15. Leserbrief

Lieber Herr Berger,

zufällig schaue ich nach über drei Jahren Abstinenz neugierig in die NDS und stolpere über Ihren Beitrag zur Zinskritik, zu dem ich mich vor 10 Jahren wohl auch geäußert habe.

Ich möchte einen von Ihnen vernachlässigten Blick auf dieses Thema werfen. Dabei interessieren mich keine religiösen, völkischen, ja antisemitischen Grundtöne.

Ich stimme zu, dass schon existierendes Geld ungern ohne eine Kompensation (Opportunitätskosten) aus der Hand gegeben wird. Bei größeren Summen lässt man sich zudem zumeist eine dingliche Sicherheit geben. Bei Gebäuden wird eine Hypothek gefordert. Und hier stoßen wir unweigerlich auf die Höhe des Zinssatzes, der sich an den Opportunitätskosten orientieren kann. Irgendwelche Risikozuschläge, die Sie anzeigen, wären Zusatzgewinne, die nicht notwendig wären, da das besicherte Objekt bei Nichterfüllung an den Kreditgeber fallen würde.

Bsp: Wenn ein Lebensversicherer Kapital für den Hausbau zur Verfügung stellt, könnten nur Opportunitätskosten und keine Marktzinsen anfallen. Zum Nachteil der Versicherungskunden und Versicherungsunternehmen.

Anders sieht es aus bei Kreditinstituten, die keine Pfandbriefe ausgeben, sondern das Geld „aus dem Nichts“ schöpfen (erfinden). Hier kann man durchaus eine (zunächst theoretische) Debatte darüber führen, warum ein marktüblicher Zinssatz anfällt, obwohl es nur geringste Opportunitätskosten gibt. Schließlich kann bei Zahlungsverzug der Darlehensgeber auf das besicherte Objekt zugreifen.

Bsp: Wenn eine Bank noch nicht vorhandenes Geld erfindet und in Umlauf bringen kann, bestehen für sie außer den Fixkosten eigentlich keine Risikokosten, so dass der Zinssatz -unabhängig von der Marktsituation- sehr gering gehalten werden könnte. Der Gewinn bei Notverkäufen oder eine Nutzung des besicherten Objekts kann als Risikopuffer (bei stark fallenden Preisen) dienen.

Hier, bei frisch geschöpftem Geld, sollte man ein neues Denkmodell anschauen. Und hier komme ich den Zinskritikern entgegen. Kann oder soll man versicherungsfähige Objekte mit einem minimalen (kostendeckenden) Zinssatz von gemeinnützig aufgestellten Kreditinstituten finanzieren? Weiter: Können Gewinne aus den Notverkäufen gemeinnützig verteilt werden? Und: Warum kann das nicht Allgemeingültigkeit erlangen?

Das Wirtschaften würde sich ziemlich verändern. Dadurch entstehende unsinnige Überangebote müssten unterbunden werden (eine neue Aufgabe entsteht). Aber das Abschöpfen eines Teils der menschengemachten Wertschöpfungen in Hochzinsphasen durch (die heutigen) Kreditinstitute wäre erledigt. Der Bankensektor würde devoter werden und an Macht einbüßen.  – Einer florierenden, den Menschen zugutekommenden Wirtschaft stehen zurzeit gewissenlose Profiteure im Wege. Wollen die gekauften Politiker so etwas ändern? Können Sie die Gier des Geldadels besiegen? Meine Antwort: unmöglich!

Freundliche Grüße
Edmund Hagmann

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Hagmann,

es ist doch schön, wenn wir beide nach mehr zehn Jahren immer noch meilenweit auseinanderliegen ;)

beste Grüße
Jens Berger


16. Leserbrief

Moin liebe NDS-Redaktion,
moin Herr Berger,

ein “Denkfehler” auf den NachDenkSeiten? Huch? Gibt’s so etwas überhaupt?

Ich bin verwirrt ob Ihres Artikels vom 07. August 2023, da mir die Intention dessen nicht klar werden will. Was wollen Sie mir, als Leser, damit zu verstehen geben? Daß eine Diskussion unerwünscht ist? Warum veröffentlichen Sie dann Beiträge zu einem Thema, das aus Ihrer Sicht sowieso schon fest steht? Damit fördern Sie doch nur den Drang, dieses Thema zu diskutieren.

Sie wollen der “Zinskritik” “auf den NachDenkSeiten” keinen “Raum bieten”. Als “Begründung” führen Sie an, daß Sie sie für einen “Irrweg” halten. Diesen “Irrweg” sollen dann zwei nachfolgende Artikel “belegen”, die -mit Verlaub- vor seltsamen Vergleichen nur so strotzen. Da fühlt man sich sogleich an die “schwäbische Hausfrau” erinnert, die man mit dem bundesdeutschen Staatshaushalt verglich, um die “Schuldenbremse” zu rechtfertigen — nichts wäre weiter voneinander entfernt als das.

Falls doch eine inhaltliche Diskussion erwünscht ist, hier ein paar grundsätzliche Dinge zum Thema “Zins” aus meinem Gedankenpool, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit:

“Zins” kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet so etwas wie “Pacht”, “Abgabe”. Diese kann in Form von Prozentpunkten auf eine Summe abgegeben werden, muß aber nicht: das ist eine Erfindung der Finanzindustrie der Neuzeit, die erst so richtig Sinn mit Computern macht.

Zinsen sind ein System, um eine Geldmenge X zu vergrößern, also X + Z wie Zins und auch Zinseszins, X + ZZ. Diese Vergrößerung der Geldmenge muß zusätzlich erwirtschaftet oder aus Vorhandenem abgezogen werden; sie ist daher zwar “im System”, aber nicht im Sinne der zusätzlichen Geldmenge, die sich daraus generiert. Beides, das Erwirtschaften wie auch das Abziehen aus Vorhandenem, um Z/ZZ zu bedienen, ist nur begrenzt möglich. Daher ist dem aktuellen Finanzsystem der immer wiederkehrende Kollaps inhärent, solange, wie das Zinssystem angewandt wird. Und das wird es permanent. Man könnte es auch als ein Schneeballsystem betrachten (ironischerweise sind diese in Deutschland verboten).

Daß Zinseszinsen die Geldmenge ZZ gegenüber Z noch weiter vergrößert, hatte ich in meiner (leider unveröffentlichten) Leserzusendung vom 01. Juni 2023 in Bezug auf Herrn Krämers “Gegen falsche Kritik an den Tarifabschlüssen”, (der übrigens immer noch unkorrigiert, mit seinen offensichtlichen Falschbehauptungen auf den NDS zu finden ist) dargelegt. Dort wurde behauptet, daß (steuerfreie) Einmalzahlungen ein prima Inflationsausgleich wären und 6% + 5% in zwei Jahren genauso viel wären wie 0% + 11%: das ist falsch, was Jeder selbst durchrechnen kann, der ein wenig Ahnung von Zinsrechnung hat. 6% + 5% ergibt unterm Strich mehr als einmalig 11%, schon allein aus dem Grund, weil sich die 5%-ige Erhöhung auf X + 6%(X) bezieht und deshalb stets größer als 11%(X) ist. Mit jedem weiteren Zinseszins vergrößert sich genau diese Schere immer weiter, was insbesondere für Kredite von Bedeutung ist.

Zinsen werden völlig willkürlich von den Zentralbanken vorgegeben; demokratisches Mitspracherecht existiert hier nicht (eher ein Klüngeln der Zentralbanker unter sich). Selbst Negativzinsen gab es schon, welche die Sparer de facto enteignen, was für sich genommen ein Skandal ist und das Zinssystem als Waffe entlarvt, die jederzeit gegen die eigenen Bürger wie auch gegen Staaten angewendet werden kann.

Banken, die sich von Zentralbanken Geld leihen, verleihen es zu wesentlich höheren Zinssätzen an Kreditnehmer weiter (was dann ihr Reingewinn ist), und das auch noch je höher, desto niedriger die “Bonität” festgelegt wird (auch das geschieht willkürlich). Sogenannte private Ratingagenturen sind quasi die Bewerter von Firmen & Staaten, welche nach Gusto entscheiden, wer wie viel zu zahlen hat: sieht so ein faires System aus? Bei Privatbürgern mit der beispielsweise “Schufa” sieht es noch schlimmer aus. Das Wohnen in einer “schlechten” Wohngegend (wer legt das fest?) kann hier schon für höhere Zinsen beim nächsten Kredit sorgen, ohne daß der Bürger davon weiß — um bei Ihrem Hauskauf-“Vergleich” zu bleiben. Das ist reine Geldmache und nichts anderes. Etwaige Risiken (die eine Bank auch selbst minimieren kann) et cetera sind nur willkommene Ablenkungsmanöver, bei genauerer Betrachtung haltlose Rechtfertigungsversuche.

Sie schreiben, daß es der Wirtschaft besser geht, wenn die Leitzinsen niedrig sind. Damit haben Sie die Absurdität eines Zinssystems doch selbst belegt.

Wenn ich die Sache korrekt überblicke, dann sind die Zinsen sogar der Auslöser für Inflation, Deflation & Stagnation. Wenn immer nur die selbe Geldmenge kursierte, ohne daß sie durch das Zinssystem auf wundersame Weise vermehrt würde, dann gäbe es auch dieses “ewige Wachstum” nicht (außer im Falle von Negativzinsen); von Geldschöpfungen aus dem “Nichts” wie bei Kreditvergaben oder die grotesken Finanzspekulationen in ihren “Blasen”, die weitaus größer als die Realwirtschaft sind, einmal abgesehen.

Übrigens müssen Staaten tatsächlich neue Kredite aufnehmen, alleine, um die Zinslast tragen zu können, wenn die Schuldenberge zu groß werden & sie sie aus dem laufenden BIP nicht stemmen können oder wollen. Medien haben mehr als nur einmal darüber berichtet. Man könnte ja auch weniger für die Rüstung ausgeben…

Just my 2 Cents

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Schauberger

Antwort Jens Berger:

Lieber Herr Schauberger,

puh, das ist ja eine Philippika erster Güter. Das wir sehr wohl auf eine Diskussion aus sind, sollte Ihnen ja die Veröffentlichung Ihres Leserbriefs belegen. Aber manchmal ist es sinnvoller, sich auf „We agree to disagree“ zu verständigen. Würde ich auf Ihre Punkte eingehen, müsste ich mich nur wiederholen.

Beste Grüße
Jens Berger


17. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

seit Jahren verfolge ich relativ aufmerksam deine Text-Veröffentlichungen im Internet. Schon vor mehr als 10 Jahren hast du noch als “Spiegelfechter” die “Zinskritiker” kritisiert, zu denen ich mich seit 2010 zähle. Deine “Kritik der Zinskritiker” fand ich so schwach, dass ich zeitweise weniger von dir las, doch mit anderen Themen wie dem Buch “Wem gehört Deutschland” (das ich mit Gewinn gelesen habe) und der Vortragsreihe dazu, die ich in Wuppertal besuchte, sowie geopolitischen Analysen (“Pipelines sprengen unter Freunden”) konntest du mich als Leser “zurückggewinnen”. Ich hoffe, ich kann hiermit einige deiner Vorbehalte gegen “Zinskritiker” ausräumen.

Eingangs erklärst du in deinem Text buchstäblich lehrbuchmäßig, warum “der Zins” vom Kreditgeber erhoben und vom Kreditnehmer gezahlt wird. Du nennst die Bestandteile “Risiko-Ausgleich” und “Zeitpräferenz” (Preis für das Warten). Gegen den Risiko-Ausgleich ist überhaupt nichts einzwenden und es gibt sogar noch den von dir genannten Inflationsausgleich, der ebenfalls unbedenktlich ist. Problematisch ist dagegen der “Preis für das Warten”. Schon der vielleicht berühmteste Zinskritiker des 20. Jahrhunderts, Silvio Gesell, auf den der Begriff Freiwirtschaft zurückgeht, hat zwischen den von mir genannten und bedenklichen Zinskomponenten Risikoprämie und Inflationsausgleich einerseits und dem problematischen “Urzins” anderseits unterschieden. Auch hat er mit der “Robinsonade”) eine anschauliche Kurzgeschichte geschrieben, die verdeutlicht, dass es keinesfalls so ist, dass heutiger Konsum immer späterem Konsum vorzuziehen ist. Im Gegenteil wollen auch heute fast alle Menschen für ihr Alter vorsorgen, also jetzt mehr arbeiten um später weniger arbeiten zu können, als sie zum Leben brauchen. Es ist eine Leistung der Kreditnehmer, dies zu ermöglichen!

Dass tatsächlich niemand sein Geld ohne den Urzins verleiht, liegt an der Liquiditätspräferenz, die schon John M. Keynes, der durchaus lobend von Gesell sprach, ausführlich beschrieb. Natürlich ist es beim jetzigen Geld für den einzelnen vorteilhaft, liquide zu bleiben, statt sein Geld in langfristigen Anlagen festzulegen. Geld ist im Kern aber nur Information, eine gesellschaftliche Vereinbarung, die jederzeit geändert werden kann. Ich empfehle, das “Wunder von Wörgl” zur Veranschaulichung der praktischen Durchführbarkeit. Seit ein paar Jahren gibt es dazu nicht nur zahlreiche Texte, sondern auch einen sehr sehenswerten Spielfilm.

Die Geschichte vom “Josefspfennig” wird von uns Zinskritikern ja gerade deshalb erzählt, weil sie zeigt, wie absurd und unmöglich exponentielles Vermögenswachstum in Naturalien auf einem begrenzten Planeten ist. Das Ergebnis von 2000-jähriger Verzinsung zu 5% wären mehrere Erdkugeln aus Gold, heißt es in der Geschichte. Wer es mathematischer möchte: 1 * 1,05^2000 = 2,9 * 10^42 – also eine Zahl mit 42 Stellen. Der Einwand, dass ja ein Teil davon durch Steuern abgeschöpft würde, ändert überhaupt nichts am Prinzip. Nehmen wir an, die “Kapitalertragssteuer” betrüge ordentliche 50%, so wäre die Rechnung halt 1 * 1,025 ^ 2000 = 2,8 * 10^21. Bill Gates besitzt dagegen (laut Bing) “nur” 118 Milliarden Dollar, also 1,2 * 10^13 Cent.

“Zinskritiker” gehen übrigens davon aus, dass die genannten Krisen, in denen immer wieder Vermögen im großen Maßstab vernichtet wird, häufig keine Naturereignisse sind, sondern gerade durch die (durch Zins und andere leistungslose Einkommen) unhaltbar gewordene Vermögensungleichheit herbeigeführt werden.

Der Wachstumszwang wird durch Zinsen insofern ausgelöst, dass wachsende Vermögen bei gleichbleibenden Zinssätzen einen wachsenden Anspruch an die Wirtschaftsleistung haben. Bliebe die Wirtschaftsleistung gleich, würde das bedeuten, dass der Anteil der Arbeitseinkommen mit wachsenden Zinseinkommen zwangsläufig zurückginge. Genau das zeigt das von dir genannte Beispiel der Jahre 1945 bis 1980: bei stets hohem Wirtschaftswachstum sind Zinsen relativ unproblematisch. Die arbeitende Bevölkerung muss zumindest nicht ärmer werden, nur weil der _Anteil_ der Zins-Zahlungen am Bruttoinlandsprodukt wächst. Dass es aber weder sinnvoll nur möglich ist, dauerhaft exponentiell mehr zu produzieren – 2% vom heutigen BIP sind deutlich mehr als 2% vom deutschen BIP des Jahres 1950! -, kann nur mit neuerlicher Zerstörung zu den Wachstumsraten dieser Zeit zurückgekehrt werden. Eine anschauliche Grafik dazu ist diese.

Du schreibst selbst, dass du den Unterschied zwischen Inflation und “Umlaufsicherung”, der von Zinskritikern vorgeschlagenen Lösung, nicht verstündest. Hier kann ich dich trösten: der Unterschied ist tatsächlich schwer zu verstehen, vielleicht auch deshalb, weil er gar nicht so groß ist. Wichtig ist aber: eine wirksame Umlaufsicherung, die den Urzins neutralisiert, sollte _konstant_ etwa 3 % betragen. Die Inflation war aber lange unter 2 % und ist weit entfernt davon, stabil und damit planbar zu sein. Hortbares (hier einmal dieses Wort) Geld hat eine deflationäre Tendenz eingebaut, es gehört also eine gehörige Anstrengung dazu, überhaupt eine Inflation zu erzeugen. Umso zerstörerischer sind jetzt die angeblich der Inflationsbekämpfung dienenden Zinsvervielfachungen der EZB… Auch wenn stabile Inflation über die Auszahlung eines BGE durch die Zentralbank erzeugbar wäre, oder durch teilweise Staatsfinanzierung über die Zentralbank (“Modern Monetary Theory”) scheint mir ein wertstabiles Geld mit Umlaufsicherung doch wesentlich angenehmer, als alle Werte quasi indizieren zu müssen.

Ein Vorwurf an “Zinskritiker”, den ich tatsächlich als teilweise berechtigt ansehe, ist derjenige, dass sie in arroganter und ignoranter Weise ihre Lösung als die einzige wahre und allein selig machende darstellen. Zum einen werden mit “Geld ohne Zinsen und Inflation” (Margrit Kennedy) natürlich nicht alle Problem gelöst, insbesondere im Bodenbereich, wozu Gesell aber mit “Freiland” ebenfalls eine Lösung ausgearbeitet hat, und zum anderen bleiben noch Probleme mit Gewalt, Umweltzerstörung, Vereinsamung… für die andere Lösungen gefunden werden müssen. Wir Zinskritiker sind aber davon überzeugt, dass Freiland und Freigeld die besten Voraussetzungen schaffen, Zeit und Energie zur Bewältigung dieser und anderer Probleme freizusetzen.

In der Tat gibt es unter Zinskritikern auch solche, die fälschlicherweise Geld und Vermögen gleichsetzen. Die seriöseren Kritiker, zu denen in neuerer Zeit zum Beispiel Helmut Creutz (“Das Geld-Syndrom”) zählte, unterscheiden dies aber im Gegenteil besonders stark: nur Zentralbankgeld (wozu auch Bargeld gehört) ist für Creutz tatsächlich Geld. Alle anderen Geldformen sind nur “Anspruch auf Geld” – was man ja deutlich dann merkt, wenn ein Bank pleite geht und nicht vom Staat gerettet wird.

Mit besten Grüßen,
Vlado Plaga

Antwort Jens Berger:

Lieber Vlado Plaga,

auch die Beantwortung dieser Mail würde hier den Rahmen sprengen, wenn ich wirklich auf alle Punkte eingehen soll. Wenn ich mal wieder zu einem Vortag in Wuppertal bin, können wir das nach den Vortrag gerne bei einem (oder wohl eher einigen ;-)) Glas Bier disktuieren.

Liebe Grüße
Jens Berger


18. Leserbrief

Lieber Jens Berger,

du hast es schon wieder getan. Ein kurzer Blick auf deinen Hinweis hin in euer Archiv (vor 12 Jahren!! – das war sogar vor meiner Zeit bei den NDS) und ich lerne was neues – es ist echt immer wieder erstaunlich. Vielen Dank dafür.

Zwei Dinge habe ich insbesondere mitgenommen. Das eine ist die Entwicklung des Spitzensteuersatzes in den USA im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts. Ich möchte dabei noch darauf hinweisen, dass das nicht ‚die ganze Wahrheit‘ sein dürfte, weil Spitzensteuersatz sich ja auf Arbeitseinkommen bezieht und zum Beispiel nicht auf Zinseinkommen – das zumindest heute einen anderen Steuersatz verwendet – oder Firmengewinne. Und wie ist das eigentlich mit Boni, Prämien, Aktienanteilen ect? Aber die Grafik ist natürlich trotzdem erhellend – sie beleuchtet vor allem die von dir vor 12 Jahren angeführte ‚politische Übereinkunft‘ ab 1945.

Bis dato war mir dieser Aspekt nur ‚episodisch‘ bewusst, zum Beispiel aus einem Kommentar aus der Anstalt (sie Ruhe in Frieden) zum Spitzensteuersatz (oder war es Vermögenssteuer?) unter Helmut Kohl.

Für das andere muss ich ausholen, denn begonnen hat diese Erkenntnis, mit einem Widerspruch an einem Punkt deiner Argumentation zur Zinskritik.

Grundsätzlich: ja – die Probleme mit den Anekdoten zur Zinskritik sind mir klar. Ich versuche selbst immer wieder dagegen anzuschreiben, und es ist schwierig. Ich habe sicherlich nicht den Überblick über die unterschiedlichen Perspektiven, wie du ihn durch viele Zuschriften an die Nachdenkseiten hast. Ich habe nur einen beschränkten Einblick, und den leite ich nicht so sehr aus Kommentaren ab, sondern mehr aus dem Inhalt der Artikel von Zinskritikern – zum Beispiel diesem hier:

apolut.net/zinsen-und-schulden-zerstoeren-die-balance/

Und ich sehe immer nur diesen einen Standpunkt in unterschiedlichen Variationen: „Zinsen zerstören das Geldsystem weil sie exponentielles Wachstum verlangen“.

Wir sind uns hier darüber einig, dass das Argument in die Irre führt. Ich würde speziell deiner Analyse zustimmen, dass dies „einen Irrweg [darstellt], der nur von den eigentlichen Problemen ablenkt.“

Aber wenn du sagst, „Die Zinskritiker gehen implizit davon aus, dass die kreditvergebenden Banken die Zinseinnahmen horten“, muss ich dir vehement widersprechen. Die innere Logik aller Artikel zu dem Thema, die ich kenne, machen deutlich, dass die Zinskritiker genau davon NICHT ausgehen. Wenn sie das täten, wäre ihre Kritik viel sachlicher und besser begründet – ich werde das im folgenden Ausführen.

Stattdessen gehen die Zinskritiker – so sehe ich das immer wieder – davon aus, dass der Zinseszins ein systemisch immanentes Problem ist, ein Strukturproblem des Systems selbst – und darum eben ein generelles mathematisches Problem. Wir können uns vermutlich (vielleicht hoffentlich?) darauf einigen, dass dieser Standpunkt aus einem Unverständnis der Beispiele herrührt, die wie du sagst, bei näherer Betrachtung in sich zusammenfallen, wenn man sie logisch vom Anfang (den Basisannahmen) bis zum Ende durchschaut. Und das scheint vielen Zeitgenossen nicht zu gelingen. Leider ist dem schwer beizukommen. Ich habe das in einem der beiden Kommentare zum von mir oben verlinkten Apolut-Artikel versucht. Leider ist der Kommentarbereich dort augenscheinlich nur von registrierten Nutzern einsehbar. Und selbst wenn – wenn sich jemand mit der Logik an dieser Stelle schwer tut (und das Zinsproblem ist nicht banal, sondern schwierig), dann tut es Not die Argumente in einem persönlichen Austausch (wenn möglich ein Gespräch) zu erläutern. Textwände helfen da eher wenig.

Horten dagegen wäre ein Problem des Verhaltens, also nichts systemisches. Vielleicht siehst du dieses Argument ja häufiger in den antisemitisch konnotierten Kritiken des Zins-Systems, mit denen ich mich überhaupt nicht beschäftige (dort passen sie wie bestellt und nicht abgeholt(!)), aber in den anderen kann ich dieses Argument (leider) nicht finden.

Tatsächlich gibt es eine überwältigende Evidenz dafür, dass das Geldsystem nicht (oder nicht im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung) funktioniert, sondern eben hortet! Und jetzt ist die Frage – ist das systemisch, oder ist das ‚Fehlverhalten‘?

Oder alternativ – funktioniert es vielleicht so, wie es soll, aber wir haben bei diesem ‚soll‘ schlicht nix zu melden?

Theoretisch mache ich das immer gerne am Beispiel des Prachtbaus fest, den sich die Deutsche Bank vielleicht nach Frankfurt stellt. *Wenn* sie das von ihren Gewinnen tut, dann bezahlt sie – wie du das selbst erläuterst – Gehälter, Baukosten, Material, im günstigsten Fall sogar für Künstler und nicht nur für das Architekturbüro – und (finanz-)systemisch ist alles in Ordnung. In diesem Fall, fallen die argumentativen Beispiele der Zinskritiker, genau wie du das sagst, wie Kartenhäuser in sich zusammen. Was einigermaßen paradox anmutet, wenn man bedenkt, dass die Ungleichheit in den Vermögen genau über solche Prachtbauten und andere Exzesse ihren Weg in die allgemeine Wahrnehmung findet. Das heißt, wir müssen an der Stelle immer noch über Reichtumsverteilung reden, oder über die ökologischen Folgen, wenn das Finanzsystem dadurch ‚stabil‘ gehalten wird, dass einige wenige sich ständig neue Prachtbauten, Luxussegelyachten oder Privatjets anschaffen müssen! Aber die Mathematik liefert, was sie soll: einen funktionierenden Geldkreislauf.

*Aber* die Deutsche Bank strebt eine Eigenkapitalrendite von 25% an – das ist wohlgemerkt eine Aussage von Joseph Ackermann, also ungefähr so alt oder noch älter, als deine Einlassungen zum Thema. Und diese 25% sind das, was nach den Prachtbauten an Reingewinn übrig bleibt. Die werden eben genau NICHT mehr in Prachtbauten in Frankfurt am Main, zum Beispiel „an der Goldgrube 3“, gesteckt, sondern kommen den Anteilseignern der Deutschen Bank in welcher konkreten Form auch immer zugute. Die werden also an dieser Stelle erst mal abgezogen. Und was passiert dann damit? Werden die vielleicht gehortet? Das ist die Frage, die wir praktisch beantworten müssen und auch können!

Aus meiner Sicht zeigen die Zahlen des Finanzsektors: die werden überwiegend ‚gehortet‘. Und zwar nicht auf Girokonten sondern in dubiosen Finanzanlagen, Geldgeschäften und Schattenbank-Aktivitäten, die man ohne weiteres als illegales ‚Glücksspiel‘ bezeichnen könnte.

Nur dieses Spiel ist getürkt. Finanziell lukrativ wird die ganze Sache, weil es eben kein reines ‚Glücksspiel‘ ist, sondern solange es keinen Crash gibt, eine Dividende garantiert ist (und selbst dann gibt es für diese Art von ‚Risikokapital‘, wie sie es nennen, Sicherheitsgarantien – wir erinnern uns vielleicht gemeinsam an James Dean und den Poker um Griechenland). Und damit diese Dividenden garantiert sind, müssen sie aus der Geldschöpfung selbst gespeist werden – denn reale Werte können nicht im selben Maße wachsen wie die Geldmenge im Finanzsektor in – sagen wir – den letzten 40 Jahren (ich rede bewusst nicht von exponentiell, das ist eine irreführender Begriff von Leuten, die nicht in der Lage sind, mathematisch zu beschreiben was eine Exponentialfunktion ist UND nicht Willens oder in der Lage sind dieses Wissen praktisch anzuwenden, was die Regel ist, auch und gerade unter Uni-Absolventen – siehe auch Exponentialfunktion und Corona-Fake).

Das Problem wird dann nochmal verstärkt dadurch, dass ‚alle Welt‘ versucht der Realwirtschaft Geld abzupressen, um an den ‚Wertsteigerungen‘ im Finanzsektor ‚teilzuhaben‘ – was halt zu allem Überfluss (das darf man hier wörtlich nehmen) auch noch notwendig die ‚Konjunktur‘ abwürgt.

Du sagst, „das Argument [..], Geld, das nicht ausgegeben, sondern gespart würde, würde „gehortet“ und damit der Volkswirtschaft entzogen“ könntest du „durch Betrachtung der regulären Kreditvergabe widerlegen.“

Das geht einerseits am Problem vorbei (denn die Spareinlagen sind noch nicht mal Teil des Finanzsektors) und ist andererseits schlicht ein logischer Fehlschluss, denn die Zahlen zeigen keineswegs, „dass auch heute noch die Kreditvergabe im Wesentlichen aus den Einlagen der Bankkunden vorgenommen wird“. Die theoretische Basis ist hier eindeutig (aber nicht unbestritten). Günter Grunert fasst sie zum Beispiel hier zusammen.

Leider ist der Artikel wohl hinter einer Bezahlschranke und Günter Grunert hat sicherlich auch nur eine und zuerst seine eigene Meinung. Darum nehme ich mit ihm zusammen die Bundesbank in Anspruch. Günter Grunert schreibt: [ZITAT]

Noch deutlicher wird die Deutsche Bundesbank in ihrem Begleitmaterial zum Schülerbuch „Geld und Geldpolitik“:

«Tatsächlich wird bei der Kreditvergabe durch eine Bank stets zusätzliches Buchgeld geschaffen. Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Bank ‚auch altes, schon früher geschöpftes Buchgeld, z.B. Spareinlagen, weiterreichen‘ (könne), […] trifft nicht zu.»[ZITAT ENDE]

Will heißen, um in einem in letzter Zeit so entsetzlich entstelltem logischen Zerrbild zu sprechen: Der von dir propagierte Zusammenhang zwischen „Kreditsumme von 3.963 Milliarden Euro ,[und] immerhin 3.206 Milliarden Euro an Einlagen“ ist eine reine Korrelation, aber keinesfalls kausal – nach Aussage der Bundesbank.

Das hat also nichts mit einander zu tun. Das Geld der Sparer wird gehortet – und das schafft mindestens 3 Probleme. Einem davon – dem Entzug des Sparer-Kapitals aus dem Geldkreislauf – begegnet unser Geldsystem mit der Geldschöpfung durch Kreditvergabe. Und das tut es – zumindest nach den von dir genannten Zahlen – augenscheinlich in recht vernünftiger Weise. Ich sage augenscheinlich, weil ich dieser Interpretation und ihrer Datengrundlage so weit über den Weg traue, wie den Covid-Zahlen des RKI.

Das zweite Problem betrifft systemische Krisen. Die meisten von uns – so sie denn nicht von Kladden oder von der Leyen heißen – Sparen ja für schlechte Zeiten oder für ganz normale alltägliche ‚Risiken‘ wie die Ausbildung der Kinder. Wenn es um die Ausbildung der Kinder geht, ist systemisch alles gut. Deine Tochter fängt heute ihr Studium an, weshalb du heute dein dafür geschaffenes Sparkonto anbrichst. Die Enkelin von Albrecht Müller fängt in 5 Jahren mit dem Studium an, und meine Tochter in 10. Systemisch gleichen sich also Sparen und Konsumieren aus – vorausgesetzt, und das ist ja wie du zeigst der Fall, die Spareinlagen werden dem Geldkreislauf nicht nominal entzogen sondern stehen in anderer Form weiterhin zur Verfügung.

Anders läuft das bei systemischen Krisen. Sagen wir das Essen wird knapp. Das passiert dann nicht für mich dieses Jahr, und für dich nächstes, und für Albrecht Müller erst in 12. Sondern das Essen wird jetzt knapp – für alle. Die erste Reaktion eines ‚freien‘ Marktes auf eine Verknappung ist ein Preisanstieg, um die Nachfrage zu begrenzen. Also der Markt reagiert auf die Unmöglichkeit, Essen zu verteilen, dass nicht da ist, in dem er den Zugang zu Nahrungsmitteln auf diejenigen mit der größten Zahlungsfähigkeit beschränkt. Mit anderen Worten – die anderen müssen Hungern. Das ist kein Problem des Marktes. Unsere logische Nebenbedingung war, dass die Nahrungsmittel knapp werden. Ein Teil der Nebenbedingungen ist explizit, dass der Markt daran nichts ändern kann. Er muss dann irgendwie darauf reagieren. Die Ursachen des Problems sind andere – vielleicht politische, weil ein Wirtschaftsminister die Gaseinfuhr aus einem Drittstaat unterbunden hat, und darum die Düngemittelproduktion ausgelöscht hat. Nur so als fiktives Beispiel, das mit der Wirklichkeit natürlich nichts zu tun hat.

Zurück zur Geldwirtschaft: Vor dem Hunger werden die Spareinlagen aller Marktteilnehmer aufgezehrt, und zwar nicht gleichmäßig, sondern mit einem steigenden ‚festen‘ Satz – den Nahrungsmittelpreisen. In dem Moment in dem jemand die Preise nicht mehr zahlen kann – sprich sein Einkommen nicht mehr ausreicht und seine Spareinlagen aufgebraucht sind – muss er hungern und scheidet aus dem Markt aus. Das passiert so lange, bis die Preise ein Niveau erreicht haben, das sicherstellt, dass die Menge der Marktteilnehmer (Stichwort effektive Nachfrage) so klein ist, dass das ‚Angebot‘ zu ihrer (und nur ihrer) ‚Versorgung‘ ausreicht.

Das heißt, angesichts der Tatsache, das Albrecht Müllers Einlagen (und Einkommen) größer ist als meines, werde ich eher Hunger leiden als er, und mehr noch, meine Tochter wird auch eher nicht mehr in der Lage sein, ihr Studium zu finanzieren! Denn meine Einlagen, die dafür gedacht waren, sind ja weg – aufgegessen möchte man sagen.

Wir erinnern uns – wir sparen ja eigentlich um elementaren Lebensrisiken zu begegnen, und das funktioniert offenbar bei systemischen Problemen gar nicht. Das heißt eigentlich sollten wir unsere Einlagen für solche Risiken nicht verwenden, aber diese Forderung ist völlig weltfremd. Darum sind meine Spareinlagen dann eben trotzdem weg. Ich musste sie verfrühstücken.

Schlimmer noch, und das ist das dritte Problem: Die Kinder der Kladdens haben so viel Geld, dass sie selbst in Krisenzeiten nicht nur nicht hungern müssen (es sei ihnen gegönnt) und ihr Studium unbesehen fortsetzen können (das ist schön) nein, es reicht auch noch, dafür dass ihre Eltern im großen Stil Nahrungsreserven und -importe aufkaufen (also zum Beispiel Importgetreide aus der Ukraine, dass seinen Weg nicht in die Sahelzone findet, sondern in die EU, was erstaunlicherweise nicht mit einer Senkung des Lebensmittelpreises durch ein Mehrangebot verbunden ist, sondern zeitlich mit einer ungewöhnlich starken Inflation der selben korreliert (!) – wieder ein kleines rein fiktives Beispiel), um den Preis künstlich zusätzlich in die Höhe zu treiben, und die ‚Chancen der Krise‘ adäquat für sich auzuschöpfen.

Will heißen, Spareinlagen sind auch ein Problem, weil sie kurzfristig zusätzlich auf den Markt geworfen werden können und dabei die allgemeinen Regeln der Preisbildung außer Kraft setzen und so den gesellschaftlich gewünschten Ablauf des ‚Marktes‘ stören – in der Regel nicht zum Nachteil der ‘Sparer’ oder allenfalls der Kleinsparer, und nebenbei nicht nur in Krisenzeiten. Diese Möglichkeit besteht jederzeit für jeden beschränkten Teilmarkt unabhängig (Nahrungsmittel, Immobilien, Heizöl, Stahl, Maschinenbauteile, Mikroelektronik, Baustoffe …).
Dieses Problem ist auch schon bei allgemeinen Sichteinlagen spürbar (siehe Inflation und Arbeitseinkommen bei Heiner Flassbeck – und speziell die ‚Abweichungen‘ von der Regel; muss man aber selber denken, steht nicht dabei), und skaliert natürlich mit der Höhe der ‚Spareinlagen‘.

Und hier kommt jetzt der Overkill: Als ‚Spareinlagen‘ in diesem Sinne kann man ohne weiteres auch die gigantischen Geldbeträge aus den Derivate-Geschäften und Schattenbanken betrachten. Kommt auch nur ein kleiner Bruchteil dieser ‚Finanzreserven‘ kurzfristig auf irgendeinen Markt für reale Wert- oder Gebrauchssachen, dann sind die zu erwartenden Preisverwerfungen gigantisch. Manipulationen sind Tür und Tor geöffnet – oder jede Krise bietet auch eine Chance. Von politischen Manipulationen zum Beispiel durch Lobbying haben wir noch kein Wort verloren.

Nochmal um das unmißverständlich klar zu stellen: wir sprechen hier von dem oben behandelten Finanzsektor aus Derivaten, Börsenwetten und Schattenbanken! Und dieses Problem führt uns zur eigentlichen Wurzel zurück.

Die heutigen Probleme des Finanzsystems liegen nicht so sehr in den Finanzsystemen (obwohl sie dort seit Jahrhunderten methodisch angelegt und verwurzelt werden) sondern sind im Kern eine MACHTFRAGE und als solches ein soziales Problem.

Achso und ganz nebenbei – Inflation ist hier keine sinnvolle Antwort, denn selbst wenn sie nominal für alle identisch ist – führt sie systematisch zur Verarmung der arbeitenden Bevölkerung. Das ist sogar dann so, wenn die Inflation nicht bei Nahrungsmitteln (die ja wie ein häufiges Argument besagt, einen wesentlich höheren Anteil bei geringen Einkommen ausmachen) ausbricht, sondern wie in den vergangenen 10 Jahren geschehen als ‘Asset Price Inflation’. Denn die ‘Assets’ werden nicht gegessen. Man kann ein Haus nicht essen. Während also ein Brot, dass ich für 100% mehr Geld kaufe einfach einen Verlust von 50% meiner Finanzkraft bedeutet, kann ich einen Asset nach 100% Inflation zwar auch nur unter Verlust von 50% meiner Finanzkraft kaufen, aber wenn ich den 1 Jahr lang halte, und die Inflation nochmal 100% beträgt verkaufe ich ihn danach für das 4-Fache. Im allerschlimmsten Fall mache ich selbst Verlust, aber ein anderer hat dann diesen meinen Verlust auf seinem Konto. Das sind ganz grundsätzliche Unterschiede – Inflation zur Minimierung  (Entwertung) von Arbeitseinkommen(!) – Sichteinlagen sowieso – kein Problem. Inflation zur Vernichtung von Vermögen (‘Assets’) scheidet aus.

Und damit komme ich zu meiner zweiten Erkenntnis aus deinen Einlassungen:

Wir brauchen nicht nur für die Altersvorsorge ein umlagefinanziertes System, wir brauchen es generell. Kapitalgedeckte Sicherungssysteme sind eben nicht nur bei der Rente fatal. Sie funktionieren generell nicht, sobald es umwälzende Krisen gibt. Also Kapitalgedeckte Sicherungssysteme funktionieren immer nur solange, wie wir sie eigentlich nicht brauchen. Prima.

Nun ist die Erkenntnis nicht ganz neu. Und ich fühle mich bei euch damit in guter Gesellschaft. Die Nachdenkseiten werben ja nicht nur seit 20 Jahren für eine Umlagefinanzierte Rente, sondern verstehen sich ganz allgemein als traditionell linke Kraft.

Neu ist daher für mich vor allem die gedankliche Verbindung, dass die normalen Sicherungssysteme – wie eben Spareinlagen, aber auch und sogar zum Beispiel Versicherungen – die selben Probleme haben, wie die Kapitalgedeckte Altersvorsorge, und darum auch genauso zu behandeln sind. Und die einzige Alternative sind jeweils Umlage-gedeckte Systeme (es gibt prinzipiell nur diese beiden).

Das heißt jetzt nicht, dass wir die kapitalgedeckten Varianten verbieten – soll doch jeder der will. Wir dürfen nur die gemeinschaftlichen Umlagesysteme nicht schleifen. Die kommen übrigens im Zweifel sogar ohne Geld aus.

So lange die Wohnheime stehen (und im Besitz einer Gemeinschaftlichen Institution sind), kann man den Studenten dort Wohnraum anbieten, und so ein Studium ermöglichen – im Prinzip völlig unabhängig von irgendwelchen Zahlungsströmen. Und das bedeutet insbesondere auch, dass Studenten auch dann noch Uni-nah wohnen können, wenn sie nichts mehr zu essen haben. Damit sind diese beiden Probleme entkoppelt und das Problem Essen (das uns im Zweifel ja in einer Nahrungsmittelkrise erhalten bleibt) bedeutet eben nicht gleichzeitig, dass die Studenten auch noch aus ihrer Wohnung fliegen – im Beispiel oben gesprochen.

Für die beiden neuen Erkenntnisse möchte ich mich darum ganz herzlich bei dir und bei den Nachdenkseiten bedanken. Genauso wie für die Gelegenheit mich gedanklich intensiv mit diesen Themen zu beschäftigen – damals wie heute – und die darauf baut, dass ihr analytische oder praktische Argumente anführt, was ja in unseren Zeiten nicht selbstverständlich ist. Ohne euch wäre mir das weder vor 10 Jahren noch heute möglich gewesen. Darum auch dafür wieder einmal vielen Dank.

Sebastian Domschke


19. Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Jens Berger,

Vorab: Ich unterstütze alle alternativen Nachrichtenportale und sehe mich von diesen auf alle Fälle besser informiert, als von den sogenannten Qualitätsmedien.
Ich hätte mich auch gern mit meiner Kritik direkt an Herr Berger gewandt, aber leider war ich nicht in der Lage seine Kontaktdaten zu finden.
Deshalb sende ich meine Nachricht an diese Adresse.
Ich hoffe Sie sehen mir meine Unfähigkeit nach.

Vorab Eines, ich habe mit Absicht diese Form der Kritik gewählt um nicht in eine öffentliche Diskussion mit ihnen zu gehen, da ich glaube, dass diese ihnen an der Stelle schaden würde.

Nun aber zu meiner Kritik, bzw. zu meinem Unmut.
Ich höre häufig, wenn es mir möglich ist, ihre Podcasts und musste nun mit Erstaunen feststellen, dass sie mich als Kritiker mit „religiös völkischen ja antisemitischen Gedankengut“ beleidigen.

Originaltonin Ihrem Potcast „Zinskritik – Rückkehr eines alten Denkfehlers“ :
…„Diese Kritik war und ist jedoch meist keine ökonomische Kritik, sondern vielmehr eine Kritik an der ungleichen Verteilung des Vermögens und der Macht der Vermögenden oft durchmischt mit einem religiösen völkischen ja antisemitischen Grundton.“

Diese Beleidigung ist für mich kaum zu ertragen und ich möchte hierzu eine Stellungnahme von Ihnen.
Wieso werde ich von Ihnen mit dem Stempel „religiös völkischen ja mit antisemitischen Gedankengut“ versehen, wenn ich Kritik an der Zinspolitik habe?

Ich habe bei diesem Thema mit Sicherheit auch einen anderen Horizont als Sie. Ich kann viele Ihrer Ausführungen in keinster Weise nachvollziehen, da ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt habe.
Selbst Finanzmathematiker von namhaften Kreditinstituten und Banken konnten der bestechenden Logik der Mathematik, mit der ich diese Herren konfrontiert habe, nicht widerlegen.
Ich habe kein Problem damit, wenn Sie über Dinge reden, und diese verbreiten, die sie nicht völlig durchdrungen haben. Aber Menschen, mit einem anderslautenden Wissenstand als Antisemiten oder mit völkischen Gedankengut zu bezeichnen, ist für mich unerträglich.

Ich habe einige Jahre echte Neonazis aus der Szene geholt, und muss mich von Ihnen jetzt nicht als das bezeichnen lassen, gegen das ich Jahrelang gekämpft habe.

Ich hoffe auf eine Richtigstellung.

Mit freundlichen Grüßen
Mirko Schmidt

Antwort Jens Berger:

Sehr geehrter Herr Schmidt,

ich kann Ihre Kritik beim besten Willen nicht nachvollziehen. Im Artikel heißt es …

„Es ist nicht der Fall, dass ich meinem Artikel Zinskritiker pauschal in eine antisemitische Ecke stelle. Im Artikel schreibe ich – in einem einzigen kleinen Nebensatz -, dass Zinskritik oft mit einem antisemitischen Grundton durchmischt sei. Ich wundere mich, dass sich einige Leser an dieser Aussage reiben, ist es doch kein großes Geheimnis, dass antisemitische Machwerke wie Gottfried Feders „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft“ sich auch heute noch in vielen Foren großer Beliebtheit erfreuen.“

Dass die Zinskritik von vielen antisemitischen „Vordenkern“ aktiv genutzt wird, heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass Zinskritik per se antisemtisch sei. Warum wollen Sie sich einen Schuh anziehen, der gar nicht für Sie bestimmt ist?
Und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche, schließlich wurde mir ja selbst schon Antisemitismus vorgeworfen, weil ich Kritik am Finanzsystem äußere. Auf diese Vorwürfe antwortete ich damals folgendermaßen ..

„Besonders schwer wiegt jedoch noch ein anderer Punkt. In Äsops Fabel „Der Hirtenjunge und der Wolf“ – schon wieder so eine Tiermetapher – ruft ein Hirtenjunge so lange aus Langeweile „Wolf!“, bis die Dorfbewohner den Warnruf nicht mehr ernst nehmen und als der Wolf wirklich kommt, glaubt niemand mehr dem Hirtenjungen und der Wolf frisst die ganze Herde. Dies ist die wohl passende Metapher für die ständigen und immer absurder werdenden instrumentalisierten Antisemitismusvorwürfe. Wenn dieser Vorwurf aus Kalkül und Boshaftigkeit inflationär in immer groteskeren Attacken missbraucht wird, wird er irgendwann ignoriert und dies freut natürlich vor allem die echten Antisemiten, die dann mit ihrem schändlichen Treiben auf keinen Widerstand mehr stoßen. Der Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs nutzt vor allem den Antisemiten. Und dies nehmen Akteure wie die Amadeu Antonio Stiftung billigend in Kauf, um kritische Stimmen mundtot zu machen. Schämt Euch.“

Dass Gottfried Feder ein lupenreiner Antisemit war, ist sicher unstrittig. Selbstverständlich beruft sich nicht jeder Zinskritiker auf Feder. Leider bekommen wir aber auch heute noch Mails, die sich entweder direkt oder indirekt auf Feder und sein Traktat berufen.

Liebe Grüße
Jens Berger


20. Leserbrief

Liebe Nachdenkseiten,
vielen Dank für Eure tolle Aufklärungsarbeit, die ihr in den letzten Jahren geleistet habt. Auch Dank an Jens Berger für seine meist gut recherchierten Artikel. Nur seine aus dem Archiv hochgeholten Texte zu den “Zinskritikern” gehören nicht dazu.

Zunächst sind Bergers Artikel zu den “Zinskritikern” nicht nur über 10 Jahre alt, sondern auch in der Tat veraltet. Zwischenzeitlich gab es die Niedrigzinsphase, in der die EZB den Forderungen der Gesell-Anhänger teilweise recht weit entgegenkam und die Zinsen sogar in den negativen Bereich senkte – übrigens durchaus mit Verweis auf Gesell, auf den sich das damalige Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré explizit bezog (z.B. hier). Dass die massiven Zinssenkungen vermutlich vor allem ein Wiederaufflammen der Finanzkrise verhindern sollten, tut dem keinen Abbruch, sondern zeigt vielmehr das Potential des Gesellschen Ansatzes. Es gibt mittlerweile mehrere wissenschaftliche Artikel zur Einführung von Negativzinsen und deren Erweiterung auf das gesamte Zentralbankgeld aus dem Kreis führender Makroökonomen. Die Analyse dieser renomierten Ökonomen und Zentralbankerinnen mag sich von der Analyse der Laien-Gesellanhänger zwar unterscheiden, der Lösungsvorschlag eines negativ verzinsten Zentralbankgeldes ist aber derselbe!

(Hier drei Links zu einigen dieser wissenschaftlichen Papers: elibrary.imf.org/view/journals/001/2015/224/001.2015.issue-224-en.xml, papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3427388, imf.org/en/Publications/WP/Issues/2018/08/27/Monetary-Policy-with-Negative-Interest-Rates-Decoupling-Cash-from-Electronic-Money-46076 )

Unabhängig davon, dass der Text von Jens Berger offensichtlich veraltet ist, gibt es neben mehreren Nebenwidersprüchen einen Hauptwiderspruch in seinem Text. Denn was von den Gesell-Anhängern problematisiert wird, ist nicht der Zins an sich, sondern der risikolose Zins. Jens Berger vermischt aber ständig Argumentationen, die die Zinsen mal implizit als risikolos mal explizit nur als Risikoprämie darstellen. Was denn nun? Fakt ist, wie die kritisierte Geschichte des Josephspfennigs zeigt, dass selbst ein sehr geringer, preisbereinigter, risikoloser Zins über einen längeren Zeitraum nicht funktionieren kann, sobald auch nur ein Teil des Einkommens daraus gespart wird. Und es ist in der Tat so, dass lange Perioden mit risikofreien Realzinsen irgendwann in einer Krise enden – zuletzt 2008 (und spätestens seit 2011 sind die Realzinsen mehr oder weniger stark negativ). Gegen eine angemessene Risikoprämie, die keine dauerhafte oder gar sich selbst beschleunigende Bereicherung ermöglicht, ist hingegen nichts einzuwenden.

Und gegen Ende seines Textes zeigt Jens Berger noch seine fehlenden Kenntnisse der heutigen Geldpolitik. Denn die Forderung nach einer Geldgebühr auf Zentralgeld – er verwendet hier den eher fragwürdigen Laienbegriff “Umlaufsicherung” – zielt darauf ab, eine ansteigende Zinsstruktur bei einem insgesamt niedrigen Zinsniveau am Kapitalmarkt zu ermöglichen, und dies kann nicht ohne weiteres mit Inflation gleichgesetzt werden. Denn diese Gleichsetzung, die Jens Berger unterstellt, gilt nur in einer theoretischen Welt, in der sich alle Preise und Löhne im kontrollierten Gleichschritt verändern. Aber dies ist faktisch unmöglich, insbesondere die Löhne und Altersrenten würden den Preisen immer hinterherhinken. Darüber hinaus fehlt Jens Berger ein tieferes Verständnis der Politikinstrumente einer Zentralbank. Die Zielinflation z.B. auf 3% oder 4% zu erhöhen und zugleich als zentrales Steuerungsinstrument nur den Refinanzierungszinssatz zur Verfügung zu haben, ist eben nicht dasselbe, wie “Gesell’s Solution” (Willem Buiter, eprints.lse.ac.uk/848/1/liqnew.pdf). Diese besteht nämlich neben den weiter als Hauptinstrument dienenden Leitzinsen und einem nun deutlich niedriegeren Inflationsziel (0% wären möglich) jetzt zusätzlich aus einer im Zeitverlauf änderbaren Gebühr auf Zentralbankgeld. Diese Gebühr steht in diesem Fall dem Zentralbankrat als neues “Tiefpass-Instrument” (also als weiteres Steuerungsinstrument, das zwar selten, aber problemlos angepasst werden kann) zur Verfügung, um Deflation unschädlich zu machen und auch bei niedrigem Zinsniveau eine ansteigende Zinsstruktur zu gewährleisten. Regelmäßige Änderungen des Inflationsziels hingegen sind nicht möglich. Daher: Positive Zinsen lassen zwar Geldvermögen (und Schulden) wachsen, während Inflation Geldvermögen und Schulden real schrumpft. Aber geldpolitisch liegen zwischen einer nur schlecht steuerbaren Inflation und der “Gesell-Solution” mit ihrer Gleichmäßigkeit, Steuerbarkeit und Berechenbarkeit Welten.

Und es bleibt anzumerken (was Jens Berger leider auch nicht erwähnt): Es geht den “Zinskritikern”, natürlich nicht nur um eine stabile, berechenbare und nachhaltige Geld- und Finanzordnung, sondern auch explizit um die Abschöpfung anderer leistungsloser Einkommen, also insbesondere von Bodenrenten (sogenannte Differentialrente, z.B. in der Form von Pacht- und Mieteinnahmen), Förder- und Schürfrechten und der Kontrolle von (heute oft digitalen) Marktplätzen und Infrastrukturen. In diesen Bereichen entscheiden sich – nebem dem Geld- und Finanzmarkt – die grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen und damit gesellschafltichen Gerechtigkeit und Stabilität. Es sei hier nur beispielhaft auf Prof. Dirk Löhr und sein Einsatz für eine Bodenwertsteuer als erster Schritt zu einer gerechteren Boden- und Ressourcenordnung verwiesen.

Viele Grüße
Matthias Klimpel

(inwo.de/mitmachen/inwo-ev/vorstand-und-team.html#c386)


21. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Häring,
Sehr geehrter Herr Berger,

ich verstehe schon im Ansatz nicht, wie man die Geldschöpfung der Banken – die nichts anderes ist als ein Zahlungsversprechen auf Zentralbankgeld – mit der Situation eines Vermögens, dessen Bestandteile man in der Tat “verleihen” kann, vergleichen kann. Auch das Korn im Speicher, das Herr Häring anführt, ist mit der Kreditvergabe der Banken nicht zu vergleichen.

Der konzeptionelle Irrtum von Herrn Berger liegt in der Annahme, dass die Bank Geld “verleiht”.

In Wahrheit kauft sie den Kredit wie jedes andere verzinsliche Wertpapier und bezahlt mit dem eigenen Zahlungsversprechen = Giralgeld, vulgo “Geld”.

Erst der Kredit führt dazu, dass Geld in diesem Sinne entsteht: Die Bank braucht für die Geldschöpfung stets einen Geschäftsvorfall.

Der Kredit bedeutet also keinesfalls, dass die Bank “weniger Geld” hat.

Eine Diskussion über Zinsen im Zusammenhang mit “Geldverleih” scheint mir – Pardon – eine glatte Fehlgeburt.

MfG
Erik Jochem


22. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

Sie schreiben im Abschnitt “Zins aus Sicht des Kreditgebers”, dass ein Zins eine Risikoprämie und der Preis fürs Warten sei.
Zur Untermauerung Ihrer These würde ich mich über einen Nachweis in Form eines Briefes (oder auch E-Mail) Ihrer Bank freuen, die Ihnen mitteilt, dass Sie momentan nicht auf Ihr Geld zugreifen können, da Lieschen Müller dieses für ihren Hauskauf hat.

Scherz beiseite: Das Geld für Frau Müllers Hauskauf entsteht digital durch einen Knopfdruck. Für diese digitale Zahl verlangt die Bank, dass Frau Müller schön weiter unnütze Arbeit verrichtet und dabei Ressourcen verschwendet (= sog. “Mehrwert” schafft) und wenn sie ihren Arbeitsplatz/Einkommen verliert, erhält die Bank für diesen Knopfdruck ein Haus aus Stein. So macht man aus Luft Materie.

Beste Grüße!
Björn Gschwendtner


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